Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ziel ist es, gerade im Interesse der Arbeitsplätze in unserem Land dafür zu sorgen und unsren Einfluss geltend zu machen, dass wir ein europäisches Chemikalienrecht erhalten, das auf der einen Seite dem Gedanken der Nachhaltigkeit gerecht wird, auf der anderen Seite aber Innovation eher fördert und vor allen Dingen die Wettbewerbsfähigkeit im Auge hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung ist der Meinung, dass wir ein einheitliches europäisches Chemikalienrecht brauchen. Wir brauchen es im Interesse fairer Wettbewerbsbedingungen. Wir brauchen es auch, weil wir bestehende Regelungen dringend ablösen müssen. Es gibt schon die Altstoffverordnung und eine europäische Regelung zur Zulassung neuer Stoffe ab 10 Kilo. Diese Vorschriften haben sich zum großen Teil gerade als vollzugsuntauglich, bürokratisch und in extremem Maße als innovationshemmend herausgestellt. Wir brauchen deswegen neue Regelungen. Wir brauchen sie auch, um von den auf dem Markt befindlichen Chemikalien möglichst schnell die sicherheitsrelevanten Informationen für die Menschen, für die Umwelt und für die Anwender in der Verarbeitungskette zu bekommen. Das vereint uns.
Bei der Diskussion um das europäische Chemikalienrecht geht es nicht um das Ob, sondern es geht um das Wie. Ziel muss sein, ein europäisches Chemikalienrecht zu schaffen, das durch hohe Umwelt- und Gesundheitsstandards Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Verbraucher und Verbraucherinnen schützt und die Wettbewerbsfähigkeit im Auge behält. Herr Ramsauer
hat auf die lange Liste der von uns unternommenen Interventionen, Einwendungen, Gespräche, Briefe, Anträge im Bundesrat sowohl des Ministerpräsidenten, des Herrn Kollegen Bauckhage, meinerseits und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Europa, in Berlin, den Gesprächen mit Verbänden und Gewerkschaften hingewiesen. Wenn Sie so wollen, ist es in diesem Netzwerk gelungen, einige unserer Vorschläge in den mittlerweile vorliegenden Entwurf von 2003 eingehen zu lassen.
Ich will einige nennen. Wir haben erreicht, dass von der ursprünglichen Absicht, nur eine Richtlinie zu erlassen, die wesentliche nationale Spielräume eröffnet hätte, Abstand genommen worden ist. Es ist beabsichtigt, eine für alle verbindliche Verordnung zu erlassen, die faire bzw. gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft.
Wir haben es vom Grundsatz her erreicht, dass Stoffe am Anfang der Herstellungskette geprüft werden. Das ist vor allen Dingen eine Entlastung der kleineren und mittelständischen Unternehmen, die in der Regel nachgeordnete Anwender in der Produktionskette sind.
Wir haben heute einen stärkeren Schutz der Betriebsgeheimnisse; denn nach dem derzeitigen Entwurf müssen nur noch sicherheitsrelevante Daten über die gelieferten chemischen Stoffe in der Produktionskette über ein Sicherheitsdatenblatt weitergegeben werden, das auf die speziellen Erfordernisse der Verwender zugeschnitten ist.
Es ist von der Registrierung von vielen Tausend ungefährlichen Polymeren und Kunststoffen Abstand genommen worden. Wir haben mit der starken europäischen Registrierstelle, nämlich der Europäischen Chemikalienagentur, ein weiteres Ziel erreicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mittlerweile liegen in Deutschland und auf europäischer Ebene mehrere anwendungsbezogene praktische Fallstudien vor, die alle deutlich machen, dass der bisher vorliegende Entwurf zum Teil unverhältnismäßige Aufwendungen insbesondere für kleinere und mittelständische Unternehmen zur Folge haben kann. Herr Dr. Braun, auch die von Ihnen angesprochene KPMG-Studie beruht noch auf dem Entwurf von 2003. Das betrifft auch andere. Wenn wir uns mit Studien auseinander setzen, dann sollten wir bei der Interpretation dieser Studie nicht nur die Presseerklärung des Bundesumweltministeriums zugrunde legen. Sie ist sehr differenziert und gibt sicherlich sehr differenzierte Hinweise.
Ich will Ihnen einige Ergebnisse aus unserer Sicht darstellen. Es ist sicherlich so, dass die großen Unternehmen die Chemikalien, die Ausgangsstoffe sind, tatsächlich auch in Zukunft eher weniger in Wegfall kommen lassen und sie auch weiter produziert werden und man dort sicherlich Lösungen im Markt sieht und es angesichts der Kosten für Neuentwicklung der Chemikalien, die entstehen, entweder auf der einen Seite tatsächlich Neuentwicklungen gibt, aber es dort wahrscheinlich nicht zu größeren Marktverwerfungen kommt.
Es ist aber auch richtig, dass kleine und mittlere Unternehmen gerade wegen ihrer eher begrenzten finanziellen Ressourcen und schwächeren Marktposition durch REACH besonders tangiert sind, weil die Weitergabe der Kosten über den Preis der Produkte oft weniger möglich ist. Gerade dann, wenn sie möglichst schnell besonders viele Stoffe auf einmal registrieren müssen, kann dies zu enormen finanziellen Engpässen in den Unternehmen führen. Wir müssen auch die Rahmenbedingungen der kleinen und mittleren Unternehmen vor dem Hintergrund auch von Basel II sehen, was die Kreditfähigkeit und das Rating betrifft. Das kann an dieser Stelle wirklich zu enormen Problemen führen.
Das heißt, wenn man im Einzelfall die Zahlen analysiert, können gerade dort bezogen auf den Umsatz Kosten bei der Registrierung von bis zu 20 % entstehen. Das ist sicherlich erstens eine Gefährdung und kann zweitens zur Einschränkung der Produktpalette führen.
Nun sagt KPMG in der Studie, es könnte durchaus zu einer Portfolio-Verbesserung führen. Für das einzelne Unternehmen mag eine Portfolio-Anpassung an der einen oder anderen Stelle richtig sein. Für den gesamten Markt aber und für die Anwendungskette kann das in der Folge dramatische Konsequenzen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist schon so, die Marktstrukturen im Chemiebereich lassen nicht zwingend eine Weitergabe der Kosten von REACH an die Weiterverwender zu. Deswegen kann es sehr wohl auch gerade kleine oder mittlere Unternehmen im Markt beeinträchtigen. Es ist sicherlich auch so – dass muss man der Vollständigkeit wegen natürlich auch sagen –, KPMG ist zumindest durch Befragung der Unternehmen zu dem Schluss gekommen, dass eine Verlagerung der Produktion in Drittstaaten allein aufgrund von REACH wegen des in den Produktionsstätten gebundenen Kapitals und wegen der Nähe zu den Abnehmern eher als unwahrscheinlich angesehen werden kann. Es stimmt aber auch – das schreiben sie auch –, dass ein Druck zur Auslagerung mancher Produktionen und Produktketten durch diese Diskussion eher noch verstärkt werden kann. Auch das gehört der Vollständigkeit halber dazu.
Natürlich hat REACH und insgesamt das Wissen um die Daten über die Sicherheitsrelevanz von Stoffen und Produkten auch Vorteile für die Unternehmen. Ich erinnere nur daran, dass es bereits heute eine Produkthaftung bei den Unternehmen gibt. Die wird natürlich hier eher ergänzt bzw. gestärkt und in den Kosten entlastet, was unter Umständen auch Versicherungen betrifft. Es ist auch heute schon so, dass gerade Kapitalgesellschaften ein internes Risikomanagement haben. Dieses Risikomanagement muss natürlich auch von der Produktion und den Produkten sowie den davon möglicherweise ausgehenden Gefahren ausgehen. Deswegen ist es sicherlich auch sinnvoll – das ist auch die Strategie der Chemiebranche, insbesondere unserer deutschen Unternehmen –, sich mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit auseinander zu setzen.
Ich sage es nicht nur an dieser Stelle, ich bin froh, dass gerade auch die großen, gerade auch die deutschen Chemieunternehmen und insbesondere auch die BASF sich einem Index der Nachhaltigkeit stellen, Dow Jones Sustainibility Index. Zum vierten Mal hintereinander steht zum Beispiel die BASF in der vorderen Reihe dieses Dow Jones Sustainibility Indexes. Auch die Presseerklärung der BASF selbst sagt, dass man hier in der ausgewogenen Verbindung von Ökonomie, Umweltschutz und sozialer Verantwortung die wirtschaftliche Basis für eine langfristige erfolgreiche Strategie eines Unternehmens sieht.
Das heißt, es ist schon möglich, Ökonomie, soziale Verantwortung und auch Ökologie zu vereinbaren. Ich denke, dass muss auch die weitere Politik und die Umsetzung der Chemikalienpolitik, und jetzt konkret der Verordnung, begleiten.
Um jetzt zum Schluss zu kommen, aus der KPMGStudie den Schluss zu ziehen, alles sei in Butter, die Risiken seien nicht groß, man könne einfach weitermachen, das genau sagt sie nicht.
Nach unserer Meinung kann sie deswegen die Befürchtungen nicht entkräften, dass es die von mir geschilderten Veränderungen und auch Probleme geben kann. Deswegen werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass wir hier zu praxistauglichen und effizienten Lösungen kommen. Ich will noch einmal einige nennen, die meines Erachtens im weiteren Verfahren durchaus ergänzt werden müssen.
Da ist einmal der Ansatz, über eine Vorregistrierung eine Prioritätenliste nach Sicherheitsaspekten zu schaffen, die im weiteren Verlauf dann auch abgestuft nach Prioritäten bei den einzelnen Stoffen und Stoffgruppen zu bewerten und zu analysieren ist; man hat dann ein Register, das je nach Sicherheitsrelevanz eine entsprechende Priorität oder auch eine entsprechende Tiefe der Untersuchung bedeutet.
Das heißt auch, dass wir noch stärker von den mengenbezogenen zu einer risikobezogenen Vorgehensweise kommen müssen. Das heißt, dass wir an Expositionskategorien weiterarbeiten müssen. Es ist ein Unterschied – um das an einem Beispiel zu sagen –, ob Sie einen in der Luft inerten und nicht mehr reagierenden Autolack haben, der in einem geschlossenen System aufgebracht wurde und anschließend mit der Umwelt nicht mehr reagiert, oder ob Sie es mit einem Lack zu tun haben, der an der Hauswand aufgestrichen ist und abgerieben werden kann, der im Interesse des Arbeitsschutzes und auch der Umwelt unter Umständen eine ganz andere Relevanz hat. Auch deswegen brauchen wir solche Expositionskategorien und expositionsbezogene Ansatzweisen.
Ich finde auch sinnvoll, den Ansatz, der von den Unternehmen eingebracht worden ist, für eine Substanz eine Registrierung vorzusehen, weiter zu verfolgen, um gerade Mehrfachregistrierungen oder Doppelregistrierungen zu vermeiden.
Im Übrigen ist das ein ganz wesentlicher Ansatz, den wir immer in den Mittelpunkt unserer Überlegungen oder unserer Eckpunkte gestellt haben, nicht unnötigerweise Untersuchungen zu verursachen, die dann auch noch enorme verbrauchende Tierversuche nach sich ziehen. Es ist also im Interesse des Tierschutzes, auch diesen Ansatz weiter zu verfolgen.
Wir brauchen im Übrigen auch flexiblere Lösungen, um Härten und Innovationshemmnisse abzubauen, zum Beispiel das Stichwort „time to market“, das heißt, wie lange es eigentlich dauert, bis man mit einem Produkt in einer Innovation oder bei einem konkreten Auftrag, wo manchmal auch etwas Neues entwickelt wird, tatsächlich am Markt präsent sein kann. Deswegen brauchen wir hier zum Beispiel die Möglichkeit der Nachregistrierung, wenn das verlangt wird, oder flexible Lösungen, wenn sie von 9,0 Tonnen plötzlich auf 10,1 Tonnen kommen und ihr Registrierumfang nicht mehr reicht. Dies sind alles Fragen, die bis heute nicht gelöst sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, das sind insgesamt weitere Ansätze, die wir auch weiterhin einbringen werden. Sie sind jetzt nicht vollständig. Sie verfolgen aber einen Aspekt, den Aufwand tatsächlich ins Verhältnis zu dem Nutzen zu setzen, den wir aus Sicherheitsgründen für die Umwelt und auch für die Menschen erwarten. Es ist ein Ansatz, der gerade das Thema „Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Erhalt der Arbeitsplätze“ in dieser wichtigen Industriebranche in Deutschland und in Rheinland-Pfalz im Auge hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen wird die Landesregierung diesen beschrittenen Weg sowohl in den Gesprächen, Interventionen und Möglichkeiten gegenüber Brüssel und der Bundesregierung als auch dem Netzwerk in unserem Land mit den Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaften, mit den Unternehmen weiter verfolgen, wie ich das auch im Fachbeirat Chemie regelmäßig tue. Wir haben eine Ad-hocArbeitsgruppe zu diesem Thema bestehen. Wir wollen ein europäisches Chemikalienrecht, das hohe Umwelt- und Gesundheitsstandards gewährleistet, Verbraucher und Verbraucherinnen schützt und die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft stärkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der Meinung, Europa braucht gerade heute diese Botschaft für eine zukunftsfähige Industriepolitik, nicht zuletzt zur erfolgreichen Umsetzung der Lissabon-Strategie.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist in der Diskussion immer wieder traurig, dass Sie
bei den GRÜNEN erst einmal Unterstellungen aufbauen müssen, um diese dann hinterher zerstören zu können.
Punkt 1: Ich habe nie gesagt, dass die KPMG-Studie sagt, es sei jetzt alles in Ordnung. Ich habe auch nicht den Bericht und die Pressemitteilung von Jürgen Trittin hier zitiert, sondern ich habe aus einem Artikel zitiert. Ich will noch einmal sagen, es gibt im „Handelsblatt“ – das ist nun wirklich nicht verdächtig, dass es auf grüner Seite steht – die Überschrift „Studie zur EU-Chemiepolitik – Kosten bleiben beherrschbar“. Natürlich sind auch da wieder die Probleme der kleinen und mittleren Unternehmen angesprochen. Aber diese hatte ich auch angesprochen. Gerade Spezialchemikalienhersteller, die wenige Mitarbeiter und wenig Umsatz haben, haben weiterhin ein Problem. An dem Problem soll gearbeitet werden und wird inzwischen auch intensiv gearbeitet. Ich habe den ungarisch-britischen Vorschlag vorgestellt.
Aber in diesem „Handelsblatt“-Artikel wird auch noch einmal Günter Verheugen zitiert – der nicht in dem Verdacht steht, dass er diese Politik der Industrie blockieren und boykottieren würde –, der sagt – ich zitiere –: „Diese Studie ist ein wichtiger Schritt zu einem raschen Gesetzgebungsverfahren.“ Genau das sagen wir auch. Diese Chance sollte man aufgreifen.
Ich sage noch einmal, die Chance besteht jetzt, auch wenn es die FDP nie verstehen wird. Aber die Chance besteht, dass man Verbraucherschutz, Ökologie und Ökonomie zusammenbringen kann. Das ist doch die Chance für die Zukunft. Darum heißt die Aktuelle Stunde auch so. Sie werden die Arbeitsplätze verlieren, wenn Sie keine Nachhaltigkeitsstudien und Verträglichkeitsstudien zu dem machen, was produziert wird.
Schauen Sie sich doch an, was mit dem Rußfilter passiert ist. Der wird in Edenkoben produziert, in Frankreich eingebaut, und die Deutschen können keine Autos mehr verkaufen, weil sie keine Dieselautos mehr verkaufen, da sie die Entwicklung verschlafen haben. Das müssten Sie doch verstehen, wenn nicht aus Umweltgründen, dann aus Industriepolitikgründen, meine Damen und Herren.
Dass von anderer Seite, vonseiten der SPD so getan wird, als wäre das ein grüner Entwurf: Es ist doch ein Entwurf der EU-Kommission. Es war nie ein grüner Entwurf.
Der war schon lang vor der rotgrünen Bundesregierung in der Diskussion. Das kritisieren Sie von der SPD. Aber dass hier jemand für die CDU redet, der direkt von der BASF-Öffentlichkeitsarbeit in das Parlament kommt und