1. Worin liegen die Ursachen für die deutlich höhere Anzahl der Verurteilten in den Achtzigerjahren?
2. Welche Schlüsse müssen aus der weiter steigenden Zahl von verhängten Freiheitsstrafen gezogen werden?
3. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus dem Umstand, dass der Anstieg der Jugendkriminalität mit 11,8 % überdurchschnittlich ist?
4. Ist auch im Bereich der Strafverfolgungsstatistik ein Abflachen des Stadt-Land-Gefälles zu beobachten?
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Im Namen der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Die Ursache für die höhere Anzahl der Verurteilten in den 80er-Jahren wird in erster Linie in dem geänderten Anklageverhalten der Staatsanwaltschaften liegen. Während im Jahr 1981 die Anklagerate bundesweit ca. 43 % betrug, wurden im Jahr 1998 nur noch ca. 25 % der Verfahren durch Anklagen erledigt. Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaften heute doppelt so viele Verfahren nach den Opportunitätsvorschriften der §§ 153 ff. der Strafprozessordnung erledigen, als dies Anfang der 80er-Jahre der Fall war. Dies hat naturgemäß zur Folge, dass Anfang der 80er-Jahre eine höhere Zahl von Verfahren zu den Strafgerichten gelangte, die mithin zu Verurteilungen geführt haben.
Zu Frage 2: Es trifft zu, dass seit Anfang der 90er-Jahre sowohl die Anzahl als auch die Länge der verhängten
Freiheitsstrafen stetig zugenommen haben. Dies dürfte auf zahlreiche Verschärfungen von Strafrahmen in den letzten Jahren sowie auf in der Öffentlichkeit erhobene Forderungen nach härteren Strafen zurückzuführen sein.
Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den Belegungszahlen im rheinland-pfälzischen Strafvollzug, die in den vergangenen Jahren ebenfalls stetig angestiegen sind. Die Landesregierung befürwortet deshalb einige der Vorschläge des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des strafrechtlichen Sanktionssystems, wie zum Beispiel die Einführung der gemeinnützigen Arbeit als primäre Ersatzstrafe für uneinbringliche Geldstrafen sowie die Heraufstufung des Fahrverbots von einer Nebenstrafe zu einer selbstständigen Hauptstrafe bei Delikten mit Bezug zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Zu Frage 3: Nachdem im Jahr 2001 die Anzahl der verurteilten Jugendlichen um 5,2 % gefallen war, ist für das Jahr 2002 ein Anstieg um 11,8 % zu verzeichnen. Eine monokausale Ursache für diesen Anstieg ist nicht ersichtlich. Ursache könnte jedoch die wirtschaftliche und soziale Lage, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, sein sowie teilweise für bestimmte Gruppen der Wechsel der soziokulturellen Lebensumstände.
Die Bekämpfung der Kriminalität von Jugendlichen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle für die Erziehung und Ausbildung von Jugendlichen zuständigen Stellen und Institutionen müssen hierzu ihren Beitrag leisten.
Zu Frage 4: Ein Abflachen des Stadt-Land-Gefälles lässt sich der Strafverfolgungsstatistik nicht entnehmen. Es werden dort nur die Verurteilungen, aufgeteilt auf die einzelnen Landgerichtsbezirke, erfasst. Hierbei wird keine Feststellung getroffen, wo die Straftaten, die den Verurteilungen zugrunde liegen, begangen worden sind.
Herr Staatsminister, Sie haben in Ihrer Pressekonferenz auch darauf hingewiesen, dass eine Vergleichbarkeit zwischen der polizeilichen Kriminalstatistik und der Strafverfolgungsstatistik nicht möglich ist. Liege ich richtig mit der Annahme, dass man dann, wenn man die Zahlen vergleicht – 250.000 zu 40.000 –, darauf achten muss, dass bei der polizeilichen Kriminalstatistik die Taten und bei der Strafverfolgungsstatistik die Täter erfasst werden? Das bedeutet, dass auch Täter verurteilt worden sein können, die mehrere Straftaten im Sinn der polizeilichen Kriminalstatistik begangen haben.
jeweils eine Tendenz abgelesen werden kann. Es gibt ganz unterschiedliche Ursachen, weshalb sie nicht vergleichbar sind. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass von den Strafgerichten Täter verurteilt wurden, die von der rheinland-pfälzischen Polizei nie erfasst wurden, weil die Verfahren von einem anderen Bundesland direkt an die Staatsanwaltschaften abgegeben wurden. Die Ursachen sind vielfältig, weshalb aus beiden Statistiken zusammengenommen nur jeweils eine Tendenz abgelesen werden kann.
Ich möchte nicht, dass Sie mich missverstehen, weshalb ich noch einmal nachfrage. In der Pressekonferenz wird der Eindruck erweckt, die Polizei macht furchtbar viel und hat furchtbar viele Statistiken, aber im Grunde genommen bleibt nachher nur ein Sechstel davon übrig. Stimmen Sie mir zu, dass die Gerichte eine täterbezogene Erfassung vornehmen, während durch die Polizei die Taten erfasst werden? Die Taten können sich dann durchaus in großer Anzahl – ich nenne als Beispiel die Ärzteprozesse – auf einen Täter oder auf wenige Täter kaprizieren.
Ich will das noch einmal präzisieren: In der polizeilichen Kriminalstatistik werden alle angezeigten Straftaten erfasst. Daraus lässt sich aber zum Beispiel nicht ableiten, dass ein Großteil der Verfahren später eingestellt wird, weil sich der ursprüngliche Tatverdacht nicht bestätigt hat. Daraus ergeben sich zum Beispiel auch Unterschiede. Das lässt sich aus der Polizeistatistik dann nicht mehr entnehmen. In der Statistik der Polizei wird die Anzeige erfasst. In der Strafverfolgungsstatistik wird das Ergebnis der Justiz erfasst. Daher ist nur eine Tendenz ablesbar, aber die Statistiken geben unterschiedliche Sachverhalte wieder.
Herr Minister, Sie haben zur Frage 1 ausgeführt, dass es auf der Grundlage der §§ 153 ff. der Strafprozessordnung eine doppelt so hohe Anzahl an Einstellungen gegeben hat wie Anfang der 80er-Jahre. Worin liegt das begründet? Gibt es da eine Weisung aus Ihrem Haus, oder liegt das daran, dass die Bagetellschwelle nach oben gesetzt wurde, oder sind die Staatsanwaltschaften heute bereit, etwas einzustellen, was früher vielleicht nicht eingestellt worden wäre?
Die Staatsanwaltschaften vollziehen nur den Willen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat den § 153 a StPO eingeführt. Dieser sieht vor, dass bei geringer Schuld ein Strafverfahren zum Beispiel gegen Zahlung einer Auflage eingestellt werden kann. Diese Vorschrift ist extra eingeführt worden, um den Staatsanwaltschaften die Möglichkeit zu geben, in Verfahren mit geringer Schuld von einer Anklage abzusehen. Insofern vollziehen die Staatsanwaltschaften nur den Willen des Gesetzgebers.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, dass teilweise zu viele Dinge eingestellt werden, dies vielleicht auch deshalb, weil die Arbeitsintensität zu stark ist?
Herr Kollege Baldauf, wenn der Gesetzgeber Opportunitätsvorschriften schafft und die Staatsanwaltschaft sie nutzt – ich habe keine Anhaltspunkte dafür –, kann man nicht unterstellen, dass sie insoweit Fälle einstellt, die eigentlich anklagewürdig wären.
Ich freue mich, Gäste im Landtag begrüßen zu können, und zwar Teilnehmerinnen und Teilnehmer am SchülerLandtags-Seminar sowie eine Besuchergruppe, die sich aus Mitgliedern des CDU-Gemeindeverbands Bad Marienberg, Mitgliedern des Turnvereins 1901 Rennerod und Mitgliedern des Erfinder-Clubs Wiesensee im Westerwald zusammensetzt. Herzlich willkommen im Landtag!
Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Elke Kiltz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Haltung der Landesregierung zur Initiative von neun europäischen Regionen zur Koexistenz von Gentechnik und konventioneller/ökologischer Landwirtschaft – Nummer 3 der Drucksache 14/2732 – betreffend, auf.
3. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung für notwendig und angemessen, um dauerhaft eine gentechnikfreie Erzeugung von Lebensmitteln zu sichern?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bisher besteht in der Europäischen Union ein Defacto-Moratorium für den Anbau und die Zulassung gentechnisch veränderter Kulturpflanzen.
Mit der Verabschiedung zweier neuer Verordnungen der Europäischen Union über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel und über deren Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung wird damit zu rechnen sein, dass es auch in Europa vermehrt zum Einsatz gentechnischer Methoden in der Landwirtschaft kommt und das Moratorium folglich hinfällig wird.
Ein zentraler Aspekt in der jetzigen Diskussion zur grünen Gentechnik ist deshalb die Frage, wie das Nebenund Miteinander von konventionellem Ackerbau ohne Gentechnik, konventionellem Anbau unter Einsatz transgener Kulturpflanzen und ökologischem Anbau ohne Verwendung von Gentechnik zu gewährleisten ist. Koexistenz beinhaltet das möglichst konfliktfreie Nebeneinander verschiedener Produktionsformen, ohne dass die eine oder andere Form ausgeschlossen wird.
Die Landesregierung verfolgt in dieser Debatte das Ziel, die Sicherheit und Verträglichkeit der verschiedenen landwirtschaftlichen Praktiken, nämlich der konventionellen, der ökologischen und der gentechnischen Kulturform, sicherzustellen. Mit der Koexistenz der Produktionsformen wird dem Verbraucher und der Verbraucherin auch eine Wahlmöglichkeit eingeräumt. Sie sollen diese Wahlmöglichkeit, ob sie gentechnisch veränderte Produkte kaufen wollen oder nicht, erhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen der Frau Abgeordneten Elke Kiltz wie folgt:
Zu Frage 2: Die Initiative der neun Regionen – es handelt sich dabei um Aquitaine, Baskenland, Limousin, Oberösterreich, Salzburg, Schleswig-Holstein, Thrace
Rhodopi, Toskana und Wales – geht auf den Wunsch zurück, Auswirkungen der Gentechnik zu begrenzen und die bisherigen landwirtschaftlichen Produktionsweisen in ihrem Bestand zu sichern.
Darin beanspruchen diese Regionen das Recht, sich selbst oder einzelne Gebiete zur GVO-freien Zone zu erklären. Allerdings hat die Landesregierung Zweifel, ob eine so deklarierte GVO-freie Zone EU-rechtskonform und praktisch realisierbar wäre.
Nach der Freisetzungsrichtlinie der Europäischen Union dürfen die Mitgliedsstaaten das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, nicht verbieten oder einschränken. Eine Ausnahme hiervon wäre nur möglich, wenn Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt vorliegen. Dies wird von der EUKommission für zugelassene gentechnisch veränderte Lebensmittel derzeit verneint.
Oberösterreich hatte bereits im März 2003 die EUKommission über den Entwurf eines „GentechnikVerbotsgesetzes 2002“ informiert und die Genehmigung einzelstaatlicher Maßnahmen beantragt, mit denen ein dreijähriges Verbot des Inverkehrbringens von GVO erlassen werden sollte. Die EU-Kommission hat dies abgelehnt, da keiner der hierfür erforderlichen Rechtfertigungsgründe vorlag.
Unbeschadet dessen steht es Landwirten selbstverständlich frei, auf freiwilliger Basis etwa im Rahmen einer kollektiven Selbstverpflichtung auf den Anbau gentechnisch veränderter Nahrungsmittel in bestimmten Regionen zu verzichten.