Protocol of the Session on July 1, 2004

Genau, eine gute Zeitung. Mittlerweile ist das Bundesgesetz verabschiedet. Dies weiß nun auch die Union. Nun haben wir das Thema schon wieder im Plenum des rheinland-pfälzischen Landtags, der wahrhaftig nicht dafür zuständig war und ist. Warum heute das Ganze?

Meine Damen und Herren, vielleicht ist die Antwort ganz einfach. Es gibt keine ureigenen landespolitischen Themen, mit denen die größte Oppositionspartei meint, die Landesregierung in die Ecke treiben zu können. Das ist doch der Punkt.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Deshalb versucht sie es auch heute wieder mit bundespolitischen Themen, die vermeintlich gefährlich sein könnten, in diesem Fall – Klappe, die zweite – die nachträgliche Sicherungsverwahrung.

So wurde vorhin vom Herrn Kollegen Baldauf hinterfragt, inwieweit die Landesregierung Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung in der Vergangenheit hatte und vielleicht heute noch hat.

Meine Damen und Herren von der CDU, die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist eine, wenn nicht die einschneidendste Maßnahme, die unser Strafrecht überhaupt vorsieht.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Ein Täter, der seine Strafe bereits abgesessen hat, kann noch einmal ohne neue Straftat und ohne, dass es im vergangenen Urteil vorgesehen war, weiter verwahrt werden. Die vielleicht bedrohten Interessen der Allgemeinheit stehen hier gegen die Grundrechte des Betroffenen. Das ist ein ganz gewaltiger Konflikt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es ist selbstverständlich, dass bei Tätern, die hierfür infrage kommen, die Latten sehr hoch gelegt werden. Nach dem neuen Gesetz ist klar, dass ein Täter bereits wegen mehrerer besonders gefährlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt sein muss. Selbstverständlich ist auch klar, dass es letztendlich um ein Verfahren gehen muss, das mit höchsten rechtsstaatlichen Garantien ausgestattet ist.

In dem neuen nun vom Bundestag verabschiedeten Gesetz werden zwei unabhängige Gutachter für die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gefordert. Das Verfahren wird letztendlich vor dem BGH nachprüfbar sein.

Meine Damen und Herren, diese beiden Punkte hatte die CDU nicht vorgesehen. Ich möchte sie noch einmal ausdrücklich hervorheben; denn wir müssen alle dafür

sorgen, dass dieses Gesetz letztendlich verfassungsgemäß sein wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich möchte nicht so lange reden, weil eigentlich zu dem Thema schon alles gesagt worden ist. Ich möchte nur die Gelegenheit nutzen, im rheinland-pfälzischen Landtag die CDU im Bundesrat aufzufordern, den Weg für ein verfassungsgemäßes Gesetz freizumachen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht Frau Abgeordnete Grützmacher.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich frage mich: Wie groß muss Ihre Verzweiflung sein, dass Sie mit einem solchen Thema schon zum zweiten Mal völlig überflüssigerweise den Landtag beschäftigen?

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für mich zeigt das, dass Sie auf Landesebene überhaupt kein Thema haben, bei dem Sie sich einmal profilieren und sagen können, dafür steht die CDU. Dafür müssen Sie auf bundespolitische Themen zurückgreifen, die wir bereits lang und breit abgehandelt haben. Ich denke, das ist etwas, was wir uns nicht leisten sollten. Die Themen, über die es hier im Parlament gehen muss, sind landespolitische Sachen. Hier fehlt es der CDU – das muss man in Rheinland-Pfalz leider immer wieder sagen – an einer klaren Profilierung.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Deswegen sucht man sich Punkte aus wie diese Sache, die schon letztes Mal überflüssig war, weil klar war, dass auf der Bundesebene etwas passiert.

Meine Damen und Herren, ich will das nicht im Einzelnen wiederholen. Frau Reich hat es deutlich gesagt, worum es geht. Ich will noch ein paar Punkte herausgreifen, die von unserer Seite aus schwierig sind und bei denen wir nicht verhehlen, dass wir uns das in diesem Gesetzentwurf anders gewünscht hätten.

Für uns ist ein harter Brocken, dass zum Beispiel Ersttäter in diese Sicherungsverwahrung hineinkommen. Das fällt uns sehr schwer. Wir werden auch weiterhin als Partei diese Position aufrechterhalten. Es macht uns auch zu schaffen, dass junge Straftäter unter 21 Jahren mit einbezogen werden können. Das haben wir aber auf Bundesebene mitgetragen, weil wir glauben, dass es grundsätzlich eine Berechtigung gibt, so etwas zu tun.

Das Gericht hat mit dem neuen Gesetz drei Möglichkeiten zur Verfügung. Es kann bereits im Urteil anordnen,

dass ein gefährlicher Straftäter nach dem Gefängnis in Sicherheitsverwahrung kommt. Zweitens kann es sich bei dem Urteil die Sicherheitsverwahrung vorbehalten und drittens für Straftäter, bei denen weder das eine noch das andere vorgesehen war, Sicherheitsverwahrung anordnen.

Meine Damen und Herren, damit ist das Ziel dieser ganzen Aktivitäten auf jeden Fall erreicht. Wir müssen sehen, dass es nur für ganz wenige schwere Straftäter infrage kommt. Darum ist für uns ganz klar – das ist der einzige Kompromiss, den wir bei Frau Zypries noch erreicht haben –, dass es sich um Straftaten handeln muss, die mindestens eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren nach sich ziehen. Ich denke, das ist wenigstens etwas, was uns gelungen ist.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Herr Baldauf, natürlich muss es das sein, weil es darum geht, dass das Menschen sein müssen, die für die Allgemeinheit gefährlich sind, und zwar für Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger. Darum sind die fünf Jahre richtig.

Meine Damen und Herren, auf der Bundesebene ist es beschlossen. Ich sehe keine große Veranlassung, auf der Landesebene noch einmal nachzukarten. Der Minister hat deutlich gesagt, dass die Landesregierung das unterstützen wird. Welchen Grund gab es für diese Aussprache?

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jullien, CDU: Inkarnation des Rechts!)

Es spricht Herr Abgeordneter Creutzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das haben Sie nicht.

Herr Kollege Jullien, das ist genau unser Problem. Man muss mit einem solchen Thema auch ein bisschen seriös umgehen. Nach dem Motto „Wir sperren alle weg“ wird das Problem nicht gelöst werden können. Das ist immer der Eindruck, den wir haben, wenn Kollegen von Ihnen sagen: wegsperren, wegsperren, wegsperren. – Das Verfassungsgericht hat ganz hohe Hürden für das Wegsperren gelegt. Darüber müssen Sie sich im Klaren sein.

Meine Damen und Herren, mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar dieses Jahres wurde unsere Position, wonach eine landesgesetzliche Regelung zur Gefahrenabwehr für rückfallgefährdete Straftäter nach dem Polizeirecht verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft, in vollem Umfang bestätigt.

Die Länder, so die Karlsruher Richter und ihre Entscheidung, seien zum Erlass derartiger Regelungen nicht zuständig. Deshalb war es im Nachhinein auch absolut

richtig, dass Rheinland-Pfalz dem Beispiel von Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt nicht gefolgt ist und kein entsprechendes Landesgesetz auf verfassungswidriger Grundlage erlassen hat.

Für die FDP als Rechtsstaatspartei gilt immer noch der Grundsatz, dass gerade der höchst sensible Bereich der persönlichen Freiheit nur auf verfassungsgemäßer Grundlage eingeschränkt werden darf. Ob eine landesrechtliche Regelung diesem Erfordernis entspricht, wurde von der FDP jedoch stets angezweifelt. Letztendlich wurden unsere Zweifel vom Karlsruher Urteil bestätigt.

Herr Kollege Baldauf, Sie haben etwas zu der Haltung der FDP-Bundestagsfraktion gesagt. Es ist klar, die FDP-Bundestagsfraktion hat ihre Ablehnung damit begründet, dass der Gesetzentwurf gegen Artikel 5 der Menschenrechtskonvention verstoße und es eine präventive Haft in keinem anderen EU-Land gebe und gibt. Außerdem hat sie eine nachträgliche Sicherungsverwahrung für Ersttäter strikt abgelehnt.

Sie müssen auch einmal an das Individuum denken, und zwar an jemanden, der eine Verfehlung begangen hat und für den nächträgliche Sicherheitsverwahrung angeordnet wird. Er muss auch eine Chance haben. Frau Kollegin Reich hat es gesagt. Er wurde für die Straftat verurteilt und hat seine Strafe abgesessen. Insofern muss die Hürde hoch sein, um zu sagen, dass er vor der Gesellschaft geschützt werden muss. Bisher war eine Sicherheitsverwahrung nur möglich, wenn sie vorher angeordnet war.

Herr Kollege Baldauf, Sie müssten als Rechtsanwalt zustimmend zur Kenntnis nehmen, dass das Verfassungsgericht die Hürde sehr hoch gelegt hat und das Gesetz auch diesem folgt. Hier handelt es sich um menschliche Schicksale. Das wird immer wieder vergessen, so schlimm oft die Straftaten sind.

Ob die Grenze jetzt bei fünf Jahren oder bei vier Jahren und neun Monaten liegt, darüber kann man in der Tat streiten. Herr Kollege Baldauf, die Gerichte können aber von vornherein schon eine Sicherungsverwahrung aussprechen, wenn man meint, die Straftat wäre so gravierend, dass man die Person weiterhin vor der Gesellschaft schützen will.

Meine Damen und Herren, Sie haben es gehört, der Bundesrat wird diesem Gesetzentwurf zustimmen. Deswegen habe ich nicht verstanden, Herr Kollege Baldauf, warum Sie das noch einmal zur Aussprache gestellt haben. Manches versteht man hier nicht, man muss es nur zur Kenntnis nehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die Landesregierung spricht Herr Justizminister Mertin.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Baldauf, Sie haben in den Raum gestellt, dass die FDP-Bundestagsfraktion ebenso wie die CDU dagegen gestimmt habe. Die FDP-Bundestagsfraktion hat das – wie eben Herr Kollege Creutzmann festgestellt hat – unter Berufung auf die Europäische Menschenrechtskonvention getan. Das kann man durchaus so sehen. Da gibt es durchaus Probleme. Die Frage, die sich für mich im Bundesrat stellt, ist, ob sie so schwer wiegen, dass wir dieses Gesetz im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist nicht passieren lassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns eine Frist gesetzt. Es muss eine gesetzliche Regelung bis zum 30. September dieses Jahres geben.

Insofern stellt sich im Bundesrat die Frage, ob wir diesen Prüfungen noch näher nachgehen und überhaupt die Zeit dafür besteht. Das Abstimmungsverhalten, wie es die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gezeigt hat, führt auch nicht dazu, dass bis zum 30. September dieses Jahres ein Gesetz auf den Weg gebracht ist. Das müssen Sie sehen, weshalb auch die Kollegen aus den BLändern darauf verzichten werden, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Im Hinblick auf die Europäische Menschenrechtskonvention gehe ich aber davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Europäische Menschenrechtskonvention bei seinen Entscheidungen durchaus im Blick gehabt hat. Es ist nämlich bei uns geltendes Recht. Wenn also das Bundesverfassungsgericht trotzdem zu diesem Ergebnis gekommen ist, muss ich zunächst einmal davon ausgehen, dass das Verfassungsgericht von einer Vereinbarkeit mit der Menschenrechtskonvention ausgeht. Von daher ist das für mich kein Problem, das für mich zwingend dazu führen müsste, dass wir im Bundesrat blockieren, wie das Verhalten im Rechtsausschuss des Bundesrates bereits deutlich macht.