Protocol of the Session on January 22, 2004

Verehrte Frau Ministerin, die kann man machen, wenn man die Pflichtaufgaben erfüllt hat, wie zum Beispiel die gezielte Sprachförderung an der Basis oder eine 100%ige Unterrichtsversorgung.

Aber diese Landesregierung – das merken wir schon seit Jahren – liebt mehr die Effekte und weniger die Inhalte.

(Beifall der CDU)

Sie treibt lieber alle paar Monate mit großem Trara eine „neue bildungspolitische Sau“ durch unser Land und lässt dabei den Bestand verkommen oder sogar verhungern.

(Beifall bei der CDU)

Ich nenne Beispiele, die das beweisen. Seit Jahren nehmen sie bewusst eine flächendeckende Unterrichtsunterversorgung in Kauf. Aktuell fehlen 800 Vollzeitlehrerstellen, davon allein 300 bei den berufsbildenden Schulen. Wöchentlich können rund 20.000 Stunden nicht gehalten werden. Hinzu kommt der beträchtlich höhere aktuelle Unterrichtsausfall.

Wie äußert sich die Landesregierung dazu? Die Landesregierung bezeichnet die Unterrichtsversorgung der allgemein bildenden Schulen trotz 500 fehlender Vollzeitlehrerstellen als gut, obwohl zum Beispiel bei den Realschulen schon seit Jahren ein struktureller Unterrichtsausfall von 3 % und bei den Sonderschulen ein struktureller Unterrichtsausfall von 4 % gegeben ist.

Es kommt noch dicker. Absolutes Stiefkind dieser Landesregierung – das schon seit langem – sind die berufsbildenden Schulen.

(Beifall bei der CDU)

Sage und schreibe fast 7 % struktureller Unterrichtsausfall war seit Jahresbeginn zu verzeichnen, trotz

Nachbesserungen im November. Es ist auch egal, dass das Schuljahr im September begonnen hat. Dann wird halt im November nachgebessert und das gleich in die Gesamtrechnung einbezogen. Trotz Nachbesserungen auf ca. 6,3 % fehlen immer noch 300 Vollzeitlehrerstellen.

(Dr. Rosenbauer, CDU: So ist das!)

Untersucht man den strukturellen Unterrichtsausfall an den berufsbildenden Schulen etwas genauer, so stellt man fest, dass bei der klassischen Berufsschule, also bei der Berufsschule, an der zum Beispiel die Auszubildenden beschult werden, der strukturelle Unterrichtsausfall, also der Unterricht, der von Beginn an nicht gehalten werden kann – hinzu kommt noch der aktuelle –, im Landesdurchschnitt bei über 9 % liegt. Das muss man sich einmal vorstellen. Es gibt Berufsschulen, bei denen der Unterrichtsausfall geringer ist, aber es gibt auch Berufsschulen, bei denen der strukturelle Unterrichtsausfall noch höher ist.

Nehmen wir einmal den Durchschnitt von 9 %. Das heißt, nach einer dreijährigen Schulpflicht hat ein Auszubildender einen strukturellen Unterrichtsausfall von über 27 % gehabt. So bereitet diese Landesregierung unsere Jugend auf den Beruf und damit auf die Zukunft vor.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei SPD und FDP – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Ich bin für PISA für Abgeordnete! – Unruhe im Hause)

Es kommt immer auf die Bemessungsgrundlage an.

Das ist schlicht skandalös. Auf den hohen Unterrichtsausfall angesprochen – jetzt kommt der nächste Hammer –, vergießt – – –

(Heiterkeit bei der SPD)

Das war so nicht korrekt gerechnet. Da habe ich mich halt vertan. Das macht aber nichts. Das ändert doch nichts an der Tatsache – – –

(Unruhe im Hause – Schweitzer, SPD: Wir sind doch nicht in einer Karnevalssitzung! – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Helau!)

Das ändert doch nichts an der Tatsache, dass das ein erheblicher Unterrichtsausfall ist.

(Heiterkeit des Staatsministers Mittler)

Herr Finanzminister, jetzt passen Sie einmal auf; denn auf Sie wird immer die Schuld geschoben, wenn nicht die Opposition herhalten muss. Jetzt ist der Lehrermangel im berufsbildenden Bereich schuld.

(Frau Brede-Hoffmann SPD: In Ihrer Jugendzeit muss Mathematik ausgefallen sein!)

Jetzt sagt die Frau Ministerin: Mir fehlen die Lehrer. Ich würde sie gern nehmen. – Wir wissen aber, welche Einstellungspolitik die Landesregierung betrieben hat. Durch ihre verfehlte Einstellungspolitik hat sie die Lehrer förmlich aus Rheinland-Pfalz getrieben, entweder in andere Bundesländer oder in die Industrie.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben rechtzeitig vor dieser Entwicklung gewarnt, aber ohne nennenswerten Erfolg. Noch immer nicht betreibt die Landesregierung eine effiziente und offensive Einstellungspolitik.

(Zuruf des Abg. Dr. Schiffmann, SPD)

Herr Kollege Dr. Schiffmann, hören Sie gut zu, obwohl Bildung nicht Ihr Bereich ist. Sie können aber dennoch etwas lernen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Aber rechnen kann er!)

Sie hätten die Möglichkeit gehabt, durch Zuschläge zu den Anwärterbezügen die Abwanderung von Hochschulabsolventen in die Industrie oder in andere Bundesländer zu verhindern. Das ist seit gut zwei Jahren möglich. Diese Möglichkeit haben Sie aufgrund einer bundesgesetzlichen Änderung. Aber nichts dergleichen geschieht. Daher hat man den Verdacht, dass Sie alles beim Alten bleiben lassen wollen und Sie nicht den Ehrgeiz haben, den strukturellen Unterrichtsausfall an den berufsbildenden Schulen, an den Schulen, die von den meisten Schülerinnen und Schülern besucht werden, zu bekämpfen.

Es gibt ein zweites ungeliebtes Kind dieser Landesregierung. Sie wissen schon, wer das ist. Das ist die Hauptschule. Seit Jahren wird ein Aktionsprogramm angekündigt, zuletzt im Koalitionsvertrag. Auf dieses Aktionsprogramm warten die Betroffenen aber noch heute, bzw. sie müssen sich mit dem Hinweis abspeisen lassen, dass 60 Hauptschulen als Ganztagsschulen vorgesehen seien. Das sei ein wichtiger Bestandteil des Aktionsprogramms, das im Übrigen noch nicht formuliert ist.

Oft und gern nimmt diese Landesregierung den Begriff „Qualität für bildungspolitische Maßnahmen“ in den Mund. So wird im Hinblick auf die Schulen von Qualitätsprogrammen und Qualitätsmanagement gesprochen. Wenn man aber mehr Qualität an unseren Schulen haben will – was richtig ist –, so muss man die Betroffenen in die Lage versetzen, dies verwirklichen zu können.

Bis Ende des vergangenen Schuljahres – das war das Schuljahr 2002/2003 –

(Schweitzer, SPD: Das ist erstmals richtig gerechnet!)

mussten alle rheinland-pfälzischen Schulen – das sind über 1.700 – ein Qualitätsprogramm ihrer Schule erarbeitet und der Schulaufsicht vorgelegt haben. Jetzt wird allmählich bekannt, dass eine beträchtliche Anzahl von Schulen aus verschiedenen Gründen ihr Qualitätsprogramm nicht termingerecht abgegeben hat. Ferner

sickert durch, dass die Schulaufsicht – wie von uns prophezeit – mit der gewissenhaften Auswertung, wie es verlangt wird, hoffnungslos überfordert ist; denn sie hat noch andere Dinge zu tun. Das war eine zusätzliche Aufgabe.

Wieder scheint eine flächendeckende Maßnahme dieser Landesregierung an unzulänglicher Planung zu scheitern. Bei der Landesregierung muss immer alles gleich flächendeckend sein. Man hätte auch sukzessive anfangen können. Das ist aber halt diese flächendeckende Neurose. Auch die Kinder-Uni muss flächendeckend sein usw. Das hat zur Folge, dass unter anderem auch die Lehrerinnen und Lehrer, die die Qualitätsprogramme erarbeitet haben, zum Teil frustriert sind und sich fragen, wofür diese Anstrengung notwendig war.

(Beifall der CDU)

Von den Schulen verlangt diese Landesregierung zu Recht ein Qualitätsmanagement. Die obersten Qualitätsmanager sind die Mitglieder der Schulleitungen. In Rheinland-Pfalz nimmt aber die Bereitschaft ab, sich für Funktionsstellen zu bewerben. Der Trend zu Mehrfachausschreibungen, Einzelbewerbungen und Hausbesetzungen verstärkt sich. Oft bleiben Funktionsstellen monatelang unbesetzt oder können mangels Bewerber überhaupt nicht besetzt werden. Das nimmt die Landesregierung einfach so hin.

In der freien Wirtschaft wäre bei einer solchen Situation die Konkurrenzfähigkeit eines Betriebs ernsthaft gefährdet und ein Konkurs wahrscheinlich. Da es sich bei den Schulen aber fast nur um staatliche Einrichtungen handelt, kann es diese Konsequenzen nicht geben.

Dennoch ist es fatal, dass diese Landesregierung diesem drohenden Qualitätsverlust tatenlos zuschaut. Diese Landesregierung analysiert nicht einmal die Gründe für die schlechte Bewerberlage und hat folglich kein Konzept, um die Nachfrage nach Funktionsstellen zu erhöhen. Mit diesem Verhalten setzt sie die Zukunftsfähigkeit unseres Schulwesens aufs Spiel.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Es spricht Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Keller, das war eine Rede, die sehr viel Freude gemacht hat. Ich hoffe, wir haben diese Freude auch entsprechend herübergebracht. Wir haben gerade überlegt, ob wir einen „Mister 27 %“ im Parlament etablieren oder ob wir vorschlagen, dass PISA für Abgeordnete durchgeführt wird. Beides würde Freude machen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Diese Rede hat deshalb so viel Freude gemacht, weil wir zur Kenntnis genommen haben, dass es in RheinlandPfalz in den Augen des CDU-Abgeordneten Seppel Keller alles noch immer ganz, ganz, ganz furchtbar ist und sich an dem Gejammer der vergangenen Jahre nicht allzu viel geändert hat. Wir haben aber doch mit großer Genugtuung, mit großer Freude, aber auch mit einem großen Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass sich dieses ganze Gejammer dann doch nicht wirklich in dem Mut niedergeschlagen hat, entsprechende Haushaltsanträge und Haushaltsbegleitanträge zu stellen, also zu zeigen, wo tatsächlich nach Ansicht des Abgeordneten Seppel Keller oder seiner Fraktion die Schwerpunkte gesetzt werden müssen.

(Vizepräsidentin Frau Grützmacher übernimmt den Vorsitz)

Lieber Herr Kollege Keller, dagegen haben wir und die Ministerin in diesem Haushalt ganz deutlich gezeigt, dass Schwerpunkte gesetzt werden. Die gesamte Landesregierung hat mit dem vorgelegten Haushalt gezeigt, dass die Bildungspolitik in diesem Lande der tatsächliche haushaltspolitische Schwerpunkt war und ist.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)