Protocol of the Session on January 19, 2005

Bei den nächsten zu unternehmenden Schritten geht es insgesamt um ein koordiniertes Vorgehen beim Wiederaufbau sowie bei mittelfristig und langfristig angelegten Hilfemaßnahmen.

Die Vereinten Nationen haben einen Koordinator ernannt, Herrn Jan Eggeland aus Norwegen, der die notwendigen Hilfen weltweit zu strukturieren versucht. Das gilt bezogen auf Infrastrukturmaßnahmen, auf Maßnahmen im Bildungs- und Gesundheitswesen und vor allen Dingen bei der Unterstützung für die Kinder, die ihre Eltern verloren haben.

Die Bundesregierung ihrerseits hat sich diesem Aufruf angeschlossen und verhandelt darüber, wie sie koordinierend vorgehen kann und wie gemeinsam mit den Ländern die Hilfe so gut wie möglich strukturiert werden kann.

Rheinland-Pfalz – wie auch andere Länder – ist also gebeten worden, nicht von sich aus sich irgendeine Partnerschaftsregion – ich benutze jetzt diesen Begriff der Partnerschaft nicht im Sinn der klassischen Kommunal- oder klassischen Regionalpartnerschaft, sondern der Aufgabenpartnerschaft; wie lange sie trägt, wie lange sie gebraucht wird, das alles muss sich herauskristallisieren – zu suchen, also Partnerschaften dieser Art sollten abgesprochen in den Ländern Sri Lanka und Indonesien von deutschen Ländern übernommen werden.

Wir haben – diese Information ist von gestern und von heute – Kontakt aufgenommen und uns dabei auch angelehnt an Kontakte, die es bereits von Organisationen unseres Landes gibt. Ich habe die Handwerkskammer genannt, die mit Sri Lanka schon lang Verbindungen hat, und andere Organisationen. Die Marie-SchleiStiftung wäre zu nennen, die seit langer Zeit in Sri Lanka intensiv arbeitet, die auch aus unserem Land eine große Unterstützung erfährt.

Wir haben auf dieser Grundlage den Vorschlag unterbreitet, uns eine oder zwei der Regionen – Regionen eher zu denken im Sinn französischer Verwaltungseinheiten, die es dort gibt – zu benennen. Es ist uns vorgeschlagen worden, die beiden Regionen Galle und Ampara an der Ostküste und im Süden auszuwählen. Dies sage ich noch vorbehaltlich einer letzten Unterstützung, weil dies vom Auswärtigen Amt wiederum mit der dortigen nationalen Regierung rückgekoppelt werden muss.

Ich habe leider jetzt auf die Schnelle – die Information ist erst wenige Stunden alt – eine Karte mitgebracht. Die Regionen Galle und Ampara liegen im Süden bzw. auf der Nordostseite der Insel.

Ampara hat 600.000 Einwohner. Ca. 13.500 Tote sind zu verzeichnen. 2.500 Menschen sind noch vermisst.

Ca. 150.000 Menschen sind obdachlos – 42 % sind Muslime, 18 % sind Tamilen – an den Küstenregionen. Es handelt sich dabei um das größte Reisanbaugebiet auf Sri Lanka, das zudem Landwirtschaft und Fischerei betreibt.

Die Region Galle umfasst ca. 1 Million Einwohner. Genauere Daten waren bisher nicht zu erhalten. Man muss bei solchen Recherchen auch sehen, dass man im Moment an vielen Stellen einfach nicht durchkommt und die Informationen nicht so erhält, wie man das normalerweise gewohnt ist. Aber wir wissen, dass auch dort die Zerstörungen ganz erheblich sind.

Auf Initiative der Landesregierung hat heute das Auswärtige Amt in Berlin den deutschen Botschafter in Colombo, Sri Lanka, telefonisch über das rheinlandpfälzische Engagement für diese beiden genannten Provinzen informiert. Der deutsche Botschafter nimmt umgehend Kontakt zu den dortigen Regierungsstellen auf und stimmt den rheinland-pfälzischen Vorschlag ab.

Staatssekretär Bruch hat deshalb die kommunalen Gebietskörperschaften gebeten, ihre Hilfsangebote vorerst im Innenministerium bei uns erfassen zu lassen. Staatsministerin Ahnen hat das gleiche Anliegen an die Schulen herangetragen. Alle Meldungen werden derzeit aufgelistet und können damit jederzeit als Hilfsmaßnahmen abgerufen werden.

Die Koordination läuft insgesamt in Deutschland wie folgt: Bei der Besprechung am 12. Januar 2005 im Kanzleramt hatte mich der Bundeskanzler gebeten, über unsere Hilfe und ihre Struktur für Ruanda zu berichten, weil man sich diese Erfahrungen der so genannten Graswurzelpartnerschaft zu Eigen machen will. Es wird auf der Bundesebene einen Staatssekretärsausschuss geben – das heißt, es gibt ihn zwischenzeitlich –, und dort sind alle Informationen erhältlich, die gebraucht werden, um sich vorzubereiten und Hilfe anbieten zu können.

Es gibt einen Arbeitsstab „Partnerschaftsinitiative“, der der operativen Umsetzung dient und von Herrn Botschafter Witschel geleitet wird.

Die Sammelstelle des Bundes „Wiederaufbau Asien“ für internationale Hilfsmaßnahmen und Organisationen, die in Bonn nach wie vor arbeitet, wird in die Arbeit einbezogen.

Patenschaftsbüros in den Botschaften sollen in Anlehnung an das Modell Rheinland-Pfalz/Ruanda Bedarfe ermitteln und bei der operativen Umsetzung mitwirken.

Wir haben in Rheinland-Pfalz ein abgestimmtes Organigramm erstellt, um auf dem direkten Weg die Ansprechpartner und die Abläufe deutlich werden zu lassen und wirksam werden zu lassen. Eine Koordinierungsstelle Rheinland-Pfalz wird im Innenministerium untergebracht. Sie wird auch eine gewisse Clearingfunktion übernehmen. Dies wird am Freitag konkretisiert. Für den Freitag habe ich die Repräsentantinnen und Repräsentanten unserer Kommunen, der großen Hilfsorganisationen und sonstiger Organisationen, die in diesem Bereich tätig sind, eingeladen.

Ein Projekthilfekonto mit dem Titel „Rheinland-Pfalz für Eine Welt“ ist bereits bei der Landesbank eingerichtet. Die Kontonummer lautet: 110 521 622.

Rheinland-Pfalz hat – wie ich vorhin bereits erwähnte – zunächst 1 Million Euro zur Verfügung gestellt, um sofort operativ handeln zu können. Wir werden eine Hotline einrichten, an die alle praktischen Fragen gerichtet werden können.

Ob Rheinland-Pfalz ein eigenes Koordinierungsbüro vor Ort unterhalten wird oder ob wir dies über eine der Hilfsorganisationen garantieren, wird noch entschieden werden. Das wollen wir mit den Hilfsorganisationen am Freitag besprechen. Wenn dies von Hilfsorganisationen aufgrund ihrer hohen Belastung in vielen Teilen in den für uns dann zugedachten Partnerschaftsregionen möglich ist, würde ich dies ausdrücklich bevorzugen. Aber wir sollten im Zweifelsfall auch bereit sein, entlang des Modells „Kigali“ etwas Eigenes zu installieren, um möglichst schnell anfangen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so weit aus der Sicht der Landesregierung zu dem, was da an Furchtbarem passiert ist, und so weit zu dem, was von vielen Menschen in unserem Land unternommen worden ist, zur Betroffenheit von Menschen, zur Unterstützung durch Organisationen in diesem Land und zur vorbereitenden Arbeit seitens der Landesregierung.

Ich wäre dem hohen Hause sehr dankbar, wenn wir gern auch Anregungen und Hinweise zusätzlich aufnehmen, wenn wir diesen Weg in großer gemeinsamer Geschlossenheit gehen könnten. Die Welt hat hier nach diesem schrecklichen Ereignis jetzt die Chance zu zeigen, dass sie nicht nur aus Kriegen, Terror und Konflikten besteht, sondern aus einem mindestens genauso großen – ich hoffe größeren – Maß an Hilfsbereitschaft und Hilfefähigkeit.

Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Böhr das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich bedanke mich ausdrücklich für das, was Sie gesagt haben.

Bis heute gehen mir die Bilder, die seit dem zweiten Weihnachtstag über den Fernsehschirm in unsere Wohnungen transportiert werden, unter die Haut. Da geht es mir ganz sicher so wie Ihnen und uns allen.

Es sind die Bilder von Massengräbern, Leichenberge, die stumme Verzweiflung vieler Menschen, Gesichter von Menschen, die alles verloren haben, das eine Fischerboot, mit dem sie nicht nur ihre Familie, sondern auch ihre ganze Verwandtschaft ernährt haben, Hab und Gut, aber nicht nur Hab und Gut, sondern eben auch

ihre ganze Familie, Frauen und Männer, Kinder, Verwandte, Bekannte und Nachbarn.

Ich denke, das, was wir dort indirekt erleben, weil wir es überhaupt nur über den Bildschirm aufnehmen können, sprengt unser Vorstellungsvermögen und unsere Fassungskraft. Deswegen kann ich mir vorstellen, dass es vielen so gegangen ist, wie es mir im Grund genommen bis heute geht. Es macht keinen Sinn, das in Worte kleiden zu wollen. Es fehlen uns die Worte angesichts des unvorstellbaren Ausmaßes dieser Not und dieses Leids in dieser Region.

Ich will im Anschluss an das, was geschehen ist, ein paar wenige Bemerkungen zu dem machen, was aus unserer Sicht schon getan wurde und in den nächsten Wochen und Monaten weiter zu tun ist.

Ich stimme dem zu, was der Ministerpräsident gesagt hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so tief beeindruckt ich von den Bildern bin, die uns aus Süd-Ost-Asien erreichen, sage ich ganz freimütig, ich bin von der Hilfsbereitschaft unseres Volkes außerordentlich beeindruckt.

Die Sammelaktion, die unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Katastrophe eingesetzt hat, die Erfahrungen, die viele von uns in zurückliegenden Tagen persönlich gemacht haben – – – Nach einem größeren Sportereignis am Ausgang mit der Sammelbüchse in der Hand: Junge Leute, die mit einem Zehn-Euro-Schein, Zwanzig-EuroSchein und einem Hundert-Euro-Schein gekommen sind, den ich glaubte zurückweisen zu müssen, weil ersichtlich war, dass der junge Mann nun wirklich nicht so vom Reichtum gesegnet war, als dass er das einfach so aus dem Portemonnaie hätte ziehen können, der aber voller Empörung darauf bestanden hat, dass der Hundert-Euro-Schein in die Sammelbüchse kommt. Da ist vieles, was wir in diesen Tagen erleben konnten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage dies auch mit Blick auf manchen Kommentar der letzten Jahre, der auch in der einen oder anderen Debatte bei uns gelegentlich Erwähnung gefunden hat, wenn dann in ganz schlauen Bemerkungen über den Zustand unserer Gesellschaft zu lesen war, wir seien längst eine Gesellschaft von Egoisten geworden. Der eine – ich weiß gar nicht mehr, wer das war –, der das bis heute geflügelte Wort geprägt hat, wir seien ein Volk von Ichlingen, ausschließlich von selbstsüchtigen, selbstbezogenen und an uns selbst denkende Individualisten geworden. Diejeniegen sind durch die Ereignisse der letzten Wochen Lügen gestraft worden. Das Gegenteil ist der Fall.

Ich habe unmittelbar nach Weihnachten in Mainz das rheinland-pfälzische Lagezentrum im Innenministerium besucht. Ich will mich bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ausdrücklich bedanken, die schon beginnend an den Feiertagen ihren Dienst aufgenommen und mir neben dem, was ihren Alltag dort in diesem Lagezentrum ausmacht, berichtet haben. Kaum dass die ersten Bilder über den Bildschirm gegangen sind, haben sich Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus Rheinland-Pfalz spontan gemeldet und angeboten, dass sie natürlich bereit seien, freiwillig da unten eingesetzt zu werden, wenn es denn notwendig wäre.

Wir haben viele solcher Erlebnisse. Der Ministerpräs ident hat die Hilfsorganisationen genannt, die auch mit Persönlichkeiten und Helferinnen und Helfern aus uns erem Bundesland bestückt sind. Ich will ganz ausdrücklich all denjenigen danken, die bereit sind und bereit sein werden, ein paar Tage oder sogar etwas länger nach Südostasien zu gehen und die Hilfsdienste zu leisten, die dort unter den allerschwierigsten Bedingungen geleistet werden müssen.

Wer sich in den Internetseiten der rheinland-pfälzischen Zeitungen umschaut, wird feststellen, dass die Liste der Vereine, Organisationen und gesellschaftlichen Gruppen, die landauf, landab größere und kleinere Veranstaltungen durchführen, von Tag zu Tag länger wird. Dies zeigt eine ganz großartige Welle einer spontanen und bis heute jedenfalls andauernden Hilfsbereitschaft.

Ich will an diese Feststellung eine zweite Bemerkung anknüpfen, die den Blick etwas nach vorn richtet und der Frage nachgeht, was in den jetzt vor uns liegenden Wochen und Monaten zu tun ist. Ich glaube, das, was am allerwichtigsten ist – auch das ist vom Ministerpräs identen gesagt worden –, ist zunächst einmal, dass wir Hilfe leisten, unmittelbare Hilfe, die in der jetzigen Lage notwendig ist, und die mittel- und langfristige Hilfe, die notwendig ist, um den Menschen wieder auf die Beine zu helfen, die von dieser Katastrophe betroffen waren, eine Hilfe allerdings – ich bitte um Verständnis dafür, wenn ich das ein klein wenig einschränke –, die auch bei den Betroffenen ankommt.

Damit bin ich schon bei dem, was die Politik bei aller Betroffenheit oder gerade aus ihrer Betroffenheit heraus zu tun hat, was ihre Aufgabe und Pflicht ist, nämlich sicherzustellen, soweit das möglich ist, dass Hilfe von uns so organisiert wird, dass sie tatsächlich diejenigen erreicht, die diese Hilfe von uns erwarten können und denen wir diese Hilfe gern geben möchten.

Ich will in dem Zusammenhang ausdrücklich sagen, dass ich mich sehr freue, dass die Art und Weise, wie wir unsere Partnerschaft zu Ruanda aufgebaut haben, hier ins Spiel gebracht wurde; denn ich glaube, dass die Struktur dieser Partnerschaft wirklich vorbildlich sein kann, auch für eine Hilfsstruktur, die wir aufbauen wollen. Wir wollen nicht nur die unmittelbare aktuelle Hilfe in diesen Tagen geben, sondern wir wollen aus der Opferbereitschaft dieser Tage auch eine dauerhafte, eine mittel- und langfristige Struktur von Hilfe aufbauen.

Ich kann mich im Übrigen sehr gut erinnern – manch einer im Hause hat es auch noch erlebt in den Jahren von 1982 an –, als wir heftig darüber diskutiert haben, wie wir eine solche Partnerschaft mit Leben erfüllen würden. Viele wissen, dass Bernhard Vogel weniges so sehr am Herzen lag wie diese Partnerschaft zu Ruanda, wo damals viele gefragt haben, was es solle, wenn ein Bundesland mit seiner Zuständigkeit eine solche Partnerschaft eingeht.

Ich denke auch an die vielen kleineren Träger, zum Beispiel Ordensgemeinschaften, die seit Jahren, Jahrzehnten, zum Teil Jahrhunderten in diesen betroffenen Ländern tätig sind. Ich selbst habe vorgeschlagen, weil ich immer wieder erlebe, wie sehr dieses Angebot von

Hilfe und Unterstützung auch in unserer Gesellschaft verfängt, dass wir möglichst viele Patenschaften zu Waisenkindern stiften, weil solche Patenschaften den Vorzug haben, dass sie eine persönliche Beziehung zwischen demjenigen, der hier diese Hilfe leistet, und demjenigen, der weit weg von uns eine solche Hilfe in Empfang nimmt, entstehen lassen.

Im Übrigen ist eine solche Patenschaft auch ein guter Weg, dauerhaft diese Hilfe zu geben. Sie erstreckt sich immer über viele Jahre.

Wir müssen darüber reden, was viele übrigens sehr klug und sehr hellsichtig schon in den ersten Tagen nach dem Ausbruch der Katastrophe uns ins Stammbuch, auch aus den Reihen der Publizistik heraus, geschrieben haben. Ich zitiere nur eine Zeitungsmeldung einer großen Wochenzeitung, die lautet: „Mächtigen Worten folgen meist kleine Taten.“ – Ich finde, wir sollten sehr darum bemüht sein, nicht erneut zu zeigen, dass diese Überschrift ihre Gültigkeit hat. Wir wollen eine auf Dauer angelegte mittel- und langfristige Hilfe.

Dazu gehört ein Zweites. Dazu gehört, dass wir Hilfe für den Aufbau von Existenzen leisten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Frage, die sich nicht jenseits der Politik beantworten lässt; denn Hilfe für den Aufbau von Existenzen folgt einem bestimmten Bild von Gesellschaft, einem bestimmten Denken, einer bestimmten Vorstellungsweise, unserem Denken, unserer Vorstellungsweise, unserer Kultur. Es ist eine Hilfe, die beispielsweise vielen Menschen hilft, die nicht nur in Not, sondern auch in großer Abhängigkeit in diesen Regionen gelebt haben, jetzt in dieser Lage, die dann auch eine Chance werden kann, dabei zu sein, Strukturen aufzubauen, um diese Menschen von solchen Abhängigkeiten zu befreien und ihnen nicht nur die Möglichkeit zu geben, aus dieser materiellen Not herauszukommen, sondern sich auch von den Abhängigkeiten zu befreien, die in vielen dieser sehr traditionell geprägten Gesellschaften vorhanden sind.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine dritte Bemerkung machen, weil es meines Erachtens viele gute Gründe dafür gibt, dass wir eine politische Aufarbeitung dieses Ereignisses vornehmen. Wir sollten im Wissen darum sein, dass wir nicht darauf verzichten können, die Frage zu behandeln, die mich bis heute bewegt und auf die ich bis heute keine Antwort gefunden habe, nämlich wie es dazu kommen konnte, nicht zu den tektonischen Verwerfungen, sondern wie es dazu kommen konnte, dass offenbar sehr früh festgestellt wurde, dass ein Erdbeben unvorstellbaren Ausmaßes stattfindet, ohne dass diese Informationen dorthin weitergegeben wurden, wo sie am ehesten hätten eintreffen müssen.

Außerdem interessiert mich sehr, ob es zutrifft, was mehrfach behauptet wurde und seriöse Quellen bis heute bestätigen, dass es betroffene Länder gibt, in denen das Militär, die Zivilbevölkerung aber nicht unterrichtet war und militärische Rettungsaktionen längst eingesetzt haben, bevor die Zivilbevölkerung überhaupt eine blasse Kenntnis über das erhielt, was auf sie zukommt.

Ich meine, wir müssen das tun ohne jede Überheblichkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sollten wir aber auch ohne jegliche Überheblichkeit bei den politischen Führungen der betroffenen Länder tun. Wenn wir in diesem Zusammenhang für einen Stil eintreten, der auf Überheblichkeit verzichtet, dann gehört sich das beidseitig. Für uns gehört sich das selbstverständlich als diejenigen, die jetzt in der Geberrolle sind, aber auch für die politischen Führungen in den von dieser Katastrophe betroffenen Ländern, genauso wie die Flut und die Fluthilfe kein Anlass für Eitelkeiten sein darf und sein sollte. Das gilt für die Geberländer und die Nehmerländer in gleicher Weise. Ich bin der Meinung, es gibt keinen Anlass, in dieser Debatte die Moralkeule zu schwingen. Ich will es bei dieser Bemerkung bewenden lassen. Der eine oder andere weiß, was ich damit meine.

Es wird zunehmend die Frage gestellt, zu welchen Steuerausfällen diese Spenden führen. Meiner Meinung nach hat sich der rheinland-pfälzische Finanzminister zu dieser Frage sehr gut eingelassen. Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass er die Frage nicht aufgeworfen hat, damit kein Missverständnis entsteht. Die Frage wurde ihm gestellt, und er konnte sich ihr nicht entziehen. Die Art und Weise, wie er sie beantwortet hat, finde ich sehr gut und geradezu vorbildlich.

Ich will eine vierte und letzte Bemerkung machen, von der ich gestehen muss, dass sie mir persönlich viel Beschwer verursacht. Sie ist durch dieses Naturereignis ausgelöst worden, aber nicht nur eine unmittelbare Folge dieses Naturereignisses. Kaum war die Flut vorbei und kaum sind die ersten schrecklichen Bilder zu uns gekommen, so kam eine neue Welle schlimmer Nachrichten. Die Menschen, die überlebt und in Flüchtlingslagern zusammengefunden haben, berichteten von Vergewaltigungen und in einigen Fällen von Massenvergewaltigungen. Die Militärs, die jetzt in Aceh zum Einsatz kommen, sind nicht nur berüchtigt, sondern auch gefürchtet und verhasst, weil sie bekannt sind für ihre Menschenrechtsverletzungen, die sie seit vielen Jahren den dortigen Einwohnern zukommen lassen. Uns liegen unzweifelhafte Informationen, Nachrichten und Aufschlüsse darüber vor, dass aus Kinderkrankenhäusern, Hospitälern und Waisenhäusern Kinder geraubt werden, Menschenhändler in solche Einrichtungen eindringen und Kinder mitnehmen.