Protocol of the Session on June 21, 2001

Erinnert sei an dieser Stelle an das schwere Erdbeben im Rheingraben Anfang der 90er-Jahre. Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, die Münchner Rückversicherung hat das Erdbebenrisiko für den Mittelrheingraben mit der Stärke 6 angegeben.

Des Weiteren haben wir dort noch den jüngsten Vulkanismus, den wir in Deutschland vorfinden. Dadurch ergab sich eine doppelte Gefährdung an diesem Standort, der eine Inbetriebnahme aus sicherheitstechnischen Überlegungen heraus unmöglich machte.

Wir hatten außerdem mit dem Standort Mülheim-Kärlich ein Kernkraftwerk, das seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. September 1988 nicht mehr in Betrieb war. Davor lag eine sehr lange Planungs- und

Bauzeit. Zudem sollte man auch berücksichtigen, dass die Technologie aus den 60er-Jahren stammt. Die gleiche Technologie, die in Deutschland einmalig war, wurde auch beim Bau des Reaktors von Harrisburg verwendet. Nach dem dortigen Unfall hat man einiges von der Technologie in Mülheim-Kärlich geändert. Die Technik war jedoch weltweit noch nicht einmal erprobt, was ein zusätzliches Risiko bedeutet hätte.

Nachdem das Ganze nach gut einem Jahr Probebetrieb weit über 10 Jahr stillstand, wäre es aus Gründen der Sicherheit unverantwortlich gewesen, den Reaktor Mülheim-Kärlich wieder an das Netz zu bringen. Aus diesen Gründen begrüßt die FDP-Landtagsfraktion ausdrücklich den Antrag von RWE-Power auf Stilllegung und Rückbau des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich,

(Glocke des Präsidenten)

weil für uns die Sicherheit der Bevölkerung oberste Priorität hat. Dies darf ich noch einmal ausdrücklich betonen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP und der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Braun das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hohn, das kann wirklich nur die FDP, das habe ich woanders noch nie gehört: vor Ort immer dagegen sein, aber allgemein dafür. Ich erinnere nur an die Polderplanung. Vor Ort sind Sie immer dagegen, aber allgemein sind Sie dafür. Jetzt sind Sie angeblich auch gegen Mülheim-Kärlich, aber für Atomkraft. Das ist ein Spagat, den nur die FDP kann. Aber wir wissen, Gummiwand und Gummibeine, darüber brauchen wir nichts mehr zu sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Ernsthaft die Diskussion zu führen, wie der Ausstieg aus der Atomwirtschaft in Deutschland vorankommt, ist, glaube ich, die Sache wert. Man muss sagen, es ist klar, es ist ein Fortschritt, wenn ein Atomkraftwerk stillgelegt wird, wenn, wie jetzt, ein Antrag von RWE gestellt wird, dass das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich stillgelegt wird. Das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich liegt in einer Erdbebenspalte, aber auch auf einem Vulkanschlot. Das wusste jeder. Dass dieses Atomkraftwerk nicht laufen kann und nie mehr ans Netz gehen kann, sondern abgebaut wird, beendet den Tanz auf dem Vulkan, den die Landesregierung über Jahre hinweg getanzt hat. Das finden wir positiv.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss aber auch klar sehen, unter welchen Bedingungen das Ende von Mülheim-Kärlich gekommen ist. Herr Stretz, da können Sie ohne oder mit Sektkorken feiern, wie Sie wollen. Tatsache ist doch, dass in den Ausstiegsverhandlungen, in den Konsensverhandlungen, von unserer Position, also von der grünen Position, und von der Position des Bundesumweltministeriums her klar war, dass ein Schwarzbau wie Mülheim-Kärlich nicht Gegenstand von Konsensverhandlungen sein kann. Mülheim-Kärlich war nie rechtlich genehmigt. Es war rechtsunsicher und hätte auch nie ans Netz gehen können.

(Hartloff, SPD: Deshalb streiten wir, bis der letzte Prozess geführt ist!)

Weil die Landesregierung aber wegen der Schadensersatzklage, die RWE angedroht hat, die Hosen voll hatte, ist sie eingeknickt und hat nun die Ansprüche, die RWE wirklich nie hatte, auf andere Atomkraftwerke übertragen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartloff, SPD: Prozesse um Milliarden führt man am liebsten zu Ende!)

Sie haben das gesagt, Herr Licht. Jetzt wird das, was von der RWE in Rheinland-Pfalz an Strom nicht produziert wird, auf Intervention von Frau Martini und Herrn Beck zum Teil, nämlich zu 20 %, in Biblis produziert, und zwar 107 Terawatt. Die restlichen 80 % werden anderswo produziert, aber natürlich auch an der rheinlandpfälzischen Grenze.

Wir sind der Meinung, es war eindeutig klar, MülheimKärlich hat in den Konsensverhandlungen nichts verloren. Mülheim-Kärlich war nicht genehmigt, war nicht genehmigungsfähig und hätte deswegen auch nicht genehmigt werden können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Position von der SPD war auch immer – dies steht auch in einer Pressemeldung von Frau Martini vom 12. Juni 2001 –, einerseits Mülheim-Kärlich abzuschalten, andererseits sollten dabei aber – ich zitiere – „die berechtigten und wirtschaftlichen Interessen der Energiewirtschaft berücksichtigt werden“. Ich frage mich, wo denn die berechtigten Interessen der Energiewirtschaft sind. 107 Terawatt bedeutet bei jetzigen Strompreisen einen Gewinn von 500 Millionen DM bis etwa 1 Milliarde DM. Dieses Geld haben wir dann RWE geschenkt. Wir hätten mit dieser Summe dann, wenn sie woanders und nicht weiter in die Atomkraft investiert worden wäre, ganz andere Energiearten aufbauen können.

(Hartloff, SPD: Was halten Sie eigentlich von rechtsstaatlichen Rahmen- bedingungen?)

Wir müssen sehen, dass jetzt die Stilllegung dieses Atomkraftwerks betrieben wird. Das ist sehr positiv. Es ist ein Genehmigungsverfahren genauso wie beim Bau eines Atomkraftwerkes. Die Öffentlichkeit muss also möglichst schnell informiert werden. Den Fraktionen,

zumindest unserer, liegt der Antrag von der RWE noch nicht vor, obwohl wir nachgefragt haben. Frau Ministerin, ich hoffe, dass Sie uns gleich zusagen werden, dass wir den Antrag erhalten können und dass diese Anträge dann auch entsprechend veröffentlicht werden.

Rheinland-Pfalz kommt eine Vorreiterrolle zu, ein solches über eintausend Megawatt starkes AKW abzubauen. Das heißt, wir müssen in Rheinland-Pfalz in den nächsten Jahren festlegen, wie die absolut besten Sicherheitsstandards für den Abbau sind, wohin die Reste von Mülheim-Kärlich transportiert werden – es ist richtig, man braucht dann natürlich Transporte – und wie hinterher der Standort aussieht. Ist Mülheim-Kärlich hinterher wirklich vom AKW befreit? Wie schnell geht das? Hat RWE ein Interesse daran, schnell abzubauen? Wir haben ein Interesse daran, dass die Stilllegung und der Abbau möglichst schnell vor sich gehen und die Landesregierung diese Geschwindigkeit auch forciert und unterstützt.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Remy das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der RWE auf Stilllegung und Rückbau des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich ist für die Bevölkerung im Neuwieder Becken ein wichtiger Meilenstein auf dem langen Weg des Widerstands gegen dieses allgemein gefährliche Monument Kohl‘scher Renommiersucht erreicht.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU)

Was CDU-Landesregierungen unter den Ministerpräsidenten Kohl bis Wagner gegen jede wirtschaftliche, soziale und politische Vernunft zusammen mit der Atomlobby vor nunmehr fast 30 Jahren den Menschen in der Region Koblenz – Neuwied aufs Auge drückten, nämlich ein unkorrekt geplantes und gebautes Atomkraftwerk auf tektonisch unsicherem Boden, geht nun nach jahrzehntelangen Protesten und Prozessen der endgültigen Auflösung entgegen.

Meine Damen und Herren, dies ist neben den jahrzehntelangen Protesten von Bürgerinitiativen und Prozessen betroffener Kommunen vor allem auch das Ergebnis einer konsequenten Energiesicherheitspolitik der SPDLandesregierung unter den Ministerpräsidenten Rudolf Scharping und Kurt Beck, auch der zuständigen Ressortministerin Klaudia Martini, die ihrerseits wiederum wirkungsvoll auf die bundesweiten Atomkonsensgespräche Einfluss nehmen konnten.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, dann hätten wir an der Suppe, die Sie uns vor vielen Jahren eingebrockt haben, auch noch ersticken können, Herr Licht. Das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei SPD und FDP – Licht, CDU: Wissen Sie, dass von den 26 genehmigten Atomkraftwerken 24 von SPD-Regierungen genehmigt wurden?)

Bei Mülheim-Kärlich geht es nicht nur Atomkraft ja oder nein, sondern hier war von Anfang an klar, dass der Standort ungeeignet war. Das wußte jeder in der Region. Das hätte sogar die CDU wissen müssen.

(Beifall der SPD)

Ich spreche als Abgeordneter eines Wahlkreises, der unmittelbar mit den Gefahren des Atomkraftwerks konfrontiert war und dessen Bevölkerung wie die gesamte soziale Infrastruktur unter diesem immensen Gefährdungspotenzial standen. Namens des weit überwiegenden Teils der Bevölkerung, die sich immer wieder mit Nachdruck gegen den Betrieb des Reaktors ausgesprochen hat, sage ich heute der Landesregierung Dank für die stets unbeirrbare Haltung im Streit um die fragwürdige Existenzberechtigung des Atomkraftwerks.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. Wir freuen uns, dass mit diesem Abbruch gewährleistet ist, dass die Gefahren beseitigt sind.

(Lelle, CDU: Er hatte zu langsam gesprochen!)

Wir werden aber, so wie wir den Bau begleitet haben, den Abriss juristisch begleiten. Wir hoffen, dass die Bevölkerung jeweils über die einzelnen Gänge informiert wird.

Vielen Dank. (Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Es spricht Frau Ministerin Martini.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Am 11. Juni ist diese Atomkonsensver

einbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen unterzeichnet worden, und zwar in der Form, wie er ein Jahr vorher ausgehandelt wurde. Folgerichtig hat RWE-Power am Tag danach bei uns im Ministerium für Umwelt und Forsten den Antrag auf Stilllegung und erste Abbaugenehmigung für das Kraftwerk gestellt. Ich darf auch noch einmal unterstreichen, dies ist der erste Schritt in der Umsetzung der Atomkonsensvereinbarung. Ich darf hinzufügen, dies ist der erste richtige und bisher einzige Schritt zur Unumkehrbarkeit der in dem Konsens getroffenen Verabredung.

(Beifall der SPD und der FDP – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Meine Damen und Herren, fast 30 Jahre lang hat das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich die Menschen bewegt, nicht nur in der Region, sondern im gesamten Land. Es sind viele Ängste und Befürchtungen geäußert worden. Es war Gegenstand leidenschaftlicher Debatten an unterschiedlichen Stellen; auch in diesem hohen Hause. Höchste Gerichte, angefangen vom Bundesverwaltungsgericht bis zum Bundesverfassungsgericht, haben sich mit dem Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich befasst. Es haben sich an dieser Anlage wahrlich die Geister geschieden. Es war auch ein Wechselbad der Gefühle. Es gab ein jahrzehntelanges Schwanken zwischen Hoffen und Bangen, Enttäuschung und Erfreulichem. Gut ist, dass jetzt Klarheit herrscht. Es freut mich bzw. die Landesregierung besonders, dass eine einvernehmliche Lösung möglich war.

Die Landesregierung hat sich in den vergangenen Jahren mit ganzer Kraft dafür eingesetzt, insbesondere als die Verhandlungen konkreter wurden, dass MülheimKärlich in die Konsensgespräche mit einbezogen wurde; denn nur im Rahmen der Konsensverhandlungen bestand die Chance für eine einvernehmliche Lösung. Nur im Rahmen einer einvernehmlichen Lösung war es möglich, einen sachgerechten Interessenausgleich durchzuführen. Dies ist gelungen. Darauf sind wir stolz.