Herr Beck, ich komme zu Ihrer Nachfrage. In Ihrer Koalitionsvereinbarung steht zum Thema „Migration und Einwanderungspolitik“: „Die Ausländerbeauftragte leistet einen wesentlichen Beitrag zur Integration von Migrantinnen und Migranten. Diese verantwortungsvolle Arbeit soll fortgesetzt und im Lichte der Entwicklung der integrationspolitischen Weichenstellungen aktualisiert werden.“ Das sind die dürren Ausführungen, die diese Regierung der Gegenwarts- und Zukunftsaufgabe „Migrationspolitik“ widmet.
Herr Beck, unter diesem Thema haben Sie auf Ihr Engagement gegen den Rechtsextremismus in RheinlandPfalz zurückgeblickt. Es ist Ihnen zuzugestehen, dass Sie diesen Mainzer Appell gestartet haben. Es gibt aber keine Spur davon, was Sie an Integrationsangeboten bieten werden, an Integrationsleistungen erbringen und wie Sie in Rheinland-Pfalz eine Integrationsbereitschaft fördern wollen.
Wir brauchen auch in Rheinland-Pfalz einen Perspektivenwechsel hin zu einem Selbstverständnis als Einwanderungsgesellschaft.
Herr Kuhn, dazu braucht man einen ausdrücklichen Reformwillen. Davon ist aber bei Ihnen auch bei höchster Sensibilität keine Spur zu finden.
Rheinland-Pfalz ist durch die seit 40 Jahren stattfindende Einwanderung geprägt worden. Wir haben eine kulturelle Vielfalt.
Darin liegt der politische Auftrag an uns alle, dies zu erkennen und in der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass in der Zuwanderung Chancen liegen, aber auch Herausforderungen und Probleme für die Zugewanderten und auch für die aufnehmende Gesellschaft.
Herr Beck, ich finde – deswegen habe ich diesen Punkt auch an den Anfang meiner Kritik gestellt –, eine Regierungserklärung zu Beginn dieses Jahrhunderts – das haben Sie hervorgehoben – wäre eine hervorragende Stelle gewesen, diese Aufgabe und die Lösungsvorschläge und ihre Bewältigungsansätze diesem Parlament und der Öffentlichkeit vorzustellen.
Ich habe eher das Gefühl, dass Sie zu denen gehören, von denen Ulrich Beck in einem Beitrag in der „Süddeut
schen Zeitung“ gesagt hat, dass sie sich einer Lebenslüge hingeben. Herr Ulrich Beck nannte es die Lebenslüge des „jodelnden Hightech“. Was heißt das? Das heißt, dass es immer noch gesellschaftliche Kräfte, politische Parteien und politisch Handelnde gibt, die glauben, dass man in Zeiten der Globalisierung von der technisch-ökonomischen Globalisierung profitieren kann, ohne sich den Herausforderungen zu stellen, die ein multi-ethnisches Land zu bewältigen hat.
Ich glaube, in diesem Land gibt es eine Stimmung, davon profitieren zu wollen – davon zeugen nämlich auch Äußerungen, die Sie in diesem Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik und in Passagen Ihres Koalitionsvertrags in diesem Bereich gemacht haben –, dass Sie durchaus befürworten, die Grenzen für das Kapital durchlässig zu machen und die Grenzen für Arbeit, das heißt, für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nur in Mini-Dosen zu öffnen und ansonsten zu verbarrikadieren. Das kann keine Lösung für unsere Gesellschaft in Rheinland-Pfalz und in der ganzen Bundesrepublik sein.
Herr Kuhn, als Vertreter einer ehemaligen Bürgerrechtspartei sind Sie zu einer reinen Vertreterpartei des Turbo-Kapitalismus geworden. Noch nicht einmal von Ihnen ist dieses Thema besetzt worden. Wenn Sie sich vor fünf Jahren noch darauf geeinigt haben, die Stelle der Ausländerbeauftragten auszubauen und zu einer Leitstelle für Integration zu erweitern, finden Sie nach fünf Jahren noch nicht einmal mehr dieses Ziel in Ihrer Koalitionsvereinbarung. Sie haben es aufgegeben, in diesem Bereich zu arbeiten oder wollen sich diesem wichtigen Thema nicht stellen, dass sich nämlich Rheinland-Pfalz zu einer aufnehmenden Gesellschaft entwickeln und zu einem Verhältnis kommen muss, das nicht von Fürsorge, sondern von Partnerschaft geprägt ist.
Bei der FDP sehe ich diese Verluste an Werten schon seit langem. Ich glaube, die SPD schweigt, um ihrer Klientel nicht auf die Füße zu treten.
Meine Damen und Herren, das ist die falsche Botschaft mit einem Neubeginn einer Landesregierung. Das ist auch die falsche Botschaft einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung.
Sie reden von internationaler Schule. Damit hat Herr Kuhn sein Anliegen, die Eliteschulen im Land zu installieren, auch umgeben. Sie reden zum Beispiel nicht von interkultureller Schule. Sie reden von Bilingualität, aber nicht davon, dass zum Beispiel Mehrsprachigkeit und Pflege der nicht-deutschen Muttersprache eine Chance für diese Menschen und diese Jugendlichen ist, die man in der Schule pflegen und aufbauen muss.
Sie reden von internationaler Schule. Sie sprechen nicht von der Förderung von Migrantenkindern. Sie reden auch nicht davon, dass Flüchtlingskinder, die in Rheinland-Pfalz leben, endlich eine Schulpflicht haben müs
Wenn Ausländerbeiräte mit zu geringer Wahlbeteiligung gewählt werden, stellen Sie fest, dass sie nicht gebraucht werden. Dann ist Schluss mit lustig. Wenn nicht genug wählen gehen, löst man diese Beiräte einfach auf. Ich unterstütze das Anliegen, endlich das kommunale Wahlrecht für hier lebende Ausländer einzuführen. Damit bin ich d’accord.
Aber damit verbinde ich nicht, dass ich sage, Ausländerbeiräte bräuchten wir in Zukunft nicht mehr in diesem Land.
Herr Pörksen, ich glaube, dass diese Gremien eine Stärkung benötigen und auch das Interesse an der Wahl und an der Entscheidung über solche Gremien wieder eine Rolle spielt, wenn man ihnen die entsprechenden Kompetenzen einräumt.
Meine Damen und Herren, heute Morgen stand in einem Kommentar zur Regierungserklärung in der Überschrift: „Allen wohl, keinem weh.“
Herr Lelle, ich kann das so nicht vertreten. Ich sage Ihnen dies in Verbindung mit dem Stichwort „Flüchtlingspolitik“. Die Flüchtlingspolitik ist ein weißer Fleck auf der Landkarte in der Koalitionsvereinbarung. Ich finde nichts über eine humane Flüchtlingspolitik.
Herr Pörksen, ich weiss nicht, ob Sie die Abschiebeeinrichtung und die umgebende Landesaufnahmeeinrichtung in Ingelheim
als ein Zeichen humaner Flüchtlingspolitik sehen. Ich sehe diese Einrichtungen nicht als ein solches Zeichen. Für mich ist das eine Pervertierung einer Flüchtlingspolitik, die eingefordert wird.
Menschen, die nicht kriminell geworden sind, Menschen, die keine Tat begangen haben, um eine solche Inhaftierung zu rechtfertigen.
Sie wissen, die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände, die NGOs des Arbeitskreises „Asyl“, alle sie vertreten mit uns die Position, dass diese Einrichtung und der Betrieb dieser Einrichtung unterbunden und beendet werden muss.
Meine Damen und Herren, ich will zu einem zweiten wichtigen Kapitel kommen, bei dem wir sicherlich in vielem übereinstimmen, was die Analyse anbelangt. Herr Beck, ich teile Ihr Bekenntnis zur Bedeutung von Bildung und Lernbereitschaft für unsere Gesellschaft. Ich glaube, dass dies durchaus auch ein ernsthaftes und ganz zentrales Ziel der Politik in Rheinland-Pfalz sein muss. Aber ich frage mich, wo die ernsthafte Umsetzung ist.
Sie können nicht alles, was in der Bildungspolitik in diesem Land nicht korrekt läuft, hinter dem Plakat der Ganztagsschule verstecken. Das geht nicht.
Ich sage Ihnen, Bereitschaft zur Mobilität und zum Lernen – so haben Sie gestern gesprochen – heißt für uns von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor allen Dingen geistige und soziale Mobilität gerade bei jungen Menschen. Es heißt nicht Autobahnen, sondern es bedeutet, einen klaren Schwerpunkt der Investition in den Bildungsbereich dieses Landes zu setzen. In diesem Punkt sehe ich bei Ihnen schon Missverhältnisse. Ich sehe bei Ihnen diesbezüglich auch andere Schwerpunktsetzungen.
Ich kann nur sagen, wer Mobilität will, und zwar diese Mobilität, die ich soeben beschrieben habe, der muss die Hauptinvestition in die Wissensgesellschaft stecken. Das heißt, in Schulen, in die Hochschulen, und in die Weiterbildungslandschaft.
Herr Beck und Herr Bauckhage, Sie haben in Ihren Festlegungen zulasten der Zukunftschancen des Landes Rheinland-Pfalz vor, wieder einmal mehr in Straßen und Beton zu investieren – ich sage nur Mobilitätsmilliarde –, während wir in die Köpfe und Herzen investieren wollen.
Ich weiß, dass wir diese Auseinandersetzung in der Vergangenheit geführt haben, und sie wird Ihnen auch in Zukunft nicht erspart bleiben.