...........................................................................................................................388 Abg. Böhr, CDU:..................................................................................................................................374 Abg. Creutzmann, FDP:.......................................................................................................................405 Abg. Dr. Geisen, FDP:...........................................................................................................383, 387, 395 Abg. Frau Baumann, SPD:....................................................................................................381, 385, 389 Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:............................................................................404 Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.........................................................................382, 386, 393 Abg. Frau Morsblech, FDP:..................................................................................................................399 Abg. Frau Schneider, CDU:..................................................................................................................384 Abg. Frau Schneider-Forst, CDU:..........................................................................................................397 Abg. Frau Spurzem, SPD:....................................................................................................................397 Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:...................................................................................377 Abg. Hartloff, SPD................................................................................................................................396 Abg. Kuhn, FDP:..................................................................................................................................379 Abg. Mertes, SPD:...............................................................................................................................376 Abg. Pörksen, SPD:.............................................................................................................................403 Abg. Schmitt, CDU:...................................................................................................................... 380, 395 Abg. Schneiders, CDU:........................................................................................................................402 Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.....................................................................................399 Bauckhage, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:..............................................390 Beck, Ministerpräsident:.......................................................................................................................371 Frau Ahnen, Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend:.........................................................................400 Frau Martini, Ministerin für Umwelt und Forsten:....................................................................................393 Mertin, Minister der Justiz:....................................................................................................................401 Präsident Grimm:.........................371, 374, 375, 377, 379, 381, 382, 383, 384, 385, 386, 387, 388, 389, 390 Vizepräsident Dr. Schmidt:..........................393, 394, 395, 396, 397, 398, 399, 400, 401, 402, 403, 404, 405
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich eröffne die 8. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz und darf um Ihre Aufmerksamkeit bitten.
Meine Damen und Herren, auch wir, die Mitglieder des Landtags Rheinland-Pfalz, stehen unter dem Eindruck der Ereignisse vom 11. September. Deswegen haben wir heute auch unsere Tagesordnung umgestellt und erwarten zunächst eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten.
Der Landtag Rheinland-Pfalz gedenkt der Toten, ihrer Angehörigen und Freunde des verbrecherischen Anschlags und erinnert sich daran, dass das amerikanische Volk große Lasten auf sich genommen hat, um uns Deutsche von Terror und Angst zu befreien. Auch deswegen stehen wir jetzt solidarisch an seiner Seite, um den unser aller Leben und Freiheit bedrohenden Terrorismus zu bekämpfen. Ich bitte Sie, sich für einen Moment des Gedenkens von den Plätzen zu erheben.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern vor einer Woche einen Terroranschlag erlebt, der alles an Schrecklichkeit und Menschenverachtung übertroffen hat, was wir uns bis dahin vorstellen konnten. Wir möchten heute wie auch in den letzten Tagen gemeinsam deutlich machen, dass wir an der Seite des amerikanischen Volkes und im Besonderen auch an der Seite der amerikanischen Menschen stehen, die bei uns in Rheinland-Pfalz leben, ihren Dienst tun und durch ihren militärischen Dienst einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben, dass wir seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Freiheit und Demokratie leben dürfen und dies nun seit über 10 Jahren auch für Deutschland insgesamt gilt.
Wir empfinden Trauer mit den Menschen, die Angehörige verloren haben. Wir empfinden Mitgefühl mit einem Volk, das unmittelbar betroffen war und das damit sicherlich noch sehr viel tiefer empfinden muss, was geschehen ist. Aber wir dürfen sicher sagen, dass wir mitempfinden, dass wir mitleiden und bei dieser Gele
Ich möchte aber ebenso deutlich sagen, für das, was von Terroristen an neuer schrecklicher Dimension des Verbrechens über die Menschheit gebracht worden ist, gibt es keinerlei Begründung. Ich denke, insoweit ist die Verurteilung des Terrorismus eine klare Aussage aller vernünftig denkenden Menschen über alle Nationen, über alle Kulturen und über alle Religionsgemeinschaften hinweg.
Es ist mir ein Anliegen, all den Menschen in unserem Land Rheinland-Pfalz zu danken, die sich seit dem vorletzten Dienstag durch unterschiedliche Aktionen, durch unterschiedliche Arten des Mitgefühls und des Bekundens von Beileid und Solidarität klar geäußert haben. Ich möchte mich darüber hinaus dafür bedanken, dass bei dieser Gelegenheit in ganz Europa, in ganz Deutschland und auch bei uns in Rheinland-Pfalz deutlich geworden ist, dass es die Gemeinsamkeit der Demokraten gibt und es Dimensionen der Erlebnisse und Erfahrungen gibt, die jede parteipolitische Auseinandersetzung verbieten. Alle demokratischen Kräfte in unserem Land haben sich entsprechend verhalten.
Ich möchte in dieses Dankeschön auch diejenigen Menschen einbeziehen, die unmittelbar Beiträge dazu geleistet haben, dass viele Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer ihr Mitgefühl ausdrücken konnten. Ich will in mein Dankeschön auch ausdrücklich die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mit einbeziehen, die unmittelbar wenige Minuten, nachdem dieses Ereignis bekannt geworden ist, erhebliche zusätzliche Verantwortung übertragen bekommen haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines möchte ich allerdings auch deutlich machen: Das, was wir seit vergangenem Mittwoch von einzelnen Verwirrten an Trittbrettfahrerei, an Bombendrohungen und Ähnlichem fast täglich erlebt haben und über uns ergehen lassen mussten, ist nicht zu begreifen. Das sind schäbige Wichte, die sich bei einer solchen Gelegenheit auf derartige Weise verhalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht darum, unsere politische Verantwortung wahrzunehmen, wo immer wir in die Verantwortung gestellt sind. Selbstverständlich steht an der Spitze – dies möchte ich noch einmal unterstreichen – die Verurteilung von Terrorismus und das hoffentlich einmütige Bekenntnis bei allen Völkern dieser Welt, dass wir alles tun wollen, um Terror zu bekämpfen, wo immer wir ihn antreffen. Es gilt, über die Ursachen nachzudenken, wie es zu solchen Entwicklungen kommen kann, und uns international auszutauschen, um diese Ursachen miteinander anzugehen. Dies ist alles andere als eine relativierende Bemerkung zu dem, was ich einleitend gesagt habe.
Dennoch geht es nun darum, dass wir mit tiefem Mitempfinden, aber auch mit nüchternem Verstand das tun, was getan werden muss. Es kann keinen Zweifel geben, dass das amerikanische Volk und wir an seiner Seite nicht nur berechtigt sind, sondern auch die Pflicht haben, alles zu tun, dass solche Terrorakte in Zukunft nicht mehr stattfinden können, und dies nicht nur deshalb,
weil wir über die Vereinbarungen der NATO gebunden sind. Dabei ist uns bewusst, dass das Militärische allenfalls eine Seite der Bemühungen sein kann. Ich hoffe sehr, dass es uns in diesen Tagen und Wochen gelingt, die notwendige Differenzierung beizubehalten, sodass wir nicht in wenigen Monaten so manche Entscheidung, die nun aus der Tiefe der Betroffenheit heraus getroffen wird, von ihren Folgen her bedauern müssten.
Es kann insoweit keinen Zweifel geben, dass das, was wir unseren amerikanischen Freunden an Beistand schulden, auch erbracht wird, nicht nur aus vertraglicher, sondern vor allen Dingen auch aus moralischer Verpflichtung. Diese moralische Verpflichtung erwächst nicht nur aus dem Gefühl und aus der Überzeugung unserer Kultur, unserer christlichen und demokratischen Grundüberzeugung, sondern auch aus der Dankbarkeit dafür, dass wir über fünf Jahrzehnte hinweg Frieden und Freiheit nicht zuletzt unseren amerikanischen Freunden zu verdanken haben.
Ein Volk hat das Recht, sich zu wehren. Ich hoffe, dass dieses Recht, sich zu wehren, nicht dadurch in irgendeiner Weise in Misskredit kommt, dass eine Kriegsrhetorik unsere öffentliche Diskussion und Auseinandersetzung begleitet, die der Tiefe dieser Herausforderungen und der Entscheidungen, die zu treffen sind, nicht entsprechen würde.
Ich glaube, dass es in einer solchen Situation unverzichtbar ist, auch gemeinsam über alle Völker, alle nationalen und alle ethnischen und sonstigen Grenzen hinweg zu betonen, niemand hat das Recht, Terroristen in seinem eigenen Staatsgebiet, in seinem Hoheitsgebiet zu dulden. Jede Nation und jedes Volk haben die Pflicht, wenn solche Terrorakte von Menschen ausgehen, die auf dem eigenen Gebiet leben, diese Terroristen auszuliefern und sie der Justiz zu übergeben.
Ich glaube, dass es darüber hinaus notwendig ist, dass wir uns bewusst machen, dass wir über die Folgen hinaus, die von möglichen militärischen Aktionen ausgehen, auch die Pflicht haben, alles politisch und wirtschaftlich in unserer Macht Stehende zu tun, um denjenigen, die diesem Appell, Terroristen auszuliefern, nicht folgen, sich nicht mit diesen Terroristen gemein zu machen, zu zeigen, sie sind, solange sie sich so verhalten, auf dieser Welt isoliert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir dies sagen, dann wissen wir alle, dass es nicht Völker sind, die sich so verhalten, sondern das es oft geradezu selbst an Terrorgruppen erinnernde Machtapparate sind, die die eigenen Völker genauso unterdrücken, wie sie Not und Elend über andere Völker bringen.
Ich weiß nicht, wem es so gegangen ist wie mir und wer Gelegenheit hatte, gestern Abend eine Reportage im Zweiten Deutschen Fernsehen zu verfolgen, gedreht von einer Frau, die Engländerin ist, deren Vater aus Afghanistan stammt und die mit verdeckter Kamera Elend, Unterdrückung und Not in einer Art und Weise aufgezeigt hat, dass man kaum noch die Kraft hatte, das zu Ende anzuschauen.
Es ist also nicht so, wenn wir an diesen Teil in der Welt denken, an den momentan viele denken, von dem aus sicher Drähte des Terrorismus gezogen werden, dass wir mit einem Volk die Auseinandersetzung haben, sondern mit einem unmenschlichen Regime die Auseinandersetzung führen müssen, das sein eigenes Volk genauso unterdrückt, knechtet und ins Mittelalter zurückwirft, wie man offensichtlich bereit ist, über andere Völker unsägliche Not und unsägliches Leid und Elend zu bringen.
Wenn ich sage, dass wir bereit sein müssen, auch hinsichtlich unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten Zeichen zu setzen, dann muss umgekehrt auch deutlich werden, dass wir uns hinsichtlich der ökonomischen Zukunft in der freien Welt durch ein solches Ereignis nicht aus der Bahn werfen lassen. Ich bin froh darüber, dass es bedeutsame Zeichen gegeben hat. Wenn man an die Entscheidung der OPEC denkt, die darauf hinausläuft, die Ölmenge dann zu erhöhen, wenn bestimmte Preisspannen überschritten werden, dann ist dies ein solches positives Zeichen. Wenn man an die Zinspolitik sowohl der amerikanischen als auch der europäischen Zentralbank denkt, dann ist dies ein solches Zeichen.
Ich sage dies, nicht weil in diesen Tagen und Stunden das Ökonomische im Vordergrund steht. Ich sage es deshalb, weil mit diesem Terrorakt neben der politischen Erschütterung – das leite ich aus dem Angriff auf die Regierungsschaltzentralen in den Vereinigten Staaten ab – auch die freie Weltwirtschaft getroffen werden sollte. Das zumindest muss man aus diesem unglaublich schrecklichen Angriff auf das World Trade Center in New York ableiten.
Ich hoffe auch, dass diejenigen, die wirtschaftliche Spielräume und Beurteilungsmöglichkeiten haben, der Verlockung widerstehen, diese Erschütterung so einzuordnen, wie andere wirtschaftliche oder politische Fragen eingeordnet werden, und dass daraus dann rein nach diesen nicht, wie ich finde, passenden Kriterien entsprechende wirtschaftliche Verhaltensweisen abgeleitet werden, ob an der Börse oder an anderen Stellen. Auch dort gibt es die Möglichkeit, Solidarität zu üben. Auch diese Solidarität ist einzufordern. Sie wird von vielen geleistet. Sie muss von allen, die dort Möglichkeiten haben, eingefordert werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich müssen wir im Land Rheinland-Pfalz, was unsere unmittelbare Verantwortung angeht, diese auch wahrnehmen, indem wir alles tun, um die Menschen in unserem Land zu schützen. Damit meine ich nicht nur die gebürtigen Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer oder Deutschen, sondern genauso unsere amerikanischen Mitbürger, unsere Mitbürger aus anderen Nationen und nicht zuletzt auch diejenigen muslimischen Glaubens, die bei uns leben, arbeiten und unsere Nachbarn sind.
Es kommt sicher darauf an, dass wir in einer solchen Situation die Zusammenarbeit in Europa und über die europäischen Grenzen hinaus, was Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung angeht, erneut auf den Prüfstand stellen und überall dort, wo es Möglichkeiten einer noch intensiveren Zusammenarbeit gibt, diese Möglichkeiten auch nutzen.
Wir werden sicher unsere Polizei auch in den kommenden Monaten vor eine dauerhafte und noch schwerere Aufgabe zu stellen haben, als sie ihr ohnehin im Alltag unseres gemeinschaftlichen Lebens schon zukommt. Ich sage noch einmal, ich bin voller Respekt dafür, in welch kurzer Zeit es möglich war, die notwendigen Sicherungsmaßnahmen gegenüber potenziell gefährdeten Einrichtungen und potenziell gefährdeten Institutionen sicherzustellen.
Der Herr Innenminister hat unverzüglich das auch in seinem Haushalt Notwendige und Mögliche getan, um dies abzusichern. Dies werden wir auch in Zukunft sicherstellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesen Tagen kommt es auch darauf an, dass wir uns die Kraft zur Differenzierung auch gegenüber den Menschen bewahren, mit denen wir unmittelbar in unserem Land oder mit denen wir als Völker zusammenleben. Es ist nicht wahr, dass die Angehörigen islamischer Glaubensrichtungen per se unter den Verdacht gestellt werden müssen, sie wären Terroristen oder würden zu solchen Gewalttaten neigen. Das ist nicht wahr. Das ist nicht der Geist, das ist nicht der Inhalt des islamischen Glaubens. Das kann man, wenn man sich einigermaßen informiert, auch ohne Theologe zu sein, mit dieser Überzeugung ausdrücken.
Dass man jeden Glauben nutzen kann, um anderen Menschen sich berufend auf eine Irrauslegung dieses Glaubens zu schaden, sollten wir aus unserer eigenen Geschichte heraus oder wenn wir an das Schreckliche denken, was in Nordirland passiert, nie aus dem Auge verlieren.
Es geht nicht mehr darum, Toleranz vor notwendige Entscheidungen zu stellen. Es kommt darauf an, dass wir in diesen Tagen den Mut haben, die wenigen bei uns lebenden Menschen muslimischen Glaubens, die radikalen Gruppierungen zuzuordnen sind, mit aller dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Aufmerksamkeit zu beobachten. Wir müssen auch den Mut haben, die eine oder andere Gruppierung, die unter dem bisherigen Religionsprivileg unseres Vereinsrechts handeln konnte, durch eine veränderte Rechtslage zu verbieten. Das gehört auch mit dazu, genauso wie das Miteinander und das offene, tolerante und freundschaftliche Umgehen mit den anderen Menschen muslimischen Glaubens.
Ich werde noch heute die Gelegenheit nutzen, mich mit dem obersten Repräsentanten der Menschen islamischer Glaubensrichtungen in Deutschland zu treffen. Das geschieht nicht, weil ich glaube, dass davon entscheidend neue Erkenntnisse ausgehen können, sondern weil ich überzeugt bin, dass wir durch solche Begegnungen Signale der Differenzierung und des Miteinanders aller Gutwilligen setzen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden uns der bundespolitischen Diskussion um mögliche Veränderungen der Rechtslage, beispielsweise im Bereich des Datenschutzrechts, im Bereich der Einreiseregelungen über Visa und die Überprüfung der entsprechenden Daten, stellen. Wir haben im Kabinett sehr
intensiv über diese Fragen gesprochen. Wir sind nicht willens, Aktionen, Entscheidungen zu treffen, weil jetzt scheinbar Entscheidungen gefragt sind, sondern wir wollen diese Entscheidungen vorher genau unter der Fragestellung geprüft sehen, ob sie im Sinn von mehr Sicherheit und unter Beachtung der Freiheitsrechte, die unser Verfassungswesen prägen, gerechtfertigt und notwendig sind. An der Stelle, an der wir diese Rechtfertigung und diese Notwendigkeit sehen, werden wir nicht anstehen, die Bundespolitik zu begleiten und entsprechend zu unterstützen. An der Stelle, an der wir gefordert sind, werden wir eigene Entscheidungen treffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird sicher notwendig sein, dass wir in dieser Zeit Fragen, wie die nach einem klaren Zuwanderungsrecht, nicht hintanstellen, sondern eigentlich gerade jetzt erkennen, dass Klarheit hinsichtlich der Zuwanderungsmöglichkeiten gebotener ist denn je. Deshalb hoffe ich, dass wir unter dem Eindruck dieser tiefen von uns gemachten Erfahrung die Kraft haben, diese Entscheidungen nicht zu vertagen, sondern sie möglichst auf breiter politischer Basis zu treffen.
Ich will auch deutlich machen, dass wir eine sehr intensive Diskussion um die Frage miteinander geführt haben, ob und unter welchen Bedingungen es eine Rechtfertigung gibt, die Bundeswehr möglicherweise auch für Polizeiaufgaben einzusetzen. Wir wehren uns nicht dagegen, die Rechtslage zu überprüfen. Aber wir wollen auch keine Vorbestimmung in eine solche Richtung, weil aus meiner Sicht und aus der Sicht des Kabinetts es derzeit keinen Anhaltspunkt gibt, dass es für eine solche Entscheidung, die tief in die Verfassungsüberzeugungen eingreifen würde, eine Notwendigkeit gibt. Es ist ein Unterschied, ob die Bundeswehr für die Unterstützung bei Katastrophen gebeten wird, zu helfen, es ist ein Unterschied, ob militärische Einrichtungen zusätzlich durch Soldaten der Bundeswehr gesichert werden, da sie bisher nicht gesichert waren, oder ob wir die Polizeifrage stellen. Wir sind gewillt, an der Stelle sehr genau an den Verfassungsgeboten entlang unsere Position zu beziehen und die Diskussion unter diesem Gesichtspunkt mit zu führen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das von mir Angesprochene sind sicherlich nicht die letzten Fragen, die wir miteinander zu besprechen haben. Es ist sicher notwendig bzw. am Mittwoch vergangener Woche veranlasst worden, alles in Bezug auf Katastrophenschutz, vorbeugende Sicherheit, zivil-militärische Zusammenarbeit Bestehende und unter diesem völlig neuen Aspekt einer neuen Form unglaublicher Bedrohung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Dies geschieht. Diese Überprüfungen laufen. In Abstimmung mit Herrn Kollegen Zuber möchte ich Ihnen anbieten, dass wir auch außerhalb der Reihe der Sitzungen des Innenausschusses den Innenausschuss über diese Fragen informieren, wenn Sie dies wünschen. Das kann gegebenenfalls auch in vertraulicher Sitzung geschehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe deutlich gemacht, dass ein Volk, dass alle freien Völker immer in Solidarität miteinander und zueinander das Recht haben, sich gegen einen solchen furchtbaren Terror, wie wir ihn erleben mussten, zu wehren. Ich glaube auch,
dass das Wort, das der Bundeskanzler heute Morgen in seiner Regierungserklärung gesagt hat, richtig ist, dass wir nicht von einem Kampf der Kulturen, sondern von einem Kampf um unsere Kultur reden sollten. Zu unserer Kultur gehört es, dass wir diese Erfahrung und Erkenntnis nutzen, dass alle, die dazu einen Beitrag leisten können, gerade jetzt etwas tun sollten, um an der Stelle, an der Spannungen vorhanden und Verhandlungen möglich sind, Verhandlungen aufzunehmen. Wir sind alle sehr froh darüber, gestern erfahren zu haben, dass zwischen Palästinensern und Israelis wieder Gespräche geführt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht in diesen Tagen darum, dass wir entschlossen gegen den Terror vorgehen, aber genauso entschlossen sollten wir sein, unsere Kultur, unsere demokratischen Werte, unsere Freiheit, soweit sie von außen bedroht ist, aber auch unsere Freiheit im Inneren im Zusammenleben der Menschen zu schützen und uns nicht in eine Hysterie hinein jagen zu lassen, die letztendlich das, was unser freiheitliches Gemeinwesen ausmacht, an einer Reihe von Stellen infrage stellen könnte. Diesen Triumph wollen wir keinem Terroristen gönnen. Lassen Sie uns deshalb mit Besonnenheit und Mitgefühl die nächsten Tage, Wochen und Monate mit gestalten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die schrecklichen Ereignisse der letzten Woche liegen erst wenige Tage zurück. Wenn ich mich selber beobachte und selber prüfe, stelle ich fest, dass mein eigenes, mein persönliches Denken immer noch ganz von Gefühlen bestimmt ist. Ich bin noch lange nicht soweit, um den Kopf ausreichend frei zu haben, das alles zu analysieren und bis in die letzten Schlussfolgerungen hinein zu bedenken. Das sind Gefühle – das ging wohl uns allen so in den vergangenen Tagen –, das Gefühl der Trauer, auch das Gefühl der Empörung, das Gefühl der Ohnmacht, all das, was sich so schwer in Worte fassen lässt, zunächst und vor allem – das hat der Herr Ministerpräsident zum Ausdruck gebracht – das Gedenken an die vielen tausende wehrloser Menschen, die diesem Massenmord zum Opfer gefallen sind, an die Menschen, die selbst ihr Leben lassen mussten, aber natürlich auch an die, die zurückgeblieben sind, die Familien, die Mütter, die Väter, die Kinder, die Eltern, die Hinterbliebenen. Das ist ein so grenzenloses Leid, dass es wirklich jede Vorstellungskraft hinter sich lässt. Es ist ein grenzenloses Leid, das dieser politische Fanatismus über ein ganzens Volk gebracht hat. Ich bin sicher, dass wir alle diese Bilder nie vergessen werden. Ich bin genauso sicher, dass wir alle unsere Fassungslosigkeit angesichts dieses Grauens nie vergessen werden. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich habe mir so etwas nicht
vorstellen können. Meine Fantasie reichte dafür nicht aus. Das ging vielen so. Das hat jeder von uns in vielen Gesprächen in den letzten Tagen gespürt. Es gibt viele Menschen, die sprachlos sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber Sprachlosigkeit kann nicht die Antwort der Politik sein, sondern die Politik hat meines Erachtens zur Kenntnis nehmen müssen, wie sehr dieses schreckliche Ereignis – dieses Grauen, das von diesem Ereignis ausgeht – uns herausgefordert hat, uns politisch herausfordert, uns moralisch herausfordert.