Protocol of the Session on July 10, 2003

Noch nicht einmal Herr Kollege Schweitzer wird denken, dass die Landesregierung Wunder vollbringen kann.

(Mertes, SPD: Wunder dauern etwas länger!)

Sie wollen, dass die Finanzsituation der Gemeinden verbessert und die Finanznot gelöst wird. Das bedeutet, dass sie mehr Geld bekommen sollen und verstetigt wird. Niemand soll aber mehr bezahlen. Das wäre ein Wunder. Ich traue dieses Wunder dieser Landesregierung nicht zu.

Einen besonderen Charme entfaltet Ihr dritter Punkt. Sie wollen, dass im Bundesrat darauf hingewirkt wird, dass die Gewerbesteuerumlage wieder gesenkt wird. Herr Kollege Schnabel, das ist ein Vorschlag, dem ich mit großer Sympathie begegne. Witzigerweise hat es aber vor einigen Wochen einen Vorgang gegeben, der mich zu der Frage veranlasst, wie Ihre Fraktion abstimmen wird.

Ich habe mir eigentlich auferlegt, im Zusammenhang mit den Gemeindefinanzen meine Wahlheimat Trier im Moment aus naheliegenden Gründen nicht zu erwähnen. Ich werde das aber jetzt trotzdem tun. Es gab vor dem Vorgang, der zu diesem Gelübde geführt hat, einen Antrag im Trierer Stadtrat, der sich unter anderem mit verschiedenen Aspekten der Gemeindefinanzen befasste und unter anderem den Punkt beinhaltete, der genau Ihrem dritten Punkt entspricht, nämlich Senkung der Gewerbesteuerumlage.

Wissen Sie, was der Fraktionsvorsitzende der CDU in Trier und zufällig auch Fraktionsvorsitzender Ihrer Frak

tion im Landtag, Christoph Böhr, zu diesem Punkt gesagt hat? Er hat gesagt, diesen Punkt kann ich nicht mittragen, und hat dagegen gestimmt. Mit seiner ganzen Fraktion hat er gegen diesen Punkt gestimmt.

Sie stellen hier mit dem gleichen Vorsitzenden, nur in einer anderen Fraktion, genau diesen Punkt zur Abstimmung. Was sollen wir tun? Was sollen wir tun, wenn Sie so glaubwürdig sind?

(Schnabel, CDU: Das ist ein völlig anderer Sachverhalt!)

Lieber Herr Kollege Schnabel, das war fast wortgleich. Wenn Sie eine Kurzintervention machen, haben wir mehr Zeit. Herr Kollege Schnabel, mir läuft die Zeit im Moment davon.

(Schnabel, CDU: Ich will Sie nur etwas fragen!)

Herr Kollege Marz, gestatten eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schnabel?

Nun gut.

Herr Kollege, ich will Sie nur fragen: Kennen Sie den Gesetzentwurf des Bundesrats vom 27. Juni, in dem es um die Stärkung der Kommunalfinanzen und die Senkung der Gewerbesteuerumlage geht?

Herr Kollege Schnabel, das ist doch überhaupt nicht das Thema, über das ich rede.

Ich rede über Ihre Forderung, die Gewerbesteuerumlage zu senken, und Ihr – in Person von Christoph Böhr – dokumentiertes unglaubwürdiges Verhalten, auf der kommunalen Ebene – aus welchen Gründen auch immer – eine solche Forderung abzulehnen und sie hier wieder zu präsentieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Zeit ist leider um. Ich hätte mich auch gern zehn Minuten mit diesem Antrag auseinander gesetzt, obwohl es auch zehn Minuten Lebenszeit sind. So etwas Unsägliches kommt selten vor. Dieser Antrag ist wegen Ihres Gesamtverhaltens und seines Inhalts, den es eigentlich so recht gar nicht gibt, nicht zustimmungsfähig.

(Glocke des Präsidenten)

Bitte ersparen Sie uns in Zukunft solche Anträge.

Danke schön.

Für die FDP-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Bewertung und den Inhalt des Antrags der CDU betrifft – Herr Kollege Marz, Sie werden es nicht glauben –, teile ich Ihre Einschätzung.

(Schnabel, CDU: Herr Hohn, sind Sie nicht mehr Ortsbürgermeister?)

Herr Schnabel, ich komme gleich darauf zu sprechen. Ich werde Ihnen auch sagen, um was es Ihnen eigentlich geht.

Meine Damen und Herren, die rheinland-pfälzische Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung für die Kommunen in unserem Land voll bewusst.

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt kommt’s!)

So wurden jüngst kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Stärkung der kommunalen Investitionsmöglichkeiten auf den Weg gebracht. Noch wichtiger ist aber, dass zügig eine nachhaltige Modernisierung des kommunalen Finanzsystems angegangen wird.

Meine Damen und Herren, über die Parteigrenzen hinweg besteht Konsens dahin gehend, dass grundlegende Veränderungen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite unumgänglich sind. Ob Ihr Antrag hierzu entscheidend mit beitragen kann, wage ich sehr zu bezweifeln. Meines Erachtens bringt er uns in der Frage, wie die Finanzkrise der Gemeinden und Städte, mit der zweifelsfrei auch die rheinland-pfälzischen Kommunen zu kämpfen haben – das möchte ich keinesfalls verhehlen –, zu lösen ist, nicht den geringsten Schritt weiter. An einer Gesamtlösung der Finanznot der Kommunen wird in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Ich denke, diese im Fluss befindlichen Prozesse sollte man nicht unnötig durch populistische Anträge behindern.

Meine Damen und Herren, neben mehr Autonomie der Kommunen auf der Einnahmenseite bedarf es nicht nur einer Verbesserung der Finanzausstattung unserer Gemeinden und Städte, sondern auch umfassender Maßnahmen zur Stärkung der Ausgabenseite.

Lassen Sie mich noch zu einem anderen Punkt kommen.

Herr Kollege Schnabel, auf Landesebene arbeitet die Enquete-Kommission „Kommunen“ intensiv an der Gesamtproblematik der Finanzsituation der Gemeinden und Städte. Ich erachte es keineswegs als zielführend und politisch korrekt, der Arbeit der Kommission vorzugreifen. Leider scheint dies bei der CDU mittlerweile jedoch gängige Praxis einer jeden Plenarsitzung zu werden. So ist die neuerliche Mündliche Anfrage zum Konnexi

tätsprinzip von heute Morgen zu werten. Ich erinnere an die letzte Sitzung. Darin gab es eine Mündliche Anfrage. Ich habe große Zweifel, wie das in Zukunft bei den Enquete-Sitzungen weitergehen wird.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, die Enquete-Kommission „Kommunen“ ist mitten in ihrer Arbeit. Ich war mir sicher, dass sie zügig Lösungsvorschläge erarbeiten wird, mit deren Hilfe die Finanzausstattung der rheinlandpfälzischen Kommunen nicht nur nachhaltig und dauerhaft gesichert werden kann, sondern dass sich diese auch auf die Handlungsfähigkeit der Kommunen positiv auswirken werden. Sie braucht nur etwas Zeit, um seriöse Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Herr Kollege Schnabel, diese Hoffnung habe ich mittlerweile aufgegeben. Ich bin gespannt, wie es in der Enquete-Kommission in Zukunft weitergehen wird. Wir haben bisher sechs Sitzungen gehabt. Außer der Diskussion über das Konnexitätsprinzip sind wir noch nicht einen Schritt weitergekommen. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Wenn es Ihnen wirklich um die Zukunft unserer Kommunen in Rheinland-Pfalz geht – darunter fallen auch die Gemeindefinanzreform und all die Dinge, die heute zu anderen Tagesordnungspunkten intensiv angesprochen und diskutiert wurden –, kann ich Ihnen nur raten und mir persönlich und uns allen wünschen, dass Sie in der Enquete-Kommission konstruktiv mitarbeiten, egal, welches Problem wir angehen, ob es um den Standardabbau oder um andere Bereiche geht. Wenn es Ihnen um die Kommunen geht, arbeiten Sie mit und stören Sie die Arbeit der Enquete-Kommission nicht ständig mit diesen Störfeuern im Parlament.

(Beifall der FDP und der SPD)

Für die Landesregierung spricht Staatsminister Gernot Mittler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU, der in fünf Punkten als Aufforderung an die Landesregierung mündet, hat einen breiten Vorspann. Darin sind einige Dinge dargestellt, die natürlich die Wirklichkeit im Land nicht voll aufnehmen, um es zurückhaltend zu formulieren.

Was ist beispielsweise mit der Bugwellenproblematik gemeint? Ich will den Hinweis darauf geben, dass wir gerade zur Entschärfung der Bugwellenproblematik im vergangenen Jahr für die Gemeinden die Möglichkeit geschaffen haben, ihre aufgelaufenen Schulden, die als Bugwelle vor sich her geschoben werden, entsprechend der Investitionsentwicklung in den vergangenen Jahren in fundierte Schulden umzuwandeln, wo immer das möglich ist.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn – – –

Ich habe nur fünf Minuten. Das ist so knapp, dass ich um Verständnis dafür bitte. Ich möchte die Zeit nicht überziehen. Ich möchte das zügig voranbringen.

Was die fünf Punkte angeht, nämlich die Kommunen im Land stärker an den Entscheidungen der Europäischen Union zu beteiligen, oder dass sich die Landesregierung auf nationaler und europäischer Ebene dafür einsetzen möge, dass es den Kommunen gut geht, ist alles gut und schön. Allerdings ist ein Punkt enthalten, der immer wieder hochkommt und den man nicht unwidersprochen lassen kann, was die Gewerbesteuerumlage und die Absenkung derselben angeht.

Meine Damen und Herren, die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage ist im Zusammenhang mit der Unternehmensteuerreform im Jahr 2000 erfolgt, weil die Finanzierungsanteile und die Steuereinnahmenanteile der drei Ebenen – eigentlich muss man vier Ebenen sagen, nämlich einschließlich der Europäischen Union – im Gesamtstaat stabil gehalten werden sollten. Zu dem Zweck waren in die Beratungen hinsichtlich der Festsetzung der Gewerbesteuerumlage die kommunalen Spitzenverbände mit eingebunden, die dieser Festsetzung in dieser Höhe auch zugestimmt haben. Das hat im vergangenen Jahr bis ins Frühjahr hinein im Bundestag bei mehreren Beratungen eine Rolle gespielt. Es ist falsch, so zu tun, als würden die Kommunen mit der Anhebung der Gewerbesteuerumlage über Gebühr strapaziert. Es ist so, dass es sich dabei um eine sachgerechte Beteiligung an der Finanzierung der Steuerreform handelt.

Meine Damen und Herren, es ist die Frage gestellt worden: Behandelt das Land seine Kommunen schlechter, als es andere Länder tun? Wie sind die Proportionen? – Ich will nur drei Hinweise geben.

1. Die Investitionsausgaben der Kommunen sind von 1991 bis einschließlich 2002 bundesweit um 21,5 % gesunken. In Rheinland-Pfalz sind sie hingegen um 2 % gewachsen. Die Bauausgaben in den Kommunen haben im Jahr 2002 414 DM – das ist noch in alter Währung gerechnet – ausgemacht. In Rheinland-Pfalz waren es 461 DM. Ich sage nicht, das ist zu hoch. Ich weiß, das ist auch noch zu niedrig. Ich sage nur, ein Teil der Defizite, die wir in den Kommunen haben, haben natürlich auch in einigen Sonderentwicklungen der rheinlandpfälzischen Kommunen eine Urs ache.

2. Der negative Finanzierungssaldo der Kommunen ist der Saldo zwischen Überschüssen, die von 1.036 Gemeinden erwirtschaftet wurden oder von 1.036 kommunalen Haushalten und Defiziten, die in 1.458 Gemeinden erwirtschaftet wurden. Dass er gegenüber dem vorangegangenen Jahr ein Stück weniger dramatisch ist, ist für die Kommunen, die in besonderer Weise betroffen sind, kein Trost. Das gilt in erster Linie für die kreisfreien Städte.

An der Stelle möchte ich schon den Hinweis darauf geben – ohne dass ich den Mut habe, dies als Präjudiz für den Rest des Jahres bereits hochzurechnen –, im ersten Quartal des vergangenen Jahres hatten wir einen negativen Finanzierungssaldo der Kommunen im Land von 38,8 Millionen Euro, in diesem Jahr ein Plus von 21,5 Millionen Euro. Ich sage nicht: Das ist bereits die Trendwende. – Ich erlaube mir aber zumindest den Hinweis, dass dies doch als erfreulich zu nennen ist.

3. Das Verstetigungsdarlehen, das wir den Gemeinden geben, trotz der beträchtlichen Mindereinnahmen, die das Land aufgrund der allgemeinen Entwicklung der Steuereinnahmen zu verkraften hat, ist doch unbestritten ein wichtiger Stabilisator für die Planung der gemeindlichen Finanzen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Sie müssen es nicht würdigen, aber es nicht zur Kenntnis zu nehmen, hängt mit einem hohen Maß an Erkenntnisverweigerung zusammen.

Meine Damen und Herren, zwei letzte Hinweise. Die Finanzlage der Kommunen ist nicht nur nicht gut, sie ist so, wie sie ist, wie wir sie auch heute Morgen hier entsprechend beschrieben haben. Deswegen brauchen wir die Gemeindefinanzreform. Wir brauchen sie jetzt, in diesem Jahr noch, damit sie im Jahr 2004 noch in Kraft treten kann.