Protocol of the Session on September 26, 2012

(Frau Schmitt, SPD: Und was sagen Sie den Rentnerinnen, die von der Versorgung nicht mehr leben können?)

Dafür, Frau Schmitt, können wir in der Politik viel tun. Also: Leistung vor Umverteilung!

(Beifall der CDU – Unruhe bei der SPD)

Ich meine, in diesem Zusammenhang sagen zu dürfen, Herr Kollege Köbler: Die rot-grüne Regierung unter dem von uns sehr geschätzten Bundeskanzler Schröder hat etwas beschlossen, und wir haben zusammen mit Ihnen eine Reform auf den Weg gebracht, die an der einen oder anderen Stelle vielleicht verbessert werden muss. Aber insgesamt waren Hartz und Hartz IV vom Gedanken her richtig.

Schauen wir uns die Zahlen an: Anfang 2007 gab es 1,73 Millionen Langzeitarbeitslose. Heute sind es 1,06 Millionen. Das sind immer noch zu viele, aber wir bewegen uns in die richtige Richtung.

Weiterhin haben wir bei den Vollzeitarbeitsverhältnissen heute in der Bevölkerung eine Quote von 42,8 %. 2007 waren es 42,9 % – vor der Krise. Es stimmt: Es gibt wesentlich mehr prekäre Arbeitsverhältnisse. Aber dieser Bereich verändert nicht die Struktur bei den Vollzeitarbeitsverhältnissen. Das müssen wir sehen. Deshalb sollte man das einfach auch nicht immer nur schlechtreden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dieses Thema viel grundsätzlicher angehen müssen. Wir müssen doch einmal durchdeklinieren: Warum gibt es in der Jugend

Armut, wo und weshalb? Armut im Alter – warum, wieso, weshalb? Was sind die Ursachen dafür?

Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen, das uns lange bewegt: Was ist denn mit den Müttern, die heute in Rente sind und bei denen die Erziehungszeiten in den Beiträgen nicht ausreichend anerkannt wurden, sodass sie heute tatsächlich eine sehr geringe Rente haben? Der generative Beitrag – das ist eine Forderung der Union – muss gestärkt werden! Wir brauchen für diese Menschen wieder mehr Einkommen.

(Beifall der CDU)

Ich würde Ihnen in der zweiten Runde – dafür werde ich diese dann auch nutzen – gern noch sagen, was dieses Land, diese Landesregierung eigentlich dafür tun könnte, dass wir aus diesem Armutsbericht unsere Konsequenzen ziehen.

Herzlichen Dank. (Beifall der CDU)

Ich erteile dem Kollegen Hendrik Hering das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer den Armuts- und Reichtumsbericht zur Kenntnis nimmt, wer die Zahlen analysiert und dann nicht alarmiert und auch betroffen darüber ist, wie in Deutschland die Schere immer weiter auseinandergeht und es immer ungerechter wird, und wer dann eine solche Rede hält wie Sie, Herr Baldauf, der dokumentiert, dass er ein Vertreter der Politik einer sozialen Kälte ist, wie sie die Rheinland-Pfalz-CDU auszeichnet.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Sie sind auch der Auffassung, dass Leistung sich lohnen muss und diejenigen, die sich besonders anstrengen und bemühen, höhere Einkommen bekommen und auch höheren privaten Wohlstand haben sollen.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Aber der Armuts- und Reichtumsbericht sagt Folgendes aus: 40 % der unteren Einkommen müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie an der Reichtumsentwicklung nicht teilhaben, dass Reallohnverluste entstehen. Das heißt, Leistungsträger unserer Gesellschaft – Krankenschwestern, Altenpfleger, Handwerker, die, die jeden Tag aufstehen und arbeiten – nehmen an der Reichtumsentwicklung nicht teil. Das muss einen betroffen machen. Wer das negiert, der ist ein Vertreter der Politik der sozialen Kälte.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Mich hat schockiert, wie massiv die Schere auseinandergegangen ist. 53 % des gesamten Vermögens sind auf 10 % der Bevölkerung verteilt. 50 % der Bevölkerung mussten jedoch zur Kenntnis nehmen, dass ihr Vermögensanteil von beklagenswerten 4 % nun noch auf 1 % gesunken ist.

Das heißt, der Anteil des Vermögens von 50 % der Bevölkerung hat sich auf ein Viertel dessen reduziert, was er noch vor zehn Jahren ausmachte.

Solche Nachrichten müssen einen schockieren. Das treibt die Gesellschaft auseinander. Eine Gesellschaft lebt doch davon, dass Menschen das Empfinden haben, es geht gerecht zu. Dieses Empfinden haben viele Menschen berechtigterweise nicht mehr. Wer das nicht zur Kenntnis nimmt, der muss ein Fragezeichen hinter sich selbst setzen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben diese Aufgabe immer wahrgenommen: Ein tragfähiges Fundament einer Gesellschaft ist, dass die Menschen das Empfinden haben, dass es gerecht zugeht und sich Regierungen darum bemühen. Das hat in Rheinland-Pfalz stattgefunden.

Auch das ist ein Grund dafür, dass wir in RheinlandPfalz gute Statistiken haben und wir das Land sind, in dem weniger Menschen als in anderen Ländern auf Sozialhilfe angewiesen sind und in dem mehr Menschen als in anderen Bundesländern Arbeit haben.

Immer dann, wenn es darum geht, Armut zu vermeiden oder den unteren Schichten der Gesellschaft etwas mehr zukommen zu lassen, dann sagt die CDU Rheinland-Pfalz: Nein. – Mindestlohn: Die CDU RheinlandPfalz sagt Nein.

(Bracht, CDU: Quatsch! Dummes Zeug!)

Denn Sie vertreten eine Lohnuntergrenze, die heißt – – –

(Bracht, CDU: Sie reden dummes Zeug, das wissen Sie auch! – Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Sie sagen zum flächendeckenden Mindestlohn Nein!

(Unruhe bei der CDU)

Herr Baldauf hat immer die These vertreten, dass er einen flächendeckenden Mindestlohn ablehnt. Punkt. Das ist die Auffassung des Herrn Baldauf, nachzulesen in mehreren Zeitungsinterviews.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Was Sie mit der Lohnuntergrenze vertreten, heißt, Sie akzeptieren, dass eine Friseurin in Sachsen mit 4 Euro Stundenlohn abgespeist wird. Das ist soziale Politik à la

CDU, eine Politik der sozialen Kälte. Wenn dies offengelegt wird, tut das vielleicht weh, das ist richtig.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Auch der Bericht Ihrer Bundesregierung sagt, man müsse prüfen, ob über Steuerprogression privater Reichtum für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden könne. Ein Satz, der richtig ist. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, der private Reichtum ist von 4,6 Billionen Euro auf 10 Billionen Euro gestiegen. Der Staat hat im gleichen Zeitraum ein Vermögen von 800 Milliarden Euro verloren. Die Menschen nehmen auch zur Kenntnis, dass der Staat mit hohen Milliardenbeträgen das Vermögen der Privaten gesichert hat, insbesondere das Vermögen der oberen Zehntausend der Gesellschaft. Da ist der Gedanke doch überlegenswert, wenn der Staat für die Vermögen eingestanden ist und sie gesichert hat, dann gehört zu einer sozial gerechten Gesellschaft, zu einem gerechten Handeln auch dazu, dass ein Teil des Vermögens mit herangezogen wird, um öffentliche Lasten zu tragen.

Das sind Steuerkonzepte, die von den Menschen akzeptiert werden und die durchdacht sind. Dafür steht auch eine sozialdemokratische, verantwortbare Politik. Sie machen eine andere Politik im Land. Das werden wir in weiteren Reden noch darstellen können. Sie stehen für eine Gesellschaft, in der Egoisten leben und von der nur wenige einen Vorteil haben. Das ist, auf den Punkt gebracht, die Gesellschaft, für die Sie stehen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Das Wort hat Frau Ministerin Dreyer. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen! Alle vier Jahre legt die Bundesregierung einen Armuts- und Reichtumsbericht vor. Eigentlich ist es auch alle vier Jahre so, dass intensiv darüber diskutiert wird. Was wir dieses Jahr erleben, ist allerdings schon etwas Besonderes – man könnte sagen, ein Eklat innerhalb der Bundesregierung, bevor der Bericht insgesamt eigentlich abgeschlossen ist.

Was einem wirklich graue Haare wachsen lässt, dieser Eklat entsteht nicht etwa deshalb, weil die Tatsachen, die dort gesammelt sind und analysiert werden, schon erschreckend sind. Nein, der Eklat entsteht, weil Teile der Bundesregierung tatsächlich befürchten, dass neue Belastungen auferlegt werden. Herr Hering hat es eben noch einmal ganz klar gesagt, es gibt Passagen im

Armuts- und Reichtumsbericht, die dazu führen könnten – und eindeutige Aussagen dazu machen –, dass man überlegen müsste, ob man zu einer Umverteilung in unserer Gesellschaft kommen sollte. Sie haben dazu geführt, dass es diese Querelen innerhalb der Bundesregierung gibt. Das, meine Damen und Herren, ist absolut nicht zu akzeptieren, und es ist eigentlich auch mehr als empörend.

Es zeigt auch, welche Prioritäten diese Bundesregierung setzt, und dass es nicht darum geht, wie es tatsächlich mit der Armut und dem Reichtum in unserer Gesellschaft bestellt ist. Es geht nur darum, dass sich die Regierung irgendwie zusammenrappelt, am Ende doch nicht handlungsfähig ist und nicht vergisst, dass sie ihr Klientel mit dem bedenkt, was sie tut.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Sehr gut!)

Ich spare mir eine nähere Analyse der Bundesregierung. Das Theater, das wir seit vielen Monaten gezeigt bekommen, ist mehr als erschreckend. Frau von der Leyen inszeniert sich immer geschickt als Anwältin der Armen und der Armutsgefährdeten. Am Ende wird es wahrscheinlich irgendeinen Achtungserfolg geben, der aber den Armen nicht wirklich hilft. Ein gutes Beispiel dafür ist die Zuschussrente.

Der Vizekanzler erklärt wiederum der Nation, dass die Reichen im Grunde schon heute unseren Sozialstaat sichern und man ihnen keinesfalls noch einmal andere Bürden auferlegen kann. Die Kanzlerin tut wie immer erst einmal nichts und steht dazwischen. Sie wird irgendwann eine Lösung verhandeln, die den einen nicht wehtut und den anderen nicht hilft. Das ist bei diesem Bericht und bei diesem Thema mehr als bedauerlich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Über den Beitrag von Herrn Baldauf bin ich etwas erstaunt. Man hatte – ehrlich gesagt – das Gefühl, dass dieser Armuts- und Reichtumsbericht von irgendjemand, den wir nicht kennen, erstellt worden ist. Das war Ihre Ministerin auf Bundesebene, die normalerweise auch in diesem Plenum hoch geschätzt ist. Ihr können Sie eigentlich auch zutrauen, dass sie technisch ordentlich arbeitet.

Der Bericht enthält 700 Seiten Aussagen. Wenn Sie an manchen Punkten sagen, das gefällt Ihnen von der Systematik her nicht, ist das okay. Aber wenn Sie sich von dem Bericht distanzieren, indem Sie so tun, als wäre er von jemand, den wir nicht kennen, unordentlich gemacht worden, dann ist das eine ziemlich schwache Herangehensweise an diese wichtigen Aussagen.