Protocol of the Session on July 1, 2004

Regionen gegangen. In einer Arbeitsmarktregion sagte mir ein Unternehmer: Ich habe noch 50 freie Ausbildungsplätze, aber keine qualifizierten Bewerber. – Ein anderer Unternehmer aus einem anderen Bundesland hatte 240 Ausbildungsplätze und hat diese Zahl auf 500 erhöht. Er wohnt bei mir in der Nachbarschaft und hat mir gesagt: Herr Bauckhage, ich muss nun aber Seminare einrichten, um sie zu qualifizieren. – Ich sage das deshalb, weil wir offen miteinander reden müssen. Die Berufsschulen leisten Enormes.

Insgesamt ist dieser Pakt nicht nur vernünftig, sondern auch zu begrüßen, weil er die Wirtschaft fordert und weil kein Gesetz notwendig ist. Die Wirtschaft hat bewiesen, dass man das alles ohne Gesetz machen kann. Ich halte von einem Gesetz in diesem Zusammenhang übrigens überhaupt nichts. Von einer Androhung halte ich im Übrigen auch nichts, Herr Wiechmann. Wir sollten auf diesem Weg weitergehen.

Wir in Rheinland-Pfalz jedenfalls haben einen erfolgreichen Weg beschritten. Eine Ausbildungsquote von insgesamt über 98 % kann sich sehen lassen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP und der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Mertes.

Meine Damen und Herren, wir sollten – wie es Artur Bauckhage sagte – ehrlich sein in Bezug auf die Qualifikation. Wir haben aber auch Probleme bei denjenigen, die qualifiziert sind, die nur an der „falschen“ Stelle wohnen, sozusagen in den falschen Strukturen leben.

Das zweite Problem, dass wir in bestimmten Bereichen nachschulen müssen, haben wir auch. Wer das der Schule zuschreiben will, dem kann ich nur sagen, dass er es der Gesellschaft und den familiären Verhältnissen zuschreiben sollte. Das sind die wirklichen Ursachen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es ist bedauerlich, dass es so gekommen ist, aber es ist so. Dass es so gekommen ist, dass Handwerksberufe in unserer Zeit einen geringen Stellenwert haben, ist ein Teil unserer gesellschaftlichen Wahrheit, von der ich schon oft gesprochen habe, Frau Huth-Haage. Handwerker spielen nicht die Rolle wie der Rechtsanwalt, der Finanzberater, der Arzt oder der Apotheker. Schauen Sie sich einmal die Sendung „Dr. Kleist“ an. Viel weniger dramatisch kann es im Fernsehen eigentlich gar nicht mehr zugehen. Diese Sendung hat jedoch eine Einschaltquote von 8 Millionen Zuschauern an jedem Dienstag. Das zeigt meiner Meinung nach einen Teil der Antwort, dass wir nicht mehr wahrnehmen, dass all das nicht geschehen könnte, wenn es keinen Bäcker, keinen Metzger, keinen Dachdecker, keinen Straßenbauer und

Ähnliches in Rheinland-Pfalz mehr gäbe. Das müssen wir deutlich m achen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Da wir auch darüber geredet haben, ob das andere vielleicht der bessere Weg gewesen wäre: Wir können doch nicht all diejenigen vor den Kopf stoßen, die helfen wollen auszubilden. Diese Leute gibt es.

Wir sollten aber auch nicht verschweigen, dass es eine ganze Menge Drückeberger in der Wirtschaft gibt, die nicht ausbilden und genau davon leben, dass die anderen mit hohem Engagement ausbilden. Auch das gehört mit in den Blick und in die Wahrnehmung. Es ärgert mich, dass die Handwerksbetriebe die Last auf sich nehmen und die mittelgroßen Industriebetriebe nachher einen Euro pro Stunde mehr bezahlen und sich den frisch gebackenen Gesellen nehmen, den sie gut ausgebildet bekommen. Auch das gehört zur Realität und sollte deshalb an dieser Stelle gesagt werden.

(Beifall der SPD)

Da wir von Partnern reden: Die Handwerkskammer Koblenz beispielsweise hat gebeten und durchgesetzt, dass die Prüfungsgebühren der Betriebe in den Kammerbeitrag aufgenommen werden.

(Glocke des Präsidenten)

Daraufhin habe ich das bei anderen Kammern – zum Beispiel in Trier, Herr Präsident – vorgetragen. Herr Natus sprang mir ins Gesicht und fragte, wie er das seinen Mitgliedern beibringen solle. Die Koblenzer haben das geschafft. Damit haben sie auch diejenigen mit im Boot, die nicht ausbilden. Man kann also von Koblenz lernen. Herr Präsident, vielleicht können Sie das mit nach Trier nehmen.

Ich wünschte, dass alle Kammern so denken wie die Koblenzer. Auch das ist ein Stück Solidarität und sollte anerkannt werden. (Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Huth-Haage.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Ausbildung der Jugend ist eine wichtige Aufgabe. Das stammt nicht von uns oder einem Politiker, sondern das sagte schon Diogenes rund 400 vor Christus.

Wenn wir schon die große Einigkeit feiern, möchte ich dennoch darauf hinweisen, dass die Haltung des Ministerpräsidenten nicht so ganz eindeutig war. Er favorisierte das Fondsmodell, das glücklicherweise genauso beerdigt wurde wie die Ausbildungsplatzabgabe.

(Beifall bei der CDU – Mertes, SPD: Jetzt haben Sie endlich wieder Ihr Feindbild!)

Herr Minister Bauckhage, wir sitzen mit Ihnen im gleichen Boot, wenn Sie sagen, dass die Berufsschulen eine wichtige Rolle spielen. In dieser Hinsicht unterstützen wir Sie gern; denn das fordern wir schon lange.

Herr Wiechmann, Sie haben gesagt, das Druckmittel habe Wirkung gezeigt. Es hat wirklich Wirkung gezeigt. Es hat die Wirkung gezeigt, dass rund 23.000 Ausbildungsplätze weniger zur Verfügung stehen, weil die Unternehmen verunsichert worden sind. Das war die Wirkung.

(Beifall bei der CDU – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns davor hüten, schon heute die 30.000 zugesagten zusätzlichen Ausbildungsplätze zu feiern; denn diese 30.000 zusätzlichen Ausbildungsplätze zu schaffen, wird harte Arbeit sein. Wenn wir es richtig machen wollen, dann schaffen wir es nur, wenn wir in Rheinland-Pfalz eine vernünftige Bildungspolitik betreiben und in Berlin eine andere Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bilde selbst seit 20 Jahren aus und empfinde es als Zum utung, wenn andere, die diese Erfahrung nicht haben, den Erfolg von Rheinland-Pfalz mit dem Wort „Schönreden“ bewerten. Ich empfinde es als Zumutung, wenn man nicht anerkennt, dass die Zahlen eine klare Sprache sprechen.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine Zumutung ist das, was Sie jetzt sagen!)

Wir hatten am Ende des vergangenen Jahres bedauerlicherweise 354 nicht vermittelte Jugendliche. Das ist schlimm für jeden der Betroffenen. Wir hatten demgegenüber jedoch über 1.000 freie Ausbildungsplätze. Man sollte zumindest so ehrlich sein und diese Zahlen benennen, um sich selbst nicht dem Verdacht auszusetzen, dass man in einer peinlichen Lust an der schlechten Nachricht versucht, alljährlich im gleichen Ritual die Dinge ablaufen zu lassen, wie wir es Jahr für Jahr erleben. Man kann nicht die Zahlen vom Anfang nehmen, von denen wir wissen, dass es Doppel- und Dreifachbewerbungen gibt, am Ende aber nicht zur Kenntnis nehmen, dass sich die Dinge in Rheinland-Pfalz zumindest im Wesentlichen zum Guten gewandt haben. Eine Politik auf dieser Basis wendet sich gegen all diejenigen, die in Parteien und Politik noch etwas Positives sehen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Deshalb muss ich unter übergeordneten Aspekten diese Schlechtfärberei und dieses Miesreden weit von mir weisen.

Danke schön.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Wiechmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Schmitz, wenn Sie mir eine einzige gegenteilige Zahl zu dem genannt hätten, was ich eben gesagt habe, wäre ich ein bisschen zufriedener gewesen.

(Dr. Schmitz, FDP: Auf Ihr Verhältnis zur Statistik möchte ich nicht weiter eingehen!)

Mein Verhältnis zur Statistik ist das, dass ich mir ansehe, was die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Rheinland-Pfalz/Saarland, veröffentlicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Darin stehen diese Zahlen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Schmitz – Herr Minister Bauckhage, das will ich auch zu Ihnen sagen –, ich habe doch gesagt, dass natürlich das, was Sie mit Ihrem „Ovalen Tisch“ machen, anerkennenswert ist. Ich habe Ihnen aber auch gesagt, dass das nicht ausreicht. Ich habe Ihnen die Zahlen vorgelesen, mit denen wir es in Rheinland-Pfalz zu tun haben. In den vergangenen fünf Jahren haben sich jedes Jahr zwischen 4.000 und 7.000 junge Menschen um einen Ausbildungsplatz beworben, die aber keinen bekommen haben, sodass sie in die berufsbildenden Schulen gegangen sind.

(Creutzmann, FDP: Unter dem Strich waren es null! Unter dem Strich war alles ausgeglichen!)

Schauen Sie sich doch einmal an, welche Zustände wir in den Berufsvorbereitungsjahren haben.

(Dr. Schmitz, FDP: Sie haben sich vergaloppiert! Stehen Sie doch dazu!)

Fragen Sie einmal bei der Bundesagentur nach. Fragen Sie einmal bei den berufsbildenden Schulen nach. Das ist so.

Wir wollen alle, dass es für jeden Jugendlichen eine Chance gibt. Machen wir uns aber doch nichts vor. Ju

beln wir nicht und sagen, Hurra, der Ausbildungspakt ist da, sondern nehmen wir die Zahlen in Rheinland-Pfalz zur Kenntnis.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)