Protocol of the Session on June 21, 2012

So weit die Antwort der Landesregierung.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Steinbach.

Sehr geehrte Frau Staatsministerin, wie hoch war das Bürgschaftsvolumen, das zur Einrichtung der Transfergesellschaft erstens im Bund insgesamt und zweitens für das Land Rheinland-Pfalz ausgebracht werden sollte?

Jetzt muss ich wirklich einmal scharf nachdenken und blicke einmal kurz zum Ministerpräsidenten, ob er es noch im Kopf hat.

(Ministerpräsident Beck schüttelt verneinend den Kopf)

Es ist schon wieder ein paar Wochen her. Das Bürgschaftsvolumen war aus unserer Sicht damals auf jeden Fall absolut überschaubar. Ich weiß es nicht mehr. Ich müsste es nachliefern. Also der Anteil von RheinlandPfalz bewegte sich um eine Million. Kann das sein?

(Staatssekretär Dr. Barbaro: 1,6!)

Der Staatssekretär des Finanzministeriums rettet mich. Der Anteil von Rheinland-Pfalz an der Bürgschaft wäre 1,6 Millionen Euro gewesen, wenngleich ich vielleicht in dem Zusammenhang betonen muss, dass damals die spanischen Filialen noch nicht verkauft waren. Diese sind inzwischen verkauft. Sie sind auch gut verkauft worden. Diese haben zur Verfügung gestanden, um damit die Transfergesellschaft zu finanzieren. Wir hätten nur im Rückgriff im Rahmen einer Bürgschaft haften müssen.

(Ministerpräsident Beck: Rückbürgschaft!)

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Köbler.

Frau Ministerin, wir haben gehört, die Bürgschaft hätte für das Land Rheinland-Pfalz ein bis zwei Millionen Euro bedeutet. Wie hoch sind denn nun die Kosten der Insolvenz bzw. der Verhinderung der Transfergesellschaft für den Steuerzahler? Sind die 133 Millionen Euro, die dem „Handelsblatt“ und anderen Medien dieser Tage zu entnehmen waren, das Ende der Fahnenstange, was über den Daumen gepeilt für den rheinland-pfälzischen Steuerzahler 6,5 bis 7 Millionen Euro bedeuten würde?

Wir haben in der ersten Kündigungswelle, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Transfergesellschaft stand, erlebt, dass das, was propagiert worden ist – ich habe es eben gesagt –, nämlich dass diese Frauen ohne Weiteres vermittelbar sind, nicht stimmt.

Diese bekommen im Moment Arbeitslosengeld I. Die Gefahr ist sehr groß, dass wir es nicht schaffen werden – wir arbeiten daran, dass das nicht eintritt –, dass alle Frauen vermittelt werden und damit nicht früher oder später auf das Arbeitslosengeld II angewiesen sind.

Ich glaube, insofern geht die Rechnung am Ende keinesfalls auf. Es hätte sich wirklich gelohnt zu investieren. Letztendlich wird die Gesellschaft das insgesamt zu tragen haben, was mit 25.000 Frauen geschieht, die nicht von heute auf morgen alle wieder in Arbeitsverhältnisse kommen. Die Schlussrechnung wird man am Ende machen. Im Moment sind das alles nur Schätzungen und Einschätzungen.

Bevor ich Herrn Kollegen Baldauf das Wort erteile, begrüße ich als Gäste auf der Zuschauertribüne Mitglieder der VdK-Ortsgruppe Wissen, Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 des Gymnasiums am Römerkastell Bad Kreuznach und Frau Melanie Steger, Quizgewinnerin anlässlich der Wanderausstellung „Der Landtag Rheinland-Pfalz“, Station Frankenthal, mit Begleitung. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Baldauf.

Frau Ministerin, ich komme zu der ursprünglich einmal angedachten Transfergesellschaft. Können Sie etwas dazu sagen? Es wird immer kolportiert, diese sei auch deshalb nicht zustande gekommen, weil einige Bedenken gehabt hätten, dass die Zahlen stimmen würden oder der Insolvenzverwalter alles offengelegt hätte.

Ich sage sehr gerne etwas dazu. Wenn sich ein Minister Schäuble und eine Ministerin von der Leyen für die Transfergesellschaft einsetzen – diese waren letztendlich unmittelbar in der Kommission beteiligt; die Finanzminister und der Ministerpräsident waren auch einbezogen – und wir als Minister und Ministerinnen noch einmal überprüft haben, ob man diesen Zahlen trauen kann, die bis zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen haben, kann man davon ausgehen, dass das alles vorgeschobene Argumente sind.

Es gab einen einzigen Grund, weshalb die Transfergesellschaft nicht zustande gekommen ist. Der ist rein politisch motiviert gewesen. Er ist ausschließlich an der FDP festzumachen. Sowohl Herr Rösler als auch die FDP-Minister in den Ländern, die nicht mitgemacht haben, haben das geschürt und sich geweigert, dieser Transfergesellschaft zuzustimmen. Die CDU-Kollegen von Ihnen hatten nicht die Kraft zu sagen, dass dies ein wirklich wichtiges Thema für Deutschland ist.

Wir hatten noch nie einen solch großen Konkurs. Wir setzen in unserer Koalition diese Frage durch, völlig egal, was der einzelne FDP-Minister aus ideologischen und wahltaktischen Gründen zum damaligen Zeitpunkt für richtig erachtet hat. Die Menschen tragen die Schuld daran, dass damals die Transfergesellschaft nicht zustande gekommen ist.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Ich will auch noch ergänzen – ich habe es vorhin schon einmal gesagt –, dass wir bei den Ländern und auch beim Bund nur über eine Bürgschaft gesprochen haben. Damals ist glaubhaft belegt worden, dass die Bürgschaft

aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht zum Zuge kommt. Wir haben im Nachfolgeverfahren erlebt, dass die spanische Filiale, die damals geschätzt war, verkauft werden konnte, und es relativ unwahrscheinlich gewesen wäre, dass eine Bürgschaft überhaupt zum Zuge kommt. Es war eine reine Ideologie der FDP, dass ihre Form der Ordnungspolitik eine solche Maßnahme nicht zulässt. Das war der einzige Grund, weshalb das abgelehnt worden ist.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ramsauer, SPD: So ist das!)

Eine Zusatzfrage der Kollegin Frau Anklam-Trapp.

Frau Ministerin, für wie wirksam halten Sie den Vorschlag von Frau Ministerin von der Leyen, die SchleckerMitarbeiterinnen zu Erzieherinnen und Gesundheits- und Krankenpflegerinnen umzuschulen?

Ich habe vorgestern an einer Betriebsversammlung von Schlecker in der Region Koblenz teilgenommen. Es waren viele Frauen dagewesen. Man sollte es sich einfach einmal antun, mit diesen Frauen zusammenzutreffen. Diese befinden sich nach wie vor in einer großen Schockstarre. Man kann schon sagen, dass sie über ganz unterschiedliche Voraussetzungen verfügen.

Ich habe das bereits erwähnt. Es gibt Frauen, die keinen Berufsabschluss haben, die wieder irgendwo in den Verkauf möchten. Es gibt Frauen, die sagen, ich bin noch jung genug, auch mit 45 Jahren – ich sage das ganz deutlich –, ich arbeite noch 20 Jahre und möchte gerne das Angebot annehmen, eine Umschulung durchzuführen. Es gibt andere Frauen, die sagen, es ist mir eigentlich völlig egal, was ich tue, aber ich muss meinen Lebensunterhalt bewerkstelligen.

So ordne ich auch den Punkt „Altenpflegerin und Erzieherin“ ein. Ich betone, es gibt in allen Bereichen keine Umschulung – auch nicht in Rheinland-Pfalz –, die nicht den normalen Standard der Umschulung aufweist. Wenn also jemand zur Erzieherin oder Altenpflegerin umgeschult wird, wird da das gleiche Niveau angelegt, wie wir es immer angelegt haben und das der schulischen Ausbildung entspricht.

Ich betone aber auch, die Altenpflegerin und Erzieherin wird nicht die Lösung für dieses Massenproblem sein. Wir haben es mit Frauen mit ganz unterschiedlichen Biografien zu tun. Viele von ihnen bringen gar nicht die Voraussetzungen mit, um in einen solchen Beruf einzusteigen und dazu eine Umschulung zu absolvieren.

Das bedeutet, der einzige Weg ist, dass man individuell berät, man Aufwand betreibt und man herausfindet, was können und wollen die Frauen. Darunter wird es einige geben – darüber würde ich mich freuen –, die Altenpflegerin oder Erzieherin werden. Es wird aber viele andere geben, die die Voraussetzungen dafür nicht mitbringen und daher diesen Weg nicht gehen können.

Das wäre der Vorteil der Transfergesellschaft gewesen – ich betone das noch einmal –, weil wir ein halbes Jahr Zeit gehabt hätten, in einem strukturierten Rahmen die Frauen zu begleiten, für sie Optionen zu entwickeln und sie auf dem Weg mitzunehmen, vielleicht etwas ganz anderes neu anzufangen. Diese Chance haben wir schlicht und ergreifend vertan. Nicht wir haben diese Chance vertan, sondern die anderen. Das sage ich an der Stelle noch einmal ganz deutlich.

Es folgt eine Zusatzfrage von Frau Kollegin Thelen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, worin sehen Sie denn den wesentlichen Vorteil einer Transfergesellschaft in Bezug auf die Zukunftsperspektiven für die betroffenen Frauen? Was hätte eine Transfergesellschaft leisten können, was nicht auch jede Arbeitsagentur vor Ort heute bei der Betreuung der Schlecker-Betroffenen tut?

Eine Transfergesellschaft hat sehr, sehr viel mehr die Möglichkeit, auf die individuellen Belange der Menschen einzugehen. Wir haben in der Vergangenheit genug Transfergesellschaften zu den unterschiedlichsten Bereichen gehabt. Wir haben auch jetzt Transfergesellschaften. Das heißt, die Frauen sind einerseits abgesichert, aber andererseits haben sie die Möglichkeit, sich auf diesem Weg begleiten zu lassen, und zwar ganz individuell.

Die Arbeitsverwaltung ist glücklich darüber, dass wir als Landesregierung die Kümmerer in die Agenturen zusätzlich hinzugeben. Wir sind uns an dieser Stelle zu 100 % einig: Wir werden die Schlecker-Frauen nur vermitteln können, wenn es ein intensives Einzelcoaching dieser Frauen gibt. – Auch wenn Arbeitsvermittler individuell beraten, haben sie nicht die Kapazität und die Möglichkeit, ein intensives, länger angelegtes Einzelcoaching zu machen, wie es in einer Transfergesellschaft möglich wäre. Deshalb sind wir gemeinsam zu der Idee gekommen zu sagen, wir flankieren die Arbeitsvermittlung mit den Kümmerern, die dann persönliche Fragen zu lösen haben.

Ich nenne einmal ein paar Beispiele. Das sind Frauen, die mitten im Leben stehen. Sie haben irgendwo eine Wohnung, sind nicht mobil und bekommen dann von der Arbeitsagentur einen Job angeboten – dafür kann die Arbeitsagentur nichts – im Koblenzer Raum bei

VAPIANO als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Dort werden 7,50 Euro pro Stunde bezahlt. Die Frau, um die es konkret geht, ist 45 Jahre alt, hatte vorher einen Lohn von rund 16,00 Euro pro Stunde, mit dem sie ihr Leben regeln konnte. Das geht dann natürlich nicht. Man muss sich dann die Zeit nehmen und sich mit der Biografie der Menschen auseinandersetzen und weiter überlegen. Das ist wirklich eine sehr große Herausforderung für das ganz normale Geschehen in der Arbeitsvermittlung.

Eine Zusatzfrage von Herrn Kollegen Schmitt.

Frau Ministerin, wenn Sie die Transfergesellschaft den Maßnahmen der normalen Arbeitsagenturen vorziehen, frage ich: Wie sieht das die Landesregierung? Sind unsere normalen Arbeitsagenturen nicht gut genug ausgerüstet, um Menschen, die arbeitslos werden, zu vermitteln und sie ordentlich in ein neues Berufsleben zu begleiten? Müsste da der Maßnahmenkatalog oder die Ausrichtung der Arbeitsagenturen geändert werden?

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Herr Dr. Weiland, auch Sie durch Ihren Zwischenruf, Sie machen da eine ganz komische Kiste auf.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die BA war – sprechen Sie bitte mit Frau Schulz, sprechen Sie mit den Agenturleitungen – absolut unserer Meinung. Sie hätten sich eine Transfergesellschaft gewünscht, mit der man natürlich andere Möglichkeiten hat, die Personen, die arbeitslos sind, intensiv zu begleiten. Selbstverständlich macht die Arbeitsagentur jetzt das, was sie kann.

Sie ist in Rheinland-Pfalz aus meiner Sicht sogar sehr, sehr engagiert tätig. Trotzdem sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es eine gute Sache ist, dass wir uns gemeinsam überlegen, wie man die individuelle Beratung, das Einzelcoaching intensivieren kann, weil vieles mit den vorhandenen Kapazitäten am Ende doch nicht möglich ist.

Die Frauen bringen multiple Problemstellungen mit sich. Es ist völlig egal, ob es um die Kindererziehung geht, ob es um die mangelnde Mobilität geht, ob es um das Alter geht oder ob es um die Frage geht, kann ich mich psychosozial noch einmal darauf einlassen, einen ganz anderen Weg in meinem Leben einzuschlagen. Das sind intensive Problemlagen, mit denen man sich intensiv befassen muss. Da ist die Arbeitsverwaltung froh darüber, dass wir gemeinsam etwas tun.

Bitte verschonen Sie mich also davor, den Eindruck zu vermitteln, dass wir ein Problem mit der Arbeit der Agentur hätten.

(Dr. Weiland, CDU: Völliger Quatsch!)