Protocol of the Session on April 3, 2003

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Entwurf des Nachtragshaushalts lagen dem Ausschuss insgesamt 183 Änderungsanträge vor. Darunter waren elf Anträge aller vier Fraktionen. Diese betrafen – dies hatte ich eben schon für den Bereich der Jugendhilfe mit 2 Millionen Euro erwähnt – insbesondere eine weitere Kürzung der Personalausgaben um 2 Millionen Euro und eine Reduzierung der Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung um 50.000 Euro.

Aufgrund der vier gemeinsamen Anträge von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, teilweise auch mit Zustimmung der CDU, wurden

die Fördermittel für Maßnahmen an berufsbildenden Schulen für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz um 200.000 Euro erhöht,

die Entnahmen aus der Rücklage des Wohnungsbaufonds um 5 Millionen Euro verringert,

400.000 Euro für die vorläufige Unterbringung der Fachhochschule Koblenz bewilligt und

die Ausgaben der Landesregierung für Veranstaltungen, Messen und Tagungen um 200.000 Euro gekürzt.

Weitere Änderungen beschloss der Ausschuss im Übrigen aufgrund der Anträge der SPD und FDP. Im Wesentlichen ging es dabei um den Einzelplan 06 – Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit –, und zwar um 4 Millionen Euro zur Beschaffung von Pockenimpfstoff. Gegenfinanziert wurde dies durch zusätzliche globale Minderausgaben von je 2 Millionen Euro im Einzelplan 06 und im Einzelplan 20.

Im Einzelplan 15 des Ministeriums für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur ergab sich eine Reihe von Änderungen mit zusätzlichen Einsparungen in Höhe von etwa 5 Millionen Euro.

Insgesamt ergibt sich aus den Beschlussempfehlungen des Ausschusses gegenüber dem Regierungsentwurf eine weitere Reduzierung der Ausgaben um 5 Millionen Euro.

Abgelehnt hat der Ausschuss die Anträge von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Der Schwerpunkt der Anträge der CDU-Fraktion lag darin, für Polizei, Hochschulen, Unterrichtsversorgung und Sport mehr Mittel zur Verfügung zu stellen und hierbei insbesondere bei den Ausgaben des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie, aber auch bei der Investitionsförderung und der Agrarverwaltung zusätzliche Einsparungen zu erbringen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragte mehr Geld für Bildung, Arbeitsmarkt und Ökologie. Die Forderungen galten weiteren Einsparungen insbesondere im Straßenbau, bei den Finanzhilfen für Wirtschaft

und Landwirtschaft sowie durch die Auflösung der Landeseinrichtung für Asylbewerber.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss möchte ich daran erinnern, dass die Verabschiedung des Nachtrags auf Drängen des Landtags um einen Monat vorverlegt wurde. Dadurch standen unsere Ausschussberatungen – ich glaube, das haben alle Kolleginnen und Kollegen so empfunden – unter einem sehr großen Zeitdruck. Wir haben deshalb abweichend von den Beratungen in früheren Jahren dieses Mal alle Einzelpläne im Haushalts- und Finanzausschuss beraten und nicht mehr in den Fachausschüssen. Dafür konnten die Kolleginnen und Kollegen aus den Fachausschüssen mit beratender Stimme an den Haushaltssitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses teilnehmen.

Im Nachhinein – man lässt so etwas immer Revue passieren – scheint mir jedenfalls dieses Verfahren zweckmäßiger zu sein als das andere.

(Kramer, CDU: Richtig!)

Wir werden innerhalb der Fraktionen darüber auch im Hinblick auf die anstehenden Beratungen des Doppelhaushalts 2004/2005 diskutieren müssen und uns dann festlegen. Ich möchte es aber an dieser Stelle schon ansprechen.

Bedanken möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für die konzentrierten und konstruktiven Beratungen im Ausschuss selbst, allerdings auch bei der Landesregierung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, weil wir doch eine Reihe von zusätzlichen Unterlagen angefordert haben, die auch überwiegend pünktlich für unsere weiteren Beratungen zur Verfügung gestellt wurden. Das war angesichts der großen Zeitenge nicht immer ganz leicht.

Schließlich bedanke ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlamentssekretariats, des Wissenschaftlichen Dienstes und der Fraktionen, vor allen Dingen aber – ich glaube, das darf ich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen sagen – beim Stenographischen Dienst, der die Protokolle wirklich sehr kurzfristig vorlegte,

(Beifall im Hause)

gerade auch was die Auswertung der Anhörung anging. Das war eine sehr umfangreiche Geschichte.

Insgesamt darf ich mich nochmals für die Beratungen und jetzt zum Schluss auch für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall im Hause)

Ich bedanke mich bei der Frau Berichterstatterin, eröffne die Aussprache und erteile dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Dr. Böhr, das Wort.

Herr Präsident, vielen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lage ist wirklich ernst. Man ist fast versucht, in diesem Zusammenhang den „alten“ Adenauer zu zitieren. Da sie aber in den nächsten Monaten noch ernster werden wird, als sie heute schon ist, hebe ich mir dieses Zitat auf.

Ich denke, man beschreibt die Lage ziemlich zutreffend und greift mitnichten zu einer billigen Polemik, wenn man darauf hinweist, dass diese Landesregierung haushaltspolitisch, finanzpolitisch kurz vor dem Abpfiff steht.

(Creutzmann, FDP: Ach wo!)

Das haben wir bei den Beratungen über diesen Nachtragshaushalt an allen Ecken und Enden gemerkt und gespürt. Übrigens weiß die Landesregierung das selbst. Natürlich wird das heute Morgen wieder offiziell bestritten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber eine Landesregierung, die dieses Gespür oder diese Einsicht nicht hat, würde im Leben nicht so viele Luftballons starten lassen, wie wir das in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, um einfach einmal „abzutesten“, wo der öffentliche Widerstand überwindbar ist und wo der öffentliche Widerstand möglicherweise so groß ist, dass man ihn nicht überwinden kann.

Ich muss Ihnen ganz offen sagen, ich sehe das mit einem gewissen Verständnis. Ich kann das nicht vom Ansatz her nur alles kritisieren; denn unabhängig von der Vorgeschichte, wie es dazu kam, was uns heute Morgen auch beschäftigen wird, ist die Lage nicht nur ziemlich unüberschaubar, sondern sie ist auch politisch, haushaltspolitisch und finanzpolitisch ungeheuer schwer in den Griff zu bekommen.

Deswegen bin ich der Auffassung, dass sich alle Beteiligten in den vergangenen Wochen zu Recht bemüht haben, eine Art und Weise des Umgangs miteinander zu entwickeln, die sich deutlich von dem unterscheidet, was wir in den vergangenen zehn Jahren erlebt haben. Das halte ich für gut und will mich auf dieser Linie, die wir in den vergangenen Wochen gemeinsam gefunden haben, zumindest im Hinblick auf den Stil der Auseinandersetzung, heute Morgen bewegen.

Ich will zunächst einen nüchternen Blick auf die Zahlen werfen, meine Damen und Herren. Der Beweis für die Formulierung, dass die Landesregierung haushaltspolitisch unmittelbar vor dem Abpfiff steht, zeigt sich bereits mit dem Blick auf zwei bis drei Zahlen. Die Schuldenlast des Landes ist in zehn Jahren, nämlich im Zeitraum von 1991 bis 2001, verdoppelt worden.

(Kramer, CDU: Das sind die Tatsachen!)

Das ist schon ein bemerkenswerter Erfolg: von 10 Milliarden Euro auf 21 Milliarden Euro in zehn Jahren. Im Hinblick auf die Konjunkturlage und die wirtschaftliche Entwicklung waren übrigens gute Jahre dabei. Wenn man gleichwohl die Schuldenlast in zehn Jahren ver

doppelt, darf man sich nicht wundern, wenn man dort landet, wo wir jetzt gelandet sind.

Wir haben in Rheinland-Pfalz eine Nettoneuverschuldung – ich habe mir lange überlegt, womit man das vergleichen kann, aber das erinnert, wenn überhaupt, an den Pegelstand von Jahrhunderthochwassern –, die sich deutlich von der Nettoneuverschuldung anderer westlicher Flächenländer unterscheidet. Es ist nicht wahr, dass wir uns im Geleitzug der finanzpolitischen Probleme, die alle in diesen Monaten treffen, bewegen, sondern wahr ist, dass wir natürlich Faktoren im Land Rheinland-Pfalz haben, die hausgemacht sind.

Kein anderes Land ist so entschieden in die Nettoneuverschuldung hineinmarschiert, wie das in RheinlandPfalz getan wurde. Ich will in Erinnerung rufen, dass wir im vergangenen Jahr einen Höchststand von 1,79 Milliarden Euro hatten. In diesem Jahr ist es ein bisschen weniger, jedenfalls nach jetziger Planung. Was aber haushaltspolitische und finanzpolitische Planung in diesen Monaten bedeutet, das überlasse ich dem Urteil jedes Einzelnen von uns, sofern überhaupt etwas planbar ist. Jedenfalls ist man nicht auf der sicheren Seite, wenn man Entwarnung gibt.

Seit dem Jahr 1994 haben wir den höchsten Zuwachs bei der Neuverschuldung je Einwohner unter allen Flächenländern.

(Staatsminister Mittler: Falsch!)

Nein, das ist nicht falsch, Herr Finanzminister. Das ist das Problem. Ich sage das nicht aus Rechthaberei. In der Politik nutzt es einem überhaupt nichts, Recht zu haben, wenn man nicht Recht bekommt. Das weiß ich auch. Ich behaupte, dass Sie in den nächsten Jahren die gleichen Fehler machen werden, die Sie in den vergangen Jahren gemacht haben, wenn weiter falsch analysiert wird. Das möchte ich aber nicht.

(Beifall der CDU)

Ich behaupte, kein anderes Land marschiert entschlossener in die Schuldenfalle, in der wir im Moment dicke drin sitzen. Überlegungen anzustellen, aus dieser Schuldenfalle herauszukommen, ist alles andere als leicht.

Wenn wir über die Nettoneuverschuldung reden, zeigt sich ein beeindruckender Spannungsbogen. Wenn Sie behaupten, es sei falsch, dass kein anderes Flächenland solche Zuwächse bei der Nettoneuverschuldung zu verzeichnen hat, dann will ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dies schon ein beeindruckender Spannungsbogen ist. Ich rede von der Zahl aus dem Jahr 2002, also von der Ist-Zahl des Jahres 2002.

In Baden-Württemberg lag im vergangenen Jahr die Nettoneuverschuldung je Einwohner bei 176 Euro. Demgegenüber lag die Nettoneuverschuldung je Einwohner in Rheinland-Pfalz bei 447 Euro. Jetzt merken Sie bitte nicht an, dass Baden-Württemberg zweieinhalb Mal so viele Einwohner wie Rheinland-Pfalz habe und

die Summe die gleiche sei. Dieses Argument wäre in diesem Zusammenhang wirklich nicht passend.

(Beifall und Heiterkeit der CDU)

Ich breche das jetzt ab, weil es nur begrenzt zu etwas führt. Jetzt komme ich auf den Punkt zu sprechen, auf den ich wirklich Wert lege, weil er uns weiterhilft bei den Beratungen, die heute nicht beendet werden. Wir beraten heute über einen Nachtragshaushalt mit einem im Grunde genommen lächerlichen Volumen, das wir mit diesem Nachtragshaushalt bewegen.

Das zeigt, dass das Problem dieser Landesregierung und der sie tragenden Mehrheiten in diesem Parlament in den vergangenen Jahren war, dass sie bei ihren haushaltspolitischen Entscheidungen regelmäßig die Finanzkraft unseres Landes aus den Augen verloren hat. Die Finanzkraft war nie ein Maßstab für das, was wir uns in den vergangenen Jahren geleistet haben. Wer diesen Fehler macht, der tappt natürlich in die Schuldenfalle, und genau das haben wir erlebt. Die Folge ist, dass wir einen Zuwachs bei der Verschuldung ohnegleichen haben. Das Ergebnis ist, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen. Dass wir finanzpolitisch mit dem Rücken zur Wand stehen, wird in diesen Wochen wohl kaum jemand aus diesem Haus ernsthaft bestreiten wollen.

Die Frage ist nun, wie es so weit kommen konnte. Die Antwort auf diese Frage, der ich mich schon einmal gewidmet habe, findet ihren tiefsten Kern genau in der Feststellung, dass Sie über viele Jahre hinweg in der Frage, was wir uns als Rheinland-Pfälzer leisten können und was wir uns als Rheinland-Pfälzer nicht leisten können, die Augen verschlossen haben, wenn es darum ging, die Messlatte entsprechend der Finanzkraft dieses Landes anzulegen. Wir haben nicht nach Maßgabe der Finanzkraft entschieden, sondern wir haben nach Maßgabe unserer Wünsche und Vorstellungen entschieden. Das geht in der Politik regelmäßig schief, und genau das erleben wir jetzt, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU)