Der Alternativantrag der SPD-Fraktion – Drucksache 15/4571 – wurde ebenfalls an den Ausschuss für Bildung und Jugend – federführend – sowie an den Sozial
politischen Ausschuss überwiesen. Der Ausschuss für Bildung und Jugend hat ihn im Rahmen seiner 36. und 37. Sitzung beraten. Auch hierzu wurde das Anhörverfahren durchgeführt.
Der Sozialpolitische Ausschuss hat den Antrag in seiner 44. Sitzung am 26. August 2010 beraten. Die Beschlussempfehlung lautet: Der Antrag wird angenommen.
Ich darf nun die ver.di-Betriebsgruppe der Senioren aus dem Westerwald sowie Mitglieder des SPD-Ortsvereins Harxheim begrüßen. Seien Sie willkommen in Mainz!
Vielen Dank! Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die CDU hat einen Antrag für bessere Bildungs- und Teilhabechancen für behinderte Kinder in Rheinland-Pfalz gestellt. Ziel unseres Antrags war es, die Menschen, die unsere besondere Fürsorge brauchen, in den Mittelpunkt zu stellen. Wir wollten Klarheit über unsere Position, aber auch über die Position der anderen Fraktionen schaffen. Beides ist geschehen.
Unser Antrag hat, wenn dies auch bestritten wurde, eine klare Aussage: Wir wollen das gleiche Elternwahlrecht für Kinder mit Behinderungen, wie es auch für Kinder ohne Behinderungen gilt. Nur dann nehmen wir auch beide Gruppen ernst.
Wir wollen es dann, wenn es den besonderen pädagogischen und entwicklungspsychologischen Erfordernissen des einzelnen Kindes Rechnung trägt. Wir wollen es so, wie es zum Beispiel die übergreifende Schulordnung zum Übertritt aus der Orientierungsstufe in die weiterführende Schule für Kinder ohne Beeinträchtigungen regelt. Dort heißt es: Grundlage der Schullaufbahnempfehlung sind das Lernverhalten und die Leistungsentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung der Schülerin oder des Schülers. Widersprechen die Eltern dieser Einstufung, ist ihr Wunsch zu berücksichtigen. Die Klassenkonferenz entscheidet nach einer Beobachtung von mindestens sechs Wochen nach Unterrichtsbeginn, spätestens nach einem halben Schuljahr, endgültig. – Das, was für Kinder ohne Beeinträchtigung gilt, verehrte Kolleginnen und Kollegen, muss auch für Kinder mit Beeinträchtigungen gelten.
Ich möchte eine zweite Aussage machen: Wir wollen die Wahlfreiheit erhalten. Zur Wahlfreiheit gehört auch, die Wahl zu haben. Dazu gehören der Erhalt von unterschiedlichen Lernorten, auch von unterschiedlichen Förderschulen, und ganz klar der bedarfsgerechte Ausbau von integrativen Systemen, damit gelten kann: Für jeden das Richtige ist nicht für alle das Gleiche. –
Dazu gehört weiter, dass wir ganz bewusst in unserem Antrag auf eine Präferenz für die eine oder andere Schulform verzichtet haben, wie es zum Beispiel im Antrag der SPD zu finden ist, in dem sie sich gegen die Förderschulen und ganz klar für die Regelschulen ausspricht, indem alle Kinder in der Grundschule eingeschult werden.
Frau Brede-Hoffmann, wir haben ganz klar unsere Position dargestellt, wie wir Zukunft gestalten wollen mit verlässlichen und verständlichen Aussagen. So jedenfalls sehen das die Menschen, die sich damit auseinandergesetzt haben, nicht immer zustimmend, ohne Zweifel. Vereinigungen wie „Eine Schule für alle“, wie die GEW oder auch der Landeselternbeirat haben diesen Positionen nicht zugestimmt; denn sie stehen für die Abschaffung des gegliederten Schulsystems. Aber sie haben genau verstanden, was wir wollen. Hingegen wirft der Antrag der SPD – offensichtlich auch unter Mitwirkung der FDP – teilweise Nebelkerzen auf und führt zu Unsicherheit und Unklarheit. Was Sie wollen, muss man sehr genau suchen.
Sie haben eine Beschreibung des Ist-Zustands in Rheinland-Pfalz. Sie stellen dort fest, dass das Angebot von Förder- und Schwerpunktschulen Wahlfreiheit ermöglicht und unterschiedliche, am Wohle des einzelnen Kindes orientierte Förderorte biete. Das ist der Stand in Rheinland-Pfalz. Das ist das, was wir als CDU-Fraktion unterstützen und auch beibehalten wollen.
Aber einen Absatz vorher beschreiben Sie Ihre Visionen: In Rheinland-Pfalz findet Lernen lebenslang gemeinsam statt, in den gleichen Schulen, in den gleichen Kindergärten. „Eine Schule für alle“. Das ist die Vision im SPDAntrag. Ich weiß nicht, ob Sie im Duden einmal nachgeschaut haben, was denn unter „Vision“ steht. Ich schließe einmal im Sinne der SPD die Übersetzung „Erscheinung“ zu Ihren Gunsten aus, ebenfalls auch „Traumbild“. Dann bleibt nur noch eine Übersetzung, die bedeutet: „Zukunftsentwurf“.
Frau Kollegin Brede-Hoffmann, Sie haben das im Bildungsausschuss auch ganz klar definiert. Ziel müsse sein, dass alle Kinder in Schwerpunktschulen unterrichtet werden.
die sich auf einem SPD-Parteitag in Trier ähnlich geäußert hat, dass Menschen mit Behinderungen künftig
nicht mehr in Sondereinrichtungen untergebracht werden sollen. Das war das Zitat. Wissen Sie, das hört sich alles sehr nett an. Wir schließen niemanden mit Behinderungen aus, wir lassen alle teilhaben, wir integrieren alle. Das ist auch unser Wunsch.
Ich komme gleich zum Ende. – Aber wenn man mit den Menschen aus der Praxis spricht, dann ist es nicht so einfach. Deswegen wünschen wir uns weiter Wahlfreiheit und Wahlmöglichkeiten in einer differenzierten Schullandschaft mit der Aufforderung verbunden, verbindliche und transparente Qualitätskriterien – –
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dickes, ich bitte Sie sehr um Verständnis dafür, dass ich auf Ihre Rede weiter gar nicht eingehen will, weil das eine komplett andere Wahrnehmung dessen ist, was wir im Ausschuss diskutiert hatten. Ich habe das Gefühl gehabt, dass wir im Ausschuss inhaltlich wesentlich enger beieinander waren als das, was Sie jetzt hier gesagt haben. Ich bedauere das sehr, weil ich glaube, weil wir alle glauben, dass dieses Thema nicht zum politischen Streit taugt.
Die Anhörung zum Thema „Inklusion in rheinlandpfälzischen Bildungseinrichtungen“ hat uns ganz klar gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und hat unsere Argumentation bestärkt, dass der Weg des Ausbaus der Schwerpunktschulen ein richtiges und wirkungsvolles Instrument ist, Integration und Inklusion in der Bildung voranzutreiben.
Grundlage für unseren Antrag – ich glaube, das muss noch einmal gesagt werden – ist der Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Die Vision – genau das ist es, was wir in unserem Antrag noch einmal dargelegt haben –, die in diesem Akti
onsplan bei der Umsetzung formuliert wird, ist ganz klar: Lebenslanges gemeinsames Lernen von Menschen mit und ohne Behinderung. Das geht nur, wenn die Gesellschaft die Barrieren beseitigt, Barrieren in tatsächlicher, materieller und greifbarer Art und Weise, aber noch viel mehr die Barrieren in den Köpfen.
Wir sind mit dem kontinuierlichen Ausbau der Schwerpunktschulen – ich habe das gesagt – auf einem guten Weg. Dort findet mit fachlicher Bündelung von sonderpädagogischer Kompetenz zum einen die gezielte und individuelle Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung statt. Zum anderen sind auch die sonderpädagogisch ausgebildeten Lehrkräfte eine Bereicherung für das Kollegium insgesamt und ermöglichen praktischen Wissenstransfer. Das nützt dann nämlich allen Schülerinnen und Schülern, unabhängig von ihren Begabungen und Fähigkeiten.
Die Überwindung der strukturellen Ausgrenzung behinderter Menschen, wie sie die UN-Konvention definiert, wird nur dann gelingen, wenn wir in der Gesellschaft auf allen Ebenen zu einem selbstverständlichen Miteinander kommen. Dazu dürfen wir nicht das Anderssein herausstellen, sondern die Vielfalt muss unzweifelhaft gesamtgesellschaftlich anerkannt sein.
Deshalb begrüßen wir, dass die Landesregierung als erstes Bundesland ein Jahr nach der Ratifizierung der UN-Konvention einen Aktionsplan zur Umsetzung der Ziele vorgelegt hat, die breit diskutiert und im breiten Partizipationsprozess mit möglichst vielen Menschen erstellt und diskutiert wurden und werden. Dieser Plan findet bundesweit Anerkennung mit dem Bildungsschwerpunkt als einem der zentralen Ziele.
Individuelle Förderung ist nicht nur seither eine wichtige Säule der rheinland-pfälzischen Bildungspolitik. Das zeigt sich in der Entwicklung der Geschichte der Schwerpunktschulen insgesamt. Rheinland-Pfalz ist im bundesweiten Vergleich bereits heute schon an der Spitze der Länder zu sehen, denen es am ehesten gelingt, Kinder mit Förderbedarf in der Regelschule zu integrieren. Darauf müssen wir aufbauen, um uns der Vision des lebenslangen gemeinsamen Lernens schrittweise zu nähern.
Deshalb wird die inklusive Bildung bei uns weiter ausgebaut. Uns ist entscheidend, was die Eltern möchten und was gut für das Kind ist. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen,
Uns ist wichtig zu betonen, dass Bildung nicht erst in der Schule anfängt, sondern auch im frühkindlichen Bereich, also von Anfang an verankert sein muss mit allen bei der Erziehung und Bildung beteiligten Personen. Dazu gehören neben dem weiteren Ausbau von integrativen Kindertagesstätten, Krippen oder Frühförderung auch die Verankerung inklusiver Bildung in den Bildungs- und
Erziehungsrichtlinien sowie die Verankerung sonderpädagogischer Inhalte in der Ausbildung und Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher und auch der Lehrerinnen und Lehrer.
Ein zentrales Anliegen in unserem Antrag ist – da widerspreche ich Ihnen ganz deutlich; es ist ein zentrales Anliegen und auch klar zu sehen –, den Eltern behinderter Kinder ein Wahlrecht zu ermöglichen, an welcher Schule sie ihr Kind beschulen lassen wollen.
Dazu muss einerseits das System der Schwerpunktschulen wohnortnah ausgebaut werden, andererseits ist damit aber klar, dass qualifizierte Förderschulangebote erhalten bleiben müssen, wenn Eltern von betroffenen Kindern dieses Angebot wünschen und brauchen.
Unbestreitbar ist allerdings auch angesichts der Schulentwicklung und der demografischen Entwicklung insgesamt, dass Schulangebote von Veränderungen betroffen sein werden. Im Moment findet der Elternwille nämlich da seine Grenzen, wo es nicht genügend wohnortnahe Plätze an Schwerpunktschulen gibt.