Protocol of the Session on November 16, 2006

denn das Anbringen von Kreuzen ist in Gerichts- sälen – – –

(Ministerpräsident Beck: Aber nicht von uns!)

Nein, Herr Ministerpräsident, es ist aber in der Vordiskussion schon ein paar Mal in den Zeitungen erschienen, wo auch eine Berufung darauf erfolgt ist.

(Ministerpräsident Beck: Ach so, aber nicht von uns!)

Auf die Diskussion – das ist auch eben erwähnt worden; ich war selbst Richterin des Sozialgerichts Trier – ist zu Recht hingewiesen worden. Nach der Renovierung sind dort auch keine Kreuze aufgehängt worden. Dieser Gesichtspunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1995 war ein sehr gewichtiger Punkt, der für diese Entscheidung ins Feld geführt wurde. Deswegen sage ich, ich interpretiere diese Entscheidung etwas anders.

Das Bundesverfassungsgericht hat das bereits in einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 1973 klar festgestellt, in der es im Übrigen zu dem gleichen Ergebnis kommt wie auch in der Entscheidung von 1995. Während es in der aktuelleren Entscheidung um die Anbringung von Kreuzen bzw. Kruzifixen in Schulen geht, hatte das frühere Urteil zu entscheiden, ob das Vorhandensein eines Kreuzes dann rechtens ist, wenn sich zwei der am Prozess Beteiligten, die nicht dem christlichen Glauben angehören, durch dieses in ihrer Religionsfreiheit gestört fühlen. In beiden Fällen entschied das Bundesverfassungsgericht, die Kreuze seien abzuhängen. Entscheidend sei – so die mehrheitliche Auffassung der Richter –, wie die unmittelbar Betroffenen die Anwesenheit eines Kreuzes empfinden.

Lehnen Sie es ab, im Angesicht des Kreuzes oder unter dem Kreuz eine gerichtliche Entscheidung entgegenzunehmen, weil Sie sich dadurch in Ihren Grundrechten verletzt fühlen, insbesondere in Ihrer Religionsfreiheit, wäre ein Festhalten am Kreuz im Gerichtssaal in dem konkreten Fall nicht mit unserer Verfassung vereinbar. Das bedeutet aber nicht, dass aufgrund dieser Entscheidung oder der allgemeinen Bewertung in vorauseilendem Gehorsam aus den Gerichtssälen die Kreuze verbannt werden müssen.

(Glocke des Präsidenten)

Hier ist – wie gesagt – eine sehr differenzierende Betrachtung und Handhabung angebracht.

Danke schön.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Billen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kreuze-Diskussion, die angestoßen worden ist, weil nicht ganz klar war, auf welchem Weg die Kreuze im Trierer Landgericht entfernt worden sind, wie der Verfahrensablauf war, zeigt, dass wir über Werte diskutieren müssen.

Wer Bischof Kamphaus gestern Abend richtig verstanden hat – dafür war es hervorragend, dass die Veranstaltung gestern Abend stattgefunden hat –, Herr Hartloff, wie Sie ihn auch zitiert haben, dann hat er gesagt, es gibt eine Trennung zwischen Staat und Religion. Er hat aber keine – Herr Ministerpräsident, das haben auch unsere Verfassungsväter nicht – Trennung zwischen Gottesbezug, Verfassung und Staat gemacht. Unsere Verfassungen, sowohl die Landesverfassung als auch das Grundgesetz, berufen sich klar und deutlich auf den Gottesbezug. Jetzt kann nicht derjenige, der die Kreuze wieder aufhängen will, der Ideologe sein, und derjenige, der die Kreuze abgehängt hat, ist derjenige, der tolerant ist.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, bei der Begründung, die wir erlebten, dass das Verständnis der Toleranz die Voraussetzung dafür ist, dass die Kreuze abgehängt werden, muss ich fragen, ob diejenigen, die das so begründen, Toleranz mit zwei L schreiben und alles ganz toll finden.

Falsch. Wofür steht das Kreuz? Das Kreuz steht in unserer Wertevorstellung für Toleranz, Barmherzigkeit, Menschlichkeit und christliches Menschenbild.

(Beifall der CDU)

Herr Ministerpräsident, wenn dem so ist, dann bin ich davon überzeugt, dass Sie gestern Abend – – – Ich war ganz überrascht, dass Herr Hartloff gesagt hat, das wäre Ihre persönliche Meinung. Ich habe Sie gestern Abend als Ministerpräsident ein Grußwort reden gehört. Wenn Sie als Ministerpräsident ein Grußwort geredet haben, gehe ich davon aus, dass das Ihre Meinung – man kann sich auch so schlecht trennen – als Ministerpräsident ist.

(Beifall der CDU)

Da der Ministerpräsident dieses Landes nach Artikel 104 der Landesverfassung die Richtlinienkompetenz der Politik bestimmt und seinen Minister anweisen kann, fordere ich Sie auf, Herr Ministerpräsident, nicht nur gestern Abend gesagt zu haben, Sie hätten lieber Kreuze im Gerichtssaal.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Sie haben da eine für Ihre Haltung typische Darstellung gemacht: zwei Säle mit, ein Saal ohne. Aber das ist

egal. Wir wären ein Stück weiter, wenn Sie anweisen würden.

Ich habe heute Morgen die Presse gelesen. Ich habe es auch gestern Abend von Ihnen gehört. Die sagen, die Richter vor Ort können entscheiden, und Sie könnten das nicht ändern. Ich sage Ihnen, das ist falsch. Es gibt eine klare Anordnung, die Sie, Herr Justizminister, in Auszügen zitiert haben. Sie ist aus dem Jahre 1969 und gilt noch. Da gibt es eine klare Verfügung, dass Umbau, Gestaltung und jede Kleinigkeit im Gerichtssaal vom Justizminister zu genehmigen ist.

(Keller, CDU: Hört! Hört!)

Das steht hier drin. Sie bekommen sie nachher schriftlich.

Das geht sogar so weit, dass jedes Bild, das von der Wand abgehängt werden soll oder aufgehängt werden muss, vom Justizminister genehmigt werden muss. Das steht in der Rechtsverordnung.

Derjenige, der diese Rechtsverordnung erlassen hat, hat mit Sicherheit nicht den Gedanken gehabt, dass er vor Ort einen Landgerichtspräsidenten darüber entscheiden lässt, ob das Kreuz an der Wand hängt oder nicht, sondern das ist Ihre Aufgabe.

(Beifall der CDU)

Herr Ministerpräsident, wissen Sie, das Reden ist schön. Das Handeln im Sinne der Menschen ist besser, die dieses Kreuz im Gerichtssaal und auch in anderen Sälen haben wollen. In dem Fall ist es ein staatlicher Saal.

(Glocke des Präsidenten)

Ich fordere Sie auf, machen Sie von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch und sorgen Sie dafür, dass im Landgericht Trier das Kreuz, das im Schwurgerichtssaal abgehängt worden ist und in der Tiefgarage hängt, wieder im Gerichtssaal hängt.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Dr. Bamberger das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Lejeune, ich freue mich zunächst, dass Sie im Wesentlichen bestätigt haben, was die Praxis der rheinland-pfälzischen Justiz ist und war. Es war im Übrigen auch die Praxis der früheren CDU-Regierungen. Daran ist danach nichts geändert worden, und es besteht auch nicht die Absicht, das zu ändern.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Herr Abgeordneter Billen, ich kenne diese Anweisung aus dem Jahr 1969 nicht. Auch bestehende Anweisungen können durch einheitliche, langjährige Handhabungen verändert werden. Ich darf Ihnen versichern, es gibt Grundanschauungen dafür, was in Gerichtssälen zu stehen hat.

(Billen, CDU: Heben Sie die auf!)

Aber wir schreiben heute den Direktorinnen und Direktoren, den Präsidentinnen und Präsidenten nicht mehr vor, welches Bild sie ab- oder aufzuhängen haben.

(Billen, CDU: Dann heben Sie die also auf! Da bin ich aber einmal gespannt!)

Ich darf noch einmal wiederholen, dass die Leiter der Gerichte vor Ort entschieden haben und entscheiden, was für ihr Haus auch in puncto des Kreuzes gilt. Das hat bislang im Übrigen weder öffentliche noch nicht öffentliche Kritik erfahren. Deshalb erscheint es mir richtig, daran festzuhalten.

Ich habe eingangs schon gesagt, dass die Mehrzahl der rheinland-pfälzischen Gerichtssäle keine Kreuze hat und habe die einzelnen Ergebnisse Ihnen dazu mitgeteilt. Wir haben beispielsweise – ich darf das noch einmal betonen – vor Jahren ein neues Justizzentrum in Kaiserslautern gebaut. In dem alten Landgericht Kaiserslautern gab es Kreuze. Man hat sich dann entschieden, in dem neuen Gerichtszentrum diese Kreuze nicht wieder aufzuhängen.

Meine Damen und Herren, das hat niemanden verletzt: nicht die Bevölkerung, nicht die Richterinnen und Richter, nicht die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

Deshalb lassen Sie mich das noch einmal betonen: Die beim Landgericht Trier getroffene Entscheidung wie auch die allgemeine Justizpraxis in Rheinland-Pfalz bewegen sich seit jeher selbstverständlich auf dem Boden des Grundgesetzes, der Landesverfassung und der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Auch vor dem Hintergrund des Gebotes der Toleranz und der Religionsfreiheit als wesentlichen Werten unserer Ordnung ist dagegen überhaupt nichts zu sagen.

Ich meine auch nicht, dass diese Haltung der Landesregierung und des Justizministeriums, wie sie sie jetzt seit 50/60 Jahren gibt, historisch bindungslos ist oder von einer kulturellen Beliebigkeit wäre. Wer das behauptet, redet nicht sinnvoll. Vielmehr wurde die hier gegenständliche Entscheidung in Trier – wie dargelegt – gerade in Auseinandersetzung mit dem kulturellen Kontext und der maßgeblichen Werteordnung getroffen.

Ich habe genauso wie der Herr Fraktionsvorsitzende beabsichtigt, aus der vorzüglichen und eindrucksvollen Rede von Bischof Kamphaus zu zitieren: „Der moderne Staat vertritt als solcher keine religiöse Überzeugung. Es ist zu unterscheiden zwischen der Gesellschaft, die mehr oder minder stark religiös geprägt ist, und dem Staat, der das Zusammenleben aller Menschen regelt und darum keiner bestimmten Religion oder Weltanschauung verpflichtet ist.“

Ich meine, die Entscheidung, keine Kreuze in öffentlichen Gerichtssälen aufzuhängen, ist in keinem Fall als Akt des mangelnden Respekts vor der christlichen Religion zu sehen.

(Beifall der SPD)

Ich denke, sie ist vielmehr Spiegel des gegenwärtig differenzierter zu sehenden Verhältnisses zwischen dem Staat und einer Gesellschaft, die heute von einer Vielfalt der Lebensverhältnisse und der Bekenntnisse gekennzeichnet ist. Wir haben die Trennung von Religion und Staat. Der in der Präambel des Grundgesetzes und der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz hergestellte Bezug zu Gott hat natürlich im historischen Kontext der Verfassungen aus der Sicht der allermeisten Bürgerinnen und Bürger einen spezifisch christlich-jüdischen Inhalt. Wir haben aber keine spezifisch christliche Rechtsprechung. Ich meine, das ist völlig unstreitig. Wir dürfen keine katholische und auch keine evangelische Rechtsprechung haben. Der alleinige Maßstab für die Entscheidungen unserer Gerichte sind Recht und Gesetz.