Protocol of the Session on November 16, 2006

Ich wiederhole aber noch einmal, wir stehen grundsätzlich zum Konzept und auch zu den Maßnahmen. Ich bitte, das vor Ort nicht infrage zu stellen.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„’Schulden bremsen’ – Nationaler Pakt für die Sanierung der Staatshaushalte in der Bundesrepublik Deutschland –“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/441 –

Ich erteile Herrn Abgeordneten Baldauf das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema hat uns in der letzten Zeit in unterschiedlicher Art und Weise bewegt. Es gab auch einige Vorschläge sowohl aus unserer Richtung als auch aus der Richtung des Ministerpräsidenten. Über eines ist man sich in der heutigen Situation einig. Wir brauchen, damit wir von den Schulden herunterkommen, einen Entschuldungsplan. Das ist nicht mehr über Absichtserklärungen möglich, sondern wir müssen tatsächlich überlegen, wie wir auch auf längere Sicht dieses Problem lösen.

Wie sieht der Ist-Zustand aus? Heute kann man in der „FAZ“ zum Länderfinanzausgleich lesen, dass der hessische Finanzminister Weimar von 847 Millionen Euro Mehreinnahmen allein für Hessen ausgeht. Davon müssen 335 Millionen Euro, das ist fast die Hälfte des Betrags, von Hessen über den Länderfinanzausgleich wieder zurückgeführt werden.

Dann haben wir die Situation – wir haben auch Haushaltsberatungen –: eine exorbitante Verschuldung, eine weitergehende Neuverschuldung, nicht absehbar, wie lange die Verschuldung noch geht, und eine sehr hohe Zinsbelastung. – An solchen Dingen können wir nicht einfach vorbeigehen, weil sie dazu führen, dass wir in unserem Staat und auch wir als Parlament nicht mehr handlungsfähig sind. Wir geben uns keinen Spielraum mehr. Wir fesseln uns, wir verwalten nur noch, wir gestalten nicht mehr. Davon müssen wir weg.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist es erforderlich, dass man sich auf der einen Seite vornimmt, die Steuern, die eingenommen werden, für die Ausgaben zu nehmen, aber auch in Zukunft darauf zu achten, dass man weiterhin kein Vermögen in exorbitanter Weise veräußert bzw. Kredite aufnimmt.

Da stellt sich natürlich die Frage: Wie will man das lösen? – Es bleibt uns nichts anders übrig, als gewisse Mechanismen zu verändern. Wir haben im Moment die Situation der Definition einer Verfassungsgemäßheit eines Haushalts. Sie wissen, die Investitionen dürfen nicht von den Schulden überschritten werden. Das ist zu weitläufig. Das muss viel genauer und viel transparenter werden. Wir brauchen eine sehr weit schauende Konsolidierungsphase, weil wir offengestanden die Schulden,

die wir haben, auf absehbare Zeit nicht zurückführen können.

(Beifall bei der CDU)

Ich will jetzt nicht über die HypoVereinsbank reden, die dazu etwas gesagt hat, speziell für unser Land. Es gilt für alle Bundesländer. Es gilt für den Bund, und es gilt auch für die Kommunen. Deshalb bin ich der Meinung, wir müssen schnellstens den zweiten Teil der Föderalismusdebatte führen. Wir brauchen eine klare Abgrenzung in den Ländern, damit auch dort klar gehaushaltet und nicht über Querfinanzierungen das System abgefedert werden kann.

Davon müssen wir uns versprechen, dass wir gleichzeitig Strukturreformen vornehmen. Aufgabenkritik: Ja. –. Müssen wir alles noch selbst machen, oder können wir es auch anders steuern? Brauchen wir es überhaupt noch? Prüfung der Standardsetzung, Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung. Dazu haben wir schon Vorschläge gemacht, wie wir uns das vorstellen können.

Wir sind der Meinung, wir brauchen einen gemeinsamen verbindlichen Plan, bis wann wir von den Schulden herunterkommen wollen. Wir brauchen auch eine klare Linie, was im Einzelfall eingespart werden muss. Dazu müssen natürlich nicht nur die Länder alleine, sondern auch Bund und Kommunen mit ins Boot.

Herr Ministerpräsident, Sie haben den Vorschlag unterbreitet, man möge sich an den Maastricht-Kriterien orientieren. Aber, Herr Ministerpräsident, das funktioniert nicht. Es funktioniert zum einen deshalb nicht: Wenn Sie die Maastricht-Kriterien in Rheinland-Pfalz anwenden wollen, dürften Sie in der Kommune oder auch im Bund keine zusätzlichen Schulden mehr machen, sondern nur in Rheinland-Pfalz. Umgekehrt führt es dazu, wenn man es sich vor Augen führt: Nach den Maastricht-Kriterien sind 3 % Verschuldung zulässig. Der Schuldenstand darf 60 % des Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten.

(Glocke des Präsidenten)

Noch ein Satz; ich komme zum Ende.

Das heißt, das Bruttoinlandsprodukt betrug in RheinlandPfalz im Jahre 2005 97 Milliarden Euro. 3 % sind 2,92 Milliarden Euro. Das wäre sogar das Doppelte der Verschuldung, die Sie 2005 sowieso schon gemacht haben. 60 % davon sind 58,47 Milliarden Euro. Das wäre wiederum das Doppelte dessen, was Sie bisher an Schulden gemacht haben. Also wäre die Konsequenz zu sagen: Ihr Modell führt dazu, noch mehr Schulden machen zu können.

(Zuruf von der SPD – Glocke des Präsidenten)

Weiteres in der zweiten Runde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich zunächst die Arbeitsgruppe „Jugendraum“ aus Allenbach bei uns begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich darf jetzt dem Kollegen Frank Puchtler das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die aktuelle Diskussion um den Stabilitätspakt bestätigt deutlich, dass der Kurs der Vorsorge, der Investition und der Nutzung der Steuermehreinnahmen zur Konsolidierung richtig ist.

Lieber Kollege, betrachten wir sachlich die Ausgangslage. 1,5 Millionen Euro Verschuldung aller öffentlichen Haushalte in Deutschland, 900 Milliarden Euro davon beim Bund, bedeuten für den Bund eine jährliche Zinsleistung von zurzeit über 37 Milliarden Euro. Das ist die sachliche Ausgangslage.

Wenn man über Verschuldung redet, wenn man das Thema anpackt, dann muss man auch fragen: Woher kommt die Verschuldung? Verschuldung hat sich über Jahrzehnte aufgebaut. Die Ursachen – das wissen wir alle, die wir in verschiedenen politischen Bereichen tätig sind – sind vielschichtig, beispielsweise die Arbeitslosigkeit, beispielsweise weltwirtschaftliche Entwicklungen und auch politische Entwicklungen. Davor war niemand gefeit, weder im kommunalen Bereich noch im Landesbereich, im Bundesbereich und im europäischen Bereich.

Daher erfolgte auch die Aufnahme von Fremdmitteln, die benötigt wurden, weil man trotz schwierigster finanzieller Situation investieren muss, um die Konjunktur anzuschieben, investieren in wichtige Bereiche wie Bildung, Forschung und Infrastruktur. Die sogenannten Maastricht-Kriterien, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, die angesprochene jährliche Neuverschuldung, maximal 3 % des Bruttoinlandproduktes, der öffentliche Schuldenstand unter 60 % des Bruttoinlandproduktes, setzen Regeln für Deutschland und für den europäischen Bereich insgesamt. Ganz klar: Unser Land Rheinland-Pfalz hält Maastricht-Regeln ein.

(Beifall bei der SPD)

Wir erfüllen unseren Beitrag im Rahmen der bundesstaatlichen Aufteilung.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Das ist rheinland-pfälzische Finanzpolitik mit Weitblick und Verantwortungsbewusstsein für ganz Deutschland.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Trotzdem – das ist genauso wichtig – setzen wir richtigerweise Investitionsschwerpunkte wie beispielsweise mit den Programmen „Bildung“, „Zukunftschancen Kinder“, „Wissen schafft Zukunft“ und den Investitionen in Mobilität, in Infrastruktur und im sozialen Bereich. Investitionen in Schlüsselbereiche sind notwendig, und sie bringen auch finanzielle Rendite. Sie sind Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung, denn das ist die Antwort und die unabdingbare Voraussetzung für Steuereinnahmen und wirtschaftlichen Erfolg.

Dass unsere Arbeit in Rheinland-Pfalz wichtig ist, kann ich aus der „WirtschaftsWoche“ zitieren, die wahrlich aus unserer Perspektive unverdächtig ist. „Starker Standort Rheinland-Pfalz“ heißt es da.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

„…eine gleichmäßig verteilte Wirtschaftskraft, ein kräftiger Mittelstand, innovative Forschungszentren und die günstige Lage …“. Das ist auch das Ergebnis von Wirtschaftspolitik und von vernünftiger Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Einführung von Stabilitätsregeln für die Staatshaushalte sind überlegenswert. Die beabsichtigten Gespräche im Rahmen der Föderalismusreform II zwischen Bund und Ländern sind zu begrüßen. Dabei ist zu beachten: Welche Kriterien werden aufgestellt? Wer legt die Kriterien fest? Wer überwacht die Kriterien? Gibt es Übergangsfristen? Gibt es Ausnahmeregeln? Wenn ja, aus welchen Gründen? Gibt es Sanktionen? Wenn ja, wie werden sie umgesetzt? Was sind die Referenzwerte? – Ganz entscheidend, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir so etwas umsetzen: Wie sind die Auswirkungen auf die Budgetrechte der Landesparlamente, auf die Flexibilität, denn ein Haushalt muss atmen können ,

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

die Gefahr eines prozyklischen Verhaltens in Konjunkturfragen, denn gerade in wirtschaftlichem Tal muss antizyklisch gegengesteuert werden können? – Man muss genau aufpassen, wenn man ein Regelwerk aufstellt.

(Schreiner, CDU: Genau das ist der Punkt!)

Mein Fazit: Die Einführung von Regeln ist anstrebenswert, gerade auch als Frühwarnsystem. Es gilt, dabei sachlich und sorgfältig die Möglichkeiten zu prüfen, Risiken und Chancen abzuwägen, realistische und umsetzbare Vorschläge zu entwickeln, und zwar gemeinsam Bund und Länder. Ziel ist es: Erhaltung der Handlungsfähigkeit unseres Staates als Rechts- und Sozialstaat im Rahmen sozialer Marktwirtschaft.

(Bracht, CDU: Wann fangen Sie an?)

Wir sind mit dabei. Das habe ich eingangs dokumentiert. Die „WirtschaftsWoche“ hat belegt, dass wir dabei sind, mit wirtschaftlichem Erfolg zu arbeiten. Ich sage Ihnen ganz deutlich, das sind immer viele schöne und hehre Worte. Worte allein reichen nicht, Regeln allein auch nicht. Euro bleibt Euro.

Der finanzpolitische Kurs muss von Nachhaltigkeit geprägt sein. Das – ich wiederhole meine Antwort vom Anfang – bedeutet konsolidieren, vorsorgen und investieren, um wirtschaftlich und sozial erfolgreich zu sein. Das ist die Voraussetzung für eine langfristige Entschuldung.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Wann fangen Sie damit an?)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Mertin.