Protocol of the Session on November 6, 2003

Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die Uhr darf ich keine weiteren Fragen zulassen.

(Beifall bei SPD und FDP – Zurufe aus dem Hause)

Wir haben nun einmal eine Geschäftsordnung.

Die weiteren Mündlichen Anfragen, die nicht beantwortet sind, werden entsprechend unserer Geschäftsordnung in Kleine Anfragen umgewandelt und dementsprechend beantwortet.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Hochschulen in Rheinland-Pfalz zu Beginn des Wintersemesters in Not“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/2610 –

Ich erteile Frau Abgeordneter Thomas das Wort.

Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Studienplatz in Rheinland-Pfalz erhalten, Sie kommen als Erstsemester-Studierender an die Hochschule, sind voller Elan, voller Lust auf das Studium, Neues lernen zu können. Sie kommen in ein Sem inar, in das Sie sich einschreiben wollen, und der Raum platzt aus allen Nähten. Das Erste, was Sie dort vernehmen, ist die Frage: Jetzt müssen wir einmal schauen, wer an diesem Seminar überhaupt teilnehmen darf. Bitte zunächst einmal alle Erstsemester hinaus. Wenn der Raum dann immer noch zu voll ist, dürfen die aus dem zweiten Semester auch hinausgehen. Das ist keine Horrorgeschichte, die in meinem Kopf gereift ist, sondern das ist durchaus praktizierter Alltag an der Universität in Koblenz und Landau derzeit.

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine gute Hochschulreife, ein gutes Abitur. Sie wollen in Mainz, Trier oder anderen Orten in Rheinland-Pfalz studieren und stehen vor einem Numerus clausus, der Ihnen den Zugang zu diesen Fächern verschließt. Sie wissen, wir haben in dem jetzt begonnenen Wintersemester eine Zunahme von Numerus-clausus-Fächern von 20 auf 76. 12 % der Studienfächer sind jetzt zulassungsbeschränkt. Das ist nicht eine neue Methode der Hochschulleitungen, um Studierende

zu quälen und von den Hochschulen fernzuhalten, sondern das ist eine Notreaktion auf die derzeitige Situation der rheinland-pfälzischen Hochschulen, die in einem Zustand sind, dass es auf der einen Seite einen starken Zuwachs und Zulauf von Studierenden und Interessierten an die Hochschulen gibt, die diesen Ausbildungsund Bildungsweg wählen wollen, und auf der anderen Seite einen Zustand der Unterfinanzierung gibt, der es den Hochschulen nicht erlaubt, qualitätsvolle Ausbildung zu machen.

Meine Damen und Herren, wenn die rheinlandpfälzischen Hochschulen Zukunftswerkstätten für dieses Land sein sollen, wenn sie Zukunftsaussichten für unsere jungen Menschen sein können, dann kann dieser Zustand so nicht bleiben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Dann kann es auch nicht sein, dass Hochschulleitungen kreativ und erfinderisch mit indirekten Gebühren sein müssen, zum Beispiel Nutzungsgebühren für Computerangebote und für Sprachkurse an den Hochschulen. Das kann nicht der Ausblick sein, wenn es um die Frage geht, wie wir Zukunft und Zukunftswerkstätten in diesem Land ausstatten.

Wir kennen alle die Reden der Vertreter der Landesregierung über die Bedeutung von Bildung, Forschung und Entwicklung. Ich sage, diese Notreaktion, die wir jetzt an den Hochschulen beobachten und begleiten müssen, ist letztendlich der Stempel unter dem Offenbarungseid Ihrer Hochschulpolitik in diesem Land.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nicht an, dass man junge Menschen auf der einen Seite an den Hochschulen willkommen heißen will, ihnen dann aber nicht die Bedingungen setzt, die sie brauchen, um in einer geeigneten Zeit ihr Studium und ihre Bildung zu absolvieren, um dann mit ihrer Qualifikation dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und sich dort auch einbringen zu können.

Sie wissen, an allen Hochschulen steigen die Zahlen der Studierenden. In Koblenz-Landau hat sich seit seiner Gründung die Gesamtzahl der Studierenden verdoppelt. Ich könnte Ihnen die Zahlen von Trier, Mainz und von der Fachhochschule in Trier nennen. Ich bin der Meinung, insbesondere Sie, Herr Professor Dr. Zöllner, stehen in der Verpflichtung. Sie sind in diesem Jahr und in den kommenden Jahren nicht in der Lage, den Hochschulen und dem Land ein Konzept zur Verfügung zu stellen, wie wir diese Anforderungen in diesem Land geeignet entwickeln und wie wir sie mit geeigneten und vor allen Dingen ausreichenden Mitteln ausstatten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Es spottet jeder Beschreibung, wenn man auf eine solche Zustandsbeschreibung aus dem Ministerium hört, man habe in diesem Jahr und oder für das nächste – für das Jahr 2004 – keine Kürzung der Mittel vorgenommen. Man muss daran erinnern, dass Sie im Nachtragshaus

halt natürlich noch einmal vehementere Kürzungen mit dem Hinweis vorgenommen haben, dann müssen wir 2004 nicht kürzen. Wenn wir die Ansätze von 2002 mit denen, die Sie für 2004 einplanen, vergleichen, müssen wir feststellen, dass mehr als 30 Millionen Euro den rheinland-pfälzischen Hochschulen an Mitteln und Mittelausstattung entzogen werden. Es wird mit entsprechenden Konsequenzen gestrichen. Da hilft auch kein Personalbemessungskonzept mehr, Herr Zöllner, sondern das werden nur noch Personal- und Mittelbegrenzungskonzepte sein. Es führt dazu, dass jede Hochschule im Durchschnitt und für jeden einzelnen Studierenden und für das was sie für Studierende anbieten können, zurückgehende Mittel zur Verfügung haben und nicht das, was wir tatsächlich brauchen, nämlich mindestens gleichwertige Mittelausstattung oder sogar einen Zuwachs in Anbetracht der Aufgaben, vor denen die Hochschulen stehen.

Meine Damen und Herren, die Hochschulen in Rheinland-Pfalz haben unterfinanzierte Stellen. Sie haben unzureichende Sachmittelausstattungen. Sie haben ungenügende Studienbedingungen.

(Glocke des Präsidenten)

Das verdient nicht den Namen der Zukunftswerkstatt, sondern das ist schon fast ein Abbruchunternehmen in dem Bereich, auf den wir in unserem Land Wert legen müssen. Das ist nämlich, dass wir die Zukunft mit gut ausgebildeten und jungen Akademikerinnen ausstatten, die in diesem Land Zukunft mitgestalten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Es spricht Frau Abgeordnete Schleicher-Rothmund.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich das erste Mal in diesem Hause gesprochen habe, war das auch im Rahmen einer Aktuellen Stunde, die von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt wurde. Damals ging es um die Zulassung von Forschung an embryonalen Stammzellen. Damals habe ich mir die Frage gestellt, wie man ein derart vielschichtiges und komplexes Thema eigentlich zum Thema einer Aktuellen Stunde machen kann. Ich muss Ihnen sagen, die gleiche Frage stellt sich mir heute. Die Hochschullandschaft in Rheinland-Pfalz, ein derart komplexes und vielschichtiges Thema, möchten Sie in einer FünfMinuten-Debatte durchpeitschen.

(Beifall der SPD und der FDP – Lelle, CDU: Das schlechteste Thema, das es überhaupt gibt! – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich einmal den Wortlaut Ihrer Formulierung anschaut, weiß man auch, was die Zielsetzung dieser

Debatte sein soll. Hier soll in Bausch und Bogen einfach nur schlechtgeredet werden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Eine Prise Panikmache liefert dann noch die abrundende Würze des Populismus, der auf vermeintliche Erfolge in der Tagespolitik schielt. Wenn ich so etwas höre wie Offenbarungseid, dann fühle ich mich darin völlig bestätigt.

In diesem Eifer, der vielleicht oppositionsimmanent ist, übersehen Sie, dass Sie letztendlich eine Debatte über die gesteigerte Attraktivität der rheinland-pfälzischen Hochschullandschaft führen, wenn Sie heute eine Debatte über den gigantischen Zulauf von Studierenden an die rheinland-pfälzischen Hochschulen führen. Es kommt mir geradezu absurd vor, uns diese gestiegene Attraktivität heute zum Vorwurf machen zu wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird mir nicht möglich sein, alle Indikatoren aufzuführen und alle Aspekte zu nennen, mit denen man zeigen kann, dass diese Attraktivitätssteigerung und auch Akzeptanzsteigerung in den letzten zehn Jahren stattgefunden hat. Nehmen wir einmal die Entwicklung der Zahl der Studierenden. Das ist ein Punkt, den Sie in den fünf Minuten mindestens dreimal angesprochen haben. Während in den alten Bundesländern im Durchschnitt die Zahl der Studierenden um 5 % abgenommen hat, haben wir in Rheinland-Pfalz eine Zunahme um 8 %.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Darüber hinaus müssen wir uns auch den Wanderungssaldo anschauen. Wir müssen auch sehen, dass wir eine durchschnittliche Zunahme der Studienanfänger von 12 % und in Rheinland-Pfalz von 17 % haben, das heißt, Rheinland-Pfalz importiert jede Menge Studierende. Warum tun wir das? Wir haben eine zukunftsfähige Hochschullandschaft mit Studiengängen, die sich auf die Zukunft richten. Nehmen Sie einmal das Thema „Informatik“. Welches Bundesland war denn in der Lage, vernünftige Informatikstudiengänge anzubieten, als die Greencard-Diskussion aufkam? Das waren wir in Rheinland-Pfalz. Dies heute zum Vorwurf machen zu wollen, kommt mir geradezu absurd vor.

(Beifall bei SPD und FDP)

Darüber hinaus gibt es einen ganz wichtigen Indikator für die Attraktivität und die Zukunftsfähigkeit einer Hochschullandschaft. Wir reden über Lehre und Forschung.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann reden wir auch einmal über die Forschung und die immense Zunahme von Drittmitteln, die wir in RheinlandPfalz zu verzeichnen haben. Das ist ein immenser Gewinn für die Studierenden, dass sie tatsächlich auch in Zukunftsfeldern forschen können.

Ich möchte auch noch einmal auf das Thema eingehen, das Sie angesprochen haben – das haben Sie auch in

Ihrer Presseerklärung gemacht – indem Sie darüber sprechen, dass wir Haushaltsrückführungen haben. Erst einmal muss man sehen, dass es im Jahr 2003 1,2 % sind, die dem Hochschulbereich genommen werden. Das sind Rückführungen, die unterhalb der übrigen Rückführungen in anderen Ressorts liegen. Sie liegen vor allen Dingen aber auch unterhalb der Rückführungen in den anderen Bundesländern. Werfen wir doch einmal einen Blick auf Baden-Württemberg. Da reden wir über Einsparungen in Höhe von 3,4 %.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von welchem Niveau?)

Ich habe jetzt hier die Prozentzahlen.

(Hartloff, SPD: Wir auf der Insel der Glückseligen!)

Es ist doch entscheidend, dass es eine prozentuale Abnahme ist. Es kann aber durchaus sein, dass nicht so viele Studierende nach Baden-Württemberg wollen. Das möchte ich nicht ausschließen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, komplexe, von vielen Akteuren und Entwicklungen betroffene Bereiche wie die Hochschulen haben es nicht leicht, sofort auf Veränderungen zu reagieren. Wir hier in RheinlandPfalz haben aber mit dem Mittelbemessungsmodell – das haben Sie vorhin angesprochen – das ideale Instrumentarium, um auf Veränderungen reagieren zu können, weil es ein leistungs- und anspruchsbezogenes Kriteriensystem ist. Damit haben die Hochschulen die Möglichkeit, sich den gegebenen Veränderungen anzupassen. Der von Ihnen vorhin getätigte Vorwurf, es gäbe hier kein Konzept für die Zukunft, ist schlichtweg falsch. Dann haben Sie das Mittelbemessungsmodell und das Personalbemessungskonzept einfach nicht verstanden. Das ist die einzig wahrhafte und vernünftige Methode, den Anforderungen der Zukunft zu begegnen, damit die Universitäten darauf auch entsprechend reagieren können.

(Glocke des Präsidenten)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang bitte noch einen Satz sagen. Die Zunahme von Personal hat sich im Durchschnitt der Bundesländer bei 3 % bewegt. In Rheinland-Pfalz haben wir eine Zunahme im Personalbestand von 9 % zu verzeichnen.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für welche Jahre?)