Protocol of the Session on May 24, 2007

Das Wort hat Herr Kollege Schneiders.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag „Bemühungen der Landesregierung zur Verbesserung des Opferschutzes“ ließ mich aufhören – aufhorchen.

(Heiterkeit des Abg. Eymael, FDP)

Herr Kollege Eymael lacht. Das war kein Versprecher. Meine erste Vermutung war, da ist offensichtlich irgendetwas, wofür man sich wieder einmal feiern lassen möchte. Deshalb war ich gespannt, was denn die Bemühungen der Landesregierung sein würden, die die SPD-Fraktion uns mit diesem Antrag vorlegen möchte.

Tatsächlich geht es in dem Antrag um die Beschreibung der Ist-Situation, die Beschreibung von Belastungen und Ängsten, die die Opfer von Straftaten erleiden mussten und auf Dauer erleiden, von Gefühlen der Unsicherheit, Bedrohungen und Ängsten und auch häufig deren finanzieller Folgen.

In diesem Zusammenhang fällt mir der Fall ein, der jüngst in Trier – gestern oder heute – vor Gericht verhandelt worden ist. Ein junger Mann ersticht einen anderen jungen Mann oder verletzt ihn lebensgefährlich wegen eines Euros, der ihm fehlte, um sich irgendeinen Burger zu kaufen. Es ist schon schlimm, wenn wir in unserer Gesellschaft solche Täter haben und in unserer Hilflosigkeit zu einem relativ – das kann man bewerten, wie man will – geringen Strafmaß kommen und niemand fragt, wie es dem jungen Menschen geht, der diesen Kontakt zu dem Täter hatte, der niedergestochen worden ist. Wie fühlt sich dieser Mensch in Zukunft, wenn er sich draußen bewegt?

Wir haben gesetzliche Grundlagen. Herr Kollege Hoch hat eben in einem bemerkenswerten Vortrag die Problematik in ihrer Abstraktheit erläutert. Dem kann ich nur zustimmen. Wir haben ein Opferentschädigungsgesetz und eine Strafprozessordnung. Gleichzeitig stellen wir gemeinsam fest, dass es Lücken gibt. Man kann natürlich beantragen, diese Lücken zu schließen und deshalb über eine Bundesratsinitiative die Strafprozessordnung oder das Opferentschädigungsgesetz anzupacken. Das hätte ich erwartet.

Herr Kollege Hoch, ich stimme Ihnen zu, dass dies ein erster Schritt ist. So will ich diesen Antrag auch verstehen. Es ist ein erster Schritt, indem Sie einen Bericht fordern, der sicherlich für uns nicht neu sein wird – alle zwei Jahre regelmäßig –, uns aber die Daten und Fakten an die Hand gibt, aufgrund derer wir dann vielleicht aufbauen könnten – was ich für notwendig halte –, tatsächlich die Initiativen zu ergreifen, die sich neben dem ehrenamtlichen Engagement von Opferschutzstiftungen

und Opferschutzinitiativen im ehrenamtlichen Bereich um die Opfer kümmern.

Wenn wir es so verstehen, dass wir uns nach Abfragen der Daten eine Grundlage dafür schaffen, tatsächlich in Zukunft mit Initiativen mehr für die Opfer tun zu wollen, dann gibt es keinen Grund, diesem Antrag nicht zuzustimmen.

(Beifall der CDU und bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Dr. Lejeune.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In ihrem Antrag hat die SPD-Fraktion sich zweifelsohne einem sehr wichtigen Thema zugewandt, dem der Unterstützung von Opfern von Straftaten durch Staat und Gesellschaft.

Dieses Thema ist auch deshalb von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da gerade Straftaten von jugendlichen Tätern zunehmen. Herr Kollege Schneiders, das haben Sie vorhin angedeutet. In der Tat muss man danach schauen.

Während jahrzehntelang der Strafprozess durch eine eher täterzentrierte Sichtweise aller am Prozess Beteiligten gekennzeichnet war, hat sich dies Schritt für Schritt seit den 80er-Jahren geändert. Dies zeigen besonders die Novellierung des Opferentschädigungsgesetzes 1985 und die Verabschiedung des Opferschutzgesetzes 1986.

Während sich das Opferentschädigungsgesetz mit der Frage der Entschädigung beschäftigt, geht es im Opferschutzgesetz vorrangig um prozessuale Fragen im Strafverfahren. So sind die Opfer von Straftaten nicht mehr nur auf ihren Zeugenstatus reduziert, sondern ihre Position im Strafprozess hat sich verbessert.

Damit hat die Nebenklage zunehmend an Bedeutung gewonnen und auch das Adhäsionsverfahren, das zugegebenerweise in der Praxis nicht sehr viel genutzt wird, ist auch in der Strafprozessordnung eingeführt worden.

Nicht nur der Gesetzgeber war im Sinne und für die Opfer von Straftaten aktiv, sondern auch die Praxis selbst. Dabei hat sie ihr Augenmerk vor allem darauf gerichtet, wie die für die Opfer besonders belastende Situation des Strafprozesses erträglicher gestaltet werden kann.

So hat – insbesondere Rheinland-Pfalz war Vorreiter – die Videovernehmung, insbesondere von kindlichen und jugendlichen Zeugen und Opfern, müsste man sagen, bei Sexualdelikten ebenso einen festen Platz in der rheinland-pfälzischen Justiz unter liberaler Führung bekommen wie die Einführung von Zeugenbegleitprogrammen, welche besonders bei Opferzeugen im Rah

men von Strafverfahren gegen die Organisierte Kriminalität Bedeutung erlangt haben.

Zu erwähnen ist insbesondere – das haben Sie getan, Herr Kollege Hoch – die Schaffung der OpferschutzStiftung 2001 durch das Land Rheinland-Pfalz, die bislang in nicht wenigen Fällen, in denen eine Hilfe von anderer Seite nicht möglich war, unterstützend wirken konnte.

Wichtig war und ist bei allen Maßnahmen, dass die Opfer nicht durch unwürdige Prozessbedingungen oder zu hohe Anforderungen an Entschädigungsansprüche ein zweites Mal zu Opfern gemacht werden. Darüber hinaus ist aus Opfersicht entscheidend, dass Staat und Gesellschaft die Unrechtmäßigkeit des erlittenen Unrechts anerkennen, den Täter durch Sanktionen zur Verantwortung ziehen und das Opfer etwa im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs die Möglichkeit bekommt, den Täter für sein Fehlverhalten zur Rede zu stellen.

Doch bei all den Maßnahmen, die ergriffen wurden und noch zu ergreifen sind, dürfen meines Erachtens die folgenden zwei Gesichtspunkte nicht außer Betracht bleiben: Zum einen muss die finanzielle Unterstützungs- und Ausgleichsfunktion des Staates subsidiär gegenüber der Ausgleichspflicht des Täters sein.

(Beifall der FDP)

Das bedeutet, auch wenn der Staat oder ein Dritter sich unterstützend für das Opfer einsetzen, dann darf der Täter in seiner Wiedergutmachungspflicht nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden. Insoweit verdienen auch entsprechende Erweiterungen der staatlichen Entschädigungspflicht nach dem Opferentschädigungsrecht eine gründliche und kritische Überprüfung.

Das ist im SPD-Antrag entsprechend angesprochen worden. Glauben Sie mir, ich habe als Richterin selbst die Fälle nach dem Opferentschädigungsgesetz entschieden. Ich weiß, wovon ich spreche.

Zweitens: Die Gesellschaft hat es über ihren Medienkonsum in der Hand, ob und inwieweit sie die Opfer ein weiteres Mal zu Opfern macht. Das klang auch etwas bei Ihnen an, Herr Kollege Hoch.

Es war bei dem einen oder anderen Kriminalfall der letzten Jahre durchaus nicht unüblich, dass sich Täter für das Zurverfügungstellen für Interviews haben bezahlen lassen, während die Opfer finanziell leer ausgingen.

Dieses moralisch mehr als zweifelhafte Agieren kann nur dadurch unterbunden werden, dass solche Interviews in den Medien nicht mehr nachgefragt werden, weil die Öffentlichkeit ihnen das Interesse versagt und keine Gelder mehr dafür fließen.

(Beifall der FDP)

Das wäre dann ein Opferschutz durch jeden einzelnen von uns.

Abschließend bleibt mir nur zu sagen, in Rheinland-Pfalz ist schon unter liberalen Vorzeichen sehr viel für Opfer

schutz getan worden, aber es kann natürlich nicht bestritten werden, dass immer noch weitere Maßnahmen ergriffen werden können und denkbar sind.

Insofern verschließt sich die FDP-Fraktion selbstverständlich nicht den Anregungen im SPD-Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst darf ich auf der Zuschauertribüne weitere Gäste begrüßen, und zwar Mitglieder des SPD-Ortsverbandes SprendlingenGensingen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Staatssekretärin Reich.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich begrüße den SPD-Antrag zur Erstellung eines Opferschutzberichtes nachdrücklich. Einen solchen Bericht haben wir in Rheinland-Pfalz bisher noch nicht. Ich halte ihn für wichtig und notwendig.

Ich weiß, dass dies auch ein Anliegen von Opferschutzorganisationen wie dem „Weissen Ring“ ist; denn der Schutz der Opfer ist eines der zentralen kriminalpolitischen Themen der Gegenwart.

Lange Zeit – darauf sind Sie schon eingegangen – stand eben allein die Person des Täters im Fokus von Strafrechtspflege und Kriminalpolitik. Das Opfer einer Straftat stand dagegen über viele Jahre eher am Rande oder wurde ganz übersehen, und dies, obwohl die Erfahrung, Opfer einer Straftat zu werden, eine der schlimmsten sein kann, die ein Mensch machen kann.

Erst in den letzten Jahrzehnten wird der große soziale Schaden einer Straftat verstärkt aus der Sicht des Opfers betrachtet und dessen Interessen berücksichtigt. So hat sich bundesgesetzlich einiges getan. Frau Dr. Lejeune hat dies schon erwähnt: Opferentschädigungsgesetz, das Opferschutzgesetz, Täter-Opfer-Ausgleich und das Gewaltschutzgesetz.

Um Opferinteressen durchsetzen zu können, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen. Dieser Entwicklung hin zu einer deutlich verstärkten Berücksichtigung von Opferinteressen ist zu begrüßen.

In Rheinland-Pfalz – Frau Dr. Lejeune, darauf sind Sie auch schon eingegangen – wurden in den letzten Jahren bereits zahlreiche Projekte realisiert, die dem Opferschutz dienen. Insofern ist ein Opferschutzbericht ein geeigneter Ort, die Aktivitäten einmal gebündelt aufzuzählen.

Dem Bericht will ich natürlich nicht vorgreifen, ich möchte aber einige Aktivitäten kurz auflisten: Seit 2002 haben wir im Land die Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz. Sie leistet Opfern von Straftaten unbürokratisch finanzielle Hilfe und schließt Lücken im geltenden Entschädigungsrecht. Ich nenne die Opferhilfe als Bestandteil der Gerichtshilfe bei den Staatsanwaltschaften, das Projekt häusliche Gewalt bei der Gerichtshilfe.

Ganz wichtig ist der Täter-Opfer-Ausgleich, für den in allen Landgerichtsbezirken Konfliktschlichtungsstellen in freier Trägerschaft zur Verfügung stehen.

Überhaupt ist die ehrenamtliche Tätigkeit im Opferschutz ein wesentliches Standbein dafür, dass die Arbeit im Land geleistet werden kann. Hierfür ist allen Engagierten großer Dank zu sagen.

(Beifall der SPD)

Zeugenbegleitprogramme in den Landgerichtsbezirken Mainz und Frankenthal sind ebenso Bausteine im Opferschutz wie die Einrichtung von Sonderdezernaten beispielsweise für Sexualstraftaten gegen Frauen und Kinder.

Sie wissen, dass mit plakativen Forderungen ein effektiver Opferschutz nicht zu leisten ist. Eine absolute Sicherheit lässt sich auch durch noch so viele Gesetze niemals gewährleisten.