Protocol of the Session on November 5, 2003

Danke sehr.

(Beifall der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen dann zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE:

„Wachstum und Beschäftigung durch vorgezogene Steuerreform 2004 in Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 14/2615 –

Für die Antrag stellende Fraktion spricht Herr Abgeordneter Joachim Mertes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Regierungskoalition will das rasche Vorziehen der Steuerreform. Wir wollen eine Steuersenkung jetzt. Wir wollen keine Vertagung, keine Verzögerung; denn wir brauchen einen Konkunkturschub.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir brauchen in Deutschland eine Steuerreform, von der Sie sich jetzt etwas kaufen können und nicht in irgendeiner späteren, nicht zu definierenden Zukunft.

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU)

Diese Steuerreform, für die Sie sich jetzt etwas kaufen können, wäre Geld für Investitionen, für mehr Konsum. Das wären finanzielle Mittel für private Vorhaben und unternehmerische Entscheidungen.

Konkret: Ein verheirateter Facharbeiter mit zwei Kindern mit einem Bruttolohn von 34.000 Euro bezahlt mit dieser Steuerreform jetzt künftig weniger Steuern, als er an Kindergeld empfangen wird.

Meine Damen und Herren, das ist unsere Vorstellung von einem Konjunkturschub für breite Kreise in Deutschland.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Wir wollen, dass sich der Grundfreibetrag ab 1. Januar 2004 erhöht und der Eingangssteuersatz auf 15% sinkt, der Spitzensteuersatz auf 42 %.

Meine Damen und Herren, Steuerentscheidungen jetzt im Deutschen Bundesrat, das wäre eine richtige und gute Entscheidung. Aber was haben wir?

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir haben die Aussage von Christoph Böhr, der sagt: Wer Wachstum will, muss große Schritte wagen. – Gewagt wird ein „Ja“ mit einem großen „Aber“, damit man

aus der Verpflichtung herauskommt, jetzt etwas für die Konjunktur zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Gesagt wird ein „Ja“ mit einem großen „Aber“, was gestern noch die heimlichen Steuererhöhungen von Herrn Jullien waren. Alles das, was nämlich zur Verbreiterung der Steuerbasis beitragen sollte, ist jetzt in dem neuen Konzept eine richtige und vernünftige Maßnahme. Das ist der Unterschied. Es kommt immer darauf an, wer etwas formuliert hat, und nicht darauf, was formuliert worden ist.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Bracht!)

Den finanzpolitischen Sprecher, der jetzt aus der vierten oder fünften Reihe der CDU dazwischenruft, frage ich, wer die Aktion mit den leeren Weinkartons als Werbegeschenke als große Aktion gemacht hat. Werbegeschenke sollten bei der Steuerreform zum Beispiel auch herausgenommen werden. Wir erinnern uns noch alle an diese Petitessen, die hier gemacht worden sind, nur um zu verhindern, dass eine vernünftige Steuerreform möglich geworden wäre.

(Beifall der SPD und bei der FDP – Zurufe von der CDU)

Jetzt hat sich die Sachlage geändert. Jetzt bekommen wir eine Steuerreform, von der wir wissen, dass wir weder morgen noch übermorgen noch nächste Woche oder nächstes Jahr etwas bekommen, nämlich die von Herrn Merz. Wir werden sie im Gegensatz zu Ihnen, was die Steuerreform der Bundesregierung angeht, nicht von vornherein verbellen. Es gibt interessante Punkte. Es gibt diskussionswürdige Punkte, aber es gibt auch viele Fragen. Was geschieht mit denjenigen und deren Kindergeld, die künftig nicht von dem steuerlichen Ausgleich profitieren? Was ist mit der Gewerbesteuer, mit den vielen Lippenbekenntnissen? Wie hoch sollen die kommunalen Zuschläge zur Einkommensteuer sein?

(Jullien, CDU: 24 %!)

Meine Damen und Herren, diese Koalition ist gar nicht einmal so kritisch mit den Vorschlägen wie zum Beispiel Herr Faltlhauser. Den muss man auch hier kennen. Das ist der Finanzminister aus Bayern. Unter Freunden rechnet man sich nach. Lieber Werner Kuhn, so gehen wir nicht einmal in der Koalition miteinander um. Da sind wir vertrauenswürdiger.

(Beifall der SPD und bei der FDP – Heiterkeit im Hause)

Herr Faltlhauser lässt nachrechnen, und plötzlich stellen wir fest, in Bayern sind sie der Meinung, dass der lineare Tarif besser wäre als der, der jetzt vorgeschlagen ist. Darüber lässt sich streiten. Unsere liberalen Freunde haben längst, bevor Herr Merz – in der „FAZ“ stand: „Spät kamen die Vorschläge“ – sehr spät – Herr Uldall hat sie schon 1996 vorgelegt – etwas vorgelegt hat. Die FDP hat sie mit dem Solms/Pinkwart-Papier schon drei

Jahre später noch einmal als Konzept gehabt. Jetzt kommen Sie. Wir verbellen es aber nicht. Darüber lässt sich reden.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Wenn Herr Faltlhauser jedoch sagt, er muss sie nachrechnen, dann rechnen wir sie auch nach, meine Damen und Herren. Glauben Sie uns, dann rechnen wir sie auch nach.

(Starker Beifall der SPD und Beifall bei der FDP)

Damit eines klar ist, alles das, was unter dem wunderbaren Banner von Merz gesagt wird, wird morgen keine einzige Mark an Steuerentlastung in Deutschland bringen, für keinen Konsumenten, für keinen Unternehmer, für niemanden, der jetzt investieren will.

(Glocke des Präsidenten)

Was wir wollen, ist eine Steuerreform, von der Sie sich jetzt etwas kaufen können.

(Starker Beifall der SPD und Beifall der FDP)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Dr. Böhr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Mertes, das Problem Ihrer Rede und des Konzepts, das hinter Ihrer Rede steht, ist, dass der gute Wille nicht immer gute Ergebnisse garantiert.

(Beifall bei der CDU)

Es ist nicht ganz so einfach, wie Sie es sich hier gemacht und vorgetragen haben.

(Mertes, SPD: Sie sind aber sehr selbstkritisch!)

Ja. Es ist auch nicht verboten, selbstkritisch zu sein. Es ist so ganz einfach nicht. Ich habe überhaupt keinen Nachholbedarf im Bekenntnis für das Vorziehen dieser steuerlichen Entlastungsstufe. Im Gegenteil, ich kann mich erinnern, dass ich an dieser Stelle von Steuerentlastung gesprochen habe. Da wurde ich von allerhöchster Stelle dieser Landesregierung mit Spott und Hohn übergossen nach dem Motto: Du bist von allen guten Geistern verlassen, uns brechen die Einnahmen weg, wir haben ein Einnahmenproblem, und dieser Vollidiot da plädiert für Steuerentlastungen, der kann doch wohl nicht mehr ganz pur sein! – So war die Diskussionslage hier.

(Beifall der CDU)

Jetzt begrüße ich nachdrücklich diesen Erkenntnisfortschritt bei den Sozialdemokraten und sage ganz klar und unmissverständlich, in diesem Punkt habe ich überhaupt keinen Grund, meine Meinung zu ändern. Ich bin nach wie vor dafür, die steuerliche Entlastungsstufe 2005 auf 2004 vorzuziehen. Das ist die entscheidende Aussage.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Schmitt, CDU: Klare Aussage!)

Herr Kollege Mertes, jetzt kommen wir zu diesem Rattenschwanz von „Abers“, weil es natürlich so ist, dass allein das Vorziehen der steuerlichen Entlastungsstufe mitnichten den Effekt hat, den wir uns alle erhoffen und wünschen. Ich begrüße sehr die Formulierung dieser Aktuellen Stunde „Wachstum und Beschäftigung...“ Wenn wir das schon so als Zielvorgabe formulieren, was ich für absolut richtig halte, dann können wir uns doch diese kleine gedankliche Anstrengung nicht ersparen zu prüfen – auch mit den Berechnungsbeispielen –, ob denn das, was wir jetzt machen, wirklich geeignet ist, diese Zielvorgabe zu erreichen. Deswegen müssen wir über die kleinen oder größeren „Abers“ schon diskutieren.

Ich will drei Bedingungen nennen, von denen ich glaube, dass sie erfüllt sein müssen, damit dieses von mir und von uns gewollte Vorziehen der steuerlichen Entlastung auf 2004 dann aber auch tatsächlich die Hoffnung vermittelt, dass wir unser Ziel erreichen, nämlich mehr Wachstum und mehr Beschäftigung in Deutschland zu erwirken.

Erste Bedingung: Diese Steuerreform kann, wenn sie dieses Ziel Wachstum und Beschäftigung erreichen will, nicht zu 100 % auf Pump finanziert werden;

(Beifall der CDU)