Protocol of the Session on April 28, 2005

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion beantrage ich einen Vorabdruck des Protokolls über diese Aktuelle Stunde. Insbesondere aufgrund erfolgter Zwischenrufe von der Regierungsbank gibt es dafür einen entsprechenden Anlass.

Damit ist die Aktuelle Stunde abgeschlossen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich Besucher im Landtag begrüßen, und zwar „Alte Herren“ der Fußballmann

schaft FG 08 Mutterstadt sowie Senioren der ver.diBetriebsgruppe Neuwied. Herzlich willkommen im Landtag! (Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur (LPflegeASG) Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/4050 – Erste Beratung

Die Fraktionen haben eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart. Ich erteile Herrn Abgeordneten Dröscher das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung das von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachte Landesgesetz zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur. Dieser Gesetzentwurf steht für Kontinuität und Qualität in der pflegerischen Versorgung in Rheinland-Pfalz.

Er ersetzt das seit 1995 geltende so genannte Landespflegehilfengesetz. Das ist das Landesgesetz über ambulante, teilstationäre und stationäre Pflegehilfen, das damals im Zusammenhang mit dem Pflegeversicherungsgesetz notwendig war, um vor allem die ambulante Hilfe neu zu regeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den anderen Fraktionen, Sozialstationen gab es in Rheinland-Pfalz aber schon seit den 70er-Jahren.

Wir haben eine lange Tradition. Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die Diakonieschwestern der anderen Verbände vorher. Auch in den 70er-Jahren war die Schaffung der Sozialstationen eine Anpassung an die demografische Entwicklung.

Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, vom Bundesverwaltungsgericht veranlasst, lässt eine Förderung in der bisherigen Form nicht mehr zu. Betroffen davon sind etwa 40 % der insgesamt etwa 9 Millionen Euro, die im Haushalt stehen. Ob uns das gefällt oder nicht, die Sicherstellung und Weiterentwicklung der Pflegestrukturen verlangt aufgrund dieser Entscheidungen der Gerichte eine veränderte Form. Das bietet wie jede Veränderung für uns auch Chancen.

Wir, die SPD-Fraktion, sind davon überzeugt, dass der heute vorgelegte Gesetzentwurf eine leistungsfähige und wirtschaftliche Angebotsstruktur sichert und fördert und darüber hinaus mit seinem Schwerpunkt „komplementäre Hilfen und bürgerschaftliches Engagement“ Antworten auf neue Fragen und Herausforderungen gibt.

Die §§ 6 und 7 des Gesetzentwurfs, die Förderung komplementärer Angebote und die Zusammenarbeit mit

Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen, berücksichtigen das. Mehr als zwei Drittel der pflegebedürftigen Menschen in unserem Bundesland leben in Privathaushalten. Die kleiner werdenden sozialen Netze müssen unterstützt werden. Die Koordinierung der Hilfe von Angehörigen, Freunden und Nachbarn wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen.

Die Verpflichtung zur Zusammenarbeit von Krankenhäusern, Reha und Pflege in § 7 sichert die besonders sensiblen und für die Betroffenen belastenden Übergangsbereiche zwischen den Versorgungsangeboten auch im Zusammenhang mit den Neuerungen durch die neuen Abrechnungssysteme in den Krankenhäusern, die DRGs.

Meine Damen und Herren, die Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung werden in unserem Gesetzentwurf unter Beachtung des Konnexitätsprinzips fortgeschrieben und präzisiert. Aus der Bedarfsplanung werden wir die Pflegestrukturplanung in den Kommunen entwickeln, und die Arbeitsgemeinschaften werden zu Pflegekonferenzen vor Ort weiterentwickelt.

In diesen Pflegekonferenzen wird auch über die jeweilige Ansiedlung – eine gemeinsame Trägerschaft ist möglich – der Beratungs- und Koordinierungsstellen entschieden; denn dieses ortsnahe und niederschwellige Beratungsangebot bleibt ein wesentlicher Eckpfeiler des Gesetzes und erhält aus dem wegfallenden Investitionskostenansatz eine zusätzliche Förderung im Sachkostenbereich.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, Fazit: Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen stärkt bewährte Strukturen und schafft Anreize und Raum für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung. Die Haushaltsmittel des Landespflegehilfengesetzes bleiben auch in Zukunft der Pflege und insbesondere innovativen, vernetzenden Angeboten erhalten. In Rheinland-Pfalz wird es auch unter den veränderten Bedingungen eine vorbildliche pflegerische Angebotsstruktur geben. Die SPD-Fraktion beantragt die Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuss.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und der FDP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Rüddel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese höchstrichterliche Entscheidung hat zu einer merkwürdigen Verunsicherung im Ministerium geführt. Anscheinend hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, gewerbliche, frei gemeinnützige und öffentliche Träger gleichberechtigt zu behandeln, das Ministerium kalt erwischt.

Im Ausschuss wird eine Anhörung zu dem neuen Gesetz beschlossen, ohne dass der Gesetzentwurf förmlich ins parlamentarische Verfahren eingebracht ist. Es verzögert sich die Einbringung des Gesetzentwurfs aufgrund von Abstimmungsproblemen innerhalb der Koalition. Das Ministerium verhandelt bereits seit Monaten in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der Liga und privaten Anbietern über die Ausgestaltung des Gesetzes, und dann bringt nicht die Regierung, sondern die regierungstragenden Fraktionen bringen das Gesetz ein, obwohl sie gar nicht an den Verhandlungen beteiligt waren. Das ist alles sehr merkwürdig.

Jetzt wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, der über weit reichende Verordnungsermächtigungen die ordentliche parlamentarische Begleitung des Gesetzes fast ausschließt, ein Unwesen, als ob die Regierung die Mitgestaltungskraft des Parlaments fürchtet.

Fakt ist, dass mit diesem Gesetz eine Lösung gefunden werden muss, alle oder keinen Träger von Pflegediensten zu fördern. Das Gericht sah die bisherige Förderkulisse als monopolisierend an. Dabei hätte das Ministerium bereits vor drei Jahren vorgewarnt sein müssen. 2002 hat das Bundessozialgericht bereits entschieden, dass eine einseitige Art der Förderung nicht zulässig ist. Trotz weiterer Klagen ist die Förderpraxis dennoch in Rheinland-Pfalz nicht geändert worden. Das vorliegende Gesetz muss jetzt so ausgestaltet sein, dass es für keinen der über 370 ambulanten Pflegedienste diskriminierend wirkt.

Interessiert sehen wir jetzt gerade dem Aspekt der Förderung komplementärer Angebote entgegen. Wir begrüßen grundsätzlich, dass weitere niederschwellige Angebote sichergestellt werden und bürgerschaftliches Engagement in der Pflege stärker Einzug hält. Das Gesetz macht sich aber gerade auch an dieser Stelle angreifbar, da es schwer vorstellbar ist, dass gewerbliche Anbieter in der Lage sein könnten, diese Förderprogramme abzurufen. So wie man einerseits die Verlagerung von Aufgaben auf die regionale Pflegekonferenz begrüßen kann, so ist auch sicherlich dem Aspekt Rechnung zu tragen, dass sich das Land dadurch unangenehmer Pflichten und Aufgaben entledigt.

Wir werden gespannt auf die Ausführungen und Bewertungen der Trägervertreter und Kommunen im Anhörverfahren achten. Wir wollen eine Lösung, die Rechtssicherheit, gleichberechtigte Strukturen und Transparenz schafft. Das Gericht hat gerade dem Aspekt der Gleichberechtigung einen höheren Stellenwert eingeräumt als dem Aspekt der Versorgungssicherheit.

Die aktuelle Marktstruktur mit fast 400 ambulanten Pflegediensten in Rheinland-Pfalz und einem heftig umkämpften Markt lässt Verständnis für die richterliche Entscheidung aufkommen. Derzeit realisieren die Pflegedienste zu ihrer eigenen Existenzsicherung jeden Auftrag und sind flächendeckend tätig.

Ein viel größeres Problem, als mit diesem Gesetz gelöst werden soll, ist die Bedrohung qualitativ hochwertiger Pflegestrukturen durch die grassierende Schwarzarbeit in der häuslichen Pflege. Es gehört heute fast schon zum guten Ton, eine meist polnische Hilfskraft – meist

„schwarz“ – für pflegerische Aufgaben 24 Stunden am Tag im Haushalt zu beschäftigen.

Der wirtschaftliche Schaden für die professionellen Pflegedienste, die in unserem Land auf höchstem Niveau arbeiten, ist enorm. Vielen ordentlich beschäftigten Pflegekräften droht dadurch der Verlust des Arbeitsplatzes. Auch steht diese Entwicklung nicht im Einklang mit unserer gemeinsamen Forderung nach hohen Qualitätsstandards in der Pflege.

Wir müssen uns langsam die Frage stellen, ob die von uns allen geforderten hohen Standards, die alle nicht preiswert sein können, nicht die illegale Beschäftigung fördern. Die „Geiz-ist-geil-Mentalität“ hat auch die Pflege erreicht. Die Anregungen der Ministerin, im Gegenzug niederschwellige Leistungen zu angemessenen Preisen anzubieten, ist zwar gut gemeint, aber nicht realisierbar, und zwar gerade dann nicht, wenn die Ministerin in ihrer eigenen Partei nicht gleichzeitig einer Debatte um Mindestlöhne engagiert entgegentritt. Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.

(Beifall der CDU)

Wenn wir dieser oft organisierten Schwarzarbeit nicht entschieden entgegentreten, wird mittelfristig die flächendeckende pflegerische Grundversorgung in Gefahr sein. Wenn durch diese Entwicklung von einmal 400 ambulanten Pflegediensten nur noch 200 existieren, wird sich die Landesregierung mit der Sicherstellung der Grundversorgung auseinander setzen müssen.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schluss. Hier muss jetzt schnell und entschieden gehandelt werden.

Frau Ministerin, hier sind Sie gefordert.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der ersten Lesung müssen wir nicht schon den parlamentarischen Streit bis ins letzte Detail führen. Das eingebrachte Gesetz wird im Verfahren noch Gelegenheit bieten, dass wir uns austauschen. Nur so viel zu meinem Vorredner: Den von Ihnen vermuteten Streit in der Koalition hinsichtlich dieses Gesetzes hat es nicht gegeben. Das können Sie sich abschminken. Das ist schlichtweg Quatsch. Gott sei Dank.

Dass Gespräche vorab geführt werden, ohne dass ein neues Gesetz gültig und rechtskräftig ist, ist selbstverständlich. Kritikwürdig wäre das Gegenteil, wenn man

ein Gesetz mit diesen Innovationen brächte, ohne es in Gesprächen vorzubereiten. Das gilt ebenfalls für den Kritikpunkt, dass man die Regierung habe zum Jagen tragen müssen. Auch da muss selbstverständlich sein, dass erst Rechtssicherheit abgewartet werden muss, bevor man Schritte einleitet, die sonst juristisch unmöglich gemacht würden.

Darüber hinaus habe ich zunächst einmal wenig inhaltliche Kritik gehört. Ich halte das für ein gutes Zeichen; denn ich glaube, die Intention dieses Entwurfs ist überzeugend. Mein Vorredner von der SPD hat bereits auf die gute Tradition unseres Landes im Bereich der ambulanten Pflege hingewiesen, von den Sozialstationen bis hin zu diesem neuen Gesetz. Ich finde das Gesetz in der Zielrichtung deshalb gut, weil es die Sicherheit auf mehr Wettbewerb gibt, die Pflege selbst verbessert wird, es aber auch zu einer Entlastung der Pflegenden kommen wird und eine Stärkung der häuslichen Pflege zu erwarten ist mit einer Förderung des Ehrenamts, des bürgerschaftlichen Engagements, und das alles ohne Mehrkosten. Das finde ich hervorragend in der Zielsetzung. Wie die Umsetzung später erfolgt, das muss man abwarten. Es ist niemand Prophet, aber von der Anlage her ist es gut.

Für die FDP darf ich festhalten, dass ich die Veränderung von monopolisierenden Strukturen, wie das Gericht es beschrieben hat, hin zu mehr Wettbewerb ausdrücklich begrüße. Ich freue mich darüber im Sinn der betroffenen Firmen und im Sinn der betroffenen zu Pflegenden, weil ich mir auch in diesem Bereich von einem vernünftigen Wettbewerb, gestützt durch bürgerschaftliches Engagement für die Pflege insgesamt mehr erwarte als von noch so gut gemeinten staatlichen und kommunalen Anleitungen. Sie wissen, das ist unser liberales Glaubensbekenntnis.

(Beifall bei der FDP)

Von daher verstehe ich auch, dass die privaten Pflegeanbieter nicht nur den wettbewerbsneutralen Zugang zu den Pflegetätigkeiten selbst eingefordert haben, sondern auch den wettbewerbsneutralen Zugang zu den Beratungs- und Koordinierungsstellen; denn da geht es um organisatorische Fragen. Es geht auch um Macht am Markt und nicht zuletzt auch um Fördermittel.

Wenn wir zu dieser frühen Stunde des Gesetzes auch schon ein wenig darüber hinausgehen nach dem Motto "Wie könnte es dann doch noch einmal weitergehen?, dann könnte ich mir vorstellen, dass dieses Hin zum Stärken des Bürgerschaftlichen, einfach den Notwendigkeiten einer älter werdenden Gesellschaft folgend, in Zukunft nie ganz ohne staatliche Anleitung auskommen wird, aber auch in sich selbst bürgerschaftlicher getragen wird. Dann müssen wir Strukturen aufbauen, die in diesem Gesetz, vom Geiste her, vorbereitet werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)