Protocol of the Session on October 10, 2003

(Beifall bei der CDU)

Es spricht Herr Abgeordneter Hohn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Licht, vielleicht eine Anmerkung zu Ihrem Beitrag: Man muss dann etwas feiern, wenn es etwas zu feiern gibt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zur Sache kommen.

(Licht, CDU: Wenn die FDP solche Bemerkungen macht, dann ist das immer doppelzüngig!)

Der Prozess der RWE AG gegen das Land RheinlandPfalz wegen des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich ist eine der längsten und teuersten Rechtsstreitigkeiten, die das Land je erlebt hat. Lassen Sie mich ganz kurz ein paar Anmerkungen zur Ausgangssituation machen. Der Rechtsstreit wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 1997 wieder in die Berufungsinstanz, nämlich das Oberlandesgericht Koblenz zurückverwiesen. In der Atomkonsensvereinbarung vom 11. Juni 2001 hatte sich die RWE AG bereit erklärt, die Klage auf Schadenersatz gegen das Land Rheinland-Pfalz zurückzunehmen.

Meine Damen und Herren, die strittige Summe beträgt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz 7 Milliarden DM. Daraus ergibt sich ein Streitwert für die Zeit nach der Zurückverweisung durch das Urteil des Bundesgerichtshofs an das Oberlandesgericht Koblenz von rund 2,3 Milliarden DM. Ich erwähne dies nur, um einmal die gigantische finanzielle Dimension dieses Rechtsstreits zu verdeutlichen.

Das Problem bestand darin, zu klären, wer die Kosten des Rechtsstreits übernimmt. Die RWE AG hat entgegen der Atomkonsensvereinbarung die Klage nicht zurückgenommen. Die RWE AG hat dies deswegen nicht getan, weil sie ohne Kostenvereinbarung die gesamten Kosten des Rechtsstreits gemäß der gesetzlichen Regelung zu tragen gehabt hätte. Begründet hat die RWE AG ihr Verhalten damit, dass im Atomkonsens keine Vereinbarung über die Übernahme der Prozesskosten enthalten sei. Die RWE AG hat folgerichtig die Beendigung des Rechtsstreits von einer zu treffenden Kostenvereinbarung abhängig gemacht.

Meine Damen und Herren, die Prozesskosten betragen nun 140 Millionen DM. Alle Möglichkeiten, durch Gespräche und Verhandlungen die RWE AG zu einer Klagerücknahme ohne Kostenvereinbarung zu veranlassen, hatten zunächst zu keinem positiven Ergebnis geführt. Eine andere, allerdings nur theoretische Alternative hätte darin bestanden, die RWE AG auf rechtlichem Wege zu einer bedingungslosen Klagerücknahme zu zwingen, was bedeutet hätte, dass das Land den Schadenersatzprozess hätte fortsetzen müssen. Darin hat das Land – wie ich meine zu Recht – keinen Sinn gesehen.

Erfreulicherweise haben die Verhandlungen mit der RWE AG doch noch zu einem Vergleich geführt. Dieser Vergleich ist für das Land von besonderer Bedeutung, weil dadurch das Schadenersatzverfahren mit seinem Risiko für das Land endgültig beendet und damit jede finanzielle Ungewissheit für das Land abgewendet werden konnte. Ich denke, das ist sehr gut so.

(Beifall bei FDP und SPD)

Es spricht Frau Abgeordnete Thomas.

Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Klöckner, jetzt weiß ich auch, weshalb die Mündliche Anfrage gestellt und eine Aussprache dazu beantragt worden ist. Das ist den Damen und Herren auf der Besuchertribüne aus Weißenthurm und Kettig zu verdanken. Es sei ihnen gegönnt. Natürlich habe ich mich gefragt, weshalb die Frau Ministerin das alles heute ein drittes Mal vorstellen muss. Sie hat es gegenüber der Presse erklärt. Außerdem wurde das im Haushalts- und Finanzausschuss und im Ausschuss für Umwelt und Forsten gefeiert. Auch damals winkten Sie schon mit Ihren kleinen Transparenten mit der Aufschrift: „Danke, liebe Landesregierung!“ (Beifall der SPD und der FDP)

Das kann man jetzt noch einmal vor dieser gefüllten Galerie machen. Man kann es aber auch lassen.

Wenn wir schon über das Thema sprechen, dann möchte ich noch etwas zum Thema selbst sagen. Meine Damen und Herren, natürlich ist der Abschluss des Atomkonsenses 2001 in Rheinland-Pfalz Grund zum Feiern gewesen, weil damit das endgültige Aus für das Atomkraftwerk in Mülheim-Kärlich besiegelt war.

Wir dürfen uns natürlich nicht in dem Glauben wiegen, dass damit die Prozessgeschichte um das AKW Mülheim-Kärlich zu Ende ist. Diese ist in Bezug auf den Schadenersatzprozess zu Ende, aber Sie wissen, dass im Zusammenhang mit dem Rückbau bei der öffentlichen Erörterung schon weitere Klagen angedroht wurden. Vielleicht können wir nachher von der Frau Ministerin noch etwas ganz Aktuelles hören, nämlich wie es weiter geht in dem Genehmigungsverfahren um den Rückbau des AKW Mülheim-Kärlich. Das wäre ein guter Anlass dafür.

Herr Klöckner, das, was Sie gesagt haben, ist natürlich richtig, nämlich, dass dort ein Bauwerk steht, das nie hätte gebaut werden dürfen. Deshalb muss man schon noch einmal überlegen, was dieser Schadenersatzprozess von der RWE AG sollte. Es ist auch zu fragen, ob das Land in dem gesamten Prozessverfahren immer glücklich agiert hat. Wir wissen doch alle, dass der Schadenersatzprozess, der noch nicht endgültig abgeschlossen war, das Pfund war, mit dem die RWE AG während der Atomkonsensverhandlungen gewedelt hat und daraus einen Verhandlungsvorteil gezogen hat.

Ohne dieses Pfund im Rücken hätte es die RWE AG doch nie geschafft, eine Übertragung der Restlaufzeiten auf andere AKWs zu erreichen. Das ist – das muss ich wirklich sagen – ein verdammt hoher Preis im Atomkonsens gewesen.

Das reduziert nicht die Freude darüber – ich sehe von meiner Dachterrasse direkt darauf –, dass dieser Pott nicht mehr dampft. Wir müssen jetzt in ein langes Verfahren des Rückbaus eintreten. Wir werden hoffentlich das erste Bundesland sein, das ein AKW erfolgreich in dieser Größenordnung zurückbaut. Das wird hoffentlich in einem Verfahren geschehen, das einwandfrei ist und der Sicherheit der Anwohnerinnen und Anwohner und der Menschen, die dort oben in der Region die ganze Zeit in der Unsicherheit dieses AKW gelebt haben, Rechnung trägt. Ich sage aber noch einmal: Das war ein verdammt hoher Preis.

Lieber Herr Klöckner, zu Ihrem Dank an die Landesregierung muss man schon noch einmal sagen, dass die Landesregierung in dieser Schadenersatzprozessgeschichte nicht immer glücklich agiert hat.

(Pörksen, SPD: Ja, ja!)

Man hätte doch versuchen können, den Sack sehr viel früher zuzumachen. Das ist nicht in der Stringenz erfolgt. Sie wissen, dass der Bundesgerichtshof in Berlin das zurückgegeben hat und gesagt hat: Man kann über einen Schadenersatz verhandeln, aber dann muss man einen Schaden nachweisen. – In dieser Pflicht hätte die RWE AG gestanden. Sie wissen, es sind Strompreiserhöhungen zugesichert worden, die auch umgesetzt wurden. Sie wissen, dass dieser Pott längst über die Sonderkonstruktion mit dem Eigentümer in Luxemburg und dem Betreiber RWE AG usw. abgeschrieben war. Natürlich ist auch durch das Verhalten der Landesregierung in dieser ganzen Prozessgeschichte die Situation entstanden, dass die RWE AG diesen Verhandlungsvorteil hatte.

Ich sage noch einmal klar: Es ist gut, dass dieses AKW nicht mehr betrieben wird, nie mehr betrieben wird. Da muss sich auch jeder Atomkraftbefürworter in der CDU die Illusion, man könne dieses Ding noch einmal in Betrieb nehmen, abschminken.

Herr Licht, das Für und Wider zur Atomkraft geht nicht durch alle Fraktionen. Unsere Fraktion steht ganz geschlossen hinter dem Konsens und vor allen Dingen hinter dem Bestreben, mit der Nutzung der Atomkraft in Deutschland endlich Schluss zu machen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Umweltministerin das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal werde ich mich nicht in die Ange

legenheiten des Parlaments einmischen und fragen, welche Fragen weshalb zur Aussprache gestellt werden.

(Licht, CDU: Das ist auch gut so!)

Nur eine kleine Bemerkung sei mir dazu erlaubt.

(Licht, CDU: Also doch!)

Wenn es Ihnen wichtig und notwendig erscheint, die vorhergehende Debatte zu führen, die für das Land wirklich keine dramatische Dimension hat, und Sie die jetzige Debatte, die historisch die Existenzfrage für dieses Land immer wieder gestellt hat – so konnte man das in den Medien von damals immer wieder nachlesen –,

(Beifall der SPD und bei der FDP)

nicht zur Aussprache stellen wollen, darf ich mich als Mitglied dieser Landesregierung fragen, was tatsächlich richtig und wichtig in diesem Land ist.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Herr Licht, deshalb kann ich schon verstehen, auch wenn ich Ihnen dankbar bin, dass Sie in Ihren Schlussbemerkungen die Tatsache, dass wir meiner Meinung nach ganz erfolgreich diesen Schadenersatzprozess beendet haben, anerkennend bewertet haben, dass Sie sowohl bei Ihrer Intervention auf die Antwort der Mündlichen Anfrage als auch zu Beginn dieser Debatte gesagt haben, es sei nicht die Zeit, jetzt noch einmal die Historie und die Chronologie darzulegen, da Ihnen das offensichtlich unangenehm ist.

Es muss aber meiner Meinung nach schon festgehalten werden, dass Sie die politische Verantwortung getragen haben, als der Schlamassel angerichtet wurde.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Das gilt für alle Instanzen, bis das Bundesverwaltungsgericht 1988 mehr oder weniger das Aus für MülheimKärlich entschieden hat. Es lag auch in Ihrer Verantwortung, dass damals bei der Schadenersatzfrage von den Gerichten gesagt worden ist, dass in diesem Fall schuldhaft fahrlässig entschieden worden ist. Deshalb konnte überhaupt erst ein Schadenersatz gegen dieses Land geltend gemacht werden. Wenn Sie das so zurückweisen, muss das an dieser Stelle in dieser Deutlichkeit gesagt werden. Ich hätte das sonst nicht so deutlich gesagt, wie ich es jetzt tun muss.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Herr Klöckner hat Recht. Das war eine Altlast, die diese Regierung übernommen hat. Fast mit Regierungsantritt dieser Regierungskoalition hagelte am 9. September 1991 die Schadenersatzklage herein. Alle Entscheidungen, die in diesem Zusammenhang getroffen worden sind, sind meiner Meinung nach erfolgreich verlaufen. Frau Thomas, dazu gehört auch die Prozessführung. Das Land war zwar in erster und zweiter Instanz im Prinzip aufgrund der Entscheidungen der Vorgängerregierung zum Schadenersatz verpflichtet worden, aber der Bundesgerichtshof hat damals die Teile der Urteile,

in denen das Land zu einem Schadenersatz verurteilt worden ist, komplett zurückgewiesen. Insofern ist damals bereits ein milliardenschwerer Teilerfolg beim BGH zugunsten des Landes erreicht worden.

Wenn wir jetzt bis zum Schluss in den Verhandlungen – das habe ich auch immer öffentlich gesagt – relativ „günstige Karten“ hatten, ohne die ich dieses Verhandlungsergebnis gar nicht hätte erreichen können, war das auch ein Ergebnis der bisherigen Prozessführung gewesen, die durchaus erfolgreich gewesen ist.

Trotzdem stand noch ein Schadenpotenzial von 7 Milliarden DM oder 3,5 Milliarden Euro offen. Frau Thomas, genau auf die Frage, die Sie meines Wissens heute zum wiederholten Male gestellt haben, nämlich ob mit den Energieerträgen im Prinzip das Kraftwerk bezahlt gewesen und damit ein Schadenersatzanspruch entfallen ist, ist der BGH in dem Verfahren eingegangen, aber hat noch einmal an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Genau diese Frage ist nämlich verneint worden.

Die zweite historische Chance war die Atomkonsensvereinbarung. Herr Licht, in diesem Fall sieht Ihre Partei natürlich auch nicht besonders gut aus. Jetzt kann ich einmal etwas aus dem Nähkästchen plaudern. Wenn es in den Verhandlungen im vergangenen Jahr Risiken gegeben hat, dann war es das Risiko gewesen, dass die CDU/CSU die Bundestagswahlen gewinnen könnte. Die CDU und Kanzlerkandidat Stoiber haben nämlich erklärt, dass sie im Fall eines Wahlsieges den Atomkonsens wieder rückgängig machen werden. Damit wären der Rückbau von Mülheim-Kärlich und der Atomkonsens in der Tat gefährdet gewesen.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, deshalb muss ich ganz deutlich sagen, dass es in den mehr als ein Jahr dauernden Verhandlungen nicht hilfreich war, den Atomkonsens vonseiten der Politik in dieser Phase infrage zu stellen.

Sie haben aber nicht daraus gelernt: Deshalb ist das alles ein bisschen unglaubwürdig gegenüber den Menschen vor Ort, die immer mit diesem Atomkraftwerk und insbesondere mit dem Standort, den wir jetzt nun einmal haben, gehadert haben; denn obwohl wir bis heute keine Endlagermöglichkeiten haben, obwohl ein sicherer Standort bis heute nicht aufgezeigt werden kann und obwohl wir viele tausend Tonnen radioaktiven Materials von La Hague in Frankreich zurücknehmen müssen, geht Ihre Parteivorsitzende hin und fordert – das war jüngst wieder am 1. September in der „AZ“ nachzulesen –, der Atomausstieg müsse wieder rückgängig gemacht werden, da man auf absehbare Zeit nicht auf die Atomenergie verzichten könne.

Das ist Ihre Position zu dieser Frage. Mit einer solchen Position kann man solche Verhandlungsergebnisse, auch den Atomkonsens, aus Ihrer Sicht nicht für gut heißen.