Protocol of the Session on November 8, 2007

(Beifall der CDU)

Wenn Sie dann den Versuch unternehmen zu erklären, dass in der Zeitabfolge zwischen dem 18. Mai 2006 und dem 22. Juni 2007 die Begründung dafür liegen könne, sachgerecht und rechtlich richtig zu handeln, um die Urkunde auszuhändigen, kann man nur noch den Kopf schütteln; denn richtig ist an der Geschichte, dass am 18. Mai 2006 das Ganze durch Ihre Ernennung und dem Freiwerden der OLG-Präsidentenstelle begonnen hat.

Die Suche nach einem Nachfolger für sich alleine ist schon ein Trauerspiel. Es ist sicherlich nicht für heute die Aufgabe, das abschließend zu bewerten. Man muss überlegen, dass Ihr Favorit, Landgerichtspräsident Krämer, sich selbst disqualifizierte, indem er Kreuze abhängen ließ, dass die Suche nach einem geeigneten Kandidaten danach im Saarland und in weiteren benachbarten Bundesländern Ihnen nur Absagen bescherte und dass Sie am Ende froh waren, mit Herrn Bartz einen Bewerber zu haben, mit dem Sie glaubten, den Kandidaten Graefen, der Wettbewerber war, aus dem Rennen schießen zu können. Das zeigt, wie Sie mit dem Verfahren über Monate hinweg umgegangen sind und taktiert haben.

Letztlich haben Sie dann im Richterwahlausschuss ein weiteres Kapitel angehängt, über das man sehr wohl im Hinblick auf Rechtsfragen streiten kann. Genau diese Rechtsfragen hätten im Verfahren geklärt werden können, das der Konkurrent angestrengt hatte.

(Beifall der CDU)

Diese Klärung haben Sie allerdings vereitelt, indem Sie Fakten geschaffen haben, Herr Minister. Vielleicht war es Ihre Motivation, diese Fakten so schnell zu schaffen, das in dem Glauben, dass dann, wenn die Urkunde ausgehändigt worden ist, dieses Amt nicht ein weiteres Mal besetzt werden kann, weil dann die Fakten zementiert sind.

Dabei haben Sie aber übersehen – das hat Herr Kollege Mertin ausreichend ausgeführt –, dass es seit geraumer Zeit Entwicklungsschritte in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts gegeben hat, die Sie hätten kennen müssen. Wenn einem Studenten im ersten Examen oder einem Referendar im zweiten Examen dies nicht bekannt wäre, wäre er durchgefallen. Sie sind das auch, Herr Minister.

(Beifall der CDU)

Sie haben sich auf den Standpunkt gestellt, ich habe zwar eine Verfassungsabteilung, aber die muss ich nicht fragen, weil sich keine verfassungsrechtliche Problematik stellt. Es ist eine neue Erkenntnis, dass der Minister, der für die Hütung unserer Verfassung zuständig ist, diese Auffassung vertritt.

Mit dem gesetzlichen Richter zu argumentieren, so wie Sie und der Herr Ministerpräsident das getan haben, ist

angesichts anderer Entscheidungen auch in anderen Bundesländern ebenso abenteuerlich. Wenn Sie daran denken, dass ein Sachverhalt aus dem Land Thüringen aus dem Jahr 2005, letztlich abgeurteilt auch im Jahr 2007, dazu geführt hat, dass die dort zuständigen Minister die Urkunde nicht ausgehändigt haben, weil sie um die Rechtsprechung 2005 wussten, weiß ich nicht, weshalb Sie 2007 immer noch nicht davon wussten.

Sie haben abgewartet. Als sich dann herausstellte, dass sich innerhalb von zwei Wochen der Konkurrent tatsächlich zu einer Verfassungsbeschwerde entschlossen hatte, ist die Urkunde über ein halbes Jahr nicht ausgehändigt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat später festgestellt, dass dies vertretbar war; denn diese zeitliche Verzögerung, nachdem es ohnehin – so wie bei uns – schon ein Jahr gedauert hatte, kann der Rechtsprechung nicht über Gebühr schaden.

(Beifall der CDU)

Ich halte es für absurd, sich an dieses Pult zu stellen und zu behaupten, am Freitagmittag seien innerhalb von 21 Minuten all diese Fragen geprüft worden. Dies nicht nur deshalb, weil es am Freitagmittag war, an dem man keinen mehr bekommt, sondern auch wegen der Tatsache, dass Sie „in 21 Minuten“ eine solche Problematik „klären“ und sich dann nur darauf berufen, so wie Sie das im Rechtsausschuss getan haben, Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht hätten bereits alles geprüft und Ihnen recht gegeben. Wir wissen, dass das Eilverfahren ein summarisches Verfahren mit einer summarischen Prüfung ist und eben nicht abschließend klärt. Ansonsten müsste man die Hauptsacheverfahren nicht mehr durchzuführen, wenn das so sein sollte. Wir wissen, dass das nicht so ist.

Die Frage, die sich für Sie hätte stellen müssen, ist ganz einfach die: Wenn ich es selbst nicht innerhalb von 21 Minuten kann, was sagt meine Verfassungsabteilung dazu? – Die hätte Ihnen wahrscheinlich gesagt, dass es sich um eine Kammerentscheidung handelt, die noch einmal auf Ihren Verfassungsverstoß hinweist.

(Pörksen, SPD: Woher wissen Sie das denn?)

Das ergibt sich aus dem Urteil. Das müssen Sie einmal lesen, Herr Kollege Pörksen. Das ist eine Kammerentscheidung.

Sie wissen auch, dass sich nach den §§ 90 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Kammer in der Gestalt nur äußert, wenn vorher bereits eine klare Entscheidung des Senats vorgelegen und der Senat diese Frage geklärt hat. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in der Entscheidung in dem Fall, um den es geht, steht, in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „ist geklärt“, dass aus den Artikeln 19 und 33 des Grundgesetzes die Verpflichtung des Dienstherrn folgt zu warten, und zwar länger als 21 Minuten, Herr Minister.

Herr Minister, Sie haben leichtfertig gehandelt. Über die Motive kann ich nur spekulieren. Ich weiß nicht, ob es Unkenntnis oder vielleicht die Motivation war, auf gar keinen Fall den Mitwerber aus – wie unterstellt worden ist – parteilichen Gründen oder persönlichen Gründen

haben zu wollen. Das alles mag offen bleiben, weil das nicht entscheidend ist. Fakt ist aber, dass das Bundesverfassungsgericht Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat, dass Sie durch die Aushändigung der Urkunde gegen die Verfassung verstoßen haben. Das ist eines Justizministers dieses Landes abträglich.

Vielen Dank.

(Anhaltend Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Hartloff.

Herr Präsident! Herr Kollege Schneiders, Sie wollten das Etikett der Arroganz der Macht noch einmal ankleben und haben ein bisschen nachgeklappert. Die Diskussion über die Rechtsfrage mit Herrn Kollegen Mertin könnte Freude bereiten, weil man sich da inhaltlich tatsächlich vernünftig auseinandersetzen und diskutieren kann, wo eine Rechtsprechung hingeht. Was ist vom Grundsatz der Ämterstabilität zu halten, und wo liegt die Änderung in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung? Diese Auseinandersetzung kann mit Ihrem Redebeitrag aus meiner Sicht leider nicht erfolgen. Das war bräsige Besserwisserei. Das muss ich so sagen.

(Unruhe bei der CDU)

Das ist schade; denn wenn ich Ihren Wortbeitrag richtig verstanden habe,

(Licht, CDU: Zitate von hohen Gerichten sind „bräsige Besserwisserei“?)

sagt uns Herr Kollege Schneiders, dass er es begrüßt, dass durch eine Änderung der Rechtsprechung, die möglicherweise konsequent weiter erfolgt, Hauptsacheverfahren bei Konkurrentenklagen in der Zukunft abzuwarten sind. Wissen Sie, über wie viele Jahre wir reden, bis dann Besetzungen kommen? Das können nämlich fünf oder sechs Jahre sein. Wissen Sie, dass es in manchen Bereichen der Verwaltung notorische Menschen gibt, die Konkurrentenklagen erheben? Das sind doch Fragen, die über einen solchen Punkt hinausgehen.

Ich weiß, dass Sie es gerne hätten, dass das Etikett des Verfassungsbruchs am Minister hängen bleiben soll.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Hängt!)

Das Risiko, dass sich Rechtsprechung entwickelt – Herr Mertin hat das ebenso herausgearbeitet wie ich – und man damit auch unterschiedliche Rechtsauffassungen diskutieren muss, hat man im Amt als Justizminister. Das hat man, wenn man entscheidet, aber ein vorsätzlicher Verstoß, den Sie versuchen zu konstruieren, ist nicht gegeben.

Lassen Sie mich noch etwas zu den 21 Minuten sagen, die Sie anführen. Mit der Frage möglicher Entscheidun

gen, der rechtlichen Prüfung, beschäftigt man sich ganz intensiv, bevor die Entscheidungen überhaupt kommen. Man überlegt, was ist, wenn so entschieden wird, wenn abgelehnt wird, wenn stattgeben wird. Wie sieht es dann aus, und welche Folgerungen sind daraus zu treffen?

Das ist im Ministerium selbstverständlich sorgfältig erfolgt. Daran habe ich überhaupt keinen Zweifel. Das passiert immer in solchen Fällen. Das hat mit den 21 Minuten überhaupt nichts zu tun.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Mertin.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn ich gelegentlich Büttenreden halte, bin ich, glaube ich, unverdächtig, von dieser Stelle aus Klamauk zu betreiben.

(Beifall der FDP)

Ich meine, dass durchaus eine Berechtigung vorhanden war, diese Sondersitzung durchzuführen. Dazu gibt nicht zuletzt der von mir erwähnte Artikel Anlass.

Herr Ministerpräsident, Sie hatten aufgefordert – ich nehme an, auch mich –, mit Ihnen gemeinsam über die Frage der Ämterstabilität nachzudenken.

(Ministerpräsident Beck: Gebeten!)

Gebeten. Ich habe auch schnell nachgedacht. Wenn man die Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen bis zu derjenigen Revue passieren lässt, die den rheinlandpfälzischen Fall betraf, ist deutlich ein Unwohlsein des Bundesverfassungsgerichts dahin gehend anzumerken, dass es nach Abschluss des einstweiligen Rechtschutzverfahrens keine Möglichkeit gibt, wirksam Verfassungsrechtschutz in einem einstweiligen Verfassungsrechtschutzverfahren zu bekommen, nämlich in der Hauptsache selbst, wenn vorher die Urkunde überreicht worden ist.

Hier muss man die Macht des Faktischen sehen. Die Exekutive hat durch die Übergabe der Urkunde deutlich mehr Möglichkeiten, dem Bundesverfassungsgericht letztlich Fesseln anzulegen. Das mag der Grund sein – ich kann es nur vermuten –, weshalb das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung die Ämterstabilität infrage stellt.

Wenn das aber der Grund sein sollte, meine ich, könnte man dem eigentlich relativ einfach begegnen, und zwar ohne das Risiko zu haben, jahrelang ein Hauptsacheverfahren abzuwarten; denn die Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts gehen immer dahin, ausreichenden verfassungsrechtlichen Rechtsschutz auch nach dem einstweiligen Verfügungs- oder Anordnungsverfahren zu gewährleisten.

Das wäre meines Erachtens relativ einfach zu lösen, wenn wir uns dahin gehend verständigen – ich bin gern bereit, für meine Fraktion einen solchen Antrag einzubringen –, zukünftig in solchen Verfahren so zu verfahren, dass man einfach die im Gesetz festgelegte Frist von einem Monat nach Beendigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens abwartet.

Dann hat der unterlegene Bewerber ausreichend Möglichkeit, eine Verfassungsbeschwerde einzulegen oder entsprechende Anträge beim Bundesverfassungsgericht zu stellen. Sollte diese eingelegt werden, ist bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht in solchen Eilfällen nicht ewig wartet. Wird sie nicht eingelegt, hat man hinreichend Gelegenheit gegeben, um eine solche Verfassungsbeschwerde gegebenenfalls einzulegen oder nicht.

Allerdings müssten wir uns auf Landesebene – ich habe die Rechtslage nicht so schnell prüfen können – eher informell darauf verständigen, zukünftig so zu verfahren. Meine Fraktion würde Sie sicher unterstützen, wenn Sie über den Bundesrat eine entsprechende Gesetzesinitiative auf Bundesebene einbringen. Ich halte es – das wurde mir so richtig deutlich, als ich in Vorbereitung zur heutigen Sitzung diese Entscheidung gelesen habe – ein Stück weit eines Rechtsstaats nicht für ganz würdig, wenn wir einen Wettlauf darüber beginnen, ob die Verfassungsbeschwerde schneller vorgelegen hat oder die Übergabe der Urkunde schneller erfolgt ist.

(Beifall der FDP und der CDU)

Das ist meines Erachtens die Quintessenz. Er hat einen Monat Zeit. Legt er Verfassungsbeschwerde ein, dauert es etwas länger. Es ist in diesem Fall nicht so, dass das Bundesverfassungsgericht Jahre braucht, bis es entscheidet. Das haben wir in diesem Fall auch gesehen.

Ich kenne – ich habe diesen Fall persönlich erlebt – durchaus auch Fälle, in denen man im Einzelfall im Rechtschutzverfahren einschließlich des Bundesverfassungsgerichts recht bekommt und am Ende des Hauptsacheverfahrens einschließlich des Bundesverfassungsgerichts nicht recht bekommen hat. Das kann es geben.

Dann ist dem Bemühen des Bundesverfassungsgerichts, nach dem einstweiligen Rechtschutzverfahren auch noch einen ausreichenden verfassungsrechtlichen Schutz zu gewährleisten, meines Erachtens Rechnung getragen, ohne dass in allen Fällen das Risiko besteht, dass wir über Jahre hinweg die Ämterstabilität infrage gestellt haben. Ich meine, das wäre ein Weg, mit dem man diesem Risiko begegnen könnte.