Protocol of the Session on November 8, 2012

Demokratie muss ihren Bürgern aber auch etwas anbieten. Sie muss Spaß machen. Sie muss Appetit darauf machen, dass man sich an der Gestaltung unserer Gesellschaft beteiligen will. Dieser Prozess ist ebenfalls nicht gottgegeben, sondern für den muss man sich auch täglich einsetzen. Beteiligen, einmischen, mitreden, mitgestalten oder eben auch das viel genannte Wort „Partizipation“ müssen an vielen Stellen vorangebracht werden.

Wir in Rheinland-Pfalz sind dabei auf einem sehr, sehr guten Weg. Mitbestimmung findet in Kindertagesstätten, Schulen, Jugendparlamenten und eben auch in den Hochschulen statt. Erst Ende Oktober wurden einige Schulen in Rheinland-Pfalz als Modellschulen für Partizipation und Demokratie vom Bildungsministerium und von der Kinder- und Jugendstiftung ausgezeichnet. Wir von der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen alle Initiativen in diese Richtung und alle Instrumente, die die Beteiligung und den Spaß an der Beteiligung unterstützen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Leider müssen wir nun feststellen, dass ausgerechnet die Jugendorganisation der CDU ein wichtiges Partizipationsinstrument an den Hochschulen, nämlich die Verfasste Studierendenschaft, abschaffen will. Anfang Oktober in Rostock hat die Junge Union auf ihrem Deutschlandtag die Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft beschlossen. Dies mit der ignoranten Begründung, der AStA sei eine Selbstbeschäftigung im 35. Semester. Als weitere Begründung, die nur so vor Unwissenheit strotzt, wurde angeführt, dass das Geld besser bei der personellen und technischen Ausstattung der Hochschulen angelegt sei. Offensichtlich weiß man nicht, dass die Verfasste Studierendenschaft beitragsfinanziert ist. Man muss davon ausgehen, dass bei der Jungen Union auch einige Studenten sind.

(Pörksen, SPD: Das deutet aber nicht darauf hin!)

Das muss einen also doch schon schwer wundern.

Ganz schlimm ist, dass man offensichtlich auch gar keine Ahnung hat, welche Aufgaben die Verfasste Studierendenschaft wahrnimmt. Da möchte ich ein wenig vorlesen: Ihr obliegt es, die Meinungsbildung in der Gruppe der Studierenden zu ermöglichen, die Belange ihrer Mitglieder in Hochschule und Gesellschaft wahrzunehmen, die Studierenden bei der Durchführung des Studiums zu beraten, an der Erfüllung der Aufgabe der Hochschule, insbesondere durch Stellungnahme zu hochschul- oder wissenschaftspolitischen Fragen, mitzuwirken.

Für mich persönlich ganz wichtig ist, auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung die politische Bildung, das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft ihrer Mitglieder zur aktiven Toleranz sowie zum Eintreten für die Grund- und Menschenrechte zu fördern, kulturelle, fachliche, wirtschaftliche und so

ziale Belange ihrer Mitglieder wahrzunehmen, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Benachteiligungen hinzuwirken, die Integration ausländischer Studierender zu fördern und die überregionalen und internationalen Beziehungen zwischen Studierenden zu pflegen. Ein breiter Strauß von Aufgaben.

Das sind Aufgaben, die wir für sehr, sehr wichtig halten. Wir meinen, die Verfasste Studierendenschaft ist ein wichtiges Instrument der Partizipation und der Bürgerbeteiligung. Da ist das Ansinnen der Jungen Union ein unerträglicher Anachronismus, wenn man sich überlegt, wie viel heute darüber gesprochen wird, dass wir mehr Bürgerbeteiligung wollen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Wir fordern jetzt die rheinland-pfälzische CDU, konkret die Aspirantin auf einen Platz im Bundesvorstand der CDU, auf, darauf hinzuwirken, dass dieser Vorschlag der JU wieder zurückgenommen wird.

Dann möchte ich Ihnen noch eines sagen: Der Antrag, den Sie auf die Schnelle eingebracht haben, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Sie sind hingegangen und haben einzelne Passagen aus dem existierenden Hochschulgesetz herausgegriffen und wollen uns das als einen brauchbaren Alternativantrag vorlegen. Das Ganze ist vollkommen überflüssig. Wir werden doch nicht eine bestehende Gesetzgebung noch einmal neu beschließen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Wissen Sie was? Sie drücken sich vor einer politischen Positionierung. Weil demnächst eine Wahl ansteht, sind Sie nicht bereit zu sagen: Wir sind ganz klar gegen das Ansinnen der JU. – Davor drücken Sie sich. Sie sind nicht in der Lage, politisch zu einer so wesentlichen Fragestellung Position zu beziehen. Wir brauchen Partizipation, wir brauchen Demokratieverständnis überall, in den Kindertagesstätten, in den Schulen und auch in den Hochschulen. Machen Sie sich bitte dafür stark, und setzen Sie sich dafür ein, dass dieser Vorschlag der JU wegkommt!

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Heinisch von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gestern intensiv über die Stärkung der Jugendbeteiligung diskutiert. Es bleibt der Eindruck, dass Teile der Union ein grundsätzliches Problem mit diesem Ziel ha

ben. Eine Ausweitung des Wahlrechts durch Absenkung des Wahlalters lehnt die Union ab.

(Schreiner, CDU: Das war gestern!)

Besonders bemerkenswert ist, dass die Initiative dazu vom CDU-nahen Jugendverband, der Jungen Union, auf den Weg gebracht wurde. Ein besonderer Paukenschlag in diese Richtung war dann noch einmal, dass die Junge Union in ihrem neuen Grundsatzprogramm fordert, die Verfassten Studierendenschaften abzuschaffen. Wenn solche Forderungen im Raum stehen, sollen sie nicht unwidersprochen bleiben.

Deshalb sieht der vorliegende Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, dass wir uns als Landtag klar zu den Verfassten Studierendenschaften bekennen und uns unmissverständlich entsprechend aussprechen.

Die Mitwirkung der Studierenden in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung auf Fachbereichsebene und Hochschulebene steht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genauso außer Frage wie die studentische Selbstverwaltung mit Fachschaften, Studierendenparlamenten und Allgemeinen Studierendenausschüssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Hochschule in der Demokratie muss eine demokratische Hochschule sein. Die Satzungs-, Beitrags- und Finanzautonomie der Verfassten Studierendenschaften sowie auch die Unabhängigkeit der Wahrnehmung ihres politischen Mandats wollen und werden wir weiter gewährleisten.

Wir begrüßen vor diesem Hintergrund auch, dass Baden-Württemberg derzeit die Verfassten Studierendenschaften wieder einführt, nachdem diese 1977 unter dem ehemaligen NS-Militärrichter und späteren CDUMinisterpräsidenten Hans Filbinger abgeschafft worden waren. Auch in Bayern wird es weiter auf der politischen Tagesordnung bleiben, politische Mehrheiten zu organisieren, damit es wieder eine funktionierende studentische Vertretung gibt.

Es geht bei den Verfassten Studierendenschaften keineswegs nur um die Allgemeinen Studierendenausschüsse. Wer die Abschaffung fordert, fordert gleichzeitig auch die Abschaffung der Fachschaften, die bei der Einführung in das Studium, bei der Beratung und auch beim kulturellen Zusammenhalt von Instituten und Fachbereichen eine wichtige Arbeit leisten. Wer die Verfassten Studierendenschaften infrage stellt, stellt gleichzeitig die Arbeit der Fachschaften infrage.

Wenn wir über die Verfassten Studierendenschaften reden, reden wir auch über die Allgemeinen Studierendenausschüsse. Es sind diese, die dafür gesorgt haben, dass es ein bezahlbares, solidarisch finanziertes Semesterticket gibt, soziale Beratungsangebote, Darlehen- und Barbeihilfen, die dazu beitragen, soziale Problemlagen

zu bearbeiten, die immer wieder in der Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks offengelegt werden.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Sagen Sie in diesem Zusammenhang, dass das die Studierenden- werke machen!)

Natürlich ist es Aufgabe einer demokratischen Selbstverwaltung, den Studierenden eine Stimme und eine politische Vertretung zu geben. Es ist überhaupt Ausdruck eines haarsträubenden Demokratieverständnisses, wenn ein Jugendverband diese demokratische Vertretung nur als eine Kostenstelle ansieht und sagt, diese Kostenstelle soll abgeschafft werden.

(Schreiner, CDU: Ihr ertragt es nicht, dass die Junge Union 130.000 Mitglieder hat!)

Mit einer demokratischen Hochschulpolitik hat dieser Ansatz nichts zu tun.

Wir sollten also nicht darüber diskutieren, diese sinnvollen Einrichtungen abzuschaffen, sondern wir sollten uns vielmehr die Frage stellen, wie wir die Verfassten Studierendenschaften stärken können, auch in Zeiten der Bologna-Reform, in denen gewisse Voraussetzungen für studentisches Engagement neu bestimmt werden müssen.

Dabei sollten wir auch darüber reden, wie die Kompetenzen besser anerkannt werden können, die durch die Mitwirkung in der studentischen und akademischen Selbstverwaltung erworben werden.

Ich möchte noch einmal auf den CDU-Antrag eingehen. Es langt eben nicht, einfach aufzuschreiben, wie es derzeit ist, sondern es geht darum, eine politische Bewertung vorzunehmen und eine klare Stellungnahme für die Erhaltung der Verfassten Studierendenschaften, wenn diese angegriffen und infrage gestellt werden.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Biebricher von der CDUFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Heinisch, liebe Frau Schleicher-Rothmund, um die Wertung gleich an den Anfang zu stellen, Sie haben mit Ihrem Antrag das Thema verfehlt.

(Beifall der CDU)

Sie haben Fragen beantwortet, die niemand gestellt hat.

(Schreiner, CDU: So!)

Ihr Antrag entbehrt jeder Grundlage; denn Sie machen sich zum Retter und Bewahrer einer Sache, die in Rheinland-Pfalz überhaupt niemand infrage gestellt hat.

(Pörksen, SPD: Was?)

Sie beziehen sich auf einen Beschluss, den die Junge Union kürzlich in Rostock gefasst hat, den aber weder die CDU-Landtagsfraktion noch die CDU oder die JU in Rheinland-Pfalz teilt.

(Beifall des Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Junge Union meint und hat dazu erklärt – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –: Die pauschale Forderung nach Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft wird der komplexen Thematik der Hochschulpolitik und gleichsam dem gesamtdemokratischen Anspruch des größten politischen Jungendverbands Deutschlands nicht gerecht. Die Forderung der Abschaffung der politischen Mitbestimmung der Studenten kann nicht im Interesse der Jungen Union sein. Vielmehr ist es an uns, die Studenten unserer Generation durch couragierte Arbeit und Projekte für unsere Ideen für eine zukunftsfähige Hochschullandschaft zu begeistern.

(Beifall der CDU – Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Dann stimmen Sie mit unserem Antrag!)

Die durch die VS angebotenen sozialen und kulturellen Angebote sind zudem ein wichtiger Bestandteil des studentischen Lebens. – Zitat Ende.

Das sind klare Worte, die wir unterschreiben können, meine Damen und Herren.