Ich möchte noch etwas über die Art und Weise der Berichterstattung sagen. Es ist durchaus richtig, dass wir bundesweit eine erhebliche Zunahme an deutlich geschädigten Waldflächen haben, und zwar ein Plus von insgesamt 8 %. Wir haben aber zum Beispiel Regionen oder Länder wie Bayern, in denen es ein Plus von 15 % gibt. In unserem Nachbarland Baden-Württemberg ist zum Beispiel eine Zunahme der deutlich geschädigten Waldflächen in Höhe von 40 % und in anderen Gebieten bei bestimmten Baumarten sogar mehr als eine Verdoppelung zu verzeichnen.
Das zeigt, wir können nicht nur, wenn man die Gesam tsituation betrachtet, auf eine Region schauen, sondern wir müssen schon sehen, welche die Faktoren sind, die regional zu so deutlich unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben. Einer ist zum Beispiel sicherlich die Baumartenzusammensetzung in einer Region, weil es unterschiedliche Schadanfälligkeiten gibt. Das Zweite sind natürlich auch regional unterschiedliche Witterungsverhältnisse, die einen ganz erheblichen Anteil an den Ergebnissen haben.
Ich lehne eine Pauschalisierung ab. Wir müssen aufpassen, dass wir uns in der Wortwahl wirklich nah an den Phänomen bewegen, nicht weit von dem, was die Menschen empfinden. Ich lehne deswegen auch den Begriff des Waldsterbens ab. Ich sage das ganz deutlich, weil wir mit dem Begriff des Waldsterbens weit von den Erfahrungshorizonten der Bevölkerung weg sind. Es gibt nicht das Waldsterben. Wälder sterben nicht. Die Menschen sehen, dass die Wälder durchweg in einem für sie erlebbaren guten Zustand sind. Wir haben keine Flächenverluste. Wir haben eigentlich eher Zuwächse an Wäldern, gerade auch in unseren Regionen. Wir müssen deswegen die Phänomene als eine echte Bedrohung der Stabilität und einer nachhaltigen Nutzung unserer Wälder bezeichnen. Nicht mehr und nicht minder deutlich ist dies zu kennzeichnen, aber nicht, indem wir Ängste mobilisieren.
Es ist auch eine Frage der Kommunikation. Alles, was wir bisher darüber wissen, wie wir Menschen dazu bringen können, sich anders zu verhalten, ist, ihnen Handlungsmöglichkeiten geben, sich umweltfreundlich und in diesem Sinn waldverträglich zu verhalten und Prozesse, auch politische Prozesse, in diesem Sinn zu steuern und auch zu entwickeln. Das ist viel mehr, als ihnen die Dramatik vor Augen zu halten, um sie dann in einer Frustration allein zu lassen: Was machen wir denn jetzt?
Unser Ansatz heißt, wir stellen uns der Situation. Ich will ganz kurz zum Schluss auf die Handlungsansätze eingehen. Das Handlungskonzept stützt sich auf drei wesentliche Punkte. Wir müssen erstens die Schadstoffeinträge weiter reduzieren. Das sind insbesondere die Säureeinträge, weil wir die so genannten Critical Loads, das heißt, die kritischen Mengen, die in die Böden eingetragen werden, deutlich übersteigen. Während wir früher noch Schwefelemissionen hatten, die durch die Großfeuerungsanlagen und die Kraftwerke die wesentlichen Emittenten waren – diese sind um 90 % in den letzten Jahren zurückgegangen –, nehmen heute in der Tat – Herr Hohn hat es noch einmal deutlich gemacht – die Anteile aus dem Verkehr und der Landwirtschaft den größten Anteil relativ ein. Auch diese gehen zwar insgesamt zurück, sie werden aber umso wichtiger. Deswegen heißt das natürlich auch, dass in der Verkehrspolitik die Zeichen eindeutig auf Schadstoffminderung gesetzt werden müssen. Ich denke, hier sind wir von den europäischen Rahmenrichtlinien und auch von der Politik im Bund auf einem guten Weg.
Deswegen kann ich auch die Bürgerinnen und Bürger nur auffordern, selbst eine Kaufentscheidung für ein verbrauchsarmes und schadstoffarmes Auto – Euro-4Norm – zu treffen. Die Stickoxidvorgaben für die Euro-4Norm , die ab 2005 gilt, bedeuten bei einem Neuwagen eine Halbierung der zulässigen Werte für Stickoxide. Das ist ein ganz wesentlicher Faktor für die Säurebildung.
Dasselbe gilt natürlich auch für die schweren Nutzfahrzeuge, bei denen ab 2008 noch einmal die Schadstoffanforderungen reduziert werden. Ich will aber auch deutlich hinzufügen, dass das eine ernste Frage vor dem Hintergrund ist, dass wir auch mit der EU-Oster
weiterung gerade auch in unseren Regionen mit einem viel stärkeren Verkehrsaufkommen – jeder weiß das, der sich täglich auf die Autobahnen begibt – rechnen müssen. Wir haben keine Alternative, als dass Verkehrszuwächse kompensiert werden müssen, ja überkompensiert werden müssen durch Schadstoffminderung. Technologisch ist das möglich. Wir brauchen aber die Menschen, damit sie mitgehen und dies auch als ihre eigene Verantwortung erkennen. Ich habe es vor kurzem so formuliert: Jede und jeder kann dazu beitragen, indem er selbst die Kaufentscheidung für ein verbrauchs- und schadstoffarmes Auto trifft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im zweiten Baustein unter dem Stichwort „Landwirtschaft“ – wir haben morgen zu diesem Thema noch eine Debatte – müssen wir an zwei Punkten ansetzen. Einmal können wir der Landwirtschaft helfen – auch durchaus durch verbindliche Vorgaben –, auf ein modernes, nachhaltiges Düngemanagement zu setzen. Die Vorgaben gibt es. Moderne Bodenbearbeitungsverfahren und eine zielgerichtete Bodennutzung gehören ebenfalls dazu wie auch der Ausbau von Biogasanlagen. Sie wissen, dass auch durch die Viehhaltung heute noch zu viel Stickstoffeinträge in die Böden gelangen und Emissionen in die Luft kommen. Wir geben den Landwirten eine echte Handlungsalternative. Wir zeigen nicht mit dem Finger darauf. Obwohl es wichtig ist, offen darüber zu reden, die Landwirtschaft ist verantwortlich. Im Übrigen ist es so, dass wir unterdurchschnittliche Viehbestände in Rheinland-Pfalz haben, aber die Immissionsbelastung ist global. Deswegen müssen wir auch bei uns – wir wollen das – einen Beitrag der Landwirtschaft zu diesen Schadstoffminderungen leisten. Wir sind mit dem Ausbau der Biogasanlagen auf einem rasanten Weg. Dies ist eine ganz dynamische Entwicklung.
Der dritte Baustein, die Verbindung zum Klimaschutz – das ist vorhin auch angesprochen worden –, gehört ebenfalls dazu. Überall dort, wo wir effiziente Energiesysteme einsetzen, wo wir auf Energieeinsparung setzen, wo wir konsequent auch sukzessive erneuerbare Technologien fördern, leisten wir nicht nur etwas für den Klimaschutz – im Übrigen ist in der Tat der Wald durch die Klimaveränderungen enorm gestresst –, damit einher gehen auch meistens Schadstoffminderungen.
Ein weiterer großer Baustein in dem Konzept heißt: Wir setzen auf stabilen naturnahen Waldbau. Wir bauen den Wald in diesem Sinn um, und wir bewirtschaften ihn insgesamt nachhaltig mit den Elementen einer Naturverjüngung, mit Artenreichtum und mit standortangepassten Gehölzen.
Ein weiterer Baustein ist und bleibt – der tut uns nach wie vor im Haushalt weh – die Bodenkalkung. Wir werden mit der Bodenkalkung vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse fortsetzen müssen. Wir haben dazu keine Alternative. Auch in diesem und in dem nächsten Haushalt werden wir wieder ca. 2 Millionen Euro aufwenden, um tatsächlich dort, wo die Versauerungen am dramatischsten sind, versuchen, diese zu kompensieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluss: Ja, dem Wald geht es nicht gut. – Das wissen wir schon. Wir haben aber einen Handlungsauftrag. Das Tolle ist, wir können handeln. Es ist die Frage, ob wir das wollen. Ich bin deswegen dankbar für diese Debatte, weil ich glaube, sie unterstreicht die Bedeutung, die Notwendigkeit, und sie kann, wenn sie richtig geführt ist, Kräfte und auch die Bereitschaft dazu mobilisieren.
Frau Ministerin, ich glaube, es ist schon wichtig, dass wir hier nicht dramatisieren. Es ist aber auch wichtig, dass wir nicht untertreiben und noch einmal deutlich machen, dass gerade im letzten Jahr ein großer Sprung bei den Waldschäden war. Die Zahl der stark geschädigten Bäume hat sich um 50 % erhöht. Von dieser ökologisch wie ökonomisch katastrophalen Zahl sind wir in diesem Jahr nicht heruntergekommen. Ich glaube, wir gehen in die gleiche Richtung, wenn wir sagen: Wir müssen die Schadstoffe verringern. – Wir müssen natürlich nicht nur über den Autokauf reden. Ich habe Ihre Pressemitteilung sehr aufmerksam gelesen. Darin steht: Die Verbraucherin und der Verbraucher können etwas beim Autokauf tun. – Die Verbraucherin und der Verbraucher können auch etwas tun, indem sie das Auto stehen lassen und den ÖPNV benutzen.
(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eben, das ist der entscheidende Unterschied!)
Das kommt aber in dieser Presseerklärung überhaupt nicht vor. Wenn ich dann sehe, dass diese Pressekonferenz, die Sie haben stattfinden lassen, so aufgenommen wurde: Entwarnung beim Waldschaden –, dann glaube ich, ist das das falsche Zeichen. Die Zeichen des Waldsterbens sind im Moment dramatisch. Das muss man schon auch sagen, dass viele Bäume auch absterben. Natürlich werden nicht die Wälder sterben, sie verändern sich nur, aber einzelne Bäume sterben natürlich an dem Schadstoffeintrag. Es sind gerade die wertvollen Bäume und die alten Bäume und die, die viel Sauerstoff produzieren. Von daher, glaube ich, dramatisieren wir nicht, wenn wir feststellen – das haben nicht nur wir festgestellt, das stellt auch Herr Ilaender fest; vielleicht glauben Sie dem mehr als uns –: Es muss politisch mehr darauf geachtet werden, dass das Tempo beim Klimaschutz, bei der Schadstoffminderung verstärkt wird.
Wenn das der Vorsitzende der Waldbesitzer sagt, dann sind wir bestimmt unverdächtig zu sagen, das wäre nur grüne Panikmache. Nein, das ist ein ökologisches und
Deswegen glaube ich auch, dass, wenn wir nach außen das Zeichen geben, es hat sich nichts verschlechtert, das natürlich ein Zeichen der Beruhigung sein kann, dass wir froh sind, dass sich nichts verschlechtert hat.
Es ist aber doch auch klar, dass auf diesem dramatischen Zustand eine Verschlechterung ohnehin nicht mehr zu verkraften wäre. Ich kann mir das jetzt nicht verkneifen, vielleicht verstehen Sie es dann in der SPD auch besser. Wenn Sie nun in fünf Jahren melden würden: „In Sachsen haben wir wieder achteinhalb Prozent, wir haben uns also stabilisiert“ –, dann ist das bestimmt keine gute Meldung, sondern auch eine dramatische Meldung.
Ähnlich geht es natürlich auch mit dem Wald. Auf diesem Niveau, auf dem die Waldschäden im Moment sind, ist eine Stabilisierung keine gute Nachricht. Sie fordern dazu auf – das will ich noch einmal deutlich machen –, dass die Regierungen und Parlamente handeln müssen. Deswegen habe ich auch vorher gesagt, wir müssen das natürlich in nationaler Abstimmung machen.
Deswegen fordere ich die Landesregierung auf, sich hinter diese Forderung der Umweltminister zu stellen, Kerosin zu verteuern, den Sprit zu verteuern und die Bahn billiger zu machen.
Das sind die Aufgaben, die wir in der Hand haben, die wir tatsächlich auch mitentscheiden können. Das sollten Sie dann auch tun.
Herr Kollege Braun, wenn Sie den Herrn Ilaender zitieren, sollten Sie auch sagen, dass er im ersten Satz seiner Pressemitteilung das so feststellt, wie Sie sagen, aber er auch im zweiten Satz seiner Pressemitteilung Entschädigungszahlungen fordert und vielleicht zwischen den zwei Dingen ein kausaler Zusammenhang bestehen mag.
Ich habe im ersten Teil gesagt, dass die Forderungen, die im Bundesbericht gezogen werden und die wir in unserem Landesbericht ziehen, die gleichen sind. Das sind Emissionsminderungen.
Da möchte ich darauf hinweisen, schauen Sie einmal in den Energiebericht der Landesregierung, dass sich seit 1991 die Schwefeldioxidaustragungen um 47,9 % und die Stickoxide um 47,1 % reduziert haben. Das sind Politikerfolge, die man aufweisen kann, die man dann auch benennen muss.
Wir sagen natürlich nicht, dass man sich darauf ausruhen kann, aber man muss doch darstellen können, dass man schon etwas erreicht hat und auf dem richtigen Weg ist,
in diesem Land seit 1991 rund 85 Millionen über alle Besitzarten für Bodenschutzkalkung ausgegeben wurden und das, was Ihre Bundesministerin bezüglich naturnahen Waldbaus feststellt und fordert, schon längst Politik in Rheinland-Pfalz ist.
Wenn Sie mir gestatten, möchte ich zum Schluss, um vielleicht auch ein bisschen die Schärfe herauszunehmen – – – Mein Wetterwunsch, den ich letztes Jahr geäußert hatte – da hatte ich mir ja ein regenreiches Jahr gewünscht – ist erstens leider Wirklichkeit geworden, und zweitens hat er letztes Jahr doch zu einigen hochgezogenen Augenbrauen geführt. Der Präsident hat sich sogar Sorgen um die Winzer gemacht.
Alles, was man mir gesagt hat, ist, dass es den Winzern dieses Jahr nicht geschadet hat. Deswegen möchte ich für das nächste Jahr doch die Wetterparole ausgeben: So viel Sonne wie möglich für die Menschen und so viel Regen wie notwendig für den Wald. Die Winzer werden auch damit zufrieden sein.