Protocol of the Session on January 18, 2007

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Ursachen, Symptome und Häufigkeit von Krankheiten sind bei Frauen anders als bei Männern.

(Eymael, FDP: Männer sind ehrlicher!)

Das Thema verdient also wirklich Aufmerksamkeit.

Meine Damen in der SPD, allerdings muss ich die Gleichbehandlung anmahnen. Dieser eben zitierte Artikel endet nämlich damit: „Statistisch zumindest sind Männer das schwache Geschlecht. Sie erkranken häufiger an Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs, Aids, Geschlechtskrankheiten, rauchen und trinken exzessiver und machen 80 % der Insassen deutscher Suchtkliniken aus. Drei Viertel aller Selbstmörder und Mordopfer sind Männer.“

Das Thema aber ist in der Tat ernsthaft. Ich frage mich, ob bei 113 Fragen und Antworten, die wir vorliegen haben, nicht die Gefahr besteht, dass durch die Menge der Blick auf Wichtiges verstellt wird und Kräfte von Wichtigem abgehalten werden.

Schon aus der Masse spricht, wie bei der Gesundheitsreform, der Glaube, der Staat könne jede Einzelheit regeln. Das ist nicht so.

Wir sollten uns auf die politisch interessanten Punkte konzentrieren. Das sind für mich Vorsorge- und Präventionsmaßnahmen, die Ursachen von Sucht und psychischen Problemen von Frauen und die Suche nach diesen, weil wir daraus vielleicht politische Konsequenzen ziehen und entsprechend handeln müssen.

Deshalb will ich mich auch in den Schlussfolgerungen auf diese beiden wichtigsten Punkte konzentrieren. Der eine Punkt, der sehr wichtig ist, ist zum Beispiel das Angebot und die Wahrnehmung von flächendeckenden Mammografie-Screenings durch die Frauen. Dazu gehört auch der Abbau der Angst vor Röntgenstrahlen.

Der zweite Punkt wäre die Verbesserung der Möglichkeiten der Suchttherapie, besonders für junge Frauen. Diesbezüglich ist in den letzten Jahren offenbar sogar eine Verschlechterung – übrigens auch für Männer generell bei Suchttherapien – und keine Verbesserung eingetreten. Insbesondere für Mütter mit kleinen Kindern müssen mehr Möglichkeiten geschaffen werden, eine Langzeittherapie zu machen und ihre Kinder mitzubringen.

Es fehlt im Bericht die Schilderung der Folge einer Sucht, nämlich des Rauchens, dessen Folgen ebenfalls für die Embryonen und die später geborenen Kinder gravierend sind. Welche Konsequenzen die Alkohol- oder die Drogensucht bei Schwangeren hat, ist in dem Bericht deutlich ausgedrückt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Elend, das Sucht für alle Familien bedeutet, kann nicht schwer genug eingeschätzt werden. Die Zahl der Fälle bei jungen Frauen steigt.

Wie ich vorhin schon sagte, die Möglichkeiten der Behandlungen sind absolut unzureichend. Hier muss dringend etwas getan werden.

Ansonsten noch kurz zu den beiden vorliegenden Anträgen: Wir begrüßen es, wenn die Medizin in der Prävention geschlechterspezifische Aspekte berücksichtigt. Wir möchten allerdings keine einseitige Bevorzugung, weder der Männer noch der Frauen.

Die Regelungen der Großen Koalition in Berlin zur Gesundheitsreform machen uns misstrauisch in Bezug auf zu viele staatliche Eingriffe und Bürokratie. Deshalb – nicht weil wir gegen das Thema oder den Inhalt der Anträge etwas hätten – enthalten wir uns.

(Beifall der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Anklam-Trapp das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat im September letzten Jahres die Große Anfrage zum Thema „Gesundheitliche Situation von Frauen in Rheinland-Pfalz“ eingebracht, ein wirkliches Fleißwerk. Die Ergebnisse – da schließe ich mich Herrn Dr. Enders von der CDU-Fraktion gerne an – sind sehr umfassend und ergebnisreich.

Frauen und Männer unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher Arbeits- und Lebensbedingungen, in Krankheiten und gesundheitlichen Einschränkungen. Gleichwohl ist das Thema „Frauen und Gesundheit“ bislang nur unzureichend untersucht.

Die Antwort auf die Große Anfrage macht deutlich, dass sich das Gesundheitswesen stärker auf geschlechterspezifische Unterschiede im Umgang mit Krankheit und Vorsorge einstellen muss. Die Antwort der Landesregierung zeigt deutlich, dass Präventions- und Vorsorgemaßnahmen von Frauen zu immerhin 80 % angenommen werden. Männer erreicht man mit Vorsorge deutlich weniger. Herr Dr. Enders, ich schließe mich Ihren Ausführungen an. Nur 23 % der Männer nehmen dieses wichtige Angebot wahr. Nach unserer Auffassung gilt es, dem entgegenzusteuern.

Um die medizinische Versorgung für Männer und Frauen zielgerichteter zu gestalten, ist das Prinzip des Gender Mainstreaming vermehrt im Gesundheitswesen einzusetzen. Damit begrüßen wir auch ganz ausdrücklich die sogenannten Männer-Gesundheitstage, wie sie bereits in Mainz, in Neuwied und in Dierdorf durchgeführt wurden.

Die gesundheitliche Situation von Frauen in Deutschland wurde erstmals 2001 als geschlechtersensible Berichterstattung der Bundesregierung auf Initiative des Regionalbüros Europa der WHO dargestellt. Meine Damen und Herren, Gesundheit hat etwas mit dem Lebensalltag der Menschen zu tun. Frauen arbeiten anders als Männer. Sie haben andere Belastungen bei der Erwerbstätigkeit im Lebensalltag.

Frauen sind häufiger als Männer im Niedriglohnsektor beschäftigt. Es gibt weniger Frauen in Führungspositionen, und die Doppelbelastung von Familie und Beruf ist in den meisten Fällen von Frauen zu tragen.

Rheinland-Pfalz beschäftigt zurzeit 75.800 Frauen im Gesundheitswesen. Dazu kommen die beschäftigten Frauen, die in einer Kammer organisiert sind, wie zum Beispiel die Ärztinnen, die Apothekerinnen, die Zahnärztinnen und die Psychotherapeutinnen. Von den 2.652 Ärztinnen in Rheinland-Pfalz, die in Krankenhäusern tätig sind, befinden sich nur insgesamt 43 Ärztinnen in leitender Position.

Wir wissen, Frauen erkennen Krankheiten bei Frauen anders. Gerade im Hinblick auf eine geschlechterbezo

gene Gesundheitsvorsorge möchte die SPD-Fraktion die Besetzung von Leitungsfunktionen im Gesundheitswesen und in der Wissenschaft durch Frauen weiter fördern.

(Beifall der SPD)

Der Bericht zeigt deutlich, Frauen sind anders krank als Männer, – –

(Zuruf aus dem Hause: Sie leben aber länger!)

Gott sei Dank!

(Heiterkeit im Hause)

und Suchterkrankungen, psychische Erkrankungen, aber auch zum Teil andere Krebserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen verlaufen anders.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einige wenige Beispiele möchte ich nicht unerwähnt lassen. Ich nenne den Herzinfarkt bei Frauen. Ein aktuelles, gutes Beispiel ist die erfolgte Sensibilisierung der Bevölkerung und der Gesundheitsberufe sowie der Anpassung der Diagnostik und Behandlung für spezifische Symptomatik von Frauen bei einem Herzinfarkt. Der Herzinfarkt äußert sich anders als bei Männern, beispielsweise durch Luftnot, Übelkeit oder Druckgefühl. Bei einer Missinterpretation der Symptome hat dies schreckliche Auswirkungen.

Hinzu kommt, Frauen werden im Gegensatz zu Männern etwa zehn Jahre später mit koronaren Herzerkrankungen belastet.

Einen weiteren Risikofaktor stellt in diesem Zusammenhang die Kombination von Pille und Rauchen dar – ich glaube, Herr Dr. Enders hat es erwähnt –, die das Risiko eines Myocardinfarktes bei Frauen immerhin um das 14fache erhöht. Ein weiteres Risiko ist die hormonelle Grundausstattung einer Frau: Die Östrogene sorgen dafür, das die Hyperlipidämie eigentlich erst in den Wechseljahren eintritt. Damit profitieren wir Frauen deutlich später von der lipidsenkenden Therapie, die die Männer oftmals schon lange in Anspruch nehmen können.

Mit Blick auf die Frauengesundheit ist der Kampf gegen Brustkrebs, die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, zu nennen. In Rheinland-Pfalz sterben jährlich 6.000 Frauen an Krebs. Haupttodesursache war an erster Stelle der Brustkrebs mit 2.600 Frauen, gefolgt von Darm- und Lungenkrebs. Wir möchten darauf hinwirken, dass gesundheitsrelevante Daten vermehrt geschlechtsspezifisch erfasst werden. Wir begrüßen und unterstützen, dass sich die Landesregierung mit einem umfassenden Konzept für die Verbesserung der Situation von an Brustkrebs erkrankten Frauen einsetzt. Dazu gehören die Bereiche Prävention und Früherkennung wie beispielsweise mit Kampagnen wie „BRUSTlife“, an der mittlerweile – auch ehrenamtlich unterstützt, und dafür danken wir – insgesamt landesweit über 12.400 Frauen zur Früherkennung durch Selbstuntersuchung teilgenommen haben. Die Behandlung und Nachsorge in Rheinland-Pfalz ist beispielhaft. Die eingerichteten fünf

Brustkrebszentren, die landesweit verteilt an verschiedenen Standorten eingerichtet sind, möchte ich nennen.

Unbestritten ist, je früher Krankheiten wie HerzKreislauf-, Nieren- und Diabeteserkrankungen erkannt werden, umso größer ist die Heilungschance. Ich möchte den Reigen der Beispiele an dieser Stelle abschließen.

Die Ergebnisse der Großen Anfrage haben gezeigt, dass sich das Gesundheitswesen stärker auf geschlechterspezifische Unterschiede im Umgang mit Krankheit und Vorsorge einstellen muss und das Gesundheitswesen vielfach noch zu einseitig auf Männer und zu wenig auf die speziellen Bedürfnisse von Frauen ausgerichtet ist. Andererseits zeigt die Antwort auch deutlich, dass Präventions- und Vorsorgemaßnahmen nun einmal eher Frauen als Männer erreichen, ein Faktum, bei dem gegengesteuert werden muss. Es gilt, gemäß dem GenderMainstreaming-Ansatz die geschlechterspezifisch unterschiedlichen Voraussetzungen von Frauen und Männern in der Diagnostik, Therapie und Forschung gleichermaßen zu berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund steht der Antrag der SPDFraktion. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Enders, wir stehen dem Antrag der CDU sehr nahe. Wir werden gemeinsam die gesundheitliche Entwicklung von Frauen in Rheinland-Pfalz begleiten und unterstützen und gemeinsam mit der Landeszentrale für Gesundheitsförderung und anderen Organisationen zielgruppenspezifische Informations- und Motivationsangebote, die das Vorsorgeverhalten unterstützen, machen. Wir möchten hinsichtlich der Besetzung von Leitungsfunktionen im Gesundheitswesen und in der Wissenschaft Frauen weiter fördern, und wir möchten darauf hinwirken, dass gesundheitsrelevante Daten geschlechtsspezifisch erfasst werden und die landesbezogene Gesundheitsberichterstattung besonders unter Gender-Aspekten weiterentwickelt wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich möchte die erfreulichste Erkenntnis aus der Antwort der Landesregierung vorab stellen: Die Lebenserwartung von Frauen, aber, liebe Kollegen, auch von Männern im Land Rheinland-Pfalz hat in den letzten 50 Jahren deutlich zugenommen. Lag die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen im Jahr 1950 noch bei 68,5 Jahren, so stieg die Lebenserwartung von weiblichen Neugeborenen im Jahr 2004 auf 81,4 Jahre. Dies gilt ungefähr auch für Männer. Ihre Lebenserwartung ist im Schnitt ca. fünf oder sechs Jahre kürzer, aber es

gleicht sich mit den Jahren an. Wenn die 2004 geborenen Mädchen 81 Jahre alt werden, stehen die Chancen ziemlich gut, dass auch die Männer ungefähr so alt werden. Wir freuen uns als Frauen darüber.

Das Thema „Frauengesundheit“ erfährt seit den 70erJahren – man kann eigentlich sagen, mit der Frauenbewegung – eine verstärkte Aufmerksamkeit. Das ist auch sehr gut so. Ein wichtiger Meilenstein dazu war sicherlich der jüngste Bericht zur gesundheitlichen Lage von Frauen im Jahr 2001. Der Ansatz des Gender Mainstreaming durchzieht inzwischen doch viele Bereiche der Gesundheit, worüber ich sehr froh bin.

Um die Frage von Frau Schellhaaß zu beantworten: Die Vielzahl der Antworten ergibt sich naturgemäß aus der Vielzahl der Fragen einer Großen Anfrage. Aber ich glaube, dass diese Anfrage tatsächlich auch zeigt, was im Bereich der Gesundheit von Frauen und Männern wichtig ist. Nicht alles sind staatliche Maßnahmen. Wenn man die Anfrage genau durchliest, hat sehr vieles überhaupt nichts mit dem Staat zu tun. Es erscheint mir wichtig, dies zu erwähnen.

(Beifall der Abg. Frau Grosse, SPD)

Die Gesundheitsberichterstattung liefert uns inzwischen sehr wichtige Daten, um tatsächlich geschlechtsspezifische Belange berücksichtigen zu können. Wir sind natürlich noch lange nicht so gut, wie man irgendwann vielleicht sein könnte, da das Thema „Geschlechtsspezifische Gesundheitspolitik“ noch ein relativ neues Thema ist.

Wenn man aber in die unterschiedlichsten Bereiche schaut – viele Erkrankungen sind schon genannt worden –, so gibt es in den letzten Jahren Fortschritte. Das gilt im Übrigen auch für den Bereich der Forschung und für die Arzneimittelforschung. Sie erinnern sich vielleicht, vor kurzer Zeit hat es die Umsetzung der EG-Richtlinie zur Harmonisierung klinischer Prüfungen gegeben, in der man Rücksicht darauf nimmt, dass auch Medikamente sehr unterschiedlich auf Männer und auf Frauen wirken.

Unser Ministerium hat in Rheinland-Pfalz in Kooperation mit dem Statistischen Landesamt eine spezifische Datenplattform entwickelt, die es uns ermöglicht, aktuelle Gesundheitsdaten auch nach geschlechtsspezifischen Kriterien anzuwenden und auszuwerten. Darüber hinaus haben wir viele Partner, die die entsprechenden Daten speichern und entwickeln.