Protocol of the Session on May 15, 2014

Schön, dass wir jetzt eine intensive Diskussion führen.

Sehr geehrte Frau Kollegin, ich frage mich, ob Sie so mit dieser Lautstärke auch mit dem Repräsentant der Türken in Deutschland umgehen, wenn er diese Auffassung vertritt. Reden Sie doch einmal mit ihm. Wie kommt er denn zu dieser Äußerung? Diese Show, die Sie abziehen, können Sie sich sparen. Wir haben eine Meinung zu diesem Thema. Sie haben eine Meinung zu diesem Thema. Akzeptieren Sie unsere. Wir akzeptieren auch Ihre.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Hering das Wort. Ihre Redezeit beträgt noch 6 Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht bei der Frage des Beitritts der Türkei zur

Europäischen Union um Grundpositionen. Die Grundposition der Sozialdemokratie und der GRÜNEN lautet uneingeschränkt: Die Türkei gehört zu Europa.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das ist eine Grundsatzfrage. Wie wir zu ihr stehen und wie wir sie lösen werden – das ist meine feste Überzeugung –, wird darüber mit entscheiden, ob wir in unserem Kontinent in den nächsten Jahrzehnten in Frieden leben oder nicht. Ich halte das für eine ganz zentrale Frage.

Es gibt in der Gesellschaft eine Position, von der man sich mit klaren Worten distanzieren sollte. Es wird gesagt: Die Türkei gehört niemals zu Europa. So weit darf es nie kommen. – Auch diese Position gibt es in der Gesellschaft. Das ist eine rechtspopulistische Position. Von dieser muss man sich klar distanzieren. Diesen Unterschied muss man klar deutlich machen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wer überzeugter Europäer ist und den europäischen Gedanken in aller Konsequenz fortentwickelt mit der Zielsetzung, den Frieden in Europa dauerhaft zu sichern, der muss ein klares Signal an die setzen, die in der Türkei auf dem Taksim-Platz und woanders für die Bürgerrechte kämpfen und sagen: Wir werden immer an eurer Seite stehen, weil wir wissen, ihr seid ein Teil einer europäischen Kultur und europäischen Gemeinschaft.

Das muss die klare Position sein. Natürlich können wir die Verletzung von Bürgerrechten, der Pressefreiheit, das, was momentan in der Türkei stattfindet, nicht akzeptieren. Das muss kritisiert werden. Das ist aktuelles Regierungshandeln. Das darf man mit der Position der Menschen in der Türkei, ihrer Bevölkerung, nicht gleichsetzen. Die Menschen, die Kultur, das Staatsgebiet der Türkei gehören von ihrer Tradition – wer europaweit denkt – zu Europa. Das muss deutlich gemacht werden. Das sind die Formulierungen von ihnen, wo kommen wir denn dahin usw. Dann seien Sie vorsichtig, mit wem Sie in die Nähe gerückt oder missverstanden werden. Deswegen kommen Sie und sagen es, dann wäre es die gemeinsame Position.

Wir sehen die Schwierigkeiten, die es momentan in der Türkei gibt. Das muss kritisiert werden. Aber es gibt eine Grundposition. Wir sind der Auffassung, die Türkei gehört zu Europa. Unsere Zielsetzung ist, dass wir es erreichen, dass Beitrittsverhandlungen irgendwann positiv abgeschlossen werden, weil die Standards eingehalten werden. Das muss ein gemeinsames Ziel sein. Wenn dieses Signal gesetzt wird, auch an die islamische Welt, dass sie dazugehört, dass wir die Tür nicht zumachen, sie nicht außen vor bleiben, dann wird dies vielen in anderen Staaten helfen, die unsere Rechtskultur von Demokratie vertreten, und sie stärken.

Wenn die Tür zugemacht worden ist, wird das dort radikale Kräfte stärken. Deswegen geht es um Grundpositionen. Deswegen sollte man vorsichtig und genau formulieren, wenn man einen Antrag in den Landtag einbringt, welche Grundposition wir haben. Stellen Sie das klar,

und sagen Sie als Grundposition, Sie sind der Auffassung, die Türkei gehört zu Europa. Darum geht es.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer das Wort.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich will eigentlich nur diese vorgetragene Position nochmals sehr deutlich unterstützen. Man konnte zwischendurch den Eindruck erlangen, als würden Rot und Grün und die Landesregierung nicht für ein Europa in Freiheit und Frieden stehen. Das möchte ich dezidiert klären.

Selbstverständlich stehen wir für ein Europa der Freiheit und des Friedens. Ich glaube, dass ist in jedem Wortbeitrag von uns sehr deutlich und mehr als deutlich geworden. Selbstverständlich ist vollkommen klar, dass wir es nicht akzeptieren und tolerieren, dass in der Türkei Meinungsfreiheit beschränkt wird, die Gewerkschaften nicht frei sind, all die Dinge, die jetzt kritisiert werden und die auch Herr Bundespräsident Gauck öffentlich kritisiert hat.

Es ist im Moment doch gar nicht das Problem, dass wir hier unterschiedlicher Meinung wären. Wo wir allerdings unterschiedlicher Meinung sind – und das ist im Grunde die große Diskussion, wenn wir über die Europastrategie in Rheinland-Pfalz reden, ich sage dies auch noch einmal –, wir reden verstärkt über die Frage, machen wir der Türkei bei den Beitrittsverhandlungen die Tür zu oder macht man sie nicht zu. Da sagen wir, auch als Landesregierung, wir wollen die Tür nicht zumachen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das heißt natürlich trotzdem oder gerade, dass die Türkei nachlegen und beweisen muss, dass sie sich auf die Standards, auf die Wertegesichtspunkte der Europäischen Union einlässt. Deshalb plädieren wir dafür, dass wir sie an dieser Stelle fordern und auch zu Entscheidungen bringen. Im rheinland-pfälzischen Landtag können wir – obwohl es eine Koalitionsvereinbarung gibt – das nicht entscheiden. Ich zitiere, wie es in der Koalitionsvereinbarung auf der Bundesebene heißt: „Die 2005 aufgenommenen Verhandlungen mit dem Ziel des Beitritts sind ein Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt.“

Also auch in der aktuellen Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung ist die Aussage nicht, dass man der Türkei die Tür zumacht, sondern dass man diese Beitrittsverhandlungen konsequent weiterführt und die Tür offen lässt. Das bedeutet nicht, dass wir auch nur irgendwelche Abstriche in unseren Werten machen, sondern dass wir die Türkei in diesen Beitrittsverhandlungen

fordern und gleichzeitig ein deutliches Signal setzen. Wir wünschen uns, dass sich die Türkei in diese Richtung bewegt. Wir würden uns sehr freuen, dass sie sich so bewegt, dass sie die Grundrechte einhält und wir irgendwann sagen können, die Türkei gehört zur Europäischen Union. Das ist das eigentliche Ziel. Ob es gelingt, wissen wir nicht. Aber heute die Tür zuzumachen, finde ich vollkommen falsch.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Frau Abgeordnete Klöckner das Wort. – Sie haben noch – wenn ich das richtig sehe – 9 Minuten Redezeit.

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben eben beklagt, dass wir bei der Europastrategie zu intensiv über die Türkei reden. Wir wären schon längst fertig, wenn wir nicht als Rechtspopulisten beschimpft worden wären.

(Beifall der CDU)

Es geht darum: Ist es in einem solchen Parlament möglich, unterschiedliche Sichtweisen – ordentlich vorgetragen – auszutauschen? – Wenn wir in Rheinland-Pfalz über Europa nachdenken, dann habe ich bewusst Helmut Kohl als Ehrenbürger Europas bezeichnet; denn ohne die europäische Einigung wäre die deutsche Einigung nie möglich gewesen.

Wenn wir uns ernsthaft Gedanken machen, habe ich festgestellt, sowohl bei SPD, GRÜNEN als auch bei uns und auf der Regierungsbank, bei Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, dass wir in der Analyse, zumindest in der Beschreibung der Tatsachen, fast deckungsgleich sind. Wir alle zusammen sind für Meinungs- und Pressefreiheit im Antrag.

(Zuruf der Frau Abg. Schleicher-Rothmund, SPD)

Frau Schleicher-Rothmund, das ist genau das Problem.

Ich rede über Presse- und Meinungsfreiheit, und Sie rufen, wir reden doch über den Antrag. Man sieht, Sie haben den Antrag nicht gelesen, weil die erste Seite genau zu diesem Thema Stellung bezieht.

(Beifall bei der CDU)

Genau das ist das Problem. Sie sind in alten Schubladen. Sie haben ein Standbild, an dem Sie sich abarbeiten wollen. Lassen Sie sich ein auf gemeinsame Diskussionen. Wenn Sie es vielleicht nicht so sehen, ich habe den Eindruck gehabt, dass wir in diesem Hause der Meinung sind, dass jedem Menschen auf dieser Welt Meinungs-, Presse-, Religions-, Weltanschauungsfreiheit, Freiheit im Geschlecht zusteht und vieles andere auch. Wenn wir dieser Meinung sind und dafür kämpfen,

ist es doch angebracht, dass wir, wenn wir über eine Europastrategie sprechen und Bürger und Bürgerinnen in Deutschland haben, die mit uns über ihr Land, ihr Heimatland Türkei, reden, das ernst nehmen, was sie uns sagen, ihre Bedenken und Sorgen, was passieren könnte, wenn die Türkei Vollmitglied werden würde. Wenn wir das zur Sprache bringen und von Ihnen beschimpft werden, dann verlassen wir eines, nämlich ihren Anspruch auf Toleranz und Meinungsfreiheit anderer, weil Sie das hier nicht einhalten.

(Beifall der CDU – Ramsauer, SPD: Was passiert denn dann?)

Sie halten immer die Monstranz hoch, man soll tolerant sein, man soll Ihre Meinung akzeptieren. Aber warum können Sie nicht aushalten und akzeptieren, dass unsere Conclusio, wenn wir bei drei Viertel einig sind, dass so, wie die Türkei sich rückwärts bewegt hat, gerade die Intellektuellen in der Türkei, die Schriftsteller, gerade diejenigen, die bei uns zur Autorenlesungen sind, die Sie alle kennen, eine andere ist als Ihre.

In Berlin haben Sie ein Kraftfeld von türkischen Intellektuellen, die ständig hier sind. Ich kann Ihnen sagen, auch in meiner allernächsten Umgebung sind Menschen, die häufig in der Türkei sind, deren Bücher ins Türkische übersetzt werden. Glauben Sie mir, ein bisschen mitreden können auch andere, auch wenn sie nicht Mitglied der GRÜNEN sind. Nicht nur Sie haben die Moral abonniert.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD)

Deshalb will ich noch einmal eines deutlich sagen, wenn der neue oder der künftige – – –

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Wau, wau!)

Wissen Sie, das ist auch so ein Punkt, wenn man darauf nur noch antworten kann, ganz schön „Wau, wau!“. Das ist es wert, dass man es wirklich in das Protokoll aufnimmt. Frau Brede-Hoffmann hat gesagt: Wau, wau!

Ich finde, dass dieses Parlament mehr ist als nur „Wau, wau!“. Wenn wir die Rechte und die Freiheitsansprüche anderer Menschen im Parlament ansprechen, dann sollten wir das bitte auch ernst nehmen.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der zukünftige Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschlands, Herr Cinar, hat in einem Interview – jetzt müssen Sie sich wirklich noch einmal fragen, ob Sie Ihre Diffamierung uns gegenüber auch ihm gegenüber so formulieren würden – auf eine Frage der Journalisten der „F.A.Z“ gesagt, so, wie sich das Land – er meint die Türkei – gerade präsentiert, vor allem in Bezug auf die Menschenrechte, ist ein Beitritt unmöglich. –

Ich finde, man kann diese Meinung teilen, man muss sie auch nicht teilen wie die GRÜNEN.

Wir sagen nichts anderes.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Bitte lassen Sie doch Ihre Verblendung weg, nur weil die CDU über die EU redet, dass Sie sofort alles ablehnen.