Meine Damen und Herren, es war ein interessanter Ansatz von Herrn Kollegen Böhr, dass man abgewatscht wird, wenn man die Wahrheit sagt. Da ich abgewatscht worden bin, habe ich die Wahrheit gesagt. Das habe ich schon verstanden. Für das eigene Ego ist das in Ordnung.
Meine Damen und Herren, wir haben auch viel Unangenehmes in der vergangenen Wahlperiode durchsetzen müssen. Ich erinnere noch einmal an die Festwiese dort
drüben. Wir haben viele Aufgaben verändert. Dennoch haben die Wählerinnen und Wähler gesagt: Diese Koalition hat mein Vertrauen. – Meine Damen und Herren, auf dieses Vertrauen bauen wir auf.
Wir müssen uns anstrengen, damit wir dieses Vertrauen erhalten. Das ist kein Sparbuch nach dem Motto: Nun ist es so. – Es ist schwierig, das fünf Jahre lang durchzuhalten. Meine Damen und Herren, wir wollen das aber, und wir können das.
Meine Damen und Herren, ich begrüße weitere Gäste im Landtag, und zwar Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Regionalen Schule Puderbach.
Meine Damen und Herren! Herr Mertes hat vorhin gesagt – ganz kurz noch eine Vorbemerkung, aber Sie können ruhig schon rausgehen, weil sich das gar nicht auf Ihre Erklärungen bezieht, Herr Mertes –, man solle einmal die Fenster weit öffnen. Ich habe eine Bitte: Dem Parlament täte es sicher auch gut, wenn wir die Fenster weit öffnen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber meiner Meinung nach sind die Ursachen nicht nur die hitzigen Reden meiner Vorredner gewesen, sondern insgesamt das, was wir bisher verbraucht und transpiriert haben.
Jetzt zur Regierungserklärung: Nach dem Wahltag und nach den veränderten Kräfteverhältnissen in RheinlandPfalz hatte ich zunächst die Erwartung, dass mit der neuen Koalitionsvereinbarung eine Kurskorrektur in der Landespolitik eintreten würde. Das war meiner Meinung nach nicht nur meine Erwartung, sondern auch die Erwartung derjenigen, die ganz gezielt gewählt haben und die Sozialdemokratie in diesem Land mit diesem Wahlergebnis gestärkt haben. Diejenigen, die die Freien Wähler durch das Wahlergebnis abgestraft haben, hatten diese Erwartung sicherlich auch. Kurt Beck sollte Steuermann dieses Landes werden, und zwar ohne das Steuer teilen zu müssen.
Ich sage Ihnen, der Start in das neue Jahrhundert, die Erwartungen, die sich aus dem zusammenwachsenden Europa, aus dem globalen Umfeld, aus den demographischen Entwicklungen und aus der notwendigen globalen nachhaltigen Entwicklung ergeben, all diese Bedingungen erfordern eigentlich einen klaren Kurs – ich
Ich muss Ihnen aber sagen – ich sage Ihnen ehrlich, ich habe die Sozialdemokraten nicht gewählt –, wenn ich die Sozialdemokraten gewählt hätte, wäre ich noch viel enttäuschter; denn sie haben meiner Meinung nach die Chance dieses Wahlergebnisses nicht genutzt, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten. Ich sage auch, sowohl die Koalitionsvereinbarung als auch die Regierungserklärung waren nicht Zeugnis von einem klaren Kurs und auch nicht Zeugnis von Visionärem, auch wenn Herr Mertes eben noch einmal auf die Ganztagsschule hinwies. Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer. Ich sage Ihnen, das ist eine Idee, die überfällig war. Sie hecheln notwendigen Entwicklungen damit hinterher, auch wenn Sie sie in diesem Land als Erste einführen wollen.
Ich vermisse sowohl in der Koalitionsvereinbarung als auch in der Regierungserklärung ein klares Bekenntnis zur Verpflichtung für eine nachhaltige Entwicklung in Rheinland-Pfalz. Das ist eine zentrale und eine wichtige Aufgabe in diesem Jahrhundert.
Herr Dr. Schiffmann, Sie finden das nicht in den Leitlinien. Sie finden eine abgeschwächte, eine verfälschte Definition von nachhaltiger Entwicklung in dieser Regierungserklärung, aber das ist keine Leitlinie.
Herr Beck, jedem ökologisch denkenden Sozialdem okraten muss sich doch der Magen herumdrehen, wenn Sie von der Verknüpfung der wirtschaftlichen Entwicklung, der sozialen Wohlfahrt und dem dauerhaften Schutz der Lebensgrundlagen sprechen;
denn das heißt im Konkreten – jetzt schauen Sie einmal in das hinein, was Sie angekündigt haben – für Sie, keine Nachteile für die Chemische Industrie in Rheinland-Pfalz bei einer europaweiten Neuregelung im Umgang mit chemischen Altstoffen. Das hat Sie sogar nach Brüssel getrieben. Das ist in Ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt. Von gesundheitlichen Risiken dieser Altstoffe, von Gefährdungen der Umwelt durch diese chemischen Altstoffe ist noch nicht einmal mit einem Wort die Rede. Es geht nicht um einen Ausgleich, sondern es geht um eine klare Positionierung pro Wirtschaft.
Das heißt in einem anderen Fall – auch festgelegt in Ihrer Koalitionsvereinbarung – kein Ausbau der KraftWärme-Kopplung zulasten der großen Energieversorger. Jetzt erklären Sie mir einmal, wie Sie kurzfristig beim Energiesparen und bei einer Klimaschutzpolitik tatsächlich Erfolge erzielen wollen.
Im Konkreten heißt das: Frau Martini kann gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister und der FDP ihre Umwelt
politik, die vom Lobbyismus schon zur Unkenntlichkeit verzerrt worden ist, fortsetzen. Neuestes Beispiel ist, mit den Knöllchen der Politessen gegen das Dosenpfand vorzugehen. Das ist nur ein aktuelles Beispiel, aber das zieht sich durch das durch, was Sie bei der Umweltpolitik vorhaben.
Meine Damen und Herren, Sie benötigen keine starke FDP, um zentrale Herausforderungen, wie den Klim aschutz oder die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft, zu verpatzen. Das können Sie schon ganz alleine.
Sie benötigen auch keine FDP, um den Generalangriff auf die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu blasen. Auch das können Sie ganz allein. Die Gegenwehr unter Aufschrei der Gewerkschaften hat Ihnen das schon in das Konzeptbuch geschrieben. Wenn Sie Ihre Vorstellungen in Bezug auf die Zukunft der Arbeit vorlegen, ist das ein Zeugnis neo-sozialliberaler Politik. Da gibt es nur eins: Flexibilisierung, Flexibilisierung, Flexibilisierung. – Das ist Ihre Lösung, aber das kann nicht die Lösung sein.
Sie sind auf den Fahnen immer dabei, ein kinderfreundliches Rheinland-Pfalz zu schaffen. Ich sage Ihnen aber: In Wirklichkeit sind Sie dabei, eine wirtschaftsfreundliche Familie zu entwickeln. So ist Ihre Schwerpunktsetzung, und das ist die Ausrichtung Ihrer Politik.
Herr Beck, ich war schon verwundert, in einer Regierungserklärung eines sozialdemokratischen Ministerpräsidenten zum Beispiel kein Wort zu der aktuellen Diskussion um die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes zu hören. Auch da gibt es keine Position mehr, wie sie von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land erwartet wird, die einen Einsatz von Ihnen erwarten.
Bei dem Stichwort „Fantasievolle Arbeitsmarktpolitik mit Gender-Ansatz“ – mittlerweile sprechen auch die Herren der Sozialdemokraten das richtig aus – fällt Ihnen ein, eine Dienstmädchen- oder Dienstleistungsagentur für private Haushalte einzurichten. Das ist fantasievolle Arbeitsmarktpolitik. Ich sage: Das ist modernes Diens tmädchen-Management. Wir brauchen meiner Meinung nach etwas anderes in diesem Land für Frauen, die erwerbstätig werden wollen oder wieder erwerbstätig werden wollen.
Wir brauchen eine Qualifizierungsoffensive und eine tatsächliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Frauen, die in das Erwerbsleben wollen oder die beides
Meine Damen und Herren, nur an diesen wenigen Beispielen will ich Ihnen deutlich machen, dass ich der Meinung bin, dass Sie bei Ihrer Kursbestimmung falsche Prioritäten gesetzt haben. Das ist eine falsche Kursbestimmung sozialdemokratischer Prägung, und es gibt eine an Selbstverleugnung grenzende Distanzierung zur Politik der rotgrünen Bundesregierung. Das ist der Weg, den Herr Beck und die rheinland-pfälzische Sozialdem okratie einschlagen will.
Herr Beck, ich glaube und habe den Eindruck, dass Sie bei den Koalitionsverhandlungen zu viel Kraft darauf verwendet haben, Stühle zu rücken und Kräfte zu messen. Sie haben, um in einem Bild zu sprechen, vielleicht auch zu viel Kraft darauf verwendet, Ihre Leute aus der Ruderkammer zu holen, wo die FDP sie hinverbannt hatte, und die FDP jetzt dorthin zu verbannen. Die Kursbestimmung für die ersten entscheidenden Jahre in dem neuen Jahrhundert haben Sie aber verpasst.
Ich will Ihnen drei Fragen stellen, auf die ich in Ihrer Koalitionsvereinbarung und auch in Ihrer Regierungserklärung keine Antworten gefunden habe. Ich glaube, hier wäre es notwendig gewesen, Antworten zu finden. Das wären visionäre Fragestellungen und Maßnahmen gewesen, wie zum Beispiel: Wie werden Sie in RheinlandPfalz mit der zunehmenden Alterung in der Gesellschaft umgehen? – Diese Entwicklung ist abzusehen. Wir wissen es. Wir dürfen nicht im Nachhinein darauf reagieren, sondern müssen dies quasi vorwegnehmen und vorbereitend darauf hinarbeiten. Hierbei geht es um alle Lebensbereiche, wie zum Beispiel das Wohnen, die Mobilität, die Arbeit und die Frage, wie und wie lange wir zukünftig in der Gesellschaft lernen. Dazu haben Sie kein Wort gesagt. Sie machen Seniorenpolitik, stellen sich aber nicht dieser zentralen Frage.
Ich habe in Ihrer Regierungserklärung und in der Koalitionsvereinbarung auch keine Antworten auf die Frage gehört, wie wir in Rheinland-Pfalz mit der Aufgabe umgehen, Menschen, die seit vielen Jahren hier leben, aber nicht deutscher Abstammung sind, zu integrieren. Wie gehen wir mit der Frage der Zuwanderung um? Das ist ein Thema, das aktuell überall engagiert diskutiert wird. In Ihrer Regierungserklärung haben Sie dazu kein Wort gesagt.
(Ministerpräsident Beck: Ausführlich behandelt! – Staatsminister Bauckhage: Da hat sie nicht zugehört!)
Welche Entwicklungsperspektiven haben Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung und in Ihrer Perspektive für die nächsten fünf Jahre für ländliche Regionen aufgezeigt,
außer den Autobahnanschlüssen oder dem einen oder anderen Flughafen? Das reicht nicht aus, um ein ländlich strukturiertes Rheinland-Pfalz weiterzuentwickeln und von dem wegzukommen, was wir an Stadt-LandGefälle haben und Perspektiven für die Menschen schaffen wollen, die gern auf dem und im Land leben.
Herr Beck, ich komme zu Ihrer Nachfrage. In Ihrer Koalitionsvereinbarung steht zum Thema „Migration und Einwanderungspolitik“: „Die Ausländerbeauftragte leistet einen wesentlichen Beitrag zur Integration von Migrantinnen und Migranten. Diese verantwortungsvolle Arbeit soll fortgesetzt und im Lichte der Entwicklung der integrationspolitischen Weichenstellungen aktualisiert werden.“ Das sind die dürren Ausführungen, die diese Regierung der Gegenwarts- und Zukunftsaufgabe „Migrationspolitik“ widmet.