Protocol of the Session on December 10, 2003

Es spricht Frau Abgeordnete Grosse.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann einiges aus der Aufgeregtheit unserer Kollegin von der CDU aus der Debatte nehmen. Frau Huth-Haage, um auf Ihr Zitat zu reagieren: Wir wissen sehr wohl weiter.

Um es vorweg zu sagen, die SPD-Fraktion hat zu der Ausbildungsplatzabgabe eine sehr pragmatische Einstellung. Das heißt, unbürokratische Lösungen in der Eigenverantwortung der Wirtschaft, der Kammern und der Sozialpartner sind zur Schaffung von Ausbildungsplätzen weiterzuverfolgen und einer staatlichen Ausbildungsplatzabgabe vorzuziehen.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Ich sagte bewusst „vorzuziehen“; denn das heißt nicht, dass wir einer Abgabe, einer Umlage oder wie man es auch immer nennen mag kategorisch ablehnend gegenüberstehen. Darauf komme ich aber später noch zu sprechen.

Ich habe soeben von den unbürokratischen Lösungen gesprochen und möchte dazu einiges erläutern, da es deutlich macht, dass Rheinland-Pfalz so etwas wie eine Sonderstellung einnimmt, was die Ausbildungsplatzs ituation angeht. Was diese unbürokratischen Lösungen angeht, möchte ich den ovalen Tisch des Ministerpräs identen, das Darlehensprogramm der ISB, das Sonderprogramm der ISB „Ausbildungsprämie für Existenzgründerinnen und Existenzgründer“ oder die Jugendscouts nennen, die den Kommunen an die Seite gestellt

werden, um den Betroffenen den Start in den Beruf zu erleichtern. Des Weiteren nenne ich natürlich die regionalen runden Tische, die Kampagne „Jugend in Arbeit“ sowie die Arbeit der Kammern, die Ausbildungspaten, die Lehrstellenlotsen und natürlich auch den Ausbildungsgipfel des Ministerpräsidenten Kurt Beck, der am 17. Dezember in Mainz stattfinden wird.

Meine Damen und Herren, eines allerdings ist völlig klar: Es ist Aufgabe der Wirtschaft, ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Die Politik kann diesen Prozess begleiten, aber in allererster Linie liegt es an der Wirtschaft, ihrer Verantwortung nachzukommen. Grundaussage – dies habe ich soeben schon erwähnt – sind die freiwilligen Lösungen bei der Schaffung von Ausbildungsplätzen. Wir müssen diesen freiwilligen Lösungen den Vorrang vor einer staatlich verordneten Ausbildungsplatzabgabe einräumen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, damit sind wir auch schon beim Beschluss der SPD-Bundestagsfraktion. Dort heißt es: „Freiwillige Lösungen haben den Vorrang. Von einer gesetzlichen Umlage werden Branchen mit vergleichbaren tarifvertraglichen Vereinbarungen ausgenommen. Dies gilt auch für andere rechtsverbindliche Vereinbarungen.“

Meine Damen und Herren, was die tarifvertraglichen Regelungen angeht, möchte ich Ihnen zwei Beispiele nennen, die ich für herausragend halte: Mit dem Tarifvertrag der BAVC und der IG BCE wird ein positives Beispiel dafür gegeben, wie die Wirtschaft den Jugendlichen gerecht werden kann. Dort wird in einem langfristigen, stufenweise angesetzten Konzept erläutert, wie Ausbildungsplätze vermehrt werden sollen. Im Übrigen darf ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen, dass die IG BCE im Rahmen einer Anhörung zur Ausbildungsplatzsituation sehr überzeugend dargestellt hat, wie viele unterschiedliche und variable tarifvertragliche Regelungen zustande gekommen sind, um die Lehrstellensituation zu entspannen.

Das zweite Beispiel ist das Umlagesystem in der Bauwirtschaft. Diese Umlage ist ebenfalls freiwillig und branchenspezifisch und wird zum Teil für die Ausbildungsvergütung oder auch für die überbetrieblichen Aufgaben genutzt.

Bei dem Umlagesystem in der Bauwirtschaft möchte ich auch erwähnen: Das drastische Absinken der Ausbildungsplätze in der Bauwirtschaft ist natürlich damit verbunden, dass sich die Bauwirtschaft generell in einer großen Krise befindet. Wir können aber feststellen, dass die Umlage allein kein Allheilmittel darstellt und darstellen kann. Auch in diesem Bereich gilt es, flexible Lösungen zu finden.

Meine Damen und Herren, wenn wir über die Umlagen sprechen, möchte ich das rheinland-pfälzische Kammermodell erläutern. Es geht um den so genannten Sicherstellungsauftrag. Das heißt, damit sollen die jeweiligen Kammern vor Ort den Jugendlichen eine Ausbildungsplatzgarantie geben, die wiederum gesetzlich

verankert sein soll. Diese Lösung basiert auf der freien Verantwortung der Wirtschaft, und dies ist sehr wichtig.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich möchte noch ein positives Beispiel hervorheben, und zwar den Beschluss der letzten Vollversammlung der IHK Koblenz,

(Mertes, SPD: so ist es!)

die beschlossen hat, die Ausbildungsgebühren für die IHK-Unternehmen völlig zu streichen.

(Beifall der SPD – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich kann nur hoffen, dass dies bundesweit Signale dafür setzt, dass auch andere Kammern sich diesem sehr weit greifenden Vorschlag anschließen.

Meine Damen und Herren, was wollen wir?

Das sagen Sie bitte in der zweiten Runde.

(Heiterkeit im Hause – Beifall der SPD und der FDP – Jullien, CDU: Es gibt gewisse Gepflogenheiten!)

Ich freue mich, weitere Gäste im Landtag begrüßen zu können. Ich begrüße „Miss Ludwigshafen 2002“ und „Miss Ludwigshafen 2003“ in Begleitung. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Kollegen Wiechmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort,

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eine Vorbemerkung zu Frau HuthHaage machen.

Frau Huth-Haage, Sie haben radikale Steuersenkungen für ein mögliches Rezept gehalten. Heute haben Sie die Gelegenheit, Ihren Parteifreunden im Vermittlungsausschuss deutlich zu machen, worum es geht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deshalb ist dies auch eine Verantwortung der Opposition im Bund.

Es ist schwierig, im Landtag zu sagen, was wir alles brauchen, aber in Berlin zu versuchen, dies zu torpedieren. Frau Kollegin, dann seien Sie bitte konsequent.

Ich möchte aber auch zur Ausbildungsplatzabgabe reden. Meine Damen und Herren, jeder Jugendliche braucht ein Angebot für eine betriebliche Ausbildung. Darin sind wir alle einer Meinung. Wirtschaft und Gesellschaft können es sich nämlich nicht leisten, heute die Bildungsressourcen von morgen zu vergeuden. Leider zeigen aber die Erfahrungen, dass die Ausbildungsbemühungen der Unternehmen seit Jahren hinter den Notwendigkeiten zurückbleiben. Deshalb haben wir GRÜNE uns in diesem Landtag schon oft für eine solidarische Finanzierung der Ausbildung in Form einer Ausbildungsumlage ausgesprochen, sollten die Unternehmen nicht freiwillig mehr Lehrstellen schaffen; denn es ist gerade im Interesse der kleinen und mittelständischen Unternehmen, dass sich auch die Ausbildungsverweigerer aus der Wirtschaft über eine Umlage an den Kosten der betrieblichen Ausbildung beteiligen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte gleich dazusagen, weil ich weiß, dass Herr Creutzmann oder Herr Kuhn von der FDP-Fraktion mir das gleich vorwerfen wird,

(Ministerpräsident Beck: Herr Kollege Creutzmann ist telefonieren!)

es handelt sich nicht um eine Strafsteuer, sondern mit einer Umlage, wie sie uns vorschwebt, können wir die derzeit bestehende Gerechtigkeitslücke zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben schließen. Wer ausbildet, bekommt eine Kostenbeteiligung. Wer nicht ausbildet, beteiligt sich zumindest in einer bestimmten Größenordnung an den entstehenden Kosten.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat dies im März bei der Vorstellung der AGENDA 2010 klargestellt: Wenn die Wirtschaft ihre Zusage nicht einhält, allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu verschaffen, so muss es in diesem Bereich zu gesetzlichen Regelungen kommen. Dies ist nun der Fall.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP, ich weiß, dass Sie reflexartig eine solche solidarische Umlage bekämpfen und Ihren alten, längst überkommenen Ideologien frönen. Aber Sie müssen einmal überlegen, dass es leider auch die SPD in diesem Land und vorneweg der Ministerpräsident ist, der immer nur sagt, wogegen er ist und was er nicht möchte, aber nicht einmal einen konstruktiven Vorschlag macht. In der Sache sind wir uns doch einig.

(Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

Herr Mertes, in der Sache sind wir uns doch einig. Aber ich glaube, wir brauchen eine konstruktive Diskussion darüber, wie wir diese Umlage gestalten. Warum kommen von Ihnen keine Vorschläge dazu, wie wir diese Umlage solidarisch und gerecht gestalten können, meine Damen und Herren?

Über das Ziel, dass es alle jungen Menschen verdient haben, eine gerechte Chance für ihre berufliche Zukunft zu erlangen, sind wir uns alle einig.

Wir begrüßen als GRÜNE die grundsätzliche Entscheidung der Bundes-SPD für eine Umlage, da wir ein wirksames Instrument brauchen, um jungen Menschen langfristig und unabhängig von der Konjunktur eine Ausbildungsperspektive zu geben. Betriebe, die viel ausbilden, sollen unterstützt werden, und das notwendige Geld dafür darf nicht vom Staat kommen, sondern muss von den Trittbrettfahrern der betrieblichen Ausbildung kommen. Dies sind die Betriebe, die nicht oder zu wenig ausbilden, obwohl sie dazu in der Lage wären, meine Damen und Herren.

Ich glaube, damit würden wir zum einen das Grundprinzip des dualen Systems wahren, dass nämlich die berufliche Erstausbildung Sache der Wirtschaft ist, und zum anderen wäre das ein Schritt in die richtige Richtung, um Möglichkeiten zu finden, wie wir die berufliche Ausbildung und das duale System auch auf neue, bessere und standhaftere Füße stellen.

Meine Damen und Herren, es gibt auch für uns noch Nachbesserungsbedarf, insbesondere was die Anreizwirkung angeht. Das ist gar keine Frage. Darüber werden wir in der Bundesregierung streiten. Darüber möchte ich gern auch mit Ihnen streiten, wenn Sie denn einmal dazu kommen würden, uns auch einmal zu sagen, wie Sie sich eine Abgabe vorstellen könnten, und nicht einfach nur zu sagen: Wir hoffen auf eine konjunkturelle Besserung, und wir plädieren immer und immer wieder an die Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, die Lage ist zu ernst. Wir sollten uns Gedanken machen, und vor allem sollten wir konkrete Umsetzungsmodelle formulieren.

Meine Damen und Herren auch von der Opposition, aber auch von der SPD und der FDP, jetzt sind Sie dran, einfach auch einmal zu sagen, was Sie wollen, wie Sie sich das vorstellen, und nicht immer nur zu meckern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

(Billen, CDU: Da erfahren wir wieder nichts!)