Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Nils Wiechmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Sind rheinland-pfälzische Mädchen dümmer als Jungen? – Schülerinnen und Schüler an Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen – Nummer 3 der Drucksache 14/3396 – betreffend, auf.
1. Wie viele hoch begabte Schülerinnen und Schüler werden mit dem Schuljahresbeginn für das Schuljahr 2004/2005 in den einzelnen Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen in Rheinland-Pfalz unterrichtet (bitte nach den einzel- nen Schulen, Klassenstufen, Herkunftsländern [Bundesländern, Staaten] und nach Geschlecht auf- schlüsseln)?
2. Wie viele Bewerbungen lagen für die Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen für das Schuljahr 2004/2005 vor (bitte nach den einzel- nen Schulen, Herkunftsländern [Bundesländern, Staaten] und nach Geschlecht aufschlüsseln)?
3. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um den oben genannten Auftrag des Schulgesetzes in Bezug auf die Zusammensetzung der Schülerschaft der Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen in Zukunft zu erfüllen?
4. Wie erklärt sich die Landesregierung die Tatsache, dass die Aufnahmekapazitäten der Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen nicht ausgeschöpft werden konnten?
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: In der Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule am Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern werden im Schuljahr 2004/2005 in der Klasse 5 h insgesamt 17 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Davon sind zehn Jungen und sieben Mädchen. Alle Kinder dieser Klasse stammen aus Rheinland-Pfalz. Insgesamt drei Kinder haben einen internationalen Hintergrund: Russland, Armenien, Indonesien und Frankreich.
In der Klasse 6 h werden insgesamt 21 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Davon sind 16 Jungen und fünf Mädchen. 19 Kinder kommen aus Rheinland-Pfalz. Zwei Kinder stammen aus dem Saarland. Insgesamt neun Kinder haben einen internationalen Hintergrund: USA, Großbritannien, Peru, Frankreich, Polen, Spanien und Thailand.
In der Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule am Gymnasium Mainz-Gonsenheim werden im Schuljahr 2004/2005 insgesamt 18 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Davon sind 15 Jungen und drei Mädchen. 15 Kinder stammen aus Rheinland-Pfalz. Drei Jungen kommen aus Hessen. Ein Junge und ein Mädchen haben einen internationalen Hintergrund.
Zu Frage 2: In der Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule am Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern sind zum Stichtag 28. November 2003 für das Schuljahr 2004/2005 insgesamt 43 Bewerbungen eingegangen, davon 34 Jungen und neun Mädchen, die fast alle aus Rheinland-Pfalz stammen. Die genaue Zahl der Bewerbungen aus anderen Bundesländern lässt sich nicht mehr ermitteln, da nach Angaben der Schule die Bewerbungsunterlagen an die Eltern zurückgeschickt wurden.
In der Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule am Gymnasium Mainz-Gonsenheim sind zum Stichtag 5. Januar 2004 für das Schuljahr 2004/2005 insgesamt 39 Bewerbungen eingegangen, davon 27 Jungen und zwölf Mädchen. Fünf Kinder stammen aus Hessen, ein Kind stammt aus Baden-Württemberg, und die anderen stammen aus Rheinland-Pfalz. Zwei Kinder haben einen internationalen Hintergrund.
Zu Frage 3: Im Hinblick auf die Verteilung der Geschlechter ist festzuhalten, dass in der Tat wesentlich weniger Mädchen als Jungen an diesen Schulen angemeldet wurden. Es ist allerdings bekannt und bewiesen, dass es nicht weniger hoch begabte Mädchen als Jungen gibt. Wissenschaftlich begründet wird das Missverhältnis durch die Tatsache, dass Mädchen weniger häufig als hoch begabt identifiziert werden, weil sie dazu neigen, sich eher an ihr Umfeld anzupassen und nicht auffallen zu wollen.
Im Unterschied dazu fallen hoch begabte Jungen durch ihr Verhalten viel früher auf und werden deshalb durch Tests früher und häufiger als hoch begabt identifiziert. Besonders in den Grundschulen, aber auch bei den Eltern und in den Kindertagesstätten ist damit begonnen worden, entsprechende intensive Aufklärungsarbeit zu leisten. In den entsprechenden Informationsmaterialien wie Flyer, Broschüren usw. wird ausdrücklich auf die
Nach einer viel beachteten allgemeinen Veranstaltung zum Thema „Hochbegabtenförderung“ im September vorigen Jahres wurde im Mai dieses Jahres noch eine zusätzliche Tagung zur Thematik der hoch begabten Mädchen durchgeführt, bei der neben Wissenschaft und Theorie auch Praktikerinnen und Praktiker zu Wort gekommen sind. Auch diese Tagung hat bei allen Beteiligten ein positives Echo gefunden. Die Ergebnisse werden jetzt in einer Dokumentation zusammengefasst, die ebenfalls zur Aufklärung und Sensibilisierung beitragen soll.
Bei den im November anstehenden Informationsveranstaltungen der Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen in den Grundschulen werden die Verantwortlichen diesen Aspekt besonders betonen und sowohl bei Eltern als auch bei Lehrkräften dafür werben, im Hinblick auf die Identifikation von hohen Begabungen ganz besonders auf Mädchen zu achten.
Zu Frage 4: Die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern in die Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen in Rheinland-Pfalz erfolgt in einem aufwändigen und mit großer Sorgfalt durchgeführten Aufnahmeverfahren. Dabei werden externe Gutachten, Testergebnisse und Zeugnisse ebenso herangezogen wie Auswertungen von Beobachtungen der Kinder am Auswahltag im Unterricht und in außerunterrichtlichen Situationen. Über die Aufnahme entscheidet der Schulleiter bzw. die Schulleiterin nach Sichtung aller Beurteilungsfaktoren. Bei den bisherigen Aufnahmeterminen ist von jeweils höchstens 25 Schülerinnen und Schülern ausgegangen worden. Die Schulleiter bzw. Schulleiterinnen nehmen in der Regel eine etwas geringere Zahl von Schülerinnen und Schülern auf, weil im kommenden Jahr mit Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern zu rechnen ist, auch vor dem Aspekt der Internationalen Schule.
Frau Ministerin, wie viele hoch begabte Schülerinnen und Schüler gibt es nach Ihrer Einschätzung insgesamt an den allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen des Landes?
(Hartloff, SPD: Sie besucht sie jeden Tag! – Dr. Gölter, CDU: Angesichts dieser Landesregierung viele!)
Sie wissen, dass man in der Wissenschaft davon ausgeht, dass zwischen 1 % und 2 % der Schülerinnen und
Schüler hohe und höchste Begabungen aufweisen. Deshalb haben wir von Anfang an den Ansatz gewählt, die Schullandschaft in Rheinland-Pfalz insgesamt zu verändern. Dies ist im Schulgesetz durch eine sehr viel stärkere individuelle Förderung und einen individualisierten Unterricht zum Ausdruck gekommen. Genauso deutlich haben wir aber auch gesagt, dass wir ein spezielles Angebot in Form eines Systems von Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen machen wollen. Ich denke, diese Zweigleisigkeit, zusammengenommen mit neuen Anstrengungen im Grundschulbereich, ist eine optimale Voraussetzung, um hoch begabte Schülerinnen und Schüler besser fördern zu können.
Frau Ministerin, können Sie sagen, bis zu welchem Zeitpunkt Sie alle hoch begabten Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz so individuell fördern wollen wie an den Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen? Gibt es einen Ausbauplan, um möglichst alle hoch begabten Schülerinnen und Schüler – Sie haben die Größenordnung genannt, es werden rund 10.000 Schülerinnen und Schüler sein – an solchen Schulen zu unterrichten?
Individuelle Förderung heißt, dass unterschiedliche Antworten gegeben werden. Ich beabsichtige nicht, alle Lehrerinnen und Lehrer abzufragen, wie sie individuell auf die jeweilige Situation ihrer Schülerinnen und Schüler reagieren, weil ich davon ausgehe, dass Lehrerinnen und Lehrer kompetente Fachkräfte für die Vermittlung von Wissen und im Unterrichten von Kindern sind.
Frau Ministerin, ist es zutreffend, dass für die Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule in Kaiserslautern noch keine sozialpädagogische Fachkraft gefunden worden ist, obwohl dies zum Konzept unmittelbar und vordringlich dazugehört?
Aus unserer Sicht ist es in Kaiserslautern gelungen, sehr viel Kompetenz in dieser Schule zu versammeln, in der Schule selbst durch die Lehrkräfte, aber auch zum Beispiel durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Schulpsychologischen Dienst sowie durch die Einbeziehung der Internatskräfte, die wir dort haben, und auch durch die enge Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen.
Mit dem Aufbau der Schule werden wir selbstverständlich auch die Zusammensetzung des dort tätigen Pers onals weiterentwickeln. Das haben wir von Anfang an so gesagt, und das werden wir auch in den nächsten Jahren tun. (Beifall bei SPD und FDP)
Ich stelle jetzt meine Frage. Zunächst habe ich überlegt, ob ich noch einmal nachfragen soll, weil das keine richtige Antwort war. Keine Antwort ist aber auch eine Antwort.
Frau Ministerin, haben Sie, als Sie dieses Konzept für die Hochbegabtenschulen entwickelt haben, schon vorausgesehen, dass dieses Konzept natürlich unter dem Aspekt „Gender Mainstreaming“ nicht besonders mädchenfreundlich ist
Ich war von dem Ergebnis nicht überrascht, weil uns das vorher genau als problematischer Bereich geschildert worden ist. Deshalb war im Übrigen in die Gesamtentwicklung der Konzeption von Anfang an neben der zuständigen Schulabteilung in meinem Hause auch die Frauenabteilung mit eingebunden, weil wir auf diesen Aspekt besonderen Wert gelegt haben.
Ich sage aber auch, wie bei so vielen Themen ist das auch ein Bewusstseinsprozess. Deshalb führen wir die öffentlichen Veranstaltungen zu diesem Thema durch. Wir müssen vor allem Eltern sensibilisieren, dass sie genau hinschauen. Letztlich entscheiden sie über den Förderweg ihres Kindes. Sie entscheiden, ob sie eher die Förderung in einer wohnortnahen Schule wünschen oder ob sie ein spezielles Angebot wünschen. Wir müssen sie aber in dieser Entscheidungsfindung unterstützen.
Wir müssen vor allen Dingen die Lehrkräfte qualifizieren, dass sie Eltern beraten können, welche Entscheidung
sie treffen sollen. Deshalb bieten wir Fort- und Weiterbildungsangebote an. Deshalb führen wir diese Veranstaltungen durch.
Frau Abgeordnete Grützmacher, ich darf Ihnen versichern, ich war von Anfang an zu dieser Frage hoch sensibilisiert und bin es nach wie vor. Sie können sich vorstellen, dass auch ich mir das anders wünschen würde, aber das kann ich nun einmal nicht dirigistisch entscheiden,
Frau Ministerin, Sie haben uns eben Zahlen genannt, die eindeutig belegen, dass weniger Mädchen als Jungen angemeldet werden. Die Begründung kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Ich habe da eine andere berufliche Erfahrung. Deshalb bin ich auch mit Ihrer Antwort nicht ganz zufrieden, weil ich der Meinung bin, dass in diesem Bereich im Vorfeld schon mehr getan werden muss. Daher frage ich Sie, was Sie ganz konkret unternommen haben, damit die Mädchen entsprechend gefördert und angemeldet werden. Sie haben zwar von Fortbildungsmaßnahmen gesprochen, aber von solchen Maßnahmen sind immer nur ganz wenige betroffen. Es ist aber wohl erforderlich, flächendeckend Aufklärung zu betreiben. Was haben Sie da konkret unternommen?