Herr Abgeordneter Jullien, ich habe Ihnen soeben die aktuelle Zahl von 5.367 Euro genannt. Diese Zahl multipliziert mit 4.048.000 Einwohnern ergibt den Schuldenstand. Dies bezieht sich auf 4.048.000. Die erste Zahl ist über 5.000, die zweite Zahl über 4 Millionen, dies muss zusammen über 20 Milliarden sein. Insofern ist dies rechnerisch eindeutig zu bestätigen.
Aber ich kann Ihnen etwas anders bestätigen, weil wir das auch immer durchrechnen. Wenn man die anfängliche Schuld von 1991 einer Bank gegeben hätte mit dem Ziel, die Zinsen jährlich auf diese Schulden zu addieren, wäre der Schuldenstand heute höher als der tatsächliche Schuldenstand. Das heißt also, in den Jahren 1991 bis heute ist weniger Neuverschuldung entstanden, als allein die Verzinsung der Schulden ergeben hätte, die 1991 schon vorhanden waren.
(Zurufe von der FDP: Hört, hört! – Jullien, CDU: Das ist eine Milchmädchen- rechnung, die Sie aufmachen! – Beifall bei SPD und FDP)
Ich möchte nicht mehr zu solch kreativen Berechnungen und Interpretationen anregen, sondern habe eine ganz konkrete Frage zur aktuellen Haushaltssituation. In den Übersichten des Bundesministeriums der Finanzen war für Ende September 2003 ein Finanzierungssaldo für Rheinland-Pfalz von über 1,4 Milliarden Euro aufgeführt. Mich interessiert, wie sich dies über den letzten Monat hinweg entwickelt hat, in dem die Haushaltssperre schon wirksam werden soll, und was Sie auf der Grundlage dieses Finanzierungssaldos und der Maßnahmen, die Sie ergreifen, zum Ende des Jahres an Neuverschuldung erwarten?
Die Zahlen liegen noch etwas aktueller vor. Die Zahlen zum Ende September sind bundesweite Vergleichszahlen. Wir liegen aktuell um rund 300 Millionen Euro unter dem Vorjahr. Am Ende des letzten Jahres lagen wir bei 1,536 Milliarden Euro.
Weitere Fragen sehe ich nicht. Die Mündliche Anfrage ist beantwortet. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, Gäste im Landtag begrüßen zu können, und zwar Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Mainzer Landtagsseminar sowie am Auszubildenden-Seminar und Mitglieder des Jugendrotkreuzes Hahnstätten. Herzlich willkommen im Landtag! (Beifall im Hause)
Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Reinhold Hohn (FDP), Chemikalien-Verordnung – Nummer 5 der Drucksache 14/2614 – betreffend, auf.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat am 29. Oktober 2003 eine Verordnung zur Registration, Evaluation und Autorisation chemischer Substanzen beschlossen. Die Verordnung muss vor In-Kraft-Treten noch vom Ministerrat und vom Europäischen Rat beraten werden.
1. Wie beurteilt die Landesregierung diese Verordnung im Vergleich zu früheren Entwürfen im Hinblick auf seine Auswirkungen auf die Wirtschaft, insbesondere den Mittelstand in Rheinland-Pfalz?
3. Sieht die Landesregierung durch die Verordnung ein Risiko für Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz und wenn ja, in welcher Größenordnung?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung unterstützt grundsätzlich die Ziele eines europäischen Chemikalienrechts. Hiermit
sollen zum einen eine hohe Sicherheit für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und zum anderen gleiche Wettbewerbsbedingungen – auch in Bezug auf die Länder außerhalb der Europäischen Union – gewährleistet werden.
Wir sehen uns hier in Übereinstimmung mit der Wirtschaft, die sich bereits 2002 mit der Bundesregierung unter Einbeziehung der zuständigen Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie auf Eckpunkte verständigt hat. Die Landesregierung unterstützt diese Position und hat dies auch durch zahlreiche Initiativen gegenüber der Bundesregierung, dem Europäischen Parlament und der Kommission zum Ausdruck gebracht. Sie hat dies sowohl gegenüber der Umweltkommissarin, Frau Wallström, als auch zuletzt durch Herrn Ministerpräsidenten Kurt Beck gegenüber dem Wettbewerbskommissar, Herrn Monti, deutlich gemacht. Sicherlich kann man auch davon ausgehen, dass der gemeinsame Brief der Regierungschefs Blair, Chirac und Schröder die Kommission in besonderer Weise sensibilisiert hat.
Eine erste Analyse des aktuellen Verordnungsentwurfs ergibt, dass die Kommission wesentliche Forderungen der rheinland-pfälzischen Landesregierung berücksichtigt hat. Dabei ging es insbesondere darum, zu effizienten Lösungen zu kommen, die ein hohes Maß an Sicherheit mit vertretbarem Aufwand gewährleisten, dies im Interesse der Arbeitsplätze und des Chemiestandorts Rheinland-Pfalz, aber auch im Interesse der Umwelt; denn hier haben Produktion und Endprodukte die höchsten Sicherheitsstandards.
Dies vorausgeschickt beantworte ich die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Reinhold Hohn wie folgt:
Zu Frage 1: Eine erste Durchsicht des neu vorgelegten über 1.000 Seiten starken Entwurfs der Europäischen Kommission zeigt, dass im Vergleich zu den früheren Entwürfen Verbesserungen erreicht wurden. Ich möchte dies an drei Kernpunkten festmachen, die auch im Mittelpunkt unserer Intervention im Rahmen der Internetkonsultation standen:
Zum ersten Punkt ist zu sagen, die verlangten chemicalsafety-reports, also die Sicherheitsberichte, müssen laut Verordnungsentwurf nur noch für Stoffe ab einer Jahresproduktion von zehn Tonnen erstellt werden. Ursprünglich wurden derartige Berichte bereits ab einer Jahrestonne gefordert. Das hat zur Folge, dass nur noch für ca. 10.000 Stoffe statt vorher für 30.000 Stoffe derartige Sicherheitsberichte erstellt werden müssen.
Sicherheitsberichte müssen lediglich vom Hersteller vorgelegt werden. Der Aufwand ist auf den Anfang der Produktionskette konzentriert worden, wie von uns gefordert wurde. Es ist nicht mehr erforderlich, Sicherheits
berichte innerhalb der Produktionskette weiterzugeben. Die notwendige Informationsweitergabe innerhalb der Anwendungskette von Chemikalien soll jetzt durch das bereits bewährte und künftig erweiterte Sicherheitsdatenblatt gewährleistet werden. Gerade durch diese Veränderung ist eine enorme Entlastung für die kleinen und mittleren Unternehmen, die so genannten down-streamuser, zu verzeichnen.
Die Registrierung von Polymeren ist entfallen, es sei denn, diese sind infolge eines zu hohen Gehalts an Monomeren bedenklich. Die Zwischenprodukte der chemischen Produktion bedürfen zukünftig keiner Autorisierung. Auch ist die Beschränkung der Registrierungsfreiheit auf zwei Weiterverarbeitungsstandorte entfallen. Diese Regelung begünstigt insbesondere die mittelständischen Unternehmen, da diese vermehrt zu den Weiterverarbeitern zählen.
Nach dem jetzt vorliegenden Entwurf entscheidet die Europäische Chemikalienagentur direkt über die Annahme oder Ablehnung der Registrierungsunterlagen. Der Zwischenschritt über die nationalen Behörden entfällt und reduziert damit ebenfalls den bürokratischen Aufwand.
Zum zweiten Punkt ist festzustellen, im Verordnungsentwurf wird zwischen sicherheitsrelevanten Daten und Geschäftsgeheimnissen unterschieden. Sicherheitsrelevante Produktinformationen müssen zu Recht offengelegt werden. Andere Informationen, die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse betreffen, werden dagegen als vertraulich geschützt. Weiterhin soll ein Recht auf Anhörung und Widerspruch bei Entscheidungen der Chem ikalienagentur zu den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eingeräumt werden.
Bei dem jetzigen Entwurf ist der Rechtsschutz stärker berücksichtigt, da bei der Chemikalienagentur eine unabhängige Einspruchskammer vorhanden sein soll und somit Rechtsmittel und das Klagerecht gewährleistet sein sollen.
Zum dritten Punkt ist zu sagen, die neue Chemikalienverordnung soll die bereits bestehende Altstoff- und die Neustoffverordnung ersetzen. Beide waren kaum praktikabel. Gerade im Vergleich zur Neustoffverordnung wird es erhebliche Vereinfachungen geben, die der Chemiebranche entgegenkommen. Durch die Harmonisierung des Chemikalienrechts auf europäischer Ebene werden gleiche Wettbewerbsbedingungen, aber auch Umweltstandards in allen Mitgliedstaaten geschaffen.
Der Verordnungsentwurf berücksichtigt auch den Tierschutz. Durch die Verordnung werden die Chemikalienhersteller erstmals verpflichtet, bereits vorhandene Daten über Tierversuche zu nutzen. Zudem eröffnet die Verordnung die Möglichkeit der computergestützten Struktur-Wirkungs-Analyse, die Tierversuche im Einzelfall gänzlich entbehrlich machen kann.
Obwohl jetzt nach erster Durchsicht des Verordnungsentwurfs bereits Fortschritte erreicht wurden, sind Korrekturen des Verordnungstexts dennoch erforderlich, um die Belastungen insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Chemiebereich weiter zurück
zuführen und um den Datenschutz weiter zu verbessern. Auch werden wir den Verordnungsentwurf hinsichtlich einer möglichen innovationshemmenden Wirkung weiteren genauen Analysen unterziehen. Nach meiner Ansicht lässt sich auch im Interesse einer zeitnahen Umsetzung der Aufwand effizienter gestalten, ohne den Nutzen daraus zu schmälern.
Eine aus meiner Sicht notwendige Verbesserung besteht darin, den Umfang der geforderten Stoffdaten von der Exposition, das heißt, der Anwendung, und den Risikomerkmalen abhängig zu machen statt – wie bis jetzt noch – von dessen jährlicher Produktionsmenge. Der Verordnungsentwurf basiert leider noch auf dieser quantitativen Betrachtung.
Weiterhin ist in dem Kommissionsentwurf nicht berücksichtigt, dass eine klare institutionelle Trennung zwischen der Risikobewertung und dem Risikomanagement von Stoffen erforderlich ist. Dies entspricht anerkannten internationalen Standards nicht nur im Umgang mit Chemikalien.
Dies sind zwei Beispiele. Insgesamt bedarf der Entwurf allerdings einer genaueren Analyse, als dies in den wenigen Tagen nach dem 29. Oktober 2003 geleistet werden konnte.
Zu Frage 2: Die Gesamtkosten der von der Europäischen Kommission vorgelegten Verordnung werden im Vergleich zu früheren Schätzungen erheblich niedriger ausfallen. Dies wird bereits deutlich, wenn man sich beispielsweise noch einmal vergegenwärtigt, dass der Sicherheitsbericht nur noch für 10.000 statt wie bisher für 30.000 Stoffe erstellt werden muss.
Die Kommission hat in einer Folgenabschätzung den Versuch unternommen, die Kosten zu beziffern. Wie Sie wissen, ist eine exakte Kostenermittlung aufgrund der zahlreichen Parameter im Chemikalienbereich und der nachfolgenden Produktion mit großen Schwierigkeiten behaftet. Deshalb werden die Zahlen der Kommission von verschiedenen Seiten angezweifelt.
Belastbare Zahlen werden erst die Ergebnisse realitätsnaher Planspiele zulassen, die momentan branchenbezogen durchgeführt werden. Diese Untersuchungen analysieren die Auswirkungen des REACH-Systems in verschiedenen chemiebestimmten Produktionsketten zum Beispiel der Textil- oder der Lackindustrie.
Zu Frage 3: Die Verordnung wurde gegenüber dem Weißbuch und den Eckpunkten des Konsultationsverfahrens im Interesse von Umwelt- und Verbraucherschutz effizienter gestaltet. Sicherlich wurden hierdurch zugleich die Kosten im Vergleich zu vorher verringert. Dies ist ohne Frage im Interesse der Unternehmen und der Arbeitsplätze auch in Rheinland-Pfalz. Konkrete Auswirkungen auf einzelne Unternehmen lassen sich zurzeit nicht ermitteln. Allerdings gilt, dass die Spezial- und Feinchemie im Vergleich zu Massenkunststoffherstellern stärker betroffen ist.
Im weiteren Verfahren werden wir unsere Bemühungen im Sinn einer nachhaltigen Entwicklung der Chemiebranche ausrichten. Die ökologischen, ökonom i
schen und sozialen Aspekte müssen dabei ausgewogen berücksichtigt werden. Unter dieser Prämisse werden wir die Verordnung weiterhin begleiten, die nun sowohl dem Europäischen Parlament als auch dem Rat vorgelegt werden muss. Dabei werden wir insbesondere die Betroffenheit der kleineren und mittleren Unternehmen im Auge behalten.