Atomstrom ist zu riskant. Kohle ist zu dreckig. Wind und Sonne reichen nicht. Gas macht uns vom Ausland abhängig. Wie soll verhindert werden, dass Deutschland schon bald zeitweise der Strom ausgeht? So beginnt ein Artikel im letzten „SPIEGEL“.
Das Thema – wir haben es erlebt – wird zurzeit sehr virulent in der ganzen Bundesrepublik diskutiert. Das war auch heute Morgen in der Fragestunde der Fall.
Energie – das steht außer Frage – ist der Schlüssel zur Wirtschaft. Fossile Energie, nämlich Kohle, Erdöl und Erdgas, haben unsere Gesellschaft dahin geführt, wo wir heute stehen. Sie haben uns aber auch – das ist nicht zu leugnen – den Klimawandel beschert. Deshalb sind Aufmerksamkeit und Bewusstsein im Umgang mit fossilen Energien angebracht.
Bei der Diskussion dieses Themas wird nur allzu gern die Gesamtbetrachtung – das werfe ich auch Ihnen vor – vernachlässigt. Nur wenige scheren sich in diesem Zusammenhang um die Gesamtverantwortung für den Produktionsstandort Rheinland-Pfalz, die Arbeitsplätze und damit auch für unseren Wohlstand.
Leider muss man immer wieder feststellen, dass in unserer heutigen Gesellschaft Einzelne – hier beziehe ich
alle Protestierenden und auch einige Politiker mit ein – auf nichts verzichten wollen. Sie wollen ihren Wohlstand halten.
Wir befinden uns in schwierigen Zeiten, nämlich in einer Herausforderung, die den Spagat zwischen der Ökonomie und der Ökologie fordert. Einerseits wollen alle, dass der Strom ununterbrochen und preisgünstig aus der Steckdose fließt. Andererseits will aber niemand ein Kraftwerk in seiner Nähe haben, noch nicht einmal ein Windrad oder eine Biogasanlage. Das eine verschandelt die Landschaft, und das andere könnte stinken. Das ist doch abenteuerlich.
Meine Damen und Herren, die SPD im Land steht schon seit Jahren für einen ausgewogenen Energiemix ein und hat immer betont, dass die fossilen Energien, nämlich Kohle, Erdöl und Erdgas, in dem Maß zurückgefahren werden müssen, wie die erneuerbaren Energien sie ersetzen können.
In diesem Energiemix hat auch schon immer die Kohle einen Platz. Sie ist wie die anderen fossilen Energien aber auch nur eine Übergangslösung.
Bei der neuen Generation der Kohlekraftwerke müssen die Klima- und Umweltvorgaben erfüllt und alle gesundheitsrelevanten Faktoren geprüft werden. Das hat die Ministerin heute Morgen ganz deutlich herausgestellt. Ich denke, darüber dürfen wir uns alle einig sein.
Hinzu kommt, dass neue Kohlekraftwerke um ein Drittel effizienter sind als ihre Vorgänger. Auch wird bei diesen modernen, neuen Kohlekraftwerken die Wärme effizient genutzt.
Wir fordern, dass in die Planung mit einzubeziehen ist, dass eine spätere Nachrüstung mit der CO2Abscheidetechnik jederzeit umgesetzt werden kann und eine optimale Wärmeauskopplung von Anfang an erfolgen muss.
Jede neue Anlage ersetzt eine alte und ist so per se kein Klimakiller. So per se, wie Sie es dargestellt haben, dass ein Kohlekraftwerk ein Klimakiller ist, kann man das nicht vertreten. Ich kann auch die Umweltschützer nicht verstehen; denn mit ihrem Widerstand gegen die neue Generation an Kohlekraftwerken, die eine hohe Effizienz sowie Kraft-Wärme-Kopplung aufweisen, öffnen sie die Hintertür für die Kernenergie.
Meine Damen und Herren, bei der CDU vermisse ich schon seit Jahren einen klaren Kurs. Was ich in den letzten Jahren hier im Parlament erlebt habe, ist ein Zickzackkurs ohne erkennbare Richtung.
Dabei ist das Ganze weniger von den Argumenten in der Sache geprägt als vielmehr von den Personen. Herr Licht – das haben wir alle erlebt – kämpft gegen die Windräder, Herr Gebhart mit wehenden Fahnen für die leider noch in den Kinderschuhen steckende Geothermie, und jetzt kämpfen offenbar alle Mitglieder der CDUFraktion – ich kann es aber auch nicht ausmachen – gegen die Kohlekraftwerke.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren dieses Thema sehr emotional, auch deshalb, weil es ein so wichtiges Thema ist, insbesondere für die nächsten 20 bis 25 Jahre. Wir haben bei schwieriger Faktenlage jetzt und heute Entscheidungen zu treffen und wissen ganz genau, dass trotz aller Bekenntnisse zur Energieeinsparung der Strombedarf zurzeit und in den nächsten Jahren weiter steigen wird.
Wir wissen, dass wir durch die Entscheidung, frühzeitig aus dem Atomstrom auszusteigen, ein großes Delta an Strombedarf haben. Wir wissen, dass wir alle erneuerbare Energien wollen, diese erneuerbaren Energien das Delta aber kurz- und mittelfristig nicht schließen.
In dieser Situation sprechen wir hier im Landtag über Kohlestrom generell, meinen aber in Klammern die Frage, ob in Mainz ein neues Kohlekraftwerk gebaut werden soll. Wir erleben als FDP in Mainz diese Diskussion so besonders spannend, weil in den entscheidenden Fragen die Positionen nicht nur unterschiedlich, sondern diametral entgegengesetzt sind.
Die einen sagen, dieses Kraftwerk wird über Jahrzehnte eine „Cash Cow“ für die Stadt sein und damit für den Bürger Arbeitsplätze bringen. Die anderen sagen, es ist ein unzumutbares wirtschaftliches Risiko. Die Spannbreite zwischen diesen Argumenten ist beeindruckend.
Die einen sagen, wir können unser jetziges Gaskraftwerk schon nicht mehr laufen lassen, weil wir kein Gas zu wirtschaftlichen Bedingungen bekommen, was wir gerne täten. Die anderen sagen – jetzt gerade wieder der Fraktionsvorsitzende der CDU –, Gas zu bekommen sei überhaupt kein Problem: „Ich weiß, dass es geht.“
Ich finde das sehr mutig. Der Herr Kollege Baldauf plädiert für die Atomkraft, um dieses Problem zu lösen, geht aber nicht so weit zu sagen, wir stellen auf die Ingelhei
mer Aue kein Kohlekraftwerk, sondern ein Atomkraftwerk. Das läge an sich in der Konsequenz Ihrer Argumentation, Herr Kollege Baldauf.
Es gibt weitere Punkte, die in der Diskussion sehr spannend sind. Es wird die Gesundheitsgefahr der Feinstaubbelastung beschrieben, auch durch Fachleute: 180 Arztunterschriften, 60.000 Unterschriften aus der Bürgerschaft. Dies muss man sehr ernst nehmen, ebenso wie eine mediale Großwetterlage, die zurzeit sehr stark gegen das Kohlekraftwerk eingestellt ist.
In dieser Situation behaupten die einen, Feinstaub sei eine tödliche Gefahr, insbesondere für Kinder, Bronchialerkrankte und ältere Mitbürger, und die anderen sagen, die Feinstaubbelastung des Kohlekraftwerkes entspricht im Jahresmittel nicht einmal dem, was die Silvesterknaller anrichten.
Der letzte Punkt ist auch spannend, nur am Rande die Frage des Ausstiegs eines Kohlekraftwerks, das längst durch den Stadtrat, mit Zustimmung der CDU, mit Zustimmung der Kreisvorsitzenden, die als Vorsitzende des Finanzausschusses der Stadtwerke die goldene Aktie der KMW gekauft hat, genehmigt ist.
Das sind viele spannende Fragen, bei denen ich den Mut von Landespolitikern bewundere, auf diesem dünnen, schlüpfrigen Terrain der kommunalen Energieversorgung nicht auszurutschen.
Meine Damen und Herren, deshalb haben wir als FDP in Mainz das einzig Vernünftige getan. Wir haben diese vielen Fragen, die jetzt bestehen und bei denen die Öffentlichkeit Aufklärungsanspruch hat, herausgeschrieben. In der nächsten Sitzung des Stadtrates sprechen wir uns für ein Moratorium aus, keine weiteren Fakten beim Bau des Kohlekraftwerkes zu schaffen, bis diese Fragen abschließend und für die Bevölkerung nachvollziehbar beantwortet sind.