Protocol of the Session on September 26, 2012

Der Bericht enthält 700 Seiten Aussagen. Wenn Sie an manchen Punkten sagen, das gefällt Ihnen von der Systematik her nicht, ist das okay. Aber wenn Sie sich von dem Bericht distanzieren, indem Sie so tun, als wäre er von jemand, den wir nicht kennen, unordentlich gemacht worden, dann ist das eine ziemlich schwache Herangehensweise an diese wichtigen Aussagen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Herren und Damen, dabei sind die Aussagen des 4. Armuts- und Reichtumsberichtes total klar. Auch der Handlungsbedarf ist klar. Es ist von den Kollegen Hering und Köbler schon gesagt worden. Was

uns wirklich umtreiben sollte, ist die Ungleichheit in Deutschland. Sie nimmt immer mehr zu.

Das Privatvermögen in Deutschland ist sehr ungleich verteilt. Das ist alles schon referiert worden. Nicht nur die Vermögen, sondern auch die Einkommen entwickeln sich so. Diejenigen, die viel verdienen, deren Einkommen werden höher. Diejenigen, die wenig oder sehr wenig verdienen, haben reale Lohnsenkungen erlebt. Die Einkommensspreizung hat in den letzten Jahren zugenommen. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer.

Dabei ist es nicht so eindimensional, wie es Minister Rösler oder Kommentatoren behaupten, nämlich dass die Reichen geschont werden müssen, weil sie den Sozialstaat finanzieren. Nein, die Armuts- und Reichtumsberichterstattung belegt ganz klar, dass in Deutschland eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet. In den letzten zehn Jahren haben sich die Vermögen der Reichsten zulasten der weniger Wohlhabenden und auch des Mittelstandes vervielfacht.

Ich sage es auch. Man kann es leid sein, wenn man immer wieder hört, wir wollen keine Umverteilung, und dabei ignoriert, dass dieser Staat mit seinem Steuersystem so aufgebaut ist, dass es jeden Tag eine Umverteilung gibt, und zwar von unten nach oben. Dann kann man nicht so argumentieren, wie sie es tun.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Man sollte die Fakten wahrnehmen und überlegen, warum die Vermögen in den letzten Jahren gewachsen sind, die Armut größer geworden ist und die Mittelschicht nicht mehr davon profitiert hat. Reichtum ist doch per se kein Problem an sich. Es sei doch jedem gegönnt, wenn er reich ist. Diese komischen Debatten, die wir heute gar nicht gehört haben, aber die man immer wieder hört, das sei eine Neiddiskussion, sind doch völlig absurd.

Es geht doch nicht darum, Reiche zu enteignen und ihnen den Reichtum nicht zu gönnen. Das Problem ist, dass es zu viele in unserer Gesellschaft gibt, die nicht von ihrem Einkommen leben können und nicht umfassend teilhaben können. Das sagt dieser Bericht ganz klar aus.

Ich finde es fast noch schlimmer, dass sie in unserer Gesellschaft keine Chancen haben aufzusteigen.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Dieser Bericht sagt eindeutig, dass einmal arm fast immer arm bedeutet. Das, was seitens der Landesregierung getan wird, nämlich eine gute Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik und eine gute Politik in allen möglichen Bereichen, führt nicht zwingend dazu, dass man ein Stück aufsteigen kann.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Liebe Kollegen und Kolleginnen, dem steht dann auch noch gegenüber, dass der Staat und die öffentlichen

Haushalte immer ärmer werden. Das hat der erste Bericht ganz klar gesagt.

(Baldauf, CDU: Wenn man natürlich den Nürburg- ring finanziert, wird man ärmer!)

Herr Baldauf, damit kommen Sie heute nicht durch. Man könnte banal sagen, dass sich nur Reiche einen Armenstaat leisten können. Es ist wirklich die Wahrheit. Ich zitiere Ihnen aus dem Bericht, damit es nicht heißt, wir würden alles erfinden:

Im Zuge der Rettungsmaßnahmen anlässlich der Finanz- und Wirtschaftskrise ist eine Verschiebung privater Forderungen und Verbindlichkeiten in staatliche Bilanzen feststellbar. In der Folge ist der Schuldenstand der staatlichen Haushalte im Jahr 2010 auf rund 83 % des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Ohne die Krise hätte er bei rund 70 % gelegen.

Wenn ich heute die Banker nach dem Motto höre „Wir haben damit nichts mehr zu tun, und wir haben die Krise in Deutschland gut überwunden“, kann man das nicht so stehen lassen. Der Staat hat damals einen Kraftaufwand an den Tag gelegt und unheimlich viel Geld in die Hand genommen, um die Krise zu bewältigen. Dann muss man den Staat in der Zukunft anders ausstatten, damit er seine Aufgaben bewältigen kann.

Natürlich gilt es, dass wir sparen müssen. Das Schuldenmachen ist keine Antwort darauf. Dafür plädiere ich auch nicht. Wir müssen uns aber ernsthaft überlegen, wofür der Staat da ist und wie viel Einnahmen der Staat braucht, um seine Aufgaben zu erfüllen.

In dem Armuts- und Reichtumsbericht sehen wir auch, dass wir den Ausbau der Kindertagesstätten wollen. Wir wollen Ganztagsschulen. Wir wollen ein besseres Bildungssystem.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU – Ministerpräsident Beck: Dieser Zwischenruf zeigt, dass Sie keine Ahnung haben! Das tut nur noch weh!)

Wir wollen Hilfen für die Armen. Der Staat zahlt für viele Arme staatliche Förderungen, damit sie ihr Einkommen sichern können.

Wir wissen, dass der demografische Wandel neue Herausforderungen auf uns zukommen lässt. Deshalb kann es nicht sein, dass ein Staat, der auf der Einnahmeseite nicht ausreichend ausgestattet ist, um diese Ausgaben bewältigen zu können, das unkritisch sieht.

Ich hätte noch viel zu dem Thema zu sagen. Aber der Herr Präsident hat uns vorher schon ein bisschen zur Räson gebracht.

Ich möchte noch einen Satz sagen. Heribert Prantl hat das in seinem Kommentar ausgedrückt. Er hat gesagt, die Ungleichheit darf ein gewisses Maß nicht überschreiten, sonst geht sie in Unfreiheit über.

Meine Damen und Herren, ich finde, das ist ein wirklich guter Satz. Ich habe schon lange nicht mehr so oft in

den Zeitungen den Artikel 14 Abs. 2 gelesen. Viele Kommentatoren haben an diesen Artikel erinnert, in dem es heißt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, dass man die Frage, inwieweit man Vermögen stärker einbeziehen kann, um den Staat handlungsfähig zu machen, beantwortet. Die Landesregierung hat dazu eine glasklare Meinung. Ich finde, dass die Bundesregierung herumeiert und nur eine Sorge hat, nämlich die Frage zu beantworten: Wie schaffen wir es noch als Gesamtregierung, irgendwie über die Runden zu kommen? Probleme löst man damit allerdings nicht.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Kollege Köbler. Er hat statt zwei Minuten jetzt noch drei Minuten Redezeit. Die SPD-Fraktion hat auch drei Minuten und die CDU-Fraktion vier Minuten Redezeit. Damit ist die Redezeit der Landesregierung ausgeglichen.

(Baldauf, CDU: Da kann ich mir ja noch was aufschreiben! – Ministerpräsident Beck: Denken wäre noch besser!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste! Herr Baldauf, ich fand es interessant, dass Sie sich in dem öffentlich ausgetragenen Streit zwischen der CDUMinisterin von der Leyen und FDP-Minister Rösler auf die Seite der FDP geschlagen haben. Ich denke, das können Sie noch einmal innerparteilich klären.

Sie haben gesagt, dass Sie gegen eine Umverteilung und für Leistung sind. Ich will Ihnen aber sagen – Frau Ministerin Dreyer hat es angesprochen –, dass Ihre Regierung doch umverteilt, und zwar von unten nach oben. Sie kürzen die Umsatzsteuer für Hoteliers. Gleichzeitig werden die Mittel für Langzeitarbeitslose um ein Drittel gekürzt. Das ist ganz klar. Die Reichen bekommen mehr. Für die Armen ist weniger übrig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie haben mir einen Ansatzpunkt gegeben. Vielleicht kommen wir noch ein bisschen zusammen. Sie haben gesagt, bei diesen 0,1 %, die in Saus und Braus leben, könnte man einmal heran. Ich will Ihnen einmal die Zahl sagen. 1 % der Bevölkerung in Deutschland hat ein Privatvermögen von fast 3 Billionen Euro.

Zum Vergleich, die gesamtstaatlichen Schulden liegen bei 1 Billion Euro. Da müssen wir ran. Es ist ein guter Weg, wenn die GRÜNEN-Bundestagsfraktion diese

Woche die Vermögensabgabe als Gesetz mit dem klaren Ziel einbringt, dass die Kosten, die wir haben, zur Überwindung der Finanzkrise, insbesondere der Bankenrettung, auch von denen mitfinanziert werden, die davon profitiert haben. Es sind nämlich die Vermögenden, die ihre Gelder bei den Banken angelegt haben und am meisten davon profitieren, dass die Steuerzahler die Banken gerettet haben. Deswegen ist es richtig, die Vermögenden an der Finanzierung dessen zu beteiligen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Glauben Sie mir, es reicht nicht, nur von der Staatsschuldenkrise zu reden. Wir haben in Deutschland und europaweit vor allem ein Gerechtigkeitsproblem, und wir haben auch eine Verteilungskrise. Demokratische Staaten mitten in Europa, in denen die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, werden zukünftig ein Problem bekommen. Deswegen dürfen Sie dieses Problem nicht trivialisieren.

Ich glaube, wir brauchen deswegen die Vermögensteuer auch für die Länder, weil wir die Zukunftsinvestitionen zur Armutsbekämpfung vor Ort leisten. Das sind die Investitionen in Bildung. Das ist konkret die Investition in Teilhabegerechtigkeit, auch das, was wir den Kommunen zukommen lassen müssen.

Ich finde es richtig, wenn in einer Größenordnung von 1 % diese Vermögenden, die 10 Billionen Privatvermögen in Deutschland haben, mit einem kleinen Beitrag dazu beitragen, damit es in diesem Land etwas gerechter zugeht und die Zukunft für alle Menschen in diesem Land einigermaßen rosig aussieht. Deswegen ist es richtig, an die Besteuerung von Vermögen heranzukommen.

Herr Baldauf, treten Sie dem näher, dann kommen wir vielleicht auch irgendwann zusammen, weil eine Volkspartei wie die CDU hält das irgendwann nicht mehr aus.

(Glocke des Präsidenten)

Deswegen hoffe ich, dass Sie mit der Zeit zur Einsicht kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Baldauf. – Wie gesagt, vier Minuten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Köbler, das war jetzt alles schon ein bisschen softer als in der ersten Runde, auch etwas