Protocol of the Session on June 27, 2007

Im Rahmen der jüngsten Debatte im Bildungsausschuss des Landtags hat sich nunmehr die Sprecherin der SPDLandtagsfraktion, meine Kollegin Brede-Hoffmann, etwas weiter hervorgewagt und gesagt, man müsse sich intensiv mit den neuen Konzepten, die auf dem Tisch sind, auseinandersetzen, und auch das Konzept des VBE sei bedenkenswert. Man müsse nur größere Reformschritte ins Auge fassen.

Die SPD-Fraktion hat sich in dieser Ausschusssitzung ganz klar im Widerspruch zu ihrem Staatssekretär im Bildungsministerium geäußert, der weiterhin betont hat, das Ministerium wolle am bisherigen Bildungsgang Hauptschule in den verschiedenen Schularten und Ausprägungen festhalten.

Offensichtlich war es – das hat sich kurz nach dieser Sitzung gezeigt – der Landesregierung durch den Druck der Opposition, der Gewerkschaften, der Verbände und auch ihrer eigenen Fraktion nicht mehr möglich, die Debatte um die Hauptschulen in unserem Land zu umgehen.

Nicht anders erklärt sich, dass der SPDFraktionsvorsitzende Hartloff in der vergangenen Woche gemeinsam mit Ministerin Ahnen in einer Presseerklärung angekündigt hat, man wolle bis zum Herbst ein konkretes Konzept zur Zukunft der Schulentwicklung in Rheinland-Pfalz vorlegen und insbesondere auch Antworten auf die Fragen der Perspektiven für die Hauptschule und die Schulstruktur geben.

Das ist interessant. Damit schaffen Sie sich bis zum Herbst erst einmal Luft, statt zu handeln. Diese Art der Ankündigungspolitik ist für mich zumindest gleichzeitig die Offenbarung, dass die Landesregierung in dieser entscheidenden Frage, über die wir schon einige Zeit

diskutieren, bis jetzt immer noch keine eigene klare Position hat. Das ist schwach.

(Beifall der FDP und des Abg. Lelle, CDU)

Erstaunlich und auch ärgerlich finde ich in der Debatte, dass erst einmal strukturelle und damit auch häufig ideologische Fragen im Vordergrund stehen. Die Schülerinnen und Schüler, um die es geht, ihre Bedürfnisse, ihre Perspektiven und die sich daraus ergebenden pädagogischen Leitlinien geraten dabei schnell aus dem Blick.

Eine künftige Schulstruktur muss demografiefest sein und unseren ländlichen Strukturen Rechnung tragen. Eine Reform kann allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn sie zunächst einmal diejenigen in den Mittelpunkt stellt, um die es geht, nämlich die Hauptschülerinnen und Hauptschüler.

(Beifall der FDP)

Wir brauchen dringend wieder Perspektiven für diejenigen, die mit ihren persönlichen Voraussetzungen voraussichtlich keinen mittleren oder höheren Bildungsabschluss erreichen, in ihrem Elternhaus schwierige Lernvoraussetzungen haben, eine intensive Förderung von Sozialkompetenz und Basiskompetenzen benötigen, die nach ihrem Schulabschluss direkt in eine praktische Ausbildung münden und sich sehr früh am Ausbildungsmarkt behaupten müssen. Für diese jungen Leute spielt weniger das Türschild eine Rolle, sondern eine gute individuelle Förderung auf der Grundlage eines durchgängigen pädagogischen Konzepts.

(Beifall der FDP)

Ein solches Konzept zur Zukunft des Bildungsgangs Hauptschule hat meine Fraktion vorgelegt. Wir wissen, dass dieser Bildungsgang schon heute – übrigens mit Zustimmung der FPD-Fraktion – auch in anderen Schularten angeboten wird, zum Beispiel in den hervorragend arbeitenden dualen Oberschulen, aber auch in der regionalen Schule und der IGS.

Wenn man die Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler betrachtet, die sich derzeit in dem Bildungsgang Hauptschule in den verschiedenen Ausprägungen befinden, dann wissen wir aber auch, dass es eine Illusion ist, bei der jetzigen Debatte zu glauben, diese seien plötzlich nicht mehr vorhanden, nur weil man die Schüler vermeintlich gemeinsam mit anderen lernen lässt oder in anderen Schulformen einschult.

(Beifall der FDP)

Das sieht man deutlich am Beispiel derer, die erst einmal von ihren Eltern auf das Gymnasium geschickt werden und dann mit sehr schmerzhaften Erfahrungen wieder zurückkommen.

(Glocke des Präsidenten)

Man sieht es aber auch am Beispiel der IGS. Darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Ich werde dann auch noch etwas zu den strukturellen Problemen sagen.

Danke schön.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Fuhr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die rheinland-pfälzische Bildungspolitik ist deswegen gut aufgestellt, weil sie unter sozialdemokratischer Verantwortung immer rechtzeitig auf notwendige Entwicklungen reagiert, diese anerkannt und gehandelt hat.

(Beifall der SPD)

Ich zähle Ihnen als Beispiele die Ganztagsschule auf, mit der wir bundesweit Impulse gegeben haben. Darüber hinaus haben wir mit der Initiative „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ Antworten auf die frühkindliche Entwicklung gegeben. Auch die regionalen Schulen und die dualen Oberschulen sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Wir haben immer reagiert und gehandelt, um Dinge voranzubringen und Entwicklungen zu gestalten.

Wir haben in den vergangenen Jahren auch für die Hauptschulen gehandelt und diese mit besonderen Programmen und verbesserten Rahmenbedingungen unterstützt, und zwar gemeinsam mit den vielen Kooperationspartnern, wie den Schulträgern, den Verbänden, der Jugendhilfe und der Wirtschaft, die sich in diesen Bildungsgang eingebracht haben.

Frau Kollegin, dies haben wir getan, weil wir den Hauptschulbildungsgang mit der Qualifikation der Berufsreife für unverzichtbar halten.

Unsere Bemühungen haben auch Erfolge gebracht. Sie tun immer so, als ob es in den letzten Jahren keine Erfolge in diesem Bereich gegeben hätte. Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass wir diese Erfolge nicht verstecken.

Ich erinnere an das relativ gute Abschneiden der Hauptschulen bei PISA. Wir haben den Prozentsatz von Hauptschulabgängerinnen und Hauptschulabgängern ohne Abschluss in den letzten zehn Jahren um zwei Drittel reduziert. Die Zahl der Klassenwiederholungen ist in vier Jahren um 50 % zurückgegangen. Arbeitsweltklassen helfen gefährdeten Schülerinnen und Schülern, doch ihren Hauptschulabschluss zu schaffen. Die Schulentwicklung wurde durch Verstärkung der Qualitäts- und Förderprogramme und der Schulsozialarbeit ausgebaut.

Wir haben – das betone ich noch einmal, weil es sicherlich in der Debatte eine Rolle spielt – im Durchschnitt mit 20,9 Schülerinnen und Schülern die kleinsten Klassen, auch wenn es hier Unterschiede gibt. Wir haben nur noch 15 % Hauptschulklassen, die über 25 Schülerinnen und Schüler haben.

Das sind alles Leistungen der Politik, die man, wenn man jetzt in die Debatte einsteigt, nicht zurückstellen soll. Diese Leistungen haben wir deswegen erbracht, weil wir große Anstrengungen unternehmen wollen, um die jungen Menschen an der Schwelle zur Ausbildung nicht zu verlieren, sondern ihnen über diese Schwelle zur Ausbildung zu helfen.

Dennoch müssen wir feststellen, dass es die bundesweite Entwicklung gibt – Rheinland-Pfalz stellt hier keine Ausnahme dar –, dass die Akzeptanz der Schule zurückgeht und sinkende Schülerzahlen bei der Hauptschule festzustellen sind. Aufgrund dieser Entwicklung gibt es bundesweite Debatten über Reformen und Strukturveränderungen.

Grundlage dieser Debatten ist das veränderte Schulwahlverhalten, nämlich dass Eltern ihre Kinder wegen anderer Abschlüsse auf andere Schulen schicken, die sinkende Akzeptanz und die demografische Entwicklung.

Deshalb haben wir uns als sozialdemokratische Landtagsfraktion zusammen mit der Landesregierung darauf verständigt, eine Schulentwicklung einzuleiten. Ich nenne diesen Ausdruck „Schulentwicklung“ ganz bewusst. Wir wollen das Schulsystem zukunftsgerecht gestalten und in Rheinland-Pfalz längeres gemeinsames Lernen ermöglichen.

(Beifall der SPD)

Um das zu erreichen, müssen wir pädagogische und auch strukturelle Antworten geben. Diese Antworten werden wir mit einem Konzept geben, das das Bildungsministerium im Herbst vorlegen wird.

Frau Kollegin Morsblech, wenn wir heute mit dem fertigen Konzept kommen würden, würden Sie schreien, wir hätten die Betroffenen nicht eingebunden. Wir reden mit den Betroffenen, binden sie ein und lassen sie ihre Vorschläge machen. Darüber wird diskutiert. Dann werden wir ein vernünftiges Konzept vorlegen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Wir werden nicht hoppladihopp über Nacht irgendetwas verändern.

(Beifall der SPD)

Wir haben klare Zielvorstellungen formuliert, die Sie schon angesprochen haben. Wir wollen eine Schulstruktur, die der demografischen Entwicklung Rechnung trägt. Die demografische Entwicklung betrifft nicht nur die Hauptschulen, sondern auch andere Schularten.

Wir wollen eine Schulstruktur, die alle Bildungsabschlüsse in zumutbarer räumlicher Entfernung sichert. Das wollen wir deswegen, weil wir niemanden ausgrenzen wollen. Es war immer unsere Politik, in den Regionen die Bildungsmöglichkeiten und -chancen zu erhalten.

Wir wollen weiterführende Perspektiven, indem wir Kooperationen benachbarter Schulen, auch unterschiedlicher Schularten ermöglichen. Wir wollen weitergehende Optionen für ein längeres gemeinsames Lernen ermögli

chen, weil es uns wichtig ist, die besonderen Chancen zu nutzen.

(Glocke des Präsidenten)

Wir werden Leitlinien als Grundlage für die regionale Schulentwicklung vorlegen, weil wir die Einbindung der Schulträger und die Kooperation mit den Schulträgern für besonders wichtig halten. Das sind diejenigen, die die Schulentwicklung vor Ort tragen und solche Veränderungen mittragen müssen. Die Einbeziehung der Kommunen als Schulträger ist ein ganz wichtiger Punkt bei dieser Debatte.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Keller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der vergangenen Legislaturperiode war es die CDU allein, die auf dringenden Handlungsbedarf bei den Hauptschulen hingewiesen und mehrere Anträge, vor allem zur Verbesserung der Rahmenbedingungen an den Hauptschulen, gestellt hatte. Alle Anträge wurden abgelehnt, weil es vor allem nach Meinung der Landesregierung keine Probleme an den Hauptschule gegeben hat.

(Lelle, CDU: So war das!)

In dieser Periode haben sich die beiden Oppositionsfraktionen, FDP und CDU, des Themas „Hauptschule“ angenommen. Die FDP hat eine Große Anfrage und einen Antrag gestellt. Wir haben bei den Haushaltsberatungen im Dezember 2006 ebenfalls wieder Anträge gestellt.

Im Januar haben wir ein großes Hearing veranstaltet, Herr Kollege Fuhr. Wir haben die Betroffenen eingeladen, die sich geäußert haben. Wir haben dann aus diesem Hearing heraus unser Sofortprogramm „Hauptschule“ entwickelt, das heute in zweiter Lesung behandelt wird und das Sie natürlich wieder ablehnen.

(Frau Schneider, CDU: So ist es!)