Protocol of the Session on November 11, 2004

Wem danach nicht klar war, dass sich die Dinge ändern werden würden und müssten, dem muss es jetzt klar sein, weil es nämlich geschehen ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Die Länder, die früher zu den Angriffsarmeen des Ostens gezählt haben, sind inzwischen in der NATO. Diese Veränderung, die sich dort ergeben hat, die hat sich nicht erst ergeben, wie Sie es so schön sagten: „Jetzt hat die Rotgrüne!“, Herr Dr. Enders.

Vor Ihnen steht einer, der von Volker Rühe aufgelöst worden ist als Kompaniefeldwebel des Nachschubbataillons 258. Der hat nicht gejammert.

Er hat nicht gejammert. Was sollte Volker Rühe denn tun, wenn er die Nationale Volksarmee zusammenführen musste, als für eine neue Bundeswehrstruktur zu arbeiten? Volker Rühe musste auch dem Gerätehauptdepot in Kappel mitteilen, dass es noch zehn Jahre Bestand hat und danach abgewickelt werden muss.

(Zuruf des Abg. Dr. Enders, CDU)

Meine Damen und Herren, was wir heute haben, ist eine ganz einfache und plausible Situation. Wir haben sehr viele Panzerstreitkräfte, die genau für einen Einsatzfall gedacht waren, den wir vor 15 Jahren noch hatten. Dieser Fall hat sich geändert. Nun wird eine Panzerdivision aufgelöst. Dazu zählt auch das Panzerbataillon 154 in Westerburg. Wenn eine ganze Panzerdivision aufgelöst wird, brauchen wir auch nicht mehr die Munition, die beispielsweise in Rheinböllen liegt, beispielsweise für die Panzerhaubitze 155 oder für die Glattrohrkanone 100. Das brauchen wir dann alles nicht mehr.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Wollen Sie dies aus strukturpolitischen Gründen aufrechterhalten? – Mein Gott, das ist geradezu staatssozialistisch gedacht.

Ich sehe bei der CDU die Standortdemagogen erwachen, die nun alles an die Wand werfen.

Meine Damen und Herren, als nach dem Krieg von 1870 die Mauern von Mainz und Koblenz gefallen sind, entstanden die großen modernen Städte. Als in den 90erJahren die Amerikaner, die Franzosen und die Belgier abgezogen sind, hat diese Landesregierung aus diesen kahlen Flächen neue und aktive Industrieflächen, Ge

werbe- und Hochschulflächen gemacht. Genau das werden wir tun.

(Beifall der SPD und der FDP – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Kommunen!)

Herr Dr. Enders, ich habe mich ein bisschen gewundert. Sie sind doch auch Reservist.

(Dr. Enders, CDU: Nein, ich bin nicht Reservist!)

Ich dachte, Sie wären Stabsarzt gewesen und hätten gedient.

(Dr. Enders, CDU: Nein!)

Umso schlimmer! – Dann hätten Sie wenigstens einen Obergefreiten bitten müssen, Ihren Antrag einmal zu lesen, ob das, was darin steht, militärisch einigermaßen plausibel ist. Junge, Junge, Junge!

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Was Sie in dem Antrag schreiben, widerspricht zum Ersten den gesamten welt- und geopolitischen Umständen, zum Zweiten dem, was die NATO von uns erwartet – und wir sind in der NATO –, und zum Dritten der Tatsache, dass diese Änderungen seit 15 Jahren ganz normal und vernünftig vonstatten gehen.

Meine Damen und Herren, diese Veränderungen sind für den Einzelnen schwierig, wenngleich wesentlich weniger schwierig als in der gewerblichen Wirtschaft. Was dort den Menschen zugemutet wird und was dort an Anforderungen über den Tisch gerufen wird, wird bei der Bundeswehr nicht geschehen. Trotzdem tut es mir um diejenigen leid, die es schwer haben werden, die weiter fahren müssen, sowie um die Spezialisten. Meine Damen und Herren, aber wir werden wie auch in den 90erJahren aus diesen Herausforderungen einen neuen Anschub in die Richtung eines modernen RheinlandPfalz bekommen. Das ist die Chance.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht nun Herr Abgeordneter Dieter Schmitt.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Grützmacher, in einem Punkt hatten Sie absolut Recht: Der CDU-Verbandsbürgermeister Hülpes ist ein hervorragender Mann. Das ist gar keine Frage. In diesem Punkt sind unsere Meinungen identisch. Dies ist auch identisch mit dem Antrag, den die CDU gestellt hat. Ich weiß sehr genau, was im Kreis Trier-Saarburg und auch in Hermeskeil an Anträgen gestellt und verabschiedet wurde. Insofern ist es absolut richtig, den Blick nach vorn zu richten. Das ist gar kein Problem.

Dennoch gilt es, heute nicht mehr darüber zu lamentieren. In der Tat ist eine Strukturreform notwendig. Sie ist notwendig, auch wenn wir der Meinung sind, dass dies keine Strukturreform in dem Sinn ist, was allein zielführend ist. Das ist die dritte Struck-Strukturreform.

(Ministerpräsident Beck: Nee, nee!)

Es ist die dritte. Allein daran erkennt man, dass es Stückwerk war.

(Zuruf von der SPD: Das ist falsch!)

Das ist der Blick zurück.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Herr Ministerpräsident, alles mit der Ruhe.

Plötzlich wurde verkündet, dass neun Standorte aufgelöst werden. Aber das Erste, was der rheinlandpfälzische Ministerpräsident tut, ist, eine Erfolgsstory zu predigen: Rheinland-Pfalz ist davongekommen. Was habe ich mannhaft gekämpft! Welchen Einfluss habe ich in Berlin! Es ist toll, dass wir erreicht haben, dass Daun, Kusel und Zweibrücken erhalten wurden.

(Mertes, SPD: Daun, das sind Sie!)

Herr Ministerpräsident, aber dann gilt dies auch im Umkehrschluss. Entweder hat Struck Recht, der gesagt hat: „Ich lasse mir von den Ländern nicht hineinreden, bei mir hat in dieser Frage kein Landeschef überhaupt etwas zu sagen“, oder Sie müssen auch den Misserfolg, wenn man ihn denn so bezeichnen will, die Standorte, die geschlossen werden, auf Ihre Kappe nehmen. Man kann nicht den Erfolg feiern und beim Misserfolg sagen, man habe mannhaft gekämpft.

(Beifall der CDU – Hartloff, SPD: Können Sie auch einmal über den Tellerrand schauen?)

Herr Ministerpräsident, eine Sache macht mich schon ein bisschen nachdenklich: Ich habe eine Anfrage gestellt, die im Oktober 2004 beantwortet wurde. Das ist auch das Recht der Abgeordneten. Das ist noch nicht so lange her. Ich habe gefragt, wie es mit meinem Heimatstandort Hermeskeil, einer der größten Standorte, die aufgelöst werden, aussieht. Die Landesregierung hat mir in der parlamentarischen Beantwortung schriftlich sinngemäß mitgeteilt: Was lamentieren Sie herum? Warum machen Sie die Leute kopfscheu, Bundeswehr und Bevölkerung?

Zum Zweiten wurde gesagt: Hermeskeil sehe man als nicht akut gefährdet an, – – –

(Ministerpräsident Beck: Nein, das stimmt nicht! Das stimmt so nicht!)

Doch, ich kann es Ihnen wörtlich vorlesen.

(Mertes, SPD: Tun Sie es doch! Vorlesen! Sie haben doch Ihre Brille an! – Ministerpräsident Beck: Mit Sicherheit nicht!)

Erst 2001 wurde aufgerüstet, und dabei wurde so viel investiert. Ich kenne die Antworten aus dem Kopf heraus. Es steht darin, dies würde dem widersprechen.

(Ministerpräsident Beck: Wie immer knapp daneben!)

Herr Ministerpräsident, der zweite Punkt der Beantwortung dieser Anfrage lautete: Die Standortentscheidungen würden nur aus wirtschaftlichen Gründen getroffen. So steht es wörtlich darin. Lesen Sie es bitte nach. Auch das war falsch. Es geht nicht nur nach wirtschaftlichen Gründen. Wäre dies der Fall, würde man einen Standort, in den in den letzten Jahren 5 Millionen Euro investiert wurden und der in einem Topzustand ist, nicht in den Sand setzen und sagen, das war Schnee von gestern. Es ging nicht nach wirtschaftlichen Gründen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist zunächst auch richtig. (Lewentz, SPD: Machen Sie doch einmal einen Alternativvorschlag, wo das sein soll!)

Nun kommt ein Punkt, der für mich wichtiger ist, nämlich der Blick nach vorn. Deshalb haben wir einen Antrag gestellt. Ich bin froh, dass auch die SPD/FDP-Koalition einen Änderungsantrag gestellt hat, sonst hätten sie ihn erst gar nicht eingebracht.

(Mertes, SPD: Einen Alternativantrag!)

Einen Alternativantrag, ist doch in Ordnung! Wir brauchen uns über solche Kleinigkeiten nicht zu unterhalten, Herr Mertes.

Es geht nun um Folgendes: Werden die Standorte, die aufgelöst werden – das war auch die Aussage des Kollegen Hülpes –, genauso behandelt wie die Standorte, an denen amerikanische oder französische Streitkräfte abgezogen wurden, was ich begrüßt habe? – Hier kommt meiner Meinung nach das Konnexitätsprinzip zum Tragen: Verursacher sind wir, die Bundesrepublik, nicht die Franzosen oder die Amerikaner. Also können wir sie nicht schlechter stellen. Wir müssen sie in der Förderung genauso behandeln wie alle anderen.

Deshalb fordern wir:

1. Eine Konzeption vor Ort. Ich habe gesagt, vor Ort brauchen wir nicht allein diese Konferenz von Ministerpräsidenten und anderen, sondern wir brauchen einen Dialog zwischen den Fachleuten von Bund, Land und den Kommunen, damit ein Alternativkonzept erarbeitet wird.

(Abg. Hartloff, SPD: Mit Dieter Schmitt! – Mertes, SPD: Herr Schmitt, so macht man das nicht!)