Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man sich all das anhört, ist man schon erstaunt. In diesem Parlament sitzen viele von denen, die auch vor einigen Jahren schon hier saßen, als Herr Gerster sein neues „Mainzer Modell“ bejubelt hat.
Frau Ministerin Dreyer, ich bin schon fast dankbar, dass Sie sich heute nicht auf das Glatteis begeben haben und schon an Zahlen festgemachte Prognosen für die Umsetzung von Hartz II für Rheinland-Pfalz vorgetragen haben. Ihr Vorgänger war diesbezüglich weniger vorsichtig.
Wenn jemand ganz dicke Backen macht, sich fest auf die Schulter schlägt, noch ehe sich das Modell in der Praxis bewährt, und bei uns von mehr als 10.000 Arbeitsplätzen spricht, die mindestens erreicht werden sollen, so hat es nichts mit Nörgelei zu tun, wenn wir höflich darauf hinweisen, dass dieser abgesprungene Tiger als Bettvorleger landet, wenn es 2.800 Arbeitsplätze und nicht mehr sind. Wir erlauben uns, Ihnen die Fakten zu nennen, und das muss gestattet sein.
Damit das aber nicht in einen falschen Hals kommt, möchte ich sagen, wir sind überhaupt nicht gegen Kombi-Lohn-Modelle. Das haben wir nie gesagt. Jeder einzelne Arbeitsplatz, auch von diesen 2.800, ist ein wichtiger Arbeitsplatz.
Wir sind froh, dass er entstanden ist. Dazu sind uns viele Modelle durchaus recht, wenn sie probiert werden, wenn aber auch nach einer Weile untersucht wird, ob sie etwas gebracht haben und ob man diese Modelle fortsetzen soll.
Wenn der Erfinder dieses „Mainzer Modells“, Ihr Vorgänger im Amt des Sozialministers von Rheinland-Pfalz, heute selbst sagt, dass das „Mainzer Modell“ ein Flop geworden sei, – – –
Das ist doch landauf, landab in der Presse zitiert. Ich habe kein Dementi von ihm gelesen. Auch viele andere Institute sagen, dass es ein Flop geworden ist. Die hoch gesetzten Erwartungen sind nicht erfüllt worden.
Nichtsdestotrotz sind wir bereit, mit Ihnen zusammen die Untaten einzusammeln, die Sie selbst in diesem Land 1999 verteilt haben. Wir haben soeben von den Kollegen gehört, wir müssen die Chance nutzen. Ich frage mich: Welche Chancen hätte dieses Land in den letzten Jahren seit 1999 gehabt, wenn Rotgrün nicht auf die Idee
gekommen wäre, die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse abzuschaffen, und wenn Rotgrün nicht auf die Idee gekommen wäre, ein Scheinselbstständigengesetz zu erlassen? – Wir hätten einige Sorgen weniger, meine Damen, meine Herren!
Ich möchte nun noch kurz über die Umsetzung von Hartz sprechen. Sie setzen Hartz nicht um. Sie setzen Hartz nur in den Teilen um, wo Sie meinen, dass es politisch und in den Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften halbwegs erträglich ist. Denken wir einmal an das Thema „Leiharbeit“. Ihre Tarifregelung wird die Idee von Hartz in der praktischen Umsetzung kaputtmachen.
Wir werden an der Umsetzung mitarbeiten. Wenn Sie den Kommunen das Geld dazu lassen, werden auch die Kommunen daran mitarbeiten. Aber ich denke, darüber werden wir unter Punkt 11 der Tagesordnung noch einmal reden müssen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Thelen, Sie haben gerade noch einmal die Kurve gekriegt! Bitte vergegenwärtigen Sie sich, dass die CDU nicht frei war von Vorschlägen zu Kombi-Lohn-Modellen. Ich darf doch noch einmal in Erinnerung rufen: Wenn Sie das „Mainzer Modell“ kritisieren, müsste dies in weitaus höherem Maße auch für das gelten, was die CDU seinerzeit vorgeschlagen hat; denn dieses Modell war deutlich weniger erfolgreich als das „Mainzer Modell“. Dies nur zur Erinnerung, zur Klarheit und zur Wahrheit.
Werter Herr Kollege Marz, dieser Schlenker zur Regierungsverantwortung anderer Parteien ist historisch ganz interessant. Ich finde es generell amüsant, wie in dieser Thematik jede Partei ein hohes Maß an Verantwortung für die Situation hat, so wie sie sich jetzt darstellt. Herr Marz, für die aktuelle Situation haben Sie aber besonders viel Verantwortung, wenn man beispielsweise die Öko-Steuer mit dem Hinweis unter die Leute bringt, dass sich nur so die Rentenversicherungsbeiträge stabil hal
ten lassen, und wenn Sie sich im Kampf mit dem Koalitionspartner bei der Anpassung dieser Rentenversicherungsbeträge sehr pazifistisch zeigen. Dies zeigt, dass Sie in der aktuellen Situation die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Konjunktur eben nicht anspringt, was Sie soeben zu Recht als Basis für eine sich nachhaltig verbessernde Situation am Arbeitsmarkt beschrieben haben. Darin kann ich Ihnen nur beipflichten.
Meine Damen und Herren, auch wenn es vielleicht etwas weniger populär ist, so möchte ich doch in Erinnerung rufen, dass im Rahmen des Hartz-II-Konzepts Dinge mit umgesetzt werden, die ich ausdrücklich begrüße, für die die FDP schon in der Vergangenheit stand, die uns aber in der Vergangenheit von anderen Parteien nicht immer positiv zugeschrieben wurden. Das ist beispielsweise die Änderung der Zumutbarkeitsregelungen, die höheren Anforderungen an die Mobilität der Arbeitnehmer, die Änderung von Sperrzeitenregelungen, keine Dynamisierung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes, des Unterhaltsgeldes und der Arbeitslosenhilfe sowie auch die Zusammenfassung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und die frühzeitige Meldepflicht mit Minderung des Arbeitslosengeldes. Auch dies sind wichtige Teile der Hartz-Konzeption, und zwar nicht deshalb, weil wir Arbeitslose als Zielobjekte für staatliche Kujonierung ausgelotet haben, sondern weil wir wissen, dass Push- und Pull-Faktoren notwendig sind, um Menschen zu motivieren, auch ihren Beitrag zu leisten, Arbeit zu finden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, entschuldigen Sie bitte, aber ich halte die Diskussion für kleinkariert. Man könnte pessimistisch werden, wenn man sich diese Diskussion anhört. Aber glücklicherweise werden die entscheidenden Weichenstellungen in dieser Hinsicht nicht in diesem Parlament, sondern unter einer rotgrünen Bundesregierung in Berlin gestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Diskussion halte ich deshalb für kleinkariert, weil Sie sich darin ergehen, einerseits auf Koalitionsseite den Versuch zu unternehmen, eigene Verdienste noch eben hineinzu
Seriös und der Problematik angemessen ist doch in diesem Fall aber ein ganz anderes Vorgehen. Man probiert Dinge aus, die man bisher noch nicht ausprobiert hat, da diejenigen, die man bisher ausprobiert hat, offenbar nicht erfolgreich waren. So viel zu der jahrzehntelangen Beteiligung der FDP.
Natürlich muss man sich dann auch an dem messen lassen, was man selbst sagt. Herr Kollege Rösch, es war nicht die Opposition in diesem Haus, die bestimmte Zahlen hinsichtlich des möglichen Erfolgs des „Mainzer Modells“ in die Welt gesetzt hat. Es war doch die Regierungskoalition. Florian Gerster hat mit erheblich nach oben vergriffenen Prognosen das „Mainzer Modell“ aufgepustet. Die heutigen Zahlen liegen erheblich darunter. Frau Ministerin Dreyer, dass Sie dies nun als Erfolg verkaufen, ist nicht besonders angemessen. Das geht nicht nur hart, sondern meilenweit an der Sache vorbei.
Lesen Sie einmal nach, was Ihr Vorgänger an Weissagungen zum Thema „Mainzer Modell“ geäußert hat. Schauen Sie sich an, was heute dabei herauskommt. Es liegen Welten dazwischen. Die Zahlen sind von der Regierung und nicht von der Opposition.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe vorhin gesagt, wir müssen alles probieren, was wir für möglich halten und von dem wir denken, dass es effektiv sein könnte, um die Arbeitslosigkeit in diesem Land nachhaltig und spürbar abzubauen. Wir haben damit angefangen, und zwar nicht nur mit Hartz, sondern mit der ganzen Breite der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.
Lassen Sie uns ausprobieren, inwieweit das funktioniert, inwieweit wir Erfolge erreichen. Dort, wo wir keine Erfolge erreichen, lassen Sie uns nachsteuern und endlich aufhören, kleinkariert herumzudiskutieren.