Protocol of the Session on January 26, 2011

Frau Morsblech, noch einmal zur Erinnerung: Sie haben uns soeben breit erklärt, was in anderen Bundesländern gelaufen ist. Wir haben in Rheinland-Pfalz eine Schulstrukturreform ganz in Ruhe, ohne Proteste auf den Weg gebracht, mit der Beteiligung aller Schulen, aller Eltern, der Schülerinnen und Schüler, der Schulträger, der Verbände, der Gewerkschaften und aller anderen Beteiligten.

(Beifall der SPD)

Ich kann aber bei Ihnen gar keine Schulstrukturdebatte erkennen, so, wie Sie sie uns darbringen wollen. Im Schulgesetz stehen alle Schularten, sehr differenziert, sehr vielfältig und vor allen Dingen sehr deutlich, auch das Gymnasium. In § 9 Abs. 3 Nr. 3 steht es ganz genau.

(Eymael, FDP: Darin standen auch die Hauptschulen!)

Ein einziges Bundesland, nämlich das Saarland, hat eine der von Ihnen beabsichtigten Regelungen in der Verfassung. Nun müssen Sie aber den Unterschied klarmachen zu dem, was Sie sonst immer sagen, und konkret in Ihrer Sprachführung bleiben. Sonst verlangen Sie immer von uns, wir sollten in Rheinland-Pfalz im Bildungsbereich so handeln, wie es in anderen Bundesländern auch geschieht. Aber dass dies nicht immer gut ist, zeigt sich in vielfältiger Hinsicht, zum Beispiel am G8-Gymnasium.

Jetzt – und das ist schon bemerkenswert – sollen wir einer Minderheit nachhängen und einen Sonderweg einschlagen. Das wollen wir nicht.

(Beifall der SPD)

Aus unserer Sicht ist die Verfassung im Abschnitt „Schule, Bildung und Kulturpflege“ ausreichend geregelt. Die Auflistung der Schularten ist inhaltlich überhaupt nicht geboten. Schule ist ein System, das sich stetig selbst weiterentwickelt, verändert und verbessert. Schule ist ein lernendes System. Ihr Gesetzentwurf zeugt davon, dass Sie anscheinend nicht vor Augen haben, was Schule ausmacht; denn dass Sie das nicht wissen, möchte ich Ihnen gar nicht unterstellen.

Schule braucht Offenheit, braucht Freiheit, um Neues entwickeln zu können. Schule braucht Möglichkeiten, Modellversuche zu machen. Das alles wäre nicht mehr möglich, wenn wir dem von Ihnen gemachten Vorschlag mit der Verankerung in der Verfassung folgen würden.

(Frau Morsblech, FDP: Das ist doch Quatsch, Frau Kollegin!)

Vielleicht ist es aber auch so, dass Sie Angst haben vor Veränderungen, vor der permanenten Analyse, was man noch verbessern kann und wie man auf dem Weg weiter vorangehen kann. Vielleicht ist das so. – Die SPD

Fraktion hat auf jeden Fall das Wahlkampfgetöse der FDP erkannt. Durchschaut ist Ihr permanent und unsinnigerweise an die Wand gemaltes Menetekel einer gleichgeschalteten Schule. Ohne Not malen Sie das Schreckgespenst der Abschaffung des Gymnasiums an die Wand und schüren es.

(Beifall der SPD)

Dass das nicht der Realität entspricht, zeigen nicht zuletzt zahlreiche Gymnasialneugründungen in den letzten Jahren, unter anderem in Mainz, in Kirchberg im Hunsrück oder in Schweich an der Mosel. Es gibt zahlreiche Beispiele.

Die SPD-Fraktion hat große Achtung vor unserer Verfassung. Wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab, aus Achtung vor der Verfassung und aus inhaltlichen Gründen.

(Eymael, FDP: Achtung vor der Verfassung! Das ist wohl ein Witz!)

Liebe FDP, Ihr pures Wahlkampfspektakel haben wir durchschaut, und wir machen es nicht mit. Keiner plant, das Gymnasium abzuschaffen. Wir haben gezeigt, dass unsere Politik gerade im Bildungsbereich verlässlich ist. Das wissen die Schulen, und das wissen die Eltern.

(Beifall der SPD – Ministerpräsident Beck: Sehr gut!)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Brandl von der CDU-Fraktion.

(Zurufe der Abg. Dr. Schmitz und Eymael, FDP: Achtung vor der Verfassung!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die rheinland-pfälzische Schullandschaft befindet sich nach den Strukturreformen im Umbruch. Allen Beteiligten – den Schülern, den Eltern und den Lehrern – wurde in den letzten Jahren einiges zugemutet. Aus Haupt- und Realschulen werden Realschulen plus,

(Fuhr, SPD: Die meisten Anträge wurden aus Ihrem Wahlkreis gestellt!)

neue Gesamtschulen werden gegründet, und die Schülerströme scheinen sich neu zu ordnen, was insbesondere auch für das Gymnasium zu neuen Herausforderungen führt. Wohin dieser Umbruch letztendlich führt, ist aus heutiger Sicht völlig offen.

Es drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass die neue Schulstruktur so konzipiert wurde, dass sie weiter gehen wird, als die SPD-Fraktion es bisher der Öffentlichkeit glauben machen will.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD: Oje! – Fuhr, SPD: Eine Verschwörungstheorie!)

Dies ist der Rahmen, in dem sich die beantragte Verfassungsänderung der FDP-Fraktion bewegt und ihre Berechtigung erhält. Ist eine Schulstruktur also verfassungsrelevant? Ich glaube, da braucht man sich nicht zu erschrecken. Ich meine schon, dass dies verfassungsrelevant ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es ist und bleibt die feste Überzeugung der CDULandtagsfraktion, dass differenzierte Schularten die Begabungsstruktur unserer Kinder und Jugendlichen besser abbilden können und gemäß der jeweiligen Möglichkeiten bessere Leistungsergebnisse erzielt werden können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Schulstruktur trägt mit dazu bei, jedem einzelnen Schüler oder jeder einzelnen Schülerin Chancen zu eröffnen, ihren individuell besten Weg gehen zu können. Wir sind fest davon überzeugt, dass der gleiche Weg eben nicht immer der beste Weg für jeden ist.

Wir werden aber auch nicht in die ideologischen Grabenkämpfe der 70er- oder 80er-Jahre zurückfallen. Deshalb ein klares Bekenntnis: Wir wollen integrative Schularten als Ergänzung unseres Schulsystems erhalten. –

Dieses Schulsystem lebt auch von der Durchlässigkeit und der Vielfalt der verschiedenen Schultypen. Jeder einzelne Schultyp stellt für jeden Schüler ein individuelles Angebot dar, seine Talente in der richtigen Form auch einzubringen. Das bedeutet auch, dass nicht jeder Abitur braucht, um seine Perspektiven voll ausschöpfen zu können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich glaube, das gebietet allein schon die Achtung des Elternrechts auf freie Schulwahl. Diese Reichhaltigkeit gilt es zu bewahren im Sinne der Freiheit, Leistungsorientierung und auch Vielfalt unserer Gesellschaft. Dafür brauchen wir jedoch zunächst einmal gleiche Ausgangs- und vor allem gleiche Abschlussbedingungen. Konkret heißt das, dass wir eine ehrliche Lehrerwochenstundenzuweisung, eine gleichberechtigte Zuweisung an Funktionsstellen und vergleichbare räumliche Rahmenbedingungen brauchen.

Der pädagogische Weg darf unserer Ansicht nach verschieden, die Standards für die Abschlüsse müssen jedoch gleich sein. Deshalb brauchen wir landeseinheitliche Abschlussprüfungen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Frau Brück, Sie haben gesagt, Sie wollen keine Sonderwege. Es ist der rheinland-pfälzische Sonderweg, keine einheitlichen Abschlussprüfungen zu haben. Den müssen wir verlassen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die vorliegende Verfassungsänderung ist ein richtiger und auch konsequenter Schritt weg von der Strukturdebatte hin zu einer Qualitätsverbesserung des Unterrichts. Wenn wir uns nicht mehr um neue Strukturen kümmern müssen, haben wir endlich die Möglichkeit, die großen qualitativen Baustellen auch tatsächlich zu beseitigen.

Die Festschreibung der Schularten in der Verfassung wäre ein deutliches Zeichen, dass endlich Schluss ist mit ideologischen Strukturdebatten. An die SPD-Fraktion richte ich deshalb meinen Appell, diese Chance auch zu nutzen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Setzen Sie hier ein klares Zeichen zum Erhalt des auch von Ihnen maßgeblich geschaffenen differenzierten Schulsystems unter Ergänzung integrativer Angebote; denn Ihre bisherigen Beteuerungen allein sind nicht wirklich glaubwürdig.

Man muss leider den Eindruck gewinnen, dass die SPD bildungspolitisch auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen will. Auf Bundesebene stimmt dieselbe rheinlandpfälzische SPD dem Grundsatzprogramm oder auch dem Wahlkampfprogramm zur Bundestagswahl zu, in dem jeweils die Einheitsklasse bis zur 10. Klasse gefordert wird. Im Gegensatz dazu will man sich aber in Rheinland-Pfalz als Vorkämpferin einer vielfältigen Schullandschaft darstellen. Hier müssen Sie erklären, distanzieren Sie sich von den bildungspolitischen Vorstellungen der anderen SPD-Landesverbände oder der SPD im Bund, oder stimmen Sie dem Satz aus dem SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl zu, der lautet: Wir wollen langfristig das gegliederte Schulwesen überwinden. – Vielleicht brauchen Sie dazu noch ein aktuelleres Zitat. Frau Kollegin Morsblech hat es schon gebraucht. Es ist von gestern Abend von Frau Kollegin Brede-Hoffmann: Schritt für Schritt wolle man auf gemeinsames Lernen umstellen.

(Glocke des Präsidenten)

Schritt für Schritt. Sie hätten mit diesem Antrag der FDP endlich die Chance, das ein für alle mal aus der Welt zu schaffen, anstatt durch die Hintertür zu versuchen, Schritt für Schritt langfristig das gegliederte Schulwesen zu überwinden.

Danke schön.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich schon in gewisser Weise verwundert war, als ich von der

FDP-Initiative für diesen Gesetzentwurf Kenntnis genommen habe. Ich füge hinzu, ich bin durch die Debatte heute nicht minder verwundert.

(Beifall bei der SPD – Eymael, FDP: Da haben Sie aber eben nicht zugehört!)