Protocol of the Session on June 3, 2005

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Gebhart das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Europa hat sich viel vorgenommen. Die Reform der Chemikalienpolitik ist eines der größten einzelnen Gesetzesvorhaben, die sich die EU jemals auf ihre Fahnen geschrieben hat. Im Ziel herrscht große Einigkeit, Schutz von Mensch und Umwelt auf der einen Seite, Stärkung und Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit auf der anderen Seite. Wenn wir uns aber konkret den Vorschlag der EU-Kommission zur REACH-Verordnung ansehen, die über 1.000 Seiten, müssen wir leider feststellen, das Ziel wird verfehlt. Der Vorschlag weist nach wie vor gravierende Mängel auf. Wenn er so beschlossen würde, wie er im Moment auf dem Tisch liegt, wäre das fatal für uns alle.

(Beifall bei der CDU)

Warum wäre es fatal? Weil vieles von dem, was vorgeschlagen wird, in der Tat den bürokratischen Aufwand erhöht, aber nicht zu mehr Schutz führt, weil die Kosten und Nutzen in einem krassen Missverhältnis stehen, weil die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und gerade der Weiterverarbeiter geringer werden würde, weil die kleinen und mittleren Unternehmen vor allem betroffen wären, weil Anreize zur Produktionsverlagerung stattfinden würden, weil tausende von Arbeitsplätzen auch in Deutschland gefährdet wären. Meine Damen und Herren, das kann nicht die Lösung der Probleme in Deutschland sein.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Braun, Sie haben die Studie von KPMG angesprochen, die vor wenigen Tagen vorgelegt wurde. Es ist eine von vielen Studien, die die Auswirkungen untersuchen soll. Was ist passiert? Manche haben sich einzelne Aussagen dieser Studie regelrecht herausgepickt, so interpretiert, als würde alles gar nicht so schlimm werden. Die GRÜNEN jubeln sogar: Arbeitsplätze durch REACH. – Wenn wir uns aber die Ergebnisse sorgfältig durchlesen, dann gibt es überhaupt keinen Grund zur Entwarnung.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Die Ergebnisse der Studie sind klar. Die Kosten wären immens. Vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen wären die großen Verlierer; denn ihre Stoffe können teilweise nicht mehr rentabel hergestellt werden. Allein die Registrierkosten würden zum Teil die Gewinne völlig auffressen. Bestehende Verlagerungstendenzen würden verstärkt werden. Es bleibt auch nach dieser Studie dabei: Wir können uns REACH in dieser Form, wie der Vorschlag im Moment auf dem Tisch liegt, nicht leisten.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, wir brauchen ein besseres REACH. Das heißt zum Beispiel Folgendes:

1. Wir brauchen geringere Testanforderungen.

2. Wir müssen weg von den rein mengenorientierten Prüfanforderungen. Es macht keinen Sinn, Daten ohne jeglichen Bezug zu einem konkreten Risiko zu fordern.

3. Wir brauchen keine Öffnungsklauseln im Zulassungsverfahren.

4. Die Geschäftsgeheimnisse müssen selbstverständlich gewahrt werden.

Das sind nur einige wenige wichtige Punkte.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir müssen REACH grundsätzlich überarbeiten. Wir haben im Moment die Chance dazu. Kommissionspräsident Barroso hat angekündigt, dass eine solche Überarbeitung stattfinden soll. Er hat dies vor kurzem in einem persönlichen Gespräch unse

rem Fraktionsvorsitzenden nochmals klipp und klar bestätigt. Das ist gut. Das macht Hoffnung. Wir müssen aber auch sehen, die Musik bei diesem Thema spielt vor allem auch im Parlament und im Ministerrat, das heißt in diesem Fall im federführenden Wettbewerbsrat.

Meine Damen und Herren, es ist ein Unding, dass uns dort im europäischen Wettbewerbsrat immer dann, wenn es um die Chemikalienpolitik geht, der Umweltminister Trittin und nicht der Wirtschaftsminister, wie das normalerweise dort so üblich ist, vertritt. Ich halte dies für einen Kardinalfehler dieser Bundesregierung.

(Beifall der CDU)

Man braucht sich über manches Ergebnis am Ende nicht zu wundern.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kuhn das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der niedersächsische Oppositionsführer Sigmar Gabriel hat in einem Interview in der „WELT am SONNTAG“ vom 29. Mai 2005 Folgendes ausgeführt – wenn Sie gestatten, darf ich zitieren –: „Die GRÜNEN haben den Hang, Investitionsmaßnahmen, Planungsmaßnahmen und Innovationsmaßnahmen mit einer überbordenden Bürokratie zu befrachten, die uns daran gehindert hat, Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen und zu sichern.“

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zitieren Sie doch nicht Gabriel, zitieren Sie doch Ihren Kollegen Creutzmann!)

„Auch unternehmen die GRÜNEN immer wieder den fehlerhaften Versuch, eine völlig risikofreie Gesellschaft herbeizaubern zu wollen. Ich nenne nur das Thema ‚Gentechnologie’. Auf diese Weise verlieren wir wichtige Bestandteile im Innovationsprozess und im globalen Wettbewerb.“ – Recht hat er.

(Beifall bei FDP und SPD)

Diese berechtigten Vorwürfe stecken Ihnen wohl so in den Knochen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, dass Sie heute diesen wirklich absurden und untauglichen Versuch unternehmen, die Realität umzukehren und zu behaupten, über REACH käme es zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.

Dieses und das, auf was Sie und Herr Dr. Braun abgehoben haben, ist ein Detailchen in bestimmten Untersuchungen. Das ist das Problem. Sie wissen ganz genau, dass das, was Sie hier präsentieren wollen, nichts mit der Realität zu tun hat.

(Zurufe der Abg. Dr. Braun und Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird in der sich ergebenden verhängnisvollen Bilanz überhaupt keine Rolle spielen.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tief beeindruckt von den öffentlichen Vorwürfen, die Arbeitsplatzvernichtungspartei zu sein, wird von Ihnen der Versuch unternommen, das Ganze umzudrehen.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Moment bin ich tief beeindruckt von Ihnen, Herr Kuhn!)

Liebe Frau Thomas, das gelingt Ihnen nicht.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Wenn Sie sich die entsprechenden Studien und Untersuchungen seriös anschauen, dann bleibt es dabei, die kleineren und mittleren Unternehmen sind weiterhin gefährdet und haben erhebliche wettbewerbsmäßige Nachteile. Das ist heute Morgen schon gesagt worden.

Ich komme zu einem weiteren Punkt. Es bleibt weiterhin die Gefahr bestehen. Wir haben einen globalisierten Markt. Es bleibt weiterhin so und wird sich auch dann nicht ändern, wenn wir nicht aufpassen, dass die Ziele Verbraucherschutz und umweltgerechte Produktion so nicht erreicht werden, weil Produkte von außerhalb der EU auf den Markt kommen, die wettbewerbsfähiger sind und den Ansprüchen nicht genügen müssen. Das sind nicht gelöste Probleme.

Das Problem sind die kleineren und mittleren Unternehmen. Wie Herr Kollege Ramsauer will ich noch einmal deutlich machen, wie stark sich die rheinland-pfälzische Politik und die Landesregierung bisher in Brüssel erfolgreich eingesetzt hat. Ministerpräsident Beck, Frau Ministerin Conrad und Minister Bauckhage ziehen alle an einem Strang. Ich sage es, weil es wahr ist. Auch der Bundeskanzler hat sich erfolgreich eingesetzt.

(Jullien, CDU: Das freut ihn aber!)

Das ist in Ordnung. Das darf man einmal sagen. Ein bisschen Fairness gehört schon dazu.

Den kleinen und mittleren Unternehmen drohen Gefahren. Es gibt weitere Studien, die ich im Detail nicht vorstellen kann. Es gibt die KPMG-Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass eine große Zahl von Arbeitsplätzen gefährdet ist. Das sind seriöse Studien. Die dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, wenn es um weitere Verhandlungen in Brüssel geht. Ich bin sicher, dass unsere Interessen von der Landesregierung auch weiterhin erfolgreich vertreten werden.

Liebes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, es ist ein völlig untauglicher Versuch, den Spieß umzudrehen. Das wird die Öffentlichkeit bemerken. Es ist eher ein peinlicher Versuch, das entkräften zu wollen, was die in der Öffentlichkeit erfahren, nämlich die berechtigten Vorwürfe,

dass Sie zum Abbau von Arbeitsplätzen erheblich beitragen. Das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tief beeindruckt! – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht Frau Ministerin Conrad.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rheinland-Pfalz ist der Chemiestandort Deutschlands. Die Landesregierung ist sich dieser Verantwortung auch gerade für die Arbeitsplätze in unserem Land bewusst.

Die Bedeutung und die Konsequenzen des neuen europäischen Chemikalienrechtes und der Chemikalienpolitik insgesamt für die großen, aber auch für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, haben das Kabinett bzw. die Landesregierung in den letzten Jahren intensiv beschäftigt. Wir haben von Anfang an die Vorstellungen analysiert und bewertet. Wir haben breit und auf jeder uns zur Verfügung stehenden Ebene und mit jeder Möglichkeit interveniert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ziel ist es, gerade im Interesse der Arbeitsplätze in unserem Land dafür zu sorgen und unsren Einfluss geltend zu machen, dass wir ein europäisches Chemikalienrecht erhalten, das auf der einen Seite dem Gedanken der Nachhaltigkeit gerecht wird, auf der anderen Seite aber Innovation eher fördert und vor allen Dingen die Wettbewerbsfähigkeit im Auge hat.