Protocol of the Session on June 21, 2012

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Pörksen, SPD: Genau!)

Dann kommt Frau von der Leyen daher und sagt, das ist alles kein Problem, wir können 28.000 – insbesondere die Frauen – auch zu Erzieherinnen und Pflegerinnen umschulen. Erstens ist hier von Frau Dreyer dargestellt

worden, dass man mit Sicherheit einen kleinen Teil der Betroffenen möglicherweise mit solchen Maßnahmen erreicht, aber eben nicht den überwiegenden Teil, schon allein auch aus Vorqualifikations- und Altersgründen.

Jetzt muss aber Frau von der Leyen auf Nachfrage der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einräumen, dass dieses Vorhaben überhaupt nicht bundesweit finanziert ist. In Rheinland-Pfalz sind wir da gut aufgestellt. Dafür danke ich der Landesregierung ausdrücklich. Aber in acht Bundesländern gibt es dafür keine Finanzierung. Dann ist ein solcher Vorschlag – es tut mir wirklich leid – gerade für die Menschen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Niedersachsen, Brandenburg, Berlin, Thüringen und Sachsen ein blanker Zynismus und nichts weiter als ein PR-Gag von Frau von der Leyen. Sie ist eben gut auf Hochglanzbroschüren, aber wenn es um konkretes sozialpolitisches Handeln geht, dann fällt sie meistens aus.

Meine Damen und Herren, das wird die Kosten noch weiter hoch treiben, was wir jetzt zu erwarten haben. Ich will darauf in der zweiten Runde zurückkommen, aber ich sage auch schon jetzt, man muss sozialpolitisch nicht die gleiche Meinung haben, aber auch volkswirtschaftlich ist das Verhalten der FDP – um es einmal so zu sagen – einfach nur dumm gewesen,

(Glocke des Präsidenten)

weil die Kosten, die wir jetzt haben, die wir bei der Arbeitsagentur haben, die wir in den Sozialversicherungen haben, wesentlich höher sind als die Risiken, die wir gehabt hätten, wenn wir eine Bürgschaft für eine Transfergesellschaft gemacht hätten.

Dazu mehr in der zweiten Runde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Frau Kollegin Thelen von der CDU-Fraktion hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist sicherlich ein trauriger Anlass, über den wir heute hier sprechen. Damit das nicht falsch interpretiert wird, will ich vorweg sagen: Wir bedauern sehr jeden Menschen, der seinen Arbeitsplatz verliert. Dass in Rheinland-Pfalz von der Insolvenz der Schlecker-Kette, der XXL-Märkte und der Kette „Ihr Platz“ ab dem 1. Juli brutto etwa 1.300 Menschen, überwiegend Frauen, betroffen sein werden, ist höchst bedauerlich.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD – Frau Klöckner, CDU: Lassen Sie sie doch mal ausreden!)

Wir wissen, es stehen Schicksale – Familien – dahinter. Ich glaube, wir alle sind in der Verantwortung, sie mög

lichst schnell wieder in eine Beschäftigung zu vermitteln, mit der sie ihre Existenz sichern können.

(Beifall der CDU)

Aber was ist denn passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Eine große, bundesweit – sogar international – tätige Drogeriekette hatte den Markt nicht richtig im Auge. Man hat einen riesengroßen Aufstieg hingelegt und ganz viele kleine Filialen in ganz vielen kleinen Orten eröffnet. Dabei hat man nicht gemerkt, dass sie für den Kunden nicht mehr adäquat waren.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Man hat auch seine Mitarbeiter miserabel behandelt. Man hat in den Filialen oft nur eine Mitarbeiterin eingesetzt. Man hat damit fast zum Ladendiebstahl eingeladen. Wir alle können uns an die manchmal fast wellenhaft durchgeführten Ladendiebstähle und an die Überfälle auf Schleckerfilialen erinnern. Wir können uns an die Debatte über die Löhne bei Schlecker erinnern. Wir können uns an die Debatte über die Probleme erinnern, dort überhaupt Betriebsräte zu gründen. Ich sage: Das alles hat nicht dazu beigetragen, das Image dieses Unternehmens zu verbessern, im Gegenteil.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Darum geht es überhaupt nicht! – Ministerpräsident Beck: Sie sagen, die Arbeitnehmer sind selber dran schuld!)

Nein, ich sage überhaupt nicht, dass die Arbeitnehmer schuld daran sind. Legen Sie mir diese Worte nicht in den Mund.

(Beifall der CDU – Ministerpräsident Beck: Genau das haben Sie eben gesagt! – Frau Klöckner, CDU: Das macht er gern: Worte in den Mund zu legen!)

Nein, Herr Ministerpräsident, ich habe gesagt, dass dieses Unternehmen seine Leute schlecht behandelt hat, ist zu Recht öffentlich geworden, und das macht bei den Käuferinnen und Käufern nicht den besten Eindruck. Das sind die Fakten.

(Frau Klöckner, CDU: Deshalb ist zum Boykott aufgerufen worden!)

Ich will auf den Boykott gar nicht eingehen. Aber Fakt ist, er hat nicht dazu beigetragen, dass sich das Unternehmen wieder gesund entwickelt.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Das Ergebnis ist: Das Unternehmen ging in Insolvenz. Man hat über eine Transfergesellschaft diskutiert. Sie kam nicht zustande. Es ist müßig, heute über die Argumente pro und kontra zu diskutieren. Das hilft den Betroffenen nicht.

(Pörksen, SPD: Wir haben Druck ausgeübt!)

Wo stehen wir heute? Wie sieht der Arbeitsmarkt aus? – Ich bin ganz froh, dass ich im Frühjahr an die Landesregierung eine Anfrage speziell zu dem Thema „Handel“ gestellt habe, um zu erfahren, wie der Arbeitsmarkt in Rheinland-Pfalz aussieht. Ich kann Ihnen sagen – das ist keine große Beruhigung, aber es rückt die Dinge ins rechte Licht und zeigt auf, was im Lande in der Realität tagtäglich, Woche für Woche geschieht –: Der Arbeitsmarkt im Bereich Handel ist außerordentlich bewegt. Das heißt – ich habe die Zahlen ab April 2010 abgefragt –, wir haben immer Zugänge in diesen Arbeitsmarkt. Es gab zwischen 800 und 1.100 neue Arbeitslose im Handel.

Gleichzeitig hat es Vermittlungen in diesem Arbeitsmarkt in der gleichen Größenordnung gegeben. In der letzten Zeit – im März – war die Zahl der Vermittlungen in diesen Arbeitsmarkt höher als die Zahl der Zugänge in die Arbeitslosigkeit. Von daher ist das ein sehr bewegter Arbeitsmarkt. Ich denke, darin wird auch, neben allem anderen, was unsere Arbeitsagenturen leisten können, eine Chance für die Betroffenen liegen.

Herr Kollege Biebricher, Herr Dr. Fuchs und ich hatten letzte Woche ein Gespräch in der Arbeitsagentur Koblenz. Ein weiterer Vorteil der Insolvenz von Schlecker ist vielleicht die breite regionale Verteilung im Land. Es ist nicht eine einzige Stadt betroffen, indem durch die Insolvenz eines Unternehmens 1.300 Arbeitsplätze verlorengehen. Vielmehr sind die Verluste bei den Arbeitsplätzen ganz breit über das Land verteilt. Selbst in der großen Arbeitsagentur Koblenz sind jetzt nur 40 Betroffene zu verzeichnen. Die Arbeitsagentur ist selbstverständlich in der Lage, sich individuell und gut um diese Menschen zu kümmern: Chancenprofile zu erstellen und zu schauen, mit welchen Qualifizierungsmaßnahmen ihnen weitergeholfen werden kann und wo sie einen passenden Arbeitsplatz bekommen. – Man bemüht sich auch sehr, den privaten Hintergrund mit zu berücksichtigen: Wie sieht es mit der Befristung der Arbeitsplätze aus? Welche Möglichkeiten kann man bieten?

Es ist sicherlich eine Hilfe, wenn hier das Personal seitens der Landesregierung verstärkt wird. Ich finde, das ist eine interessante Idee. Wir werden im Ausschuss sicherlich noch einmal darüber reden, um zu erfahren, wie es ab dem 1. Juli etabliert werden konnte. Wir haben eben von der Frau Ministerin gehört, dass das Paket dann startet.

Wir sind gespannt, ob den Kolleginnen, die betroffen sind, mit vereinten Kräften geholfen werden kann. Wir sind optimistisch, dass viele in absehbarer Zeit wieder ein gutes Arbeitsverhältnis finden werden.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich habe inzwischen die Zahlen recherchiert, was die Bürgschaft für die Transfergesellschaft betrifft. – Bin

ich jetzt dran oder nicht? – Entschuldigung. Ich habe gerade das Schweigen um mich herum wahrgenommen.

Bitte. Eigentlich steht noch Frau Dr. Machalet auf der Rednerliste. Sie hat jetzt auch das Wort für die SPDFraktion. Frau Ministerin, ich wollte Sie nicht gleich unterbrechen. Alles das darf bei uns vorkommen.

Frau Dr. Machalet, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Thelen, Sie werden verstehen, dass wir nicht ganz so optimistisch sind wie Sie, was die Vermittlung der Schlecker-Beschäftigten betrifft. Ich will jetzt aber gar nicht viel zu den Zahlen sagen. Ministerin Dreyer hat vorhin die aktuelle Situation der SchleckerBeschäftigten umfassend dargestellt. Uns wurden vorhin auch schon viele Fragen dazu beantwortet. Das brauche ich jetzt nicht zu wiederholen.

Aber mir ist es wichtig, hier auch noch einmal zu sagen – Kollege Köbler hat schon darauf hingewiesen –: Wir haben jetzt die Situation, dass genau das eingetreten ist, was wir vorhergesehen haben für den Fall, dass die Transfergesellschaft scheitert. Es ist ganz schwierig, die Beschäftigten – vor allem Frauen – wieder in vernünftige Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Wir können das überall sehen und lesen. Wir können es, wenn wir mit den Beschäftigten sprechen, in den kleinen Filialen überall hören, und wir können auch, wenn wir uns die Kommentare im Internet anschauen, lesen, wie verzweifelt diese Leute sind und welche Befürchtungen dahinter stehen. Da stehen wirklich Existenzen auf dem Spiel – Häuser wurden zum Beispiel gebaut –, weil das Geld einfach fehlt. Es sind enorme Ängste vorhanden.

Wir können nur sagen, dass die Bundesregierung hier unserer Auffassung nach in Gänze versagt hat. Das Thema „FDP“ ist das eine. Aber ich hätte mir durchaus auch von Frau Merkel und anderen Mitgliedern der Bundesregierung gewünscht, dass sie sich stärker ins Zeug legen und signalisieren, dass ihnen die Arbeitsplätze der Frauen in den kleinen Filialen vor Ort nicht egal sind.

(Beifall der SPD)

Ich habe gesagt, das Ganze hat vor allem für Frauen in Rheinland-Pfalz fatale Auswirkungen. Aber ein Aspekt ist heute Morgen noch gar nicht behandelt worden – Frau Thelen hat ihn angesprochen –: die Struktur von Schlecker. Es gibt viele kleine Filialen in vielen kleinen Orten. Sie reden doch die ganze Zeit über den demografischen Wandel und darüber, wie wir es schaffen, die Ortskerne und die Versorgungsstrukturen vor Ort zu erhalten. Es gibt in meinem Wahlkreis – ich denke, das ist auch bei Ihnen so – ganz viele Orte, in denen Schlecker wirklich der einzige Laden ist. Da wäre es auch eine Chance gewesen, zu sagen: Wir müssen schauen, dass wir dort eine Struktur vielleicht sogar ausbauen und das viel stärker mit dem Thema Nahversorgung verbinden. –

Das wäre eine Chance gewesen, die jetzt leider hinüber ist. Ich bedauere das sehr, weil ich sehe, dass viele ältere Menschen in ihren Orten überhaupt keine Einkaufsgelegenheit mehr haben.

(Beifall der SPD)

Ich bin der Landesregierung wirklich sehr dankbar dafür, dass sie sich in den letzten Wochen so intensiv um das Thema gekümmert hat, auch wenn der Erfolg, was den Bund angeht, nicht so ist, wie wir es uns hier alle gewünscht hätten.

Ich möchte auch noch einmal auf die Lohndiskussion eingehen. Auch Sie, Frau Thelen, haben es eben wieder angesprochen: Ich finde, es ist schon ein bisschen merkwürdig, wenn wir, nachdem öffentlich über schlechte Arbeitsbedingungen und den Umgang mit Mitarbeitern diskutiert wurde und ganz viele Frauen in diesem Unternehmen aufgestanden sind und gesagt haben „Wir wollen einen Tarifvertrag, wir kämpfen dafür“ – der kommt auch –, ihnen jetzt sagen: Hättet ihr euch mit eurem Elend abgefunden, hättet ihr jetzt noch einen Job.

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU)

Ein Wort noch zu dem Vorschlag, die Schlecker-Frauen als Erzieherinnen einzusetzen, was grundsätzlich nicht falsch ist. Das ist heute Morgen schon mehrfach gesagt worden. Was passiert, wenn man einen Vorschlag einfach „heraushaut“, ohne ihn kommunikativ vernünftig vorzubereiten?

Ich habe entsetzte Anrufe von Erzieherinnen und Erziehern bekommen und auch viele Gespräche in der Kita meiner Tochter mit den Erziehern geführt. Diese haben mich Folgendes gefragt: Wissen die eigentlich, was wir hier leisten und welche Qualifikation vorausgesetzt wird?

Ich bin dankbar, dass Frau Dreyer heute Morgen noch einmal klargestellt hat, dass es darum geht, dass die Ausbildungsdauer so bleibt. Die Frage der Finanzierung muss noch geklärt werden.