Wahl von Mitgliedern des Kuratoriums der Fachhochschule Worms Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 14/1661 –
Wer dem Wahlvorschlag – Drucksache 14/1812 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Ich stelle Einstimmigkeit fest.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Beendigung des „Kalten Krieges“ vor über einem Jahrzehnt und dem dadurch ausgelösten massiven Truppenabbau musste sich unser Land der Aufgabe eines gravierenden Strukturwandels stellen.
Rheinland-Pfalz war und ist das westliche Bundesland mit der größten Truppenkonzentration militärischer Einrichtungen. Bis zu 7,6 % der Landesfläche wurden durch US-amerikanische, französische und deutsche Streitkräfte genutzt oder in ihrer zivilen Nutzung eingeschränkt. Etwa 127.000 Soldaten und 43.000 Zivilbeschäftigte fanden beim Militär gegen Ende der 80er-Jahre ihren Arbeitgeber.
In mehreren Wellen wurden bis Ende des Jahres 2002 insgesamt 565 Liegenschaften mit einer Gesamtfläche von 10.795 Hektar freigegeben oder zur Freigabe angekündigt. Schwer wog, dass insbesondere schwierig verwertbare Depots, Übungsgelände und 8 von 11 verfügbaren Flugplätzen im Land keine militärische Nachnutzung fanden.
Mittlerweile muss man von ca. 100.000 verlorenen militärischen und zivilen Stellen ausgehen. Rund 22.000 Zivilbeschäftigte und etwa 5.000 Arbeitsplätze gingen in der Rüstungsindustrie in Mainz und in Speyer verloren. Ökonomisch entspricht dieser Verlust einer Bruttowertschöpfung von ca. 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Schwer wog weiterhin, dass der strukturschwache Westen des Landes, der ohnehin durch industriellen und landwirtschaftlichen Strukturwandel betroffen war, zu einem größeren Teil demilitarisiert und neu aufgebaut werden musste.
Was war zu tun? Die Landespolitik begriff die Herausforderungen des Truppenabbaus und seiner Folgenbewältigung als Chance. Alle politischen Akteure auf der Landes- und auf der kommunalen Ebene zeigten den unbedingten Willen zur Lösung der Jahrhundertaufgabe, auch wenn man sich ab und an beim Lösungsweg unterschied.
Das neue Flächenangebot stellte vielfach kommunale Entwicklungsvorstellungen auf den Kopf. Es galt zu klären, was wirtschaftlich tragfähig war.
Die rechtlichen, finanziellen und verwertungsmäßigen Rahmenbedingungen mussten vom Grundsatz her festgelegt werden, und zwar mit dem Bund, auf Landesebene, mit den Kommunen und denen, die sich als Private in die Entwicklungsprozesse einbinden ließen.
Vorrangig mussten funktionierende Projektentwicklungsund Managementstrukturen auf Landes- und auf der kommunalen Ebene aufgebaut werden.
Was ist nun mit den 565 freigegebenen Liegenschaften passiert? Die militärische Vornutzung erstreckte sich zu 20 % auf Flugplätze, zu 28 % auf Depots und zu weiteren 28 % auf Übungsplätze bzw. -gelände. Die eigentlich verwertbaren Kasernen und Truppenunterkünfte, Wohngebäude bzw. Verwaltungs- und Dienstgebäude machten gerade einmal 10 % der Flächen aus.
Von den 565 freigegebenen Liegenschaften oder Objekten sind mittlerweile 205 entwickelt. Weitere 70 sind teilweise umgenutzt. Dies betrifft insbesondere die vielen großen und landesbedeutsamen Schlüsselprojekte. Bei weiteren 147 Liegenschaften ist die Umsetzung qualifiziert eingeleitet, und man steht in der ersten Phase der Realisierung. Sie werden voraussichtlich in den nächsten 8 bis 10 Jahren umgenutzt sein.
Bei weiteren 76 in der Planung befindlichen Liegenschaften wird dies in 10 bis 15 Jahren erfolgt sein, sofern sich die ökonomischen Rahmenbedingungen einerseits nicht verschlechtern oder sich die Auswirkungen der demographischen Entwicklung bemerkbar machen. Bei 25 Liegenschaften wurde die Diskussion über eine Verwertung begonnen. Ich denke, dies ist eine stolze Bilanz, die vor gut 10 Jahren niemand hätte voraussagen wollen.
Bei den neuen Nutzungen dominieren das Wohnen mit 22 % und die Mischkonzepte mit 21 %. Der große Anteil von Mischkonzepten macht deutlich, dass moderner Städtebau und Stadtentwicklung nur über eine Vernet
zung verschiedener Nutzungsarten entstehen können. Gerade die Kombination von Wohnungsbau, Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Forschungsflächen steht oftmals für eine erfolgreiche Projektentwicklung. Auch ist in vielen Fällen und mit großen Vorteilen Wohnen und Arbeiten auf einer Fläche möglich geworden.
Wir entwickeln auf dem Hahn und in Zweibrücken den Flugbetrieb und siedeln dort flugnahe oder andere Betriebe an.
Wir haben mit der Konversion zu einer wesentlichen Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur beigetragen.
Wir haben neue Hochschuleinrichtungen, oft in Verbindung mit Technologieparks und Gründerzentren geschaffen.
Teilweise, insbesondere im Westen und in den Garnisonsstädten, gelang ein struktureller Umbau mit neuen städtebaulichen und strukturpolitischen Akzenten in den Städten und Gemeinden.
Eine wesentliche Verbesserung der Wohnraumsituation und eine Erhöhung der Eigentumsquote sind festzuhalten.
In Zahlen ausgedrückt heißt das, dass Land und Kommunen mittlerweile ca. 1,3 Milliarden Euro in diese Projekte investiert haben. Mit zeitlicher Verzögerung wird die Wertschöpfung mindestens beim Faktor 5 liegen. In den Projekten wurden direkt oder indirekt nahezu 34.500 Arbeitsplätze geschaffen. Ich denke, auf diese Bilanz können wir mit Recht stolz sein.
Nach einer Dekade der Konversionspolitik zeigt sich, dass die Projekte nicht nur konsequent fortgeführt, sondern teilweise strategisch neu positioniert werden müssen und zunehmend die Sicherung der Nachhaltigkeit der Projektergebnisse auf lange Sicht in den Vordergrund der Konversionspolitik rückt. Konversionspolitik verändert sich zusehends von einer quantitativen zu einer qualitativen Betrachtung.
Wofür steht nun das rheinland-pfälzische Modell der Konversionsbewältigung? Wir haben stets und eng mit den Kommunen zusammengearbeitet und den Schulterschluss gesucht. Wir haben eigene und effektive Entscheidungsstrukturen mit dem Konversionskabinett, der vorgeschalteten interministeriellen Arbeitsgruppe Konversion- und Strukturpolitik sowie den Clearingstellen
geschaffen. Das Land stellt seit langem sein Know-how als Dienstleistung den Kommunen, Projektentwicklern und privaten Investoren zur Verfügung, schafft Wissenstransfer in die Projekte hinein und berät, wo immer dies geht.
Meine Damen und Herren, es gelang in fast allen Projekten ein effektives Projektmanagement aufzubauen, vielfach unter Beteiligung privater Dritter. Ohne ein differenziertes und finanziell gut ausgestattetes Landeskonversionsprogramm hätten wir ansonsten kaum die richtigen Impulse setzen können.
Der Vollzug der Konversionspolitik zeigt, dass wir ein außerordentlich differenziertes und flexibel einsetzbares Förderinstrumentarium zur Verfügung haben. Wir haben mit bundesweiter Wirkung vier Grundtypen von Verwertungsmodellen entwickelt, die in Verbindung mit städtebaulichen Verträgen im Einzelfall passgenau ausgestaltet werden können.
Wir haben uns einer effektiven Erfolgskontrolle ausgewählter Konversionsfälle, der Programmstruktur und der Projektentwicklung unterzogen und werden noch in diesem Jahr entsprechende Schlussfolgerungen für die zweite, die qualitative Phase der Konversionspolitik ziehen.
Unsere Vorgehensweise und auch die erzielten Erfolge werden national wie international anerkannt. Es hat sich gezeigt, dass eine marktorientierte Angebotspolitik der öffentlichen Hand zur Vorbereitung der Projekte, der Flächen, zu Finanzierung und Vertragsgestaltung unabdingbar war. Die Erfahrung zeigt, dass erst nach öffentlichen Vorleistungen Private bereit sind und in der Lage waren, Projektinvestitionen zu tätigen.
Wie die durchgeführten Erfolgskontrollen ausweisen, kommt es auf den richtigen Mix von Dienstleistungs-, Finanzierungs-, Planungs- und Rechtsinstrumenten an, wobei für jedes Projekt ein Maßanzug geschneidert werden muss. Diesen muss man von Zeit zur Zeit aufbügeln, vielleicht auch ein wenig ändern, wie das beispielsweise bei mir der Fall ist.
Der grundlegende Neuaufbau – dies zeigt sich bereits heute in den meisten Projekten und allen konversionsbetroffenen Regionen sehr deutlich – führt dabei zu wesentlich besseren, wirtschaftlich krisensicheren und damit effektiven Ergebnissen. Eine konsequente, langfristig angelegte Demilitarisierungspolitik stärkt die Strukturen der Regionen besser. Dies gilt es zukünftig in der Struktur-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu beachten. Der Mut für Neues bringt uns letztlich weiter und nicht das Konservieren alter Strukturen.
Die vom Land ausgewählten Entwicklungsschwerpunkte, insbesondere dort, wo man vorhandene Bildungs-, Forschungs- und Entwicklungspotenziale nutzen konnte, wirken bis tief in die Regionen hinein und sind Kristallisationspunkte der regionalen Entwicklung über die einzelnen Flächen und Standorte hinaus geworden. Ein
Geflecht mittlerweile hochwertiger Parks, viele davon mit einer differenzierten technologischen, teilweise auch freizeitbezogenen Ausrichtung, sind Ausweis für den sich vollziehenden Strukturwandel und ermöglichen nunmehr eine wesentlich offensivere und nachhaltigere Ansiedlungspolitik. Vor allem die unternehmergeführten Parks geben im Rahmen klarer und spezieller Nutzungsprofile Chancen für Unternehmensgründungen.