Protocol of the Session on May 14, 2009

Herr Hüttner, ich denke, ich muss nicht ausdrücklich das bestätigen, was Sie zur Situation gesagt haben. Es kann nicht überraschen, da sind unsere Meinungen dicht beieinander.

Niemand will, dass diese Aufmärsche weiteres Gewicht bekommen. Niemand will, dass die NPD und ihr nahestehende Organisationen und Vereine weiteren Boden gewinnen. Wir müssen alles dagegen tun. Die Zivilgesellschaft zeigt sich hier ein Stück weit wehrhaft. Das ist erfreulich.

Trotzdem muss ich etwas zu dem NPD-Verbot sagen, zu dem Sie wenigstens andeutungsweise gesprochen haben. Ich sehe jetzt nicht – der Innenminister kann das sicher noch ein Stück weit erhellen –, ob es wirklich Vorbereitungen für einen neuen Verbotsantrag gibt oder ob das, was von den SPD-Innenministern und -Senatoren vorgelegt worden ist, lediglich eine Broschüre über das tatsächliche und von niemand bestrittene verfassungswidrige Verhalten der NPD war. Ich glaube, das bestreitet in der Bundesrepublik außer den Leuten der NPD niemand, dass das, was sie gegen unsere Demokratie, gegen unser Grundgesetz, antisemitisch und rassistisch betreiben, verfassungswidrig ist. Das ist materiell unbestritten.

Es geht lediglich darum, ob wir ein Verbotsverfahren zum Ende bringen können. Darüber gibt es einen großen Disput. Dazu gibt es in den Rechtswissenschaften große Debatten, was die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2003 wirklich zu bedeuten hat. Die Bundesjustizministerin rät eher davon ab, noch einmal ein Verfahren zu machen.

Ich will auf die rechtlichen Fragen, ob das wirklich durchsetzbar ist, nicht eingehen. Sie wissen, wir bräuchten dazu eine entsprechende Mehrheit beim Bundesverfassungsgericht. Manche sagen, sie werden das nicht mitmachen. In keinem anderen Land der Welt gibt es so ein Verfahren gegen Parteien. Es wäre nicht liberal, und vieles mehr kann man dazu sagen.

Ich denke, über die Frage, wie man damit umgeht, muss man noch einmal debattieren. Es ist die Frage, ob das, was diese Partei und die ihr nahestehenden Organisationen inhaltlich verbreiten, wirklich in der Öffentlichkeit dargestellt werden muss.

Im Innenausschuss habe ich darauf hingewiesen, dass diese auch mit ihren Aufmärschen schon viel zu viel öffentliches Gehör finden. Für die Presse ist das eine Gratwanderung. Das ist mir klar. Es erschreckt, wenn an solchen Tagen und an den Tagen danach viel darüber in der Zeitung steht. Sie bekommen damit indirekt einen halben Wahlkampf unterstützt. Das ist wirklich ein echtes Problem für diese Demokratie.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns mit dem Nährboden auseinandersetzen, auf dem solche Parteien und die sie unterstützenden Gruppierungen immer wieder Zulauf finden. Ich sage deutlich, manchmal bezweifle ich, dass all die Programme und das viele Geld, das wir in den Ländern und im Bund dafür ausgeben, wirklich zielführend sind. Wir stärken uns und die Gesellschaft selbst, aber wir haben noch kein wirkliches Instrument gefunden, um an die wirklichen Wurzeln des Problems zu kommen, nämlich zu sagen, wie wir es schaffen, die jungen Männer, die dafür gewonnen werden – es sind nach wie vor überwiegend Männer –, in ihrer jeweiligen Situation so zu stärken und zu festigen, dass sie nicht auf diese „Rattenfänger“ hereinfallen.

Wer in den letzten Tagen die Presse verfolgt hat, der weiß, dass es dazu Überlegungen gibt. Der Bundesinnenminister hat sich dazu auf einer Veranstaltung in Berlin geäußert. Wie kann es sein, dass wir junge Männer auf der Strecke verlieren, weil sie zu Hause nicht die notwendige Unterstützung haben, nicht das väterliche oder männliche Vorbild haben, das ihnen die Werte vermittelt, die sie stark machen, nicht auf eine Ideologie hereinzufallen? Wie können wir das schaffen? Kennen wir die Leute gut genug, die in Gefahr geraten können, um sie davor zu schützen?

Im Innenausschuss habe ich gesagt, nur so können wir den Nährboden entziehen, dass nicht weiterhin solche Zahlen – manchmal werden sie auch nicht so groß bezeichnet – entstehen. Wie können wir solche Zahlen und diesen Aufbau weiterhin verhindern?

Ich denke, es gibt noch viel zu tun. Wir als CDU-Fraktion sind bereit, im Landtag an der Stelle mit nachzudenken und mitzuarbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Ich begrüße Gäste, und zwar die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmer und alleinerziehende Mütter im Kreis Birkenfeld. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Weiterhin begrüße ich die Berufsbildende Schule Wirtschaft aus Worms. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Auler das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass wir partei- und fraktionsübergreifend gemeinsam gegen Nazis, gemeinsam gegen Rechts stehen. Wir haben es mit Menschen zu tun, die verbohrt, verblendet, geschichtlich wenig aufgeklärt und schlichtweg vielfach unbelehrbar sind. Die Bekämpfung

des Rechtsextremismus ist nur ein Teil. Der andere Teil ist aus unserer Sicht die Analyse, warum wir heute noch Nazis in Deutschland haben. Warum ist es der Fall, dass diese Menschen immer wieder Aufmärsche machen und immer wieder aufstehen? Ich glaube, wir können daraus ableiten, dass gesellschaftliche Fehlentwicklungen stattgefunden haben und teilweise noch stattfinden. Wir müssen uns in der Ursachenforschung dahin gehend bewegen, dass wir verhindern, dass die rechten Gruppierungen weiterhin Nachwuchs bekommen.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Wir haben gegenüber Rechts in unserem Land eine ganz besondere Verantwortung. Ich möchte Sie aber alle bitten, dass wir jeden politisch motivierten Extremismus, jeden religiös motivierten Extremismus, all diese links motivierten Extremisten bekämpfen. Wenn wir das nicht tun, werden wir einäugig.

(Beifall der FDP und bei SPD und CDU)

Ich bin sehr froh, dass unsere Polizei sehr gut aufgestellt ist. Insofern muss ich dem Innenminister ein Lob aussprechen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, Herr Kollege Hüttner wird mir recht geben. Unsere Polizei geht mit einer inneren Überzeugung nicht nur gegen Extremisten von rechts, sondern gegen sämtliche Extremisten vor. Sie schützt unsere Demokratie. Dafür unserer Polizei in Rheinland-Pfalz ein ganz herzliches Dankeschön.

(Beifall im Hause)

Zum Schluss möchte ich noch ansprechen, ich denke, es ist auch sehr wichtig – das ist in Rheinland-Pfalz, aber auch in anderen Bundesländern schon so üblich –, wir müssen natürlich Hilfen für Aussteiger anbieten. Das läuft in Rheinland-Pfalz ganz gut. Ich würde mir sehr wünschen, dass mehr Menschen davon Gebrauch machen würden. Ich denke aber, dass man zu diesem Thema vielleicht auch noch einmal im Ausschuss reden kann, wie man diese Hilfen für Aussteiger aus der rechtsextremistischen Szene oder überhaupt aus extremistischen Kreisen besser fördern kann.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP und bei SPD und CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Pörksen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor fast genau 40 Jahren – damals als Student in Kiel – habe ich gegen die NPD demonstriert. Damals sind sie fast in den Bundestag gekommen. Die Wahlen fanden im September statt. Ich glaube, die NPD hat damals 4,8 % erreicht.

Wenn ich mir überlege, ob ich mir hätte vorstellen können, nach 40 Jahren hier mit dem gleichen Thema am Pult zu stehen, ich glaube, ich hätte Nein gesagt. Wir damals hatten andere Geschichtskenntnisse. Unsere Lehrer haben uns wenig über die Nazizeit erzählt. Sie waren zum großen Teil auch noch Beteiligte. Das war die Wirklichkeit in den 50er-Jahren und Anfang der 60erJahre.

Heute kann man von einer unaufgeklärten Jugend wohl nicht ernsthaft sprechen. Ich denke schon, dass in den Schulen – es gibt viele Broschüren, in denen man das nachlesen kann – die entsprechende Aufklärung erfolgt. Also muss die Ursache woanders liegen. Frau KohnleGros hat das schon problematisiert.

Ich hatte damals gedacht, das wird aussterben, diese Leute aus der Nazizeit werden irgendwann verschwinden, das wird sich biologisch lösen, und dann haben wir es mit anderen Verhältnissen zu tun. Aber leider ist es nicht so.

Frau Kollegin Kohnle-Gros, ich glaube auch nicht, dass man die Frage auf die Vorbildfunktion reduzieren kann; denn Sie müssen Folgendes feststellen: Gerade bei den sogenannten jungen Nazis muss man feststellen, dass die durchaus aus bürgerlichen Häusern kommen. Die kommen nicht aus irgendwelchen sogenannten Unterschichten – sie sind durchaus auch dort vertreten – und treten heute in einer Weise auf, die einen überrascht, mit Nadelstreifenanzug und Ähnlichem. Sie sind nicht mehr die dumpfen Brüder von früher. Diese sind aber auch noch dabei.

Wie schwierig das für die Polizei auch nach 40 Jahren ist, das hat jeder miterleben können, der hier am 1. Mai in Mainz gewesen ist, um diejenigen zu schützen, die den Staat verächtlich machen. Sie brauchen nur nach Mainz hineinzufahren und sich die Plakate anzuschauen, die hoch an den Masten aufgehängt sind. Vor 40 Jahren sind wir da hochgeklettert und haben sie abgemacht. Das würde ich heute keinem raten. Er wird dann wegen irgendwelcher Dinge angezeigt. Daran erkennt man, wie diese Leute mit dem Staat und mit seinen Organen umgehen.

Vor wenigen Tagen, als der Ministerpräsident irgendwo im Westerwald unterwegs war, habe ich gehört, dass Flugblätter verteilt worden sind, die an Übelkeit überhaupt nicht mehr zu übertreffen sind. Trotzdem muss sie die Polizei schützen, weil es dem Verfassungsgericht nicht möglich zu sein scheint – ich bin da sehr vorsichtig –, diese Partei zu verbieten.

(Glocke des Präsidenten)

Ich glaube, es ist unser aller Aufgabe, sich wirklich ernsthaft mit dem Verbot dieser Partei zu beschäftigen, und nicht nach Vorwänden zu suchen, es nicht zu tun, sondern nach Gründen zu suchen, damit wir es endlich machen können.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD Dr. Weiland, CDU: Sehr gut!)

Das Wort hat noch einmal Frau Kollegin Kohnle-Gros.

Herr Pörksen, es ist eine Unterstellung, hier zu sagen, irgendjemand sucht Vorwände, um das nicht zu tun, sondern es

(Pörksen, SPD: Ich habe nicht Sie gemeint, Frau Kollegin!)

da muss ich nur einmal auch Frau Zypries nennen – kann einfach nicht sein, dass wir wieder ein Verfahren anfangen und nachher wieder die NPD den Triumph hat, dass es nicht durchgehalten werden kann.

(Beifall bei CDU und FDP – Keller, CDU: So ist es!)

Das ist das Entscheidende an der Situation. Wir können uns gern noch einmal über die Details auch an anderer Stelle unterhalten. Dafür ist jetzt einfach nicht die Zeit.

(Pörksen, SPD: Machen wir gern!)