Protocol of the Session on October 8, 2009

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Brede-Hoffmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Dickes, vielen herzlichen Dank für die guten Ideen, die Sie uns anbieten wollen. Solange Sie dabei nicht rechnen, diskutieren wir gerne mit Ihnen darüber.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Thema „Schülerbeförderung“: Versuchen wir uns doch einmal zu erinnern, wie es vor der Schulstrukturreform war. Damals haben Grundschüler, Förderschüler und Hauptschüler ihre Beförderung bezahlt bekommen, soweit sie die entsprechenden Entfernungen – größer zwei Kilometer oder größer vier Kilometer – zwischen ihrem Haus und der Schule liegen hatten.

Dann kam die Schulstrukturreform. Frau Kollegin Dickes, es scheint Ihnen entgangen zu sein, es wurde eine sehr große Veränderung durchgeführt, die eine sehr große Zahl von zusätzlichen Schülerinnen und Schülern nun in die Lage versetzt, die Schülerbeförderung vollständig bezahlt zu bekommen oder aber in den Genuss von Zuschüssen zu kommen.

Seither sind neben den Grundschülern, den Förderschülern und den ehemaligen Hauptschülern alle Schüler der Realschule plus von den Beförderungskosten befreit, und – vielleicht haben Sie es gar nicht gemerkt, Frau Kollegin – wir haben die Einkommensgrenze, die auch für die Lernmittelfreiheit gilt, eingezogen. Alle Schülerinnen und Schüler der Schularten IGS und Gymnasium bzw. der Wahlschulen haben jetzt die Möglichkeit, die

entsprechenden Zuschüsse zu bekommen, wenn – wie Sie sich auszudrücken pflegten – bei den Eltern im Portemonnaie nicht genügend Geld ist – diese Eltern wollen wir gern fördern –, und ansonsten bei einem Eigenanteil die Schülerbeförderung deutlich verbilligt zu erhalten. Das ist Ihnen offensichtlich völlig entgangen.

Lieber Herr Kollege Eymael, es ist schade, dass Nicole Morsblech heute nicht anwesend ist. An dieser Stelle gute Besserung für sie. Ich weiß, sie ist sehr krank geworden.

Wir haben bis zum Jahr 2006 gemeinsam die soeben von mir geschilderte alte Lösung getragen, dass der Grundschüler, der Förderschüler und der Hauptschüler die Schülerbeförderung bezahlt bekommt, und zu dieser Zeit – das ist gerade einmal drei Jahre her – haben Ihre Kollegin Morsblech und ich immer gemeinsam argumentiert, dass wir unser Geld an anderen Stellen im Bildungswesen intensiv ausgeben wollen.

(Eymael, FDP: Ja, wir sind immerhin schon bei vier Jahren!)

Nach diesen drei Jahren in der Opposition muss bei Ihnen die eierlegende Wollmilchsau durch die FDP gejagt worden sein; denn sonst würden Sie es heute nicht wagen, nach einer Diskussion über das Sparen, Sparen, Sparen eine Diskussion über Werte zu führen, die nicht unter 20 Millionen Euro zu finanzieren wären.

(Eymael, FDP: Beim nächsten Mal frage ich Sie vorher!)

Herr Kollege, das, was Sie soeben eingefordert haben, nämlich die Gerechtigkeit und die Bewältigung der – wie Sie oder die „Allgemeine Zeitung“ sie nannten – „ZweiKlassen-Gesellschaft im Bus“, würde minimal 20 Millionen Euro kosten. Dann haben Sie aber noch nichts an den zwei und den vier Kilometern geändert, das würde minimal 20 Millionen Euro kosten, und Sie haben immer noch nichts für die Oberstufe getan. Dazu müssten Sie noch einmal mindestens 10 Millionen Euro bis 15 Millionen Euro in die Hand nehmen.

(Eymael, FDP: Das habe ich gar nicht gefordert!)

Herr Kollege, ich stehe immer noch ein bisschen unter dem Eindruck des Bundestagswahlkampfs und des Zeitunglesens über die Koalitionsverhandlungen von Schwarz-Gelb, aber vielleicht erklären Sie mir einmal, ob Sie in der Lage sein werden, aus dem künftigen Defizit, das durch reduzierte Steuereinnahmen in der Staatskasse entstehen wird, diese 20 Millionen Euro bis 30 Millionen Euro zu erwirtschaften. Wenn Sie das können, würden wir allerdings sehr gerne von Ihnen den guten Vorschlag entgegennehmen, wie man den Überfluss des Defizits – um mit den Worten von Reinhard Mey zu sprechen – nutzbringend anwendet.

(Eymael, FDP: Billige Polemik!)

Bei uns jedenfalls ist eines völlig klar: Wir haben in den zurückliegenden Jahren einen finanziellen Schwerpunkt auf die Bildung gesetzt. Wir haben in Rheinland-Pfalz das am meisten ausgeweitete System von Ganztags

schulen entwickelt. Wir haben in Rheinland-Pfalz als einziges Bundesland in der Zwischenzeit den beitragsfreien Kindergarten für Drei-, Vier-, Fünf- und Sechsjährige eingeführt.

(Eymael, FDP: Alles auf Pump!)

Wir haben zusätzliche Millionen in die Hand genommen – in der Zwischenzeit werden es knapp unter 100 Millionen Euro sein –, um das Bildungssystem finanziell besonders gut auszustatten. Andere Bundesländer sind neidisch darauf, Herr Kollege, und wir sehen im Moment nicht mehr, woher über diese wirklich große, im Rahmen der Schulstrukturreform vorgenommene Ausweitung für die Schülerbeförderung hinaus noch zusätzliche Mittel kommen sollen.

Eines frage ich mich schließlich bei den Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP gleichermaßen: Wo war Ihr Antrag zur Ausweitung der Schülerbeförderung bei der wirklich noch nicht lange zurückliegenden Gesetzesdiskussion über die Schulstrukturreform? War es Ihnen damals noch nicht eingefallen, Frau Kollegin Dickes? Hat da noch die Idee gefehlt? Oder war einfach die Trägheit in den Parteien so groß, dass Sie gedacht haben: Ach, das tun wir jetzt nicht, wir versuchen, es hinterher zu diskutieren.

Der Zeitpunkt ist verpasst worden, Herr Kollege. Sie haben da geschlafen.

(Beifall der SPD – Eymael, FDP: Danke, danke!)

Das Wort hat nun Frau Ministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Gute Bildungschancen für alle! – Dies ist ein zentrales Anliegen der Landesregierung. Bei allem, was immer auch noch besser werden kann, das Land RheinlandPfalz mit seiner Gebührenfreiheit von den Kindertagesstätten bis zu den Hochschulen sucht bundesweit seinesgleichen, und darüber sind wir sehr glücklich.

(Beifall der SPD)

Wir machen vor allen Dingen eines nicht: Wir fordern nicht in Berlin, die Steuern zu senken, wir beklagen nicht – wie Sie wahrscheinlich heute Nachmittag dies tun – bei der Debatte des Nachtragshaushaltes die hohe Verschuldung und versprechen gleichzeitig den Menschen draußen, es gehe alles jetzt und sofort. Daraus wird kein Schuh, und darauf können sich die Menschen absolut nicht verlassen.

(Beifall der SPD – Eymael, FDP: Davon war keine Rede!)

Ganz im Gegenteil, diese Dinge gehen nur Schritt für Schritt.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir mit der Schulstrukturreform massive Verbesserungen vorgesehen haben. Frau Brede-Hoffmann hat bereits darauf hingewiesen, wir haben alle Schülerinnen und Schüler der Realschulen plus vom Eigenanteil befreit. Davon werden perspektivisch rund 60.000 Schülerinnen und Schüler zusätzlich profitieren, sofern sie Fahrschüler sind. Wir haben erstmals verbindliche Einkommensgrenzen auch für die Gymnasien und die Integrierten Gesamtschulen eingeführt, unterhalb derer kein Eigenanteil gezahlt wird. Davon profitieren rund 27.000 Schülerinnen und Schüler.

Wir haben schließlich in der Sekundarstufe II ebenfalls Verbesserungen vorgenommen, um einen Anspruch auf die Schülerbeförderung auszuweiten. Auch davon profitieren rund 15.000 Schülerinnen und Schüler. In der Tat, dies zusammengenommen kostet bis zum Jahr 2013/2014 aufbauend 15 Millionen Euro zusätzlich, die wir den Kommunen als Mehrbelastungsausgleich zur Verfügung stellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann immer noch herumkritteln, aber das ist erst einmal ein Wort, und das haben wir realisiert.

(Beifall der SPD)

Ich komme nun zum Thema „Ungleichbehandlung“, wie es noch im Antrag der Aktuellen Stunde heißt; soeben wurde es zur Ungerechtigkeit. Sie haben ein merkwürdiges Verständnis von sozialer Gerechtigkeit, das muss ich Ihnen schon sagen. Für mich ist es auch sozial gerecht, dass öffentliche Mittel, die begrenzt sind, in besonderer Weise denjenigen zugute kommen, die sie besonders dringend brauchen. So definiere ich soziale Gerechtigkeit.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Sie muss aber genauso gesteuert werden!)

Liebe Frau Abgeordnete Dickes, dies sind die Dinge, die man in Ihren „Ideen“ so nicht findet. Deswegen schauen Sie sich bitte sehr genau an, was wir zur Lernmittelfreiheit vorschlagen. Uns geht es darum, dass diejenigen, die bisher Gutscheine bekommen haben, diejenigen, die besonders bedürftig sind, in der Zukunft nicht schlechter gestellt werden. Dies ist in Ihrem Antrag nicht enthalten, und dafür werden wir einen vernünftigen Vorschlag machen.

(Beifall der SPD – Ramsauer, SPD: Jawohl! – Schweitzer, SPD: So ist es!)

Eines kann ich Ihnen auch nicht ersparen. Die Schülerbeförderung – darauf ist bereits hingewiesen worden – hat eine Geschichte, und diese Geschichte ist im Wesentlichen von der CDU in den 70er- und 80er-Jahren geschrieben worden und unterscheidet zwischen Pflicht- und Wahlschulen. Schauen wir uns dies doch einmal an!

Im Zuge der Volksschulreform in den 60er-Jahren wurde die Beförderungspflicht für das Land eingeführt. In den 70er-Jahren hat man beschlossen, dies auch für die Wahlschulen zu übernehmen, und hat es dann auf die Landkreise und die Kommunen übertragen. Schließlich

hat man festgestellt, die Landkreise und die Kommunen sind finanziell schlecht ausgestattet, und aus diesem Grund hat man beschlossen, dass sie einen Eigenanteil in Höhe von damals 15 DM übernehmen sollen.

Schließlich hat man gemerkt, dass man als Land den Kommunen nicht das Geld zur Verfügung stellt, das dazu nötig ist, und schlussendlich wurde von den Schülern ein Eigenanteil erhoben. So viel zur Geschichte der Schülerbeförderung in diesem Land.

(Beifall der SPD)

Wir haben nun Verbesserungen vorgesehen. Erinnern Sie sich an dieser Stelle doch bitte einmal daran, wie es dazu gekommen ist und wie schwierig es jetzt ist, Verbesserungen zu erreichen. Wir haben 15 Millionen Euro investiert, und das ist aus meiner Sicht wirklich ein Wort. Wir haben den Trend sozusagen umgekehrt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wir folgen der Systematik zwischen Pflicht- und Wahlschule. Wir haben den Begriff der Pflichtschule erweitert. In der Realschule plus profitieren deutlich mehr Schülerinnen und Schüler davon, und auch in den Gymnasien und den Integrierten Gesamtschulen profitieren mehr Schülerinnen und Schüler durch die Einkommensgrenzen, die wir eingeführt haben.

Unser Ziel ist es, dass es keine finanziellen Hürden gibt, um den angestrebten Bildungsabschluss zu erreichen, und dies gewährleisten wir mit dieser Regelung.

(Vizepräsident Bauckhage übernimmt den Vorsitz)

Dass noch mehr wünschenswert wäre, habe ich ausgeführt. Aber soziale Gerechtigkeit heißt für mich, Hürden abbauen und durchaus legitimiert die öffentlichen Mittel besonders auf die zu konzentrieren, die es brauchen. Das haben wir mit dieser Regelung getan.

Jetzt, wo es uns erstmals in großem Umfang gelingt, dass deutlich mehr Schülerinnen und Schüler von der Befreiung des Eigenanteils profitieren, eine Debatte zu führen und zu sagen, das ist ungerecht, da muss ich mir schon ziemlich den Kopf verdrehen, um dieser Logik überhaupt folgen zu können. Ich glaube, Sie haben Probleme damit, dass einkommensabhängig an der Stelle, wo wir es noch nicht insgesamt schaffen, differenziert wird. Ich sage Ihnen, das ist aus meiner Sicht soziale Gerechtigkeit. Wir werden uns auch in der Zukunft darum kümmern, wo immer es geht, weitere Verbesserungen für die Familien zu erreichen.

Unter dem Strich möchte ich nochmals sagen, das, was gerade aus dem Bereich der Bildungspolitik an Unterstützung für Familien in diesem Land geleistet wird, sucht bundesweit seinesgleichen, so wage ich zu sagen.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Eymael.