Protocol of the Session on June 27, 2007

Ich sage Ihnen eins, hier sind jetzt erst einmal die Gewerkschaften gefordert. Herr Beck, ich bin sehr zuversichtlich, Sie haben enge Kontakte zu den Gewerkschaften.

Mit diesem Kompromiss wird sicherlich alles gut werden.

Ich möchte auch einmal klar und deutlich betonen, der Kompromiss in der jetzigen Situation ist sehr gut. Sie haben ihn selbst mit beschlossen. Dies sieht im Übrigen auch Wolfgang Clement, ein sehr kompetenter Mann, so. Haben Sie den Artikel in der „Welt am Sonntag“ gelesen?

„Erstes Beispiel: Mindestlohn. Die gefundene Lösung, die Tarifpartner in den gefährdeten Branchen Lohnuntergrenzen festlegen zu lassen und diese sodann für allgemeinverbindlich zu erklären, ist sehr vernünftig.“ – Dies sagt Wolfgang Clement in der „Welt am Sonntag“. Er hat doch Ahnung von dem Thema!

(Pörksen, SPD: Da haben Sie aber eine tolle Zeitung erwischt!)

Er sagt weiter:

„Vor allem: Sie respektiert die Tarifhoheit, die – wie die vergangenen Jahre wieder gezeigt haben – zu den wichtigsten Errungenschaften unserer sozialen Marktwirt

schaft gehört.“ – Sie gehört zu den wichtigsten Errungenschaften!

(Beifall der CDU)

Es folgt noch eine zweite Runde, und ich zitiere Ihnen gern an weiteren Stellen noch einige ganz interessante Aussagen dazu.

Herr Ministerpräsident, ich habe erfahren, Sie möchten nun über den Bundesrat eine Initiative einbringen. Es gab schon einmal Menschen, die Bundeskanzler waren und sinngemäß gesagt haben: Was interessiert mich denn mein Geschwätz von gestern?

Sie sammeln zuerst Unterschriften für den gesetzlichen Mindestlohn, und danach treffen Sie eine Vereinbarung. – Entschuldigung, dann halten Sie sich doch an diese Vereinbarung! – Aber nein, nun wird überlegt, in den Bundesrat eine Initiative für den gesetzlichen Mindestlohn einzubringen.

Nun kommt etwas sehr Interessantes: 31. August 2006, „WELT ONLINE“, also „Die Welt“, eine Zeitung mit Niveau, wie ich zu behaupten wage, schreibt:

„Kurt Beck und die Entdeckung der Leistungsträger – Dem Mindestlohn erteilt er eine Absage, mehr Zumutungen für Hartz-IV-Empfänger hält er dagegen für richtig. Mit einem neuen Kurs will Beck für die SPD neue Wählerschichten gewinnen.

(…)

In der Debatte um Mindestlöhne erteilte Beck einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn eine Absage, da dieser gesetzlich nicht durchsetzbar sei.

(Glocke des Präsidenten)

Branchenspezifische Mindestlöhne seien jedoch in weiteren Bereichen als bislang vereinbart nötig.“

(Zurufe der Abg. Hartloff und Pörksen, SPD)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident! Bleiben Sie bei dieser Meinung, wir werden Sie dabei unterstützen.

(Beifall der CDU – Ministerpräsident Beck: Dümmliches Geschwätz!)

Das Wort hat Herr Kollege Bauckhage.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist völlig unstrittig, dass für jeden Arbeitnehmer das Erwerbseinkommen so hoch sein sollte, dass er damit ein Leben in Würde bestreiten kann. Darüber streiten wir nicht, wir streiten nur über den Weg. Es stellt sich die Frage: Kann man das mit einem Mindestlohn erreichen, oder muss man einen anderen Weg suchen?

Der Weg, der mir ökonomisch und volkswirtschaftlich sinnvoll erscheint, ist der Gedanke, wir satteln etwas oben drauf, das heißt, die Sozial- und Arbeitslosenhilfe entsprechend abzusenken, aber man darf etwas hinzuverdienen.

(Beifall der FDP)

Vor diesen beiden Fragen stehen wir, und dies ist die Auseinandersetzung, die wir derzeit führen.

Alle führenden Ökonomen, mit Ausnahme von Herrn Bofinger, warnen vor einem Mindestlohn. Der Mindestlohn zerstört den sozialen Zusammenhalt, so DIW-Chef Klaus Zimmermann. Kombi- und Mindestlöhne sind Unfug. Hans-Werner Sinn vom ifo Institut warnt eindringlich: Mindestlöhne lindern weder die Armut, noch schaffen sie mehr Beschäftigung.

Wir leben in einem Markt, und es stellt sich die Frage: Gibt der Markt die Löhne her, die bei einem Mindestlohn festgelegt werden? – Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall. Ökonomen sagen übereinstimmend, Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze.

Nun stellt sich die Frage, sind das alles kaltherzige Menschen, oder sind es Bonzen? – Ich sage Ihnen, es sind keine Bonzen, und es sind auch keine kaltherzigen Menschen.

Es ist schon merkwürdig, dass aus der Tradition von Ludwig Erhard heraus solche Äußerungen getroffen werden, wie Sie sie getroffen haben. Herr Baldauf, damit müssen Sie umgehen können. Sie stehen mit Ihrer Aussage im klaren Widerspruch zu Ihrem Fraktionskollegen Billen.

Wenn man diesbezüglich Umfragen durchführt, ist es ungefähr so, als ob ich fragen würde: Willst Du krank oder gesund sein? – Die Antwort ist eindeutig.

Es stellt sich die Frage: Was ist ökonomisch sinnvoll, und was ist ökonomisch nicht sinnvoll?

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, diese Debatte bestätigt sich mit den Worten von Berthold Brecht: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint!“

(Beifall der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Großbritannien und Frankreich werden sehr oft als Beispiele herangezogen. Aber der internationale Vergleich hinkt: In der Regel wird unterschlagen, wie viele Menschen davon betroffen sind. In England ist die Arbeitslosigkeit sehr niedrig und die Nachfrage nach Arbeitskräften ist sehr hoch, sodass nur 1,4 % dort für einen Mindestlohn arbeiten. Alle anderen werden höher bezahlt.

In Deutschland würde dieser Mindestlohn ca. 10 % der Beschäftigten betreffen, und in Ostdeutschland wären es noch mehr.

(Ministerpräsident Beck: Umso nötiger! – Pörksen, SPD: Umso wichtiger ist er!)

Herr Ministerpräsident, ich sage noch einmal klar, wir streiten nur über den Weg, nämlich Mindestlohn oder Mindesteinkommen. Das ist der Streit. Im Übrigen muss ich Ihnen sagen, Sie haben dieser Tage zum Beteiligungslohn einen durchaus bedenkenswerten Vorschlag gemacht, über den man diskutieren muss.

Wie gesagt, in Deutschland sind es 10 %, und in den ostdeutschen Ländern sind es noch mehr. In Frankreich zeigt sich die kontraproduktive Wirkung eines Mindestlohnes in hohem Maße; denn in dem Maße, in dem der Mindestlohn stieg, erhöhte sich auch die Arbeitslosigkeit, insbesondere bei denjenigen im Alter von bis zu 25 Jahren.

Meine Damen und Herren, deshalb sagen wir: Mindestlohn nein, Mindesteinkommen ja!

(Beifall der FDP)

Ich verweise noch einmal auf den Vorschlag der Wirtschaftsforschungsinstitute. Herr Billen, Mindestlöhne sind in einer Marktwirtschaft auch nicht systemimmanent.

Ich möchte noch einen Hinweis auf die Familienpolitik geben. Ludwig Erhard lässt grüßen. Wenn man Familien unterstützen will, kommt der Staat auch nicht auf die Idee, beispielsweise die Babynahrung zu reglementieren oder den Preis für die Babynahrung festzulegen. Nein, stattdessen zahlt er ein entsprechendes Familien- oder Elterngeld.

Wenn also der Staat Familien helfen möchte, nutzt kein Preisdiktat bei Babynahrung; denn damit erzielt man andere Auswirkungen.

(Beifall der FDP – Baldauf, CDU: Das hilft aber der Putzfrau nicht viel!)

Bevor ich Frau Dreyer von der Landesregierung das Wort erteile, darf ich zunächst Gäste im rheinlandpfälzischen Landtag begrüßen. Wir freuen uns über eine Gruppe der Bundeswehr des Informationsamtes aus Koblenz. Seien Sie herzlich willkommen in Mainz!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat nun Frau Dreyer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! Vorab möchte ich feststellen, 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte arbeiten zu Löhnen, die weniger als 50 % des Durchschnittslohnes betragen, und ca. 560.000 Menschen sind auf ergänzende Grundsicherung in Deutschland angewiesen. Wir können und wollen uns nicht am Wettlauf nach den niedrigsten Löhnen ausrichten oder ihn sogar gewinnen. Die Landesregie

rung will gerechte Löhne für gute Arbeit. Wir wollen, dass Menschen, die vollzeitbeschäftigt sind, von diesem Lohn auch leben können.

(Beifall der SPD)