Protocol of the Session on December 6, 2006

Zunächst besticht dieser Gedanke; denn wer fühlt sich nicht herausgefordert, wenn ihm Aufgaben, die traditionell einer höheren Laufbahn zugeordnet sind, übertragen werden sollen. Allerdings waren die Beweggründe für solche Aufgabenübertragungen justizintern weniger Motivationssteigerungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern vielmehr ein Personalüberhang. Da dieser vielleicht in anderen Ländern, wie etwa im gehobenen Dienst in Nordrhein-Westfalen, bestanden haben mag, aber nicht in Rheinland-Pfalz, verdienen diese Überlegungen eine kritische Betrachtung.

Zunächst mag sich der Finanzminister freuen, dass die gleiche Arbeit von Kräften mit einem geringeren Gehalt erledigt wird. Wir wissen aber alle, dass dies auf Dauer nicht der Fall sein wird. Die Forderung nach einer höheren Besoldung wird kommen, und dann – das muss man einräumen – zu Recht. Auch wird das Problem der dünnen Personaldecke besonders im gehobenen Dienst dadurch nicht behoben. Das Gegenteil ist der Fall. Nimmt man dann noch die Absenkung der Eingangsbesoldung im gehobenen und höheren Dienst dazu, und zwar so, wie es die Landesregierung beschlossen hat, wird die Lage für die Rechtspfleger wirklich dramatisch.

Herr Justizminister, Sie werden alle Mühe haben, gut ausgebildete Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger für

die rheinland-pfälzische Justiz begeistern zu können; denn Banken und Versicherungen werden mit pekuniären Argumenten immer die Nase vorn haben. Wie wichtig gerade der gehobene Dienst für die rheinlandpfälzische Justiz ist, brauche ich Ihnen, meine Damen und Herren, nicht zu sagen.

(Präsident Mertes übernimmt den Vorsitz)

Die Absenkung der Eingangsbesoldung wird auch den höheren Dienst, um es ironisch zu sagen, ganz besonders freuen. Aus zahlreichen Vorstellungsgesprächen weiß ich, dass der Richterberuf und auch jener des Staatsanwalts auch deswegen sehr gern gewählt wird, weil er sich gut mit einer Familie vereinbaren lässt. Viele junge Menschen möchten nach der Beendigung ihres Studiums möglichst zeitnah in das Berufsleben eintreten und eine Familie gründen, was mit Ende 20 oder Anfang 30 sehr wichtig ist.

In dieser Phase sind sie dann nach dem Studium, in dem die wenigsten einen größeren Verdienst gehabt haben dürften, dringend darauf angewiesen, eine angemessene Besoldung zu bekommen. Insofern kann es sie nur freuen, wenn ihnen das, was Sie, Herr Ministerpräsident, für die Privatwirtschaft fordern, im öffentlichen Dienst nicht nur versagt, sondern sogar zurückgeführt wird. Mit Familienfreundlichkeit hat das nichts zu tun. Von daher nimmt es schon etwas Wunder, wenn heute Morgen Herr Hartloff betont hat, wie wichtig das für die Kindergartenbeiträge sei. An der Stelle sieht man es mit der Familienfreundlichkeit ein bisschen anders.

(Beifall der FDP)

Einsparungen, die Sie so dringend zu wünschen scheinen und die der Haushalt auch dringend benötigt, ließen sich mit den von mir unterbreiteten Vorschlägen machen. Wir hätten auch noch eine ganze Reihe mehr. Das wissen Sie. Die Zeit ist aber begrenzt. Allerdings gingen diese Vorschläge nicht nur auf Kosten der Berufseinsteiger, sondern wären deutlich gerechter verteilt.

Ich möchte es auch nicht versäumen, abschließend noch einmal ganz ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der rheinland-pfälzischen Justiz insgesamt für ihren Einsatz und ihr Engagement im Namen der FDP-Fraktion sehr herzlich zu danken und Ihnen für die Zukunft alles Gute zu wünschen und vor allen Dingen weiterhin viel Freude bei Ihrer Arbeit.

Danke. (Zuruf von der FDP: Bravo!)

Das Wort hat Herr Kollege Dieter Burgard.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Dr. Lejeune, zunächst herzlichen Dank für die klaren Worte eingangs Ihrer Rede.

(Beifall bei der SPD)

Der Justizhaushalt ist für die Jahre 2007 und 2008 gut ausgestattet. Eine deutliche und notwendige Steigerung von rund 9 % ist besonders im Bereich Strafvollzug, auf den ich speziell eingehen will, veranschlagt. 9 % mehr wurden angesetzt, bevor die schrecklichen Ereignisse in der Haftanstalt in Siegburg, nämlich der Häftlingsmord, stattgefunden haben.

Gestiegene laufende Ausgaben für Kleidung, Essen, Zellenausstattung, Energie und Personal sind bei der hohen Belegungszahl zu veranschlagen.

Herr Kollege Dr. Wilke, der Anstieg der Verurteilungen zu Haftstrafen ist ein bundesweiter Trend. Dieser hat mit Rheinland-Pfalz im Speziellen nichts zu tun. Lesen Sie die Statistiken, und machen Sie sich schlau!

(Dr. Wilke, CDU: Zuhören ist auch eine Kunst!)

Gerichtsurteile zur Belegung von Zellen mit mehreren Gefangenen erfordern ständig Investitionen in neue Einzelhaftplätze. Neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Inhaftierte stehen auf der Prioritätenliste ganz oben. Um die Sicherheit innerhalb des Gefängnisses zu gewährleisten, setzt Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren auf die personale Präsenz in den Justizvollzugsanstalten. Moderne Sicherheitstechnik unterstützt wirksam, kann und darf aber den menschlichen Kontakt nicht ersetzen. Hier werden gut ausgebildete, motivierte Vollzugsbedienstete eingesetzt.

Durch den persönlichen Kontakt der Bediensteten werden die Gefangenen in ihrem Verhalten einschätzbar. Jedem von uns muss jedoch klar sein: Ein risikofreies Leben gibt es vor und auch hinter geschlossenen Türen nicht. Es lassen sich weder Suizide noch Übergriffe auf andere Gefangene oder Bedienstete ganz vermeiden. So wie Gewalt in der Gesellschaft vor den Gefängnismauern in unterschiedlichsten Formen auftritt, so ist gerade das zwangsweise Leben auf engem Raum in den Justizvollzugsanstalten nicht ohne Konflikte.

Intensive, praxisorientierte Ausbildung, an den Problemen ausgerichtete Fortbildungen, zum Beispiel zur Deeskalation, zur Krisenintervention, und die Stärkung der sozialen Dienste setzt die Justiz aktiv gegen Gewalt in den Haftanstalten ein. Die Sicherheit ist in den rheinland-pfälzischen Haftanstalten sehr hoch.

Der Anstieg von psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft spiegelt sich bei den Inhaftierten verstärkt wider und erfordert bei psychisch auffälligen Straftätern besondere Anstrengungen. Sozialarbeit, therapeutische Angebote und zusätzliche Krankenhausstationen im Vollzug werden in Rheinland-Pfalz weiter ausgebaut.

Lassen Sie mich an dieser Stelle für die SPD-Fraktion die Gelegenheit nutzen, den Beamtinnen und Beamten insbesondere des mittleren Vollzugsdiensts in den Justizvollzugsanstalten zu danken, die mit einem besonnenen Umgang zur Sicherheit in rheinland-pfälzischen Gefängnissen wesentlich beitragen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Justizvollzug in Rheinland-Pfalz generell ist ein Bereich hoheitlicher Aufgaben und wird durch Vollzugsbeamte ganzheitlich wahrgenommen. Natürlich wäre es kurzfristig betrachtet am billigsten, die Gefangenen einfach wegzuschließen und von schlecht ausgebildeten „schwarzen Sheriffs“, wie es beispielsweise in Hessen teilweise geschieht, bewachen zu lassen. Das hat aber etwas mit einem modernen, am Gebot der Resozialisierung orientierten Strafvollzug nichts zu tun.

Im Strafvollzug arbeiten schon seit Jahren auch Private, so zum Beispiel Lehrer, Ärzte und private Organisationen wie die Straffälligenhilfe, Entlassenenhilfe, Drogenberatung und Aidshilfe. Sie arbeiten eng mit den Hauptamtlichen zusammen. Die SPD will diese Zusammenarbeit stärken und ausbauen.

Den ehrenamtlichen Vollzugshelferinnen und -helfern sagen wir auch für ihre nicht einfache vorbildliche Arbeit Dank, die nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht. Für den rheinland-pfälzischen Strafvollzug sind im Doppelhaushalt insgesamt 130 neue Personalstellen eingeplant. Vorrangig dient diese deutliche Stellenvermehrung für Personal dem Neubau der JVA Wittlich. Ende 2008 sollen die dann neu ausgebildeten Beamten bei den 650 zusätzlichen Haftplätzen eingesetzt werden.

Die SPD-Fraktion sieht die Notwendigkeit, in dem beschriebenen Umfang der Ausbildungssteigerung jetzt zu handeln. Mit Minister Bamberger sind auch wir der Meinung, dass erst 2008 mit Blick auf die dann aktuelle Belegungssituation geschaut wird, ob und wo gegebenenfalls zusätzlicher Bedarf besteht. Es wäre bei einer Abnahme der Inhaftierten, wie sie derzeit festzustellen ist, unverantwortlich, über Bedarf Beamte auszubilden.

Über 50 % der Inhaftierten gehen einer Arbeit in den Werkbetrieben der Justizvollzugsanstalten nach. Mehr Werkplätze, mehr Arbeitsplätze für Inhaftierte in den Haftanstalten sollten mit der guten Konjunkturlage der Unternehmen im kommenden Jahr realisiert werden können. Mit regelmäßiger Arbeit bereiten wir die Gefangenen auf ein Leben in der Freiheit besser vor. Mehr Flexibilität, mehr Eigenprodukte und moderne Förderungstechniken sind Möglichkeiten, wettbewerbsfähig zu sein.

Die Neustrukturierung der Arbeitsverwaltung hat von der Projektphase und von Pilotprojekten hin zur allgemeinen Umsetzung im kommenden Jahr geführt. Mehr betriebswirtschaftliches Management für die Arbeitsverwaltungen beinhaltet eine Verbesserung der Produktivität und der Kostentransparenz der Arbeitsbetriebe. Die Leistungserbringung innerhalb der Justizvollzugsanstalten durch Inhaftierte ist nicht unerheblich. So spart die Justiz beim Neubau in Wittlich durch die Fertigung der Fenster und Gitter in eigenen Werkbetrieben langfristig 2 Millionen Euro.

Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Straffälligkeit und fehlenden Schul- oder Berufsabschlüssen. Die Resozialisierungschancen sind mit einem Abschluss wesentlich größer. Die bisherigen Kürzungen und Einschränkungen durch die Bundesagentur für Arbeit nimmt das Justizministerium nicht tatenlos hin. Zuschüsse für die berufliche Qualifizierung wurden durch die Bundes

agentur für Arbeit erneuert, doch ein weiterer Abbau der Zuschüsse ist absehbar.

Von 340.000 Euro auf 680.000 Euro verdoppelt sich der Ansatz im Landeshaushalt für Ausbildungsgänge für Inhaftierte. Wir geben Inhaftierten eine wichtige Startchance für die Freiheit, einen qualifizierten Abschluss.

Seit mehreren Jahren sind die Zahlen im offenen Vollzug stagnierend, teilweise sogar rückläufig. Freie Kapazitäten sind feststellbar. Der offene Vollzug ist eine gute Möglichkeit, Haftschäden zu vermeiden. Er ist eine Chance der Teilnahme am Leben draußen, der Aufrechterhaltung und des Bezugs zur Arbeitswelt, und er ist auch kostengünstig. Der offene Vollzug sollte nicht die große Ausnahme sein.

Es ist ein legitimer Anspruch der Öffentlichkeit, vor weiteren Straftaten geschützt zu sein, doch in jedem Einzelfall ist genau zu prüfen, ob geschlossener oder offener Vollzug notwendig ist. Menschen, die beispielsweise eine Geldstrafe nicht bezahlen können, gehören nicht gemeinsam mit Kriminellen in den geschlossenen Vollzug. Gemeinnützige Arbeit für Menschen, die eine Geldstrafe nicht zahlen können, ist für den Strafvollzug eine Entlastung und für den Zahlungsunfähigen eine Chance, in Freiheit in seinem Umfeld zu verbleiben.

In diesem Bereich hat sich das Modellprojekt „Schwitzen statt Sitzen“ bewährt. 2.110 Straftäter wählten im letzten Jahr in Rheinland-Pfalz das Motto „Schwitzen statt Sitzen“. Insgesamt wurden so über 65.000 Hafttage in den Justizvollzugsanstalten eingespart. Dies sind Kosteneinsparungen von rund 4,9 Millionen Euro.

Durch die Föderalismusreform hat das Land neue Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich des Strafvollzugs. Dies wird verantwortungsvoll genutzt. Zusätzlich wird mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 31. Mai die gesetzliche Neuregelung des Jugendstrafvollzugs bis zum Jahresende 2007 verabschiedet. Die SPD-Fraktion unterstützt Herrn Minister Bamberger im klaren Willen, aktuell mit neun weiteren Bundesländern Anfang 2007 einen einheitlichen Gesetzentwurf vorzulegen.

(Beifall der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich sagen, ich habe kein Verständnis dafür, dass es kein Bemühen gibt, gemeinsame Standards zu entwickeln.

(Glocke des Präsidenten)

Länder wie Niedersachsen, Hessen, Bayern oder Nordrhein-Westfalen werden nun mit eigenen Entwürfen antreten. Es ist schade, dass sich die Entwicklung dergestalt vollzieht.

(Glocke des Präsidenten)

Der Haushalt für den Strafvollzug sieht insbesondere unter dem Motto „Investieren, Konsolidieren, Vorsorgen“ Folgendes vor:

Investieren wir in gut ausgestattete Justizvollzugsanstalten, in ausgebildetes und kompetentes Personal sowie in die Ausbildung der Gefangenen.

Ich komme zum Schluss.

Konsolidieren wir die Kostensituation bei den Haft- und den Werkplätzen. Sorgen wir vor, damit Inhaftierte und Mitarbeiter in der Haft sicher sind und damit die Gesellschaft sicher ist vor erneuten Straftaten. Sorgen wir vor, dass straffreie Haftentlassene in unserer Gesellschaft in Würde, mit Chancen und mit Perspektiven leben und arbeiten können.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Für die Landesregierung hat nun Herr Justizminister Dr. Bamberger das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aussprache hat schon zu einem großen Teil die wesentlichen Probleme im Zusammenhang mit dem Justizhaushalt für die Jahre 2007 und 2008 dargestellt. Ich kann mich deshalb auf das Wesentliche beschränken.

Ich möchte vorausschicken, die Justiz des Landes ist mit diesem Doppelhaushalt zufrieden, und sie kann auch damit zufrieden sein. Der Rechtsstaat ist nicht in Gefahr. Im Gegenteil, der Rechtsstaat ist bei den Richtern und Staatsanwälten des Landes ausgezeichnet aufgehoben und gewährleistet.