Protocol of the Session on December 8, 2011

(Staatsministerin Frau Dreyer: Ja!)

Sollen wir die Tarifautonomie nach unten außer Kraft setzen?

(Ministerpräsident Beck: Ja!)

Wollen Sie sagen, unter 8,50 Euro gibt es keine Tarifautonomie?

(Ministerpräsident Beck: Das haben wir bei der Arbeitszeit, das haben wir beim Mindesturlaub, das haben wir beim Kündigungsschutz!)

Ja, kommen wir einmal direkt zur Arbeitszeit. Wissen Sie, dass in Deutschland offiziell niemand länger als 48 Stunden in der Woche arbeiten darf? Der darf nicht angestellt werden.

(Ministerpräsident Beck: Ich habe doch gesagt, wir haben gesetzliche Regelungen!)

Ja, das ist auch eine Regelung.

Wir müssen aufpassen, dass wir die Tarifparteien nicht so einengen, dass sie gar nichts mehr zu sagen haben. Dann brauchen wir gar keine Gewerkschaften mehr.

(Ministerpräsident Beck: Ach!)

Die brauchen wir dann nicht mehr. Sie argumentieren immer nur halb. Halbe Argumentationen gelten nicht.

Lassen Sie uns den Mindestlohn in aller Ruhe so gestalten, dass er an einer festen Größe festgemacht werden kann. Ich bleibe dabei, das muss 25 % bis 30 % über der Grundsicherung sein. Dann hat man eine Größe, an der man das festmachen kann.

(Ministerpräsident Beck: Wenn Sie so rechnen, kommen Sie auf 8,50 Euro! So gehen die Rechnungen nämlich!)

Ich habe bei der Berechnung knapp darunter gelegen. Das habe ich an der Stelle schon gesagt.

Lassen Sie uns das an der Größe festmachen. Dann ist sie immer davon abhängig, dass man die Grundsicherung erhöhen muss, wenn man den Mindestlohn erhöhen will. Dann bewegt man sich nämlich nicht im politischen Feld. Das politische Feld nach dem Motto „Im Koalitionszwang SPD, GRÜNE und LINKE müssen wir 10 Euro als Mindestlohn festlegen“, will die CDU nicht.

(Beifall der CDU – Fuhr, SPD: Wie berechnen Sie es dann?)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Hering das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann sich die Frage stellen, weshalb die CDUFraktion bei der Reihenfolge der Wortmeldungen und vielem anderen Schwierigkeiten hatte und man dort sehr hektisch auf diesen Antrag reagiert hat.

(Frau Klöckner, CDU: Was für ein Quatsch!)

Ja, Sie haben auch sehr hektisch reagiert.

(Frau Klöckner, CDU: Wieso reden Sie erst jetzt dazu?)

Frau Klöckner, Sie haben noch gar nicht dazu geredet. Dazu haben Sie aber gleich noch die Gelegenheit.

Sie haben deshalb hektisch reagiert, weil beim Antrag zum Paketdienst und in der Anhörung deutlich wird, dass das, was Sie auf dem Bundesparteitag beschlossen haben, eine große Scheinheiligkeit ist, die dort auf den Weg gebracht worden ist. Das wollen Sie nicht offengelegt haben. Das ist Ihr Problem bei der Debatte.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Billen, Sie haben in der Kenntnis, dass 85 % der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland für einen Mindestlohn sind, weil sie der Auffassung sind, dass Menschen, die vollschichtig arbeiten, in der Lage sein müssen, davon zu leben – das gehört zur Würde von Arbeit dazu –, mit vielen anderen nach einem langen Diskussionsprozess diese Position in der CDU vertreten und haben öffentlich zu Ihrer Position gestanden. Sie müssen jetzt zur Kenntnis nehmen, dass sich die, die wie Herr Baldauf gegen einen Mindestlohn sind – ein Herr Fuchs –, im Ergebnis durchgesetzt haben. Damit müssen Sie leben. Das ist das Problem, das Sie haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: So ist es!)

Ich will es konkret sagen: Nach der Beschlusslage des CDU-Bundesparteitages, nach Ihrem Antrag zur Lohnuntergrenze, ist das in Ordnung, was in Sachsen per Tarifvertrag vereinbart wurde, nämlich dass eine Friseuse in der Stunde 3,04 Euro verdient. Das ist nach Auffassung der CDU in Ordnung und durch einen von einer Gewerkschaft verhandelten Tarifvertrag legitimiert. Das ist das, was Sie an Mindestlohn und als Untergrenze vertreten.

(Billen, CDU: Nein!)

Herr Billen, das ist bei Weitem nicht mehr das, was Sie früher vertreten haben. Sie haben bei Ihrer Auffassung eine Kehrtwende gemacht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: Sehr richtig!)

Es ist auch nicht legitim, wenn Sie sich darüber beschweren, dass Menschen, die im Bewachungsgewerbe tätig sind, aufgrund von Ausschreibungen auch öffentliche Liegenschaften bewachen. Es gibt auch hier einen Tariflohn, der sich auf 5,36 Euro beläuft. Nach Beschlusslage des CDU-Bundesparteitags ist das in Ordnung, und es muss nicht mehr Lohn gezahlt werden. Auch diese Menschen werden mit unwürdigen Löhnen abgefunden. Herr Billen, das halten Sie für in Ordnung.

(Billen, CDU: Nein!)

Dazu haben Sie die Hand gereicht. Sie haben Ja dazu gesagt, dass dieser Mensch für 5,36 Euro in RheinlandPfalz arbeiten muss. Dazu haben Sie Ja gesagt.

(Beifall der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Billen, CDU: Nein! Sie werden sehen, dass das nicht so ist!)

Doch, Herr Billen. Das ist die Wahrheit. Manchmal tut die Wahrheit weh, wenn sie gesagt wird.

Die 8,50 Euro sind nicht willkürlich gewählt worden, sondern es ist errechnet worden, was ein Mensch benötigt, um in Deutschland würdevoll leben zu können. Es soll ein anständiges Entgelt dafür bekommen, dass er vollschichtig den ganzen Tag arbeitet.

Die 8,50 Euro bedeuten, dass ein Mensch, der ständig in einem Beschäftigungsverhältnis steht und vollschichtig arbeitet, am Lebensende wird bilanzieren müssen, dass er eine Rente erhält, die unter dem Existenzminimum liegt. Deshalb dürfte klar sein, dass das wirklich die Untergrenze für einen anständigen Lohn ist. Daher müssen diese Mindestarbeitsbedingungen einheitlich in Deutschland festgelegt werden. Deshalb vertreten wir einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie wissen auch – gerade Sie, Herr Billen, weil Sie vorher eine andere Auffassung vertreten haben –, dass insbesondere Personen, die im Paketdienst arbeiten oder die im Bewachungsgewerbe eine Beschäftigung finden wollen, nicht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, die in hohem Maße organisiert sind. Deshalb sind die Gewerkschaften nicht in der Lage, für diese Bereiche anständige Löhne auszuhandeln. Daher muss die Politik im Interesse der Menschenwürde eingreifen und diese Mindestbedingungen festlegen. Einen anderen Weg gibt es nicht.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Deutschland in den nächsten drei Jahren den Mindestlohn bekommen werden, weil die Menschen insbesondere nicht die Scheinheiligkeit der Beschlusslage in der CDU akzeptieren werden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Einen Punkt will ich allerdings aufgreifen, den wir auch abfragen werden. Ich bin der festen Überzeugung, Sie

werden sogar Schwierigkeiten bekommen, die Lohnuntergrenze – das ist Ihre Bezeichnung – mit der FDP zu vereinbaren. Man muss einmal sehen, ob überhaupt das umgesetzt wird, was Sie auf Ihrem Bundesparteitag beschlossen haben.

Ich bin einmal gespannt, wenn wir wirklich den Weg gehen sollten, Privatisierungen im Land Rheinland-Pfalz im Überwachungs- oder im Reinigungsgewerbe rückgängig zu machen, wie die Position der rheinlandpfälzischen CDU hier im Landtag sein würde, wenn wir diesen konkreten Vorschlag machten.

Wir haben das Zitat von Ihnen aufmerksam zur Kenntnis genommen. Wir werden darauf gegebenenfalls bei den späteren Beratungen noch einmal zurückkommen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Baldauf, CDU: Bei den Beamten?)

Herr Kollege Köbler, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zu zwei Aspekten noch einmal Stellung nehmen: Das eine ist – da bin ich Herrn Ministerpräsidenten Beck sehr dankbar, dass er es ausgeführt hat; ich habe es vorhin schon einmal gesagt –: Herr Baldauf, ich möchte von Ihnen nie wieder die unredliche Behauptung hören, dass dieses Land auf der einen Seite den Mindestlohn propagiere, ihn auf der anderen Seite aber nicht zahle.

Sie haben es vorhin gehört: Wenn man über Moral spricht, muss man auch über Schuld reden. Eines ist ganz klar geworden: Schuld daran, dass in einigen Bereichen das Land bisher, wenn es Aufträge vergeben hat, keinen Mindestlohn hat sicherstellen können, ist nicht etwa die Landesregierung, sondern es ist schlicht und ergreifend der Tatsache geschuldet, dass es keinen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn gibt. Schuld daran trägt also die Blockadehaltung von Schwarz-Gelb in Berlin, Herr Baldauf. Nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)