Protocol of the Session on December 10, 2009

Wir sind der Meinung, dass das auch in relativ kurzer Zeit geklärt werden kann. Sie haben nach der Rechtsgrundlage für die Notbremse gefragt. Ich denke, dass es die Vernunft gebietet, die gemeinsame Entscheidung zu treffen, die Frau Staatsministerin Dreyer getroffen hat und die von den Pflegekassen im Moment mitgetragen wird, selbst wenn die Rechtsgrundlage dafür geändert oder neu abgesprochen werden müsste. Ich gehe davon aus, dass sie nachher Erläuterungen vorträgt, die auf die Fragen von Herrn Dr. Schmitz eingehen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Enders das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde ist wichtig. Schade, dass so wenige hier sind.

Die demografische Entwicklung hat dazu geführt, dass die Zahl der Anbieter im Pflegebereich sowohl stationär als auch ambulant angestiegen ist. Es ist ein Markt entstanden. Auf diesem Markt sind die Kundenzufriedenheit und vor allem die Qualität als Sicherheitsstandard wichtig. Interessant ist, dass eine solche Diskussion so gut

wie nie geführt wird, wenn Angehörige die Pflege selbst übernehmen.

Es wurde bereits gesagt. Es galt bisher das Motto: „ambulant vor stationär“. – Ich halte das nach wie vor für das richtige Motto, auch wenn man durchaus daran zweifeln könnte, wenn man sich die Transparenzberichte anschaut.

Interessant ist, dass beim Pflege-TÜV unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, obwohl die Qualität von ambulanten Diensten und stationären Einrichtungen nach ähnlichen Verfahren kontrolliert wird. Es wurde bereits gesagt. Fast 60 % der bisher geprüften ambulanten Dienste haben in dem wichtigen Bereich „Pflegerische Leistungen“ mit „mangelhaft“ abgeschnitten. Nur 4,3 % der Heime hatten schlechte Noten. Hier gibt es offensichtlich einen Systemfehler.

Der Geschäftsführer des MDK in Alzey hat neulich in der Presse gesagt, Heime, die ihre Patienten schlecht versorgen, aber einen schönen Außenbereich haben und ihre Mitarbeiter regelmäßig in Erster Hilfe schulen, können sich ihre Note schönrechnen. Das würde, um es auf den Kfz-Bereich zu übertragen, bedeuten, dass ein Pkw mit defekten Bremsen, der aber sonst top in Ordnung ist, die TÜV-Plakette bekommen würde. Das darf nicht sein.

Interessant ist auch, dass es im ambulanten Bereich weniger Kriterien gibt, die geprüft werden. Ist ein Kriterium schlecht, schlägt das wie bei den Zeugnissen in der Schule voll auf die Gesamtnote durch. Interessant ist, dass im ambulanten Bereich die Dokumentation der Pflege mehr Gewicht hat als die Pflege selbst.

Das kann dazu führen, dass eine mangelhafte Dokumentation zu einer schlechten Pflegenote führt, obwohl es gar keine mangelhafte Versorgung gibt, sondern nur die Art, wie dokumentiert wird, mangelhaft ist.

Man darf nicht vergessen, dass die Damen und Herren, die im ambulanten Bereich arbeiten, unter einem enormen Zeitdruck stehen. Dort ist die Zeit, wenn man die Dokumentation und die Pflege richtig machen will, manchmal sehr knapp.

Es ist müßig zu fragen, warum man nicht im Vorfeld auf diesen Systemfehler geachtet hat. Ich will gar nicht fragen, ob Frau Dreyer jetzt die Reißleine zieht. Sie haben mit Schreiben vom 4. Dezember auch den Sozialpolitischen Ausschuss zeitnah informiert, dass Sie die Kassen gebeten haben, die Veröffentlichung von Prüfberichten nach den Transparenzvereinbarungen aufzuschieben. Ich darf einmal als Opposition fragen, ob Sie das auch getan hätten, wenn wir gute Ergebnisse gehabt hätten.

Der MDK hat bereits im Februar öffentlich auf die methodischen Mängel aufmerksam gemacht. Auch der VdK hat sich im April diesbezüglich klar geäußert. In einer öffentlichen Sitzung des Verwaltungsrats des MDK am 27. November dieses Jahres hat ein Vertreter des Sozialministeriums darum gebeten, die Veröffentlichung durch die Pflegekassen erst einmal auszusetzen.

In Bayern und Baden-Württemberg – das habe ich gestern gehört – wurden die Ergebnisse bereits veröffentlicht. Weitere Bundesländer, die noch nachhinken, wollen folgen.

Eines muss man ganz klar sagen. Frau Dreyer, Sie haben recht, wenn die Pflegekriterien nicht aussagekräftig sind – danach sieht es aus –, muss dringend reformiert werden.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Verbraucherschutzministerium hat vor zwei Tagen etwas sehr Richtiges gesagt. Wer einen Angehörigen betreuen lässt und selbst nicht Experte ist, ist auf die vertrauensvolle und qualitativ hochwertige Dienstleistung von Pflegeeinrichtungen angewiesen.

Sie fordert vom Land, die Veröffentlichung der Ergebnisse nicht unnötig zu verzögern. Es sei den Verbrauchern nicht erklärlich, dass mit großem Aufwand erst geprüft, dann aber nicht veröffentlicht werde. Wenn es Kritik an den Prüfkriterien gibt, müssen die Mängel abgestellt und – ich betone – nach zeitnaher Optimierung gesucht werden. Damit hat Frau Klöckner recht.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank. Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich danke Ihnen sehr herzlich für die sachliche Debatte zu diesem sehr wichtigen Punkt.

Herr Dr. Schmitz, ich bemühe mich, Irritationen auszuräumen oder zu klären.

Selbstverständlich habe ich rechtlich einwandfrei sauber die Landesverbände gebeten zu prüfen, ob sie die Veröffentlichung aufschieben können, und begründet, warum ich das richtig fände. Ich kann die Landesverbände nicht dazu zwingen. Dementsprechend hat die Schlagzeile „Dreyer stoppt das System“ auch nicht so ganz gestimmt.

Ich habe gebeten, dass die Landesverbände diese Entscheidung treffen. Sie sind dafür zuständig, dass letztendlich die Veröffentlichungen stattfinden oder nicht. Insofern war ich sehr froh, dass sich die Mehrheit der Landesverbände in Rheinland-Pfalz dieser Bitte angeschlossen hat.

Wichtig ist für mich, noch einmal zu betonen, dass selbstverständlich pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen ein Recht darauf haben, dass sie ambulante und stationäre Einrichtungen anhand von Kriterien beurteilen und auswählen können.

Darüber hinaus müssen die Kriterien aber auch zuverlässig sein. Hier besteht im Moment eine große Unklarheit. Verbraucherschutz heißt auf der einen Seite Transparenz. Dies bedeutet aber auch, dass man sich, wenn man Noten vergibt, darauf verlassen muss, dass diese nicht in die Irre führen, sondern in sich konsistent sind.

Ich möchte, damit es nicht verloren geht, doch noch einmal einen kleinen Rückblick machen; denn schon im Rahmen der Reform für die Pflegeversicherung habe ich mich damals sehr vehement dafür eingesetzt, dass es gesetzliche Regelungen zur Transparenz gibt, weil ich der Auffassung bin, dass aus Verbraucherschutzgründen die Pflege erheblich mehr Transparenz verdient hat und auch braucht.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich habe auch in diesem Parlament nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich von Anfang an mit dem Bewertungssystem nicht besonders glücklich war. Wir haben dann auch noch einmal interveniert. Es sind ein paar Verbesserungen eingeführt worden. Ein Stück weit hat uns versöhnt, dass der Kümmerer eingeführt worden ist, nämlich Herr Voß, der Chef des Spitzenverbandes. Außerdem ist die Zusage gemacht worden, dass der Kümmerer bereit wäre, sich unmittelbar darum zu kümmern, wenn sich Zweifel bestätigten, die damals schon an der Systematik des Bewertungssystems bestanden hätten.

Herr Dr. Enders, als der MDK Rheinland-Pfalz zum ersten Mal die Berichte im stationären Bereich geprüft hatte und auch dort zur Feststellung gekommen war, dass die Bewertungen nach dessen Empfinden nicht die tatsächliche Situation abbilden, habe ich mich direkt mit Herrn Voß in Verbindung gesetzt.

Ich bin ihm bis heute sehr dankbar, weil er veranlasst hat, dass es eine bundesweite Vorwegauswertung der bereits geprüften stationären Einrichtungen gibt. Es ist zugesagt worden, dass wir den Bericht im Laufe des Monats Dezember erhalten werden.

Der Bericht ist für uns nicht ganz unwichtig, weil wir im Moment nicht so genau sagen können, warum wir die Situation haben, dass einerseits der MDK äußert, im Bereich der stationären Pflege sei er eigentlich nicht zufrieden, weil er die Zustände in den Einrichtungen anders empfindet als die Noten, und umgekehrt haben wir im ambulanten Bereich die katastrophalen Ergebnisse.

Es gibt nur zwei echte Gründe, an denen man das Problem festmachen kann. Da brauchen wir Klarheit. Der erste Grund ist, dass das Bewertungssystem an manchen Ecken oder Enden so fehl angelegt ist, dass man verändern muss. Diese Zusage haben wir von Herrn Voß.

Sobald diese Vorabprüfungen gemacht worden sind und es eine bundesweite auch empirische Datenlage zu den Prüfberichten gibt, wird der Spitzenverband sofort aktiv werden, sollte sich herausstellen, dass es tatsächlich unzureichende Bewertungskriterien sind, die zugrunde liegen.

Sollte sich in dem bundesweiten Vergleich herausstellen, dass eigentlich nur in Rheinland-Pfalz etwas andere Ergebnisse erscheinen, dann müssen wir uns damit beschäftigen bzw. der MDK Rheinland-Pfalz, weil ich nicht ausschließen kann, dass in einem neuen Prüfsystem, in der Anwendung eines Systems, möglicherweise unterschiedlich gewichtet wird. Aber das ist erst deutlich, wenn man sehen kann, wie die Situation bundesweit aussieht.

Herr Schmitz hat es schon gesagt. 58 % der 48 geprüften ambulanten Dienste haben die Note „mangelhaft“. Ich bin mir total sicher. Ich würde als Ministerin niemals die Hand für jeden Dienst ins Feuer legen. Aber ich bin mir absolut sicher, dass das nicht die Realität der Pflege in Rheinland-Pfalz widerspiegelt.

(Beifall der SPD)

Aufgrund dieser Ergebnisse habe ich es nicht mehr für tragbar empfunden, weil ein großer Schaden für die Dienste offensteht, zum jetzigen Zeitpunkt zu veröffentlichen, bevor wir nicht Klarheit darüber haben, was an dieser Bewertungssystematik nicht funktioniert. Ich halte das für einen richtigen Weg. Ich stehe auch nach wie vor dahinter, weil ich glaube, dass mein oberstes Interesse und die Verantwortung sein muss, diesen Hinweisen, die den Einrichtungen zu Unrecht schaden und/oder die Verbraucher in die Irre führen könnten, nachzugehen und deren Ursache zu klären.

Prüfergebnisse, die nicht die Wirklichkeit widerspiegeln oder abbilden, schaffen keine Transparenz, sondern sie verwirren den Verbraucher und die Verbraucherin. Deshalb geht es darum, Verbraucherschutz seriös anzuwenden.

Herr Dr. Schmitz, ich möchte auch noch einmal sagen, weil es so anklang, was ich so tue. Ich bin keine Partnerin im System, aber es ist wirklich eine unserer Veranlassungen gewesen, dass wir in diesem engen Kontakt stehen. Ich hoffe sehr, dass wir im Dezember mit der Vorabauswertung der unterschiedlichen Prüfergebnisse zu einem Ergebnis kommen können, wie wir weiter mit der Situation verfahren und ob es bundesweit Veränderungen geben muss.

Ich habe darüber hinaus die Landesverbände der Pflegekassen kurzfristig zu einem Austausch eingeladen, weil wir alle ein Interesse daran haben, möglichst kurzfristig belastbare Kriterien und Noten in den öffentlichen Systemen zu haben, um Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend zu informieren.

Ich sage noch einmal am Rande – das hat Herr Dröscher auch schon gesagt –, da hilft auch keine allgemeine Aufforderung der Parlamentarischen Staatssekretärin aus Berlin. Wenn man die Landschaft in Rheinland-Pfalz kennt und Verbraucherschutz ernst nimmt, dann weiß man, dass wir die Verantwortung haben, darauf zu achten, dass die Einrichtungen nicht negativ berührt werden, wenn es an dieser Stelle unfair wäre. Es geht also um einen kurzen Zeitraum.

Wir bitten, die Veröffentlichung zurückzustellen, um diese Frage zu klären. Ich glaube, dann können wir mit

einem sehr guten Gefühl sagen, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem wir veröffentlichen und Transparenz für unsere Bürger und Bürgerinnen herstellen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Vielen Dank.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich danke Ihnen ausdrücklich, dass Sie die Probleme weder leugnen noch schönreden, sondern sich diesen Dingen stellen. Ich hoffe für alle Betroffenen, dass es jetzt eine kurzfristige Lösung gibt. Ich kann mir aber nicht verkneifen, doch noch einmal darauf hinzuweisen, dass sehr viel Zeit ins Land gegangen ist, in der man hätte mehr tun können, als getan wurde.

Gerade wissenschaftliche Arbeiten leben vom Versuchsaufbau.