Auch in der Rolle der Opposition sollte an der Stelle Fairness gewahrt und sich nicht solcher Mittel bedient werden.
Frau Kollegin Lejeune, Sie haben auch mitbekommen, dass ich die Angehörigen der Justiz, des Strafvollzugs, die Richterinnen und Richter und die Staatsanwälte für ihre sehr engagierte Arbeit von Herzen gelobt habe
und es mir um das Thema der Arbeitsbedingungen in unserer Justiz angesichts der Sparzwänge unserer Haushaltssituation ging. Das haben Sie mitbekommen?
Selbstverständlich habe ich es mitbekommen, Herr Wilke. Aber dennoch haben mich Ihre Worte sehr erstaunt; denn wenn ich recht im Bilde bin, sind Sie auch
Meine sehr geehrten Damen und Herren, betrachte ich die veranschlagten Mittel im Justizhaushalt, komme ich zu dem Ergebnis, üppig ist es nicht, und es war es auch nie, was von der Finanzseite für die Justiz bereitgestellt worden ist.
Im Gesamthaushalt stellt das Justizressort wahrhaftig nicht den größten Ausgabenposten dar. Wenn ich mir allein den Titel für die Öffentlichkeitsarbeit betrachte, dann weiß ich, dass man hier wohl auch weiterhin auf die in anderen Ressorts üblichen und teuren Hochglanzprospekte verzichten wird. Die Broschüren der Marke „Einfache Gestaltung – Pfiffiger Inhalt“ werden dennoch nachgefragt und gelesen.
Dieses Beispiel zeigt, dass die Ausgabenpolitik in der Justiz traditionell von Vernunft und dem Bewusstsein getragen wird, dass staatliche Pflichtaufgaben auch unter Kostengesichtspunkten verantwortungsvoll wahrgenommen werden können. Der Entwurf zum Justizhaushalt gibt zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Pfad der Tugend verlassen werden soll.
Für die Zukunft der Justiz wird es allerdings darauf ankommen, dass die Möglichkeiten zur Gestaltung und Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf Landes- und besonders auch auf Bundesebene genutzt werden. Voraussetzung dafür ist vor allem Ihre Bereitschaft zum kritischen Dialog über Länder- und Parteigrenzen hinweg und insbesondere auch gegenüber dem Bund.
Sie alle wissen, dass bei detaillierten gesetzlichen Vorgaben zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben die exekutiven Gestaltungsmöglichkeiten eher begrenzt sind. Allerdings steht es um sie nicht ganz so schlecht. Ein Justizminister – auch das wissen Sie alle – ist keinesfalls völlig hilflos an den Marterpfahl der rechtlichen und finanziellen Pflichten gebunden. Es gibt – das räume ich ein – auf Landesebene außer organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten nur sehr bedingt gesetzgeberische Handlungsfreiräume. Den Strafvollzug, der heute schon mehrmals erwähnt worden ist, nehme ich ausdrücklich aus; denn Sie alle wissen, dass wir seit September die Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich haben. Wir sind auch sehr gespannt auf den Gesetzentwurf, der uns zum Jugendstrafvollzug präsentiert wird. Ein Gesetzentwurf zur Untersuchungshaft müsste ebenfalls noch vorgelegt werden.
Auf Bundesebene gibt es aber für einen Landesminister durchaus Einfluss- und damit auch Gestaltungsmöglichkeiten, sei es über den Bundesrat oder sei es über den Bundestag und natürlich auch über die Bundesregierung. Ich könnte mir zumindest theoretisch vorstellen, dass die Einflussmöglichkeiten eines von einer Volkspartei gestellten Justizministers sogar noch größer sind als die jenes Ministers von einer noch nicht so großen Partei. Wichtig sind in diesem Zusammenhang gute Sachargumente, auch wenn mir natürlich nicht verborgen geblieben ist, dass die Abgeordneten der beiden Volks
parteien des Deutschen Bundestags nicht selten für diese geradezu taub sind. Hier hilft nur das ständige Wiederholen unbestreitbarer Fakten. Dies kann durchaus zum Erfolg führen.
Ich verweise hierzu nur auf das erste Justizmodernisierungsgesetz aus dem Jahre 2003, das zahlreiche Forderungen enthält, die über Jahre hinweg immer wieder ohne Erfolg gestellt wurden. Das heute vorliegende Gesetz stammt zu drei Vierteln aus rheinland-pfälzischer Feder. Es entlastet die Praxis erheblich und zeigt, Beharrlichkeit zahlt sich aus.
Am pauschalierten System zur Vergütung ehrenamtlicher Betreuer im Betreuungsrecht war Rheinland-Pfalz auch alles andere als unbeteiligt. Auch dieses System hat sich in der Praxis – das haben Sie in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses bestätigt, Herr Justizminister – bewährt.
Beharrlichkeit oder Hartnäckigkeit vermag allerdings dann wenig auszurichten, wenn sie versucht, ein Projekt auf den Weg zu bringen, dessen tieferer Sinn sich auch den Eingeweihten nicht zu erschließen vermag. Als Stichwort nenne ich nur die große Justizreform mit umfangreichen Plänen zur Reform der Rechtsmittel besonders im Zivilprozess und zur Rückführung der richterlichen Unabhängigkeit. Inzwischen ist aus der großen Reform Gott sei Dank ein Reförmchen geworden. Man kann nachträglich nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justizministerien bedauern, die die Berge von Papier zu bewältigen hatten, die damit verbunden waren.
Meine Damen und Herren, Sie werden vielleicht fragen: War oder ist eine Reform in der Justiz überflüssig? – Ich möchte diese Frage mit einem Ja und einem Nein beantworten. Wir benötigen keine Reform etwa im Sinne einer funktionalen Zweigliedrigkeit oder Zweistufigkeit, die den Rechtschutz erheblich verkürzt. Dies trägt nicht zum Rechtsfrieden bei und verbessert auch nicht die zügig und qualitativ sehr gut arbeitende Justiz in Rheinland-Pfalz.
Die Aufgabenübertragung innerhalb der Justiz oder auch durch Beleihungssysteme verdient dann eine kritische Betrachtung, wenn sie für die Bürgerinnen und Bürger zu einer deutlichen Kostensteigerung führt. Berücksichtigt man dann noch die Einschätzung der Justiz als einen wesentlichen Standortfaktor für die Wirtschaft in Deutschland, weiß man, dass die Rechtsprechung gar nicht so langsam und so umständlich sein kann, wie sie von den Befürwortern der besagten funktionalen Zweistufigkeit immer wieder dargestellt worden ist. Wie gesagt, Gott sei Dank ist diese Reform zumindest vorläufig vom Tisch.
Eine Reform, oder besser Maßnahmen – ich meine, mittlerweile ist der Begriff „Reform“ schon etwas abgenutzt –, die wir brauchen, sind solche, die die Justiz effizienter arbeiten lassen, sie von einer vermeidbaren Bürokratie entlasten und missbräuchliche Klagen und
damit überflüssige Prozesse verhindern. Die Verfolgung solcher Ziele wirkt sich auch günstig auf den Justizhaushalt aus. Zwar werden sich die Einnahmen und damit die Kostendeckungsquote nur sehr wenig erhöhen lassen, aber langfristig werden die Ausgaben in einigen Teilbereichen spürbar gesenkt werden können.
Bei solchen Vorschlägen ist es entscheidend, die Menschen, die in und für die Justiz arbeiten, mitzunehmen und in die Entscheidung einzubinden; denn sie wissen aus ihrer täglichen Erfahrung, wo Verbesserungs- und Handlungsbedarf besteht. Daran krankt im Übrigen auch die große Justizreform: denn sie war im Wesentlichen von Politikerinnen und Politikern auf den Weg gebracht worden – um es einmal ganz deutlich zu sagen –, die zur Justiz nur sehr marginale Berührungspunkte hatten.
Eine Staatsgewalt ist kein Wirtschaftsunternehmen, das ausschließlich nach Rendite und Verkaufszahlen beurteilt werden kann. Andererseits bedeutet das nicht, dass Gesichtspunkte von Effizienz und Nützlichkeit keine Rolle spielen dürfen. In der Mitte liegt wie so oft die Lösung.
Die Bürgerinnen und Bürger, die mit ihren Anliegen Rat bei der Justiz suchen, sollen die Gewähr haben, dass sie nicht nur auf ein rechtsstaatliches Verfahren zählen dürfen, sondern auch, dass Gesichtspunkte wie Zeit, Kosten und Qualität des Ergebnisses von Bedeutung für staatliches Handeln sind. Deshalb nutzen maßvolle und vernünftige Veränderungen nicht nur den Bediensteten, sondern insbesondere auch den Bürgerinnen und Bürgern.
Dazu zählen nach Auffassung der FDP-Fraktion unter anderem die Zusammenführung der Fachgerichtsbarkeiten, insbesondere der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit, die Einführung pauschaler Gerichtsgebühren in den Verfahren vor den Sozialgerichten, die Reform der Prozesskostenhilfe, die weitere Förderung der ehrenamtlichen Betreuer im Betreuungsrecht und die Flexibilisierung der Wirtschaftsführung in Eigenbetrieben der Justizvollzugsanstalten. Damit habe ich nur einige Beispiele genannt.
Diese Maßnahmen machen eines deutlich: Es bedarf keines grundsätzlichen Umbaus der Justiz. Sie hat sich in ihren Grundstrukturen bewährt. Vielmehr brauchen wir Einzelmaßnahmen dort, wo ein konkreter Handlungsbedarf besteht.
So würde die Zusammenlegung der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu einer besser steuerbaren und gleichmäßigeren Belastung der Richterinnen und Richter beider Gerichtsbarkeiten beitragen. Bisher divergierten die Eingangszahlen in beiden Gerichtsbarkeiten stark und waren auch erheblichen Schwankungen unterworfen.
Würde man beide Gerichtsbarkeiten zusammenfassen, könnte hier durch die Nutzung von Synergieeffekten bei gleichzeitiger Wahrung der fachlichen Kompetenz Abhilfe geschaffen werden.
Das oft dagegen ins Feld geführte Argument, dann seien für die Betroffenen in sozialgerichtlichen Streitigkeiten künftig weniger sozialverträgliche Entscheidungen zu erwarten, verursacht bei mir nur ein Kopfschütteln. In sozialgerichtlichen Verfahren sind die Erfolgsquoten der Klägerinnen und Kläger nicht höher als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Situation für Empfänger von Sozialhilfeleistungen bzw. von Hartz IV durch die Zuteilung dieser Streitigkeiten zu den Sozialgerichten dramatisch verbessern müssen. Davon ist mir nichts bekannt. Auch Sozialrichterinnen und -richter entscheiden nach Recht und Gerechtigkeit und nicht nach ihrem sozialen Gewissen. Das dürfen sie gar nicht. Das ist eine Tatsache, die noch nicht in allen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen zur Kenntnis genommen wurde. Ich hoffe aber, dass das bald der Fall sein wird.
Eine Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit wäre durch die Einführung pauschaler Gerichtsgebühren für alle Prozessbeteiligten zu erwarten. Wegen der derzeitigen Gebührenfreiheit werden nicht selten Prozesse geführt, die den Klägerinnen und Klägern einen Steuervorteil von noch nicht einmal 100 Euro pro Jahr einbringen. Zur Klärung des Sachverhalts müssen meist mehrere Gutachten eingeholt werden, die weit höhere Kosten als 100 Euro verursachen. Die Kosten für die Einholung von Gutachten trägt in der Regel der Staat. Einen Anwaltszwang gibt es nicht, sodass auch ein für den Staat sehr kostenintensives Verfahren für den Betroffenen noch einen Gewinn darstellt oder zumindest keinen Verlust bringt, auch nicht im Falle des Unterliegens.
In Zeiten finanzieller Üppigkeit mag man dem Rechtsstaat einen solchen Tribut zollen. In Zeiten leerer Kassen stellt sich aber die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.
Gäbe es eine Gebühr von ungefähr 150 Euro für die erste Instanz, wäre zumindest eine gewisse Hemmschwelle für diejenigen, die es einfach einmal darauf ankommen lassen wollen, gegeben.
Dies sind wegen der Kostenfreiheit gar nicht so wenige. Sie binden die richterliche Arbeitskraft sowie jene der Sachverständigen und sind mitverantwortlich dafür, dass andere, die dringend auf eine Entscheidung in einer existentiellen Frage angewiesen sind, warten müssen. Mit sozialer oder auch Chancengerechtigkeit hat das für mich nichts zu tun.
Es hat mich umso mehr überrascht, wenn gerade von den Bundestagsabgeordneten der Großen Koalition immer wieder zu beiden Vorschlägen darauf hingewiesen wird, der Rechtsstaat sei im Falle einer Umsetzung wegen der zu befürchtenden Einschränkung von Rechten in Gefahr. Hier sind sie unbegründet sehr aufgeregt. Ähnliche Bedenken schienen ihnen allerdings zunächst nicht gekommen zu sein, als sie eine Fristverlängerung
für das Stasiunterlagengesetz ablehnen und damit dem Opferschutz eine klare Absage erteilen wollten.
Warum mit diesem Änderungsgesetz der CDU, der SPD und den GRÜNEN im Bundestag gerade jene Schergen des DDR-Unrechtssystems geschützt werden sollten, vermag sich mir nicht zu erschließen.
Glücklicherweise wurde letzte Woche nach einer Expertenanhörung und auf Drängen des Bundesrats doch noch ein Kompromiss gefunden, der es ehemaligen Stasi-Mitarbeitern nicht gestattet, sich in Sicherheit zu wiegen, und ermöglicht, dieses dunkle Kapitel der DDR aufzuarbeiten.
Lobenswert und sinnvoll sind die Bestrebungen zur Flexibilisierung der Wirtschaftsverwaltung in den Eigenbetrieben der Justizvollzugsanstalten. Solche Maßnahmen, die bereits schon länger in Planung im Justizministerium waren, aber wie nicht selten auf eine entsprechende EDV-Technik warten mussten, lassen nicht nur wirtschaftlicheres Arbeiten in Eigenbetrieben erwarten, sondern fördern die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bescheren durch die zu erwartenden Zahlen an eingehenden Aufträgen auch höhere Beschäftigungsquoten für die Strafgefangenen.
Demnach kann eine größere Selbstständigkeit der Eigenbetriebe nur begrüßt werden. Das Zauberwort „Motivation“ spielt aber auch noch bei anderen Überlegungen des Justizministeriums eine entscheidende Rolle, so bei der erwogenen Aufgabenübertragung vom gehobenen Dienst auf den mittleren Dienst und vom höheren Dienst auf den gehobenen Dienst.
Zunächst besticht dieser Gedanke; denn wer fühlt sich nicht herausgefordert, wenn ihm Aufgaben, die traditionell einer höheren Laufbahn zugeordnet sind, übertragen werden sollen. Allerdings waren die Beweggründe für solche Aufgabenübertragungen justizintern weniger Motivationssteigerungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern vielmehr ein Personalüberhang. Da dieser vielleicht in anderen Ländern, wie etwa im gehobenen Dienst in Nordrhein-Westfalen, bestanden haben mag, aber nicht in Rheinland-Pfalz, verdienen diese Überlegungen eine kritische Betrachtung.