Protocol of the Session on March 19, 2004

2. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über das Unfallrisiko von Kleintransportern?

Herr Bauckhage, ich rede mit Ihnen!

(Staatsminister Bauckhage: Ich habe das schon gelesen!)

3. Welche Vorschläge hat die Verkehrsabteilungsleiterkonferenz gemacht?

4. Wie bewertet die Landesregierung in diesem Zusammenhang Überlegungen zur Gleichstellung der Kleintransporter mit Lkw, um zum Beispiel über Tachoscheiben die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten überwachen zu können?

Es antworter der Herr Verkehrsminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Bestand an Liefer- und Lastkraftwagen zwischen 2,8 Tonnen und 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht ist zwischen dem Jahr 1996 und dem Jahr 2001 überdurchschnittlich gestiegen. Damit ist verständlicherweise ein Anstieg der Unfallbeteiligung dieser Kleintransporter verbunden.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat daher die Bundesanstalt für Straßenwesen beauftragt, das Unfallgeschehen der Kleintransporter auf der Basis der Daten der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik vertiefend zu analysieren.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat zwischenzeitlich die Ergebnisse ihrer Untersuchungen veröffentlicht. Sie kommt im Ergebnis zu der Feststellung, dass sich „aus den Analysen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein gesetzliches Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde bzw. 130 Kilometern pro Stunde für Kleintransporter über 2,8 Tonnen bis 3,5 Tonnen die Unfallhäufigkeit und Unfallschwere auf Autobahnen deutlich verringern würde“.

Vor diesem Hintergrund müssen anstatt einer Geschwindigkeitsbegrenzung für Kleintransporter auf Autobahnen andere Maßnahmen im Vordergrund stehen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage der Frau Abgeordneten Kiltz wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2: Aus den von der Bundesanstalt für Straßenwesen durchgeführten Untersuchungen zur Unfallbeteiligung von Kleintransportern lassen sich im Einzelnen folgende wesentliche Ergebnisse ableiten: Die Unfallbeteiligung der Kleintransporter ist bezogen auf das gesamte Unfallgeschehen – auch auf Autobahnen – absolut gering. Das auf die Fahrleistung bezogene Unfallrisiko von Kleintransportern zwischen 2,8 Tonnen und 3,5 Tonnen ist auch im Vergleich zum Pkw nicht überdurchschnittlich. Die Auswirkungen eines allgemeinen Tempolimits für Kleintransporter zwischen 2,8 Tonnen und 3,5 Tonnen auf Autobahnen würden nur einen geringen Anteil der Unfälle von Kleintransportern und der dabei Verunglückten treffen.

Die meisten unfallbeteiligten Kleintransporter über 2,8 Tonnen bis 3,5 Tonnen wurden im Jahr 2002 mit einem Anteil von 55 % innerorts registriert, gefolgt von den Landstraßen mit 31 % und den Autobahnen mit 14 %. Der größte Anteil der Getöteten und schwer Verletzten tritt mit 43 % auf Landstraßen auf, gefolgt von Innerortsstraßen mit 34 % und Autobahnen mit 23 %.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse habe ich mich – im Übrigen in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Deutschen Verkehrsgerichtstages und der Verkehrsabteilungsleiterkonferenz – gegen ein generelles Tempolimit für Kleintransporter ausgesprochen.

Zu Frage 3: Die Verkehrsabteilungsleiterkonferenz hat sich mehrheitlich – wie erwähnt – gegen ein generelles Tempolimit ausgesprochen. Sie hat auf der Grundlage der Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen und unter Einbeziehung des Votums des 42. Deutschen Verkehrsgerichtstages den Bund gebeten, folgende gesetzgeberische und untergesetzliche Maßnahmen einzuleiten:

Anhebung der in der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehenen Regelsanktionen für das Unterschreiten des gesetzlichen Mindestabstands,

Präzisierung der Anforderungen zur verkehrssicheren Ladungssicherung in der Straßenverkehrsordnung,

Klarstellung, dass die Verkehrsvorschriften für Lkw auch für die Güterbeförderung bestimmter und geeigneter Kleintransporter über 3,5 Tonnen mit PkwZulassung gelten,

Weiterentwicklung der EG-Verordnung über die Lenk- und Ruhezeiten,

verstärkte Überwachung der Einhaltung von streckenbezogenen angeordneten Höchstgeschwindigkeitsbeschränkungen; hierbei sollte ein besonderer Schwerpunkt im Autobahnbaustellenbereich, der wiederum verkehrslimitiert ist, liegen,

weitere Fahrerqualifizierung und dabei Fortführung der bereits begonnenen „Qualifizierungsoffensive Kleintransporter“ mit dem Schwerpunkt Fahrerschulung und -sensibilisierung,

Empfehlung zum Einbau von Unfalldatenspeichern,

verbesserte Fahrzeugsicherheit wie ABS, stärkere Bremsleistungen und Airbags.

Zu Frage 4: Die Landesregierung unterstützt die Forderung, die Pflicht zur Ausrüstung mit neuem EGKontrollgerät europaweit auf Fahrzeuge zur Güterbeförderung über 2,8 t zulässiges Gesamtgewicht zu erweitern.

Falls die Anpassung des EG-Rechts nicht zu erreichen ist, sollte das Bundesverkehrsministerium prüfen, ob eine entsprechende Verpflichtung zur Ausrüstung mit einem manipulationssicheren Kontrollgerät national geregelt werden kann.

So weit die Antworten auf die Fragen.

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kiltz für eine Zusatzfrage das Wort.

Herr Minister Bauckhage, kommunizieren sie hin und wieder mit Herrn Minister Zuber, der für die Polizei zuständig ist? Mir liegt gerade ein Bericht über Kontrollen im Kreis Mainz-Bingen vor. Darin wird von einem Menschen, der kontrolliert, gesagt, dass die so genannten Sprinter überdurchschnittlich am Unfallgeschehen beteiligt wären.

(Creutzmann, FDP: Woher weiß der das denn?)

Er hat vorhin ausgeführt, dass wir wissen, dass das nicht so ist, aber dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert. Vielleicht gibt es Stellen in Rheinland-Pfalz, an denen das anders aussieht. Zumindest aus dem Kreis Mainz-Bingen habe ich andere Informationen.

Zum einen habe ich auch in Sachfragen regelmäßig gute Kontakte zu meinem Kollegen Zuber. Nebenher sind wir auch noch persönlich befreundet. Frau Kiltz, daher können Sie ohne Sorge sein. Wir haben eine rege Kommunikation.

Zum anderen kann man natürlich immer bestimmte Sektoren herausgreifen, aber dann hat man kein objektives Ergebnis. Man kann sich immer nur auf die Bundesanstalt für Straßenwesen verlassen, die das flächendeckend untersucht hat. Die Ergebnisse habe ich Ihnen zuvor vorgelesen.

Wenn dadurch allerdings die Vorurteile gestört werden, kann man einen Einzelfall herausgreifen und sagen: Jemand, der nichts untersucht hat, hat aber nach dem Gefühl den Eindruck, dass das so ist. – Das kann man dann aber nicht zu einer Meinung hochstilisieren, die dann die einzige Wahrheit darstellt.

Ich habe vorhin vorgelesen, welche Maßnahmen notwendig sind und auch durchgeführt werden sollten. Ich habe vorhin auch gesagt, dass es sowohl beim Deutschen Verkehrsrichtertag als auch in der Verkehrsministerkonferenz derzeit keine Mehrheit dafür gibt, ein Tempolimit einzuführen. Wenn man sich die Straßensituation in Deutschland betrachtet, gibt es nur noch ganz wenige Abschnitte, die nicht limitiert sind. Alle Land- und Ortsstraßen sind limitiert, und teilweise sind auch die Autobahnen limitiert. Bei Baustellen gibt es ohnehin ein Tempolimit.

Ich kann mich jetzt nicht dazu äußeren, inwieweit dort die Kontrollen erhöht werden können, aber ich bin der Meinung, dass die anderen Maßnahmen, angefangen von der Fahrerschulung bis hin zur Ladungssicherung und den manipulationssicheren EU-Geräten, eine sinnvollere Sache sind, mit denen man diesem Problem begegnen kann, als wenn man aus dem Gefühl heraus Argumente vorbringt, die rechtlich nicht haltbar sind.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Anheuser für eine Zusatzfrage das Wort.

Herr Staatsminister, vielen Dank für Ihre Haltung in dieser Frage. Das erschwerende Motiv beim Sprinter ist aber, dass sämtliche Fahrzeuge, die eigentlich als LKW gebaut sind und als PKW heruntergelastet sind, nicht mehr sonntags und feiertags fahren dürfen, wenn sie irgendein Produkt an Bord haben.

(Hartloff, SPD: Dann bauen die sonntags auch keine Unfälle!)

Bei der Geschichte ist das ein zusätzliches großes Erschwernis. Landwirtschaftliche Betriebe können deshalb bei der Weinlese Traubensaft oder sonstige Produkte zur Abfüllung nicht in die Betriebe fahren usw. Das ist ein erschwerendes Moment, dass wir vielleicht – – –

Herr Kollege, würden Sie vielleicht eine Frage stellen? Wir befinden uns in der Fragestunde.

Würde sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass das Fahrverbot am Sonntag gelockert bzw. aufgehoben wird?

Die Landesregierung setzt sich für all das ein, was vernünftig ist. Ihre Frage sprengt aber den Rahmen der Fragestunde, Herr Anheuser. Ich kann dazu jetzt nichts sagen. Es sind auch jetzt schon für bestimmte Frischeprodukte im Lkw-Betrieb Ausnahmegenehmigungen möglich. Das gilt für den LKW-Betrieb insgesamt. Ich werde das prüfen und Ihnen erläutern, wie wir dazu stehen. Das kann ich jetzt nicht aus dem Hut heraus sagen. Das wäre auch kein seriöses Vorgehen. Ich muss mir die Gesamtproblematik ansehen und dann sehen, was man tun kann, tun muss oder nicht tun muss. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass wir beide die Haltung und die Möglichkeiten der Landesregierung einmal gesondert erörtern sollten, weil dies den Rahmen der Anfrage weit sprengt.

Ich erteile der Frau Abgeordneten Thomas für eine Zusatzfrage das Wort.

Herr Staatsminister, ich würde gern auf die Unfallhäufigkeit zurückkommen. Dazu haben Sie zu Beginn Ihrer Antwort Ausführungen gemacht und gesagt, es kämen verhältnismäßig wenig Unfälle auf den Autobahnen vor. Das ist insofern nicht so verwunderlich, weil es sehr viel mehr Landstraßenkilometer als Autobahnkilometer gibt. Könnten Sie uns sagen, wie viele Unfälle auf den Autobahnen unter Beteiligung von Sprintern vorkommen und ob der Anteil groß genug ist, um Maßnahmen zu ergreifen, um zum einen die Verkehrshäufigkeit zu reduzieren – das wäre meiner Meinung nach über ein Tempolimit zu erreichen –,

(Staatsminister Bauckhage: Die kann man reduzieren, indem man Verkehre verbietet!)

und zum anderen – das habe ich nicht verstanden, aber Sie können das gleich noch einmal wiederholen – frage ich, ob über ein generelles Tempolimit, durch das die Unfallhäufigkeit reduziert werden kann, auch andere sinnvolle Ergebnisse auf den Autobahnen erzielt werden können, zum Beispiel ein besserer Verkehrsfluss und Ähnliches?

Frau Thomas, ich habe vorhin die Prozentzahlen vorgelesen. Die Totalzahlen habe ich nicht dabei. Diese schicke ich Ihnen aber gern zu.

Man muss das Gesamtproblem sehen. Es gibt natürlicherweise einen Anstieg bei den Kleintransportern zwischen 2,8 und 3,5 t aus unterschiedlichen Gründen. Es gibt darüber hinaus eine objektive Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen, die zu dem Ergebnis X kommt und sagt, dass die zuvor vorgelesenen Schritte für besser angesehen werden, die Unfallhäufigkeit zu vermindern, als ein Limit auf dem geringen Teil der Straßen einzuführen, die noch nicht limitiert worden sind. 99 % der Straßen sind bereits lim itiert.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Drittel der Autobahnen!)

99 % aller Straßen s ind jetzt schon limitiert. Die fahren nicht nur auf Autobahnen. Sie fahren gerade innerorts.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir reden jetzt gerade über Autobahnen!)

Ich will Ihnen gern die Totalzahlen geben. Ich kann Ihnen die Zahlen im Moment nicht nennen, weil mir nur die Prozentzahlen vorliegen, die ich vorhin vorgelesen habe. Ich schicke Ihnen die Zahlen zu. Richtig ist natürlich, dass dann, wenn man insgesamt die Verkehre auf der Straße minimiert, die Unfallhäufigkeit zurückgehen wird. Das ist gar keine Frage.