Protocol of the Session on February 16, 2006

Mit einem grenzenlosen Populismus gehen Sie auf Stimmenfang und versuchen, Sicherheitslücken zu suggerieren, die keine sind, und vergreifen sich wirklich richtig im Ton. Das sollten Sie langsam unterlassen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass diese Debatte geführt wird, um eine klare Position dieses hohen Hauses zu haben. Die Landesregierung ihrerseits hat diese klare Position.

Wir halten weiterhin an der Abwägung fest, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes hinsichtlich der äußeren und Inneren Sicherheit und hinsichtlich der Gewaltenteilung bezüglich dem, was auf Bundesebene nach der Wiederbewaffnung – 1955/1956 sind diese Ent

scheidungen gefallen und umgesetzt worden – noch einmal diskutiert und bestätigt worden ist, getroffen haben.

Die äußere Sicherheit ist Sache der Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland, eingebunden in die europäischen und die transatlantischen Bündnisse und internationalen Verträge und eingebunden in das Völkerrecht.

Das, was an Innerer Sicherheit zu gewährleisten ist, ist mit großem Bewusstsein auf die Länder übertragen worden und ist seitens der Länder durch die Polizei wahrzunehmen. Dabei gibt es einen besonderen Bereich des Schutzes der Außengrenzen, die, wie wir wissen, selbstverständlich auch an Flugplätzen, an Häfen etc. ihre Entsprechung finden. Dies wird durch eine Bundespolizei – früher Bundesgrenzschutz – wahrgenommen. Dafür haben wir klare Regeln, die sich in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bewährt haben.

Diese Regeln haben sich bewährt, und ich frage Sie: Müssen sie heute infrage gestellt werden? Welche Gründe gibt es dafür? – Herr Kollege Bruch, aber auch die Innenminister der meisten anderen Länder haben deutlich machen können, dass wir auf Großereignisse wie beispielsweise die Fußballweltmeisterschaft durch entsprechende Vorbereitungen, durch entsprechende Schwerpunktbildungen mit unserer Polizei eingestellt sind und die Polizeien der Länder so aufeinander eingespielt sind, dass jeweilige verstärkte Lagenerfordernisse auch durch gegenseitige Amtshilfe ergänzt werden.

Ich sehe also keinerlei Anlass – wenn man nichts dramatisieren will –, dass wir diese Feststellung der Innenminister in der Bundesrepublik Deutschland infrage stellen. Dass es natürlich dabei bleiben sollte, dass uns die Bundeswehr im Rahmen der jetzigen Abgrenzungen bei einem solchen Großereignis unterstützt und uns zur Verfügung steht, wie sich auch alle anderen Ebenen des Staates und der Kommunen gegenseitig unterstützen, halte ich für gut. Dafür bedanke ich mich. Es ist bereits deutlich gemacht worden, was mit Lazaretteinheiten und anderen diesbezüglich an Hilfe geleistet wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn die Lage so beurteilt wird und wenn man nicht ein Katastrophenszenario aufmachen will, das auch durch alle möglichen anderen Einsatzkräfte nicht mehr im Griff gehalten werden könnte, wofür es keinerlei Begründung gibt, frage ich mich erneut: Welche Begründung sollte es denn geben, ausgerechnet jetzt über eine Änderung des Grundgesetzes nachzudenken, was durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von dieser Woche mit einem noch größeren Fragezeichen zu versehen ist?– Alle Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, beispielsweise über den Einsatz von Waffen einer Armee im Inneren, sind zu beachten. Dies wäre auch im Fall des Objektschutzes zu beachten. Dies ist in der Tat eine völlig andere Situation als innerhalb militärischer Anlagen.

Frau Kollegin Kohnle-Gros, deshalb habe ich dazwischengefragt: Wo denn in Ramstein?

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Dort haben unsere Polizei und die Bundeswehr gemeinsam mit den Amerikanern darauf geachtet, dass die Zuständigkeiten gewahrt sind.

Ich habe in einem intensiven Gespräch mit dem damaligen Bundesverteidigungsminister dafür gesorgt, dass die Bundeswehr in Ramstein bleibt, und zwar auch wegen der Zusammenarbeit mit den Amerikanern, wegen der Drehscheibenfunktion und wegen der Stimmungslage, die mit solchen sehr positiv bewerteten Einsätzen verbunden ist.

Natürlich ist es auch weiterhin möglich, dass innerhalb von militärischen Anlagen – auch Nicht-Bundeswehranlagen, wenn dies erforderlich sein sollte – die Bundeswehr ihre Aufgabe wahrnimmt. Das ist überhaupt nicht infrage gestellt. Aber es ist etwas anderes, ob man mit der Bewaffnung, Ausbildung und Ausrüstung der Bundeswehr den Objektschutz mit in ihre Aufgabe einbezieht. Dies ist eine völlig andere Rechtssituation. Wir müssten nicht nur die Verfassung ändern, sondern ich bin davon überzeugt, dass wir in vielerlei Hinsicht die Ausbildung und die Voraussetzungen der Rechtsanwendung verändern müssten. Dies wissen Sie als Innenpolitikerin mindestens so gut wie ich.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das habe ich doch gesagt!)

Ja, das haben Sie gesagt, aber dies ist leichter gesagt als getan. Wir reden gerade über ein Szenario, das in wenigen Monaten beginnen wird. Selbst wenn man unterstellte, dass das Grundgesetz noch kurzfristig geändert werden könnte, könnte diese Situation nie und nimmer so umgesetzt werden, dass eine ausreichend vorbereitete Bundeswehr solche Polizeiaufgaben im Inneren übernehmen könnte.

Dies ist doch keine Behauptung, die irgendwelche Leute aufstellen, die kritisch zur Bundeswehr stehen. Sie wissen, dass dies für mich weiß Gott nicht gilt. Für die rheinland-pfälzische SPD, für diese Landesregierung, für die Koalitionsfraktionen und für alle anderen unterstelle ich dies genauso.

Es gibt keine kritische Distanz. Ich bin davon überzeugt und habe es in mehreren Reden, insbesondere aus Anlass der Jubiläen zum 50-jährigen Bestehen der Bundeswehr, öffentlich deutlich gemacht: Vielleicht gibt es weltweit nirgendwo eine Armee, die aufgrund der furchtbaren Erfahrungen, die Deutschland in seiner Geschichte gemacht hat, so tief im demokratischen Gedankengut verwurzelt ist. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel, und daran werde ich auch keine Abstriche machen lassen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Aber dennoch – nein, gerade deswegen – argumentiert die größte Zahl der Kommandierenden genauso wie die politisch Verantwortlichen einschließlich des neuen Bundesverteidigungsministers. Man muss Herrn Jung geradezu vor Ihrer Argumentation in Schutz nehmen. Deswegen argumentieren die politisch und die militärisch Verantwortlichen, dass ein solcher Weg nicht verantwortlich sei.

Reden Sie einmal mit den Verantwortlichen des Deutschen Bundeswehrverbandes. Reden Sie einmal mit Herrn Gertz über diese Frage. Ich habe das Gespräch mit ihm gesucht, und es hat stattgefunden. Herr Gertz argumentiert mit exakt den gleichen Begründungen wie wir, zusätzlich noch motiviert durch die Sorge um einzelne Soldaten, die aufgrund einer unzureichenden Ausbildung im Fall einer Provokation oder Ähnlichem rechtsstaatliche Fehlhandlungen begehen könnten.

Wenn es also diese Bedrohungslage nicht gibt, die eine solche Herausforderung auch nur annähernd darstellt und die eine Änderung des Grundgesetzes rechtfertigen würde, und wenn es diese gravierenden Bedenken in der Sache gibt, frage ich mich in der Tat: Warum sollten wir jetzt in dieser Zeit von einer der Grundlagen der Gewaltenteilung in dieser Bundesrepublik Deutschland zwischen Bund und Ländern Abstand nehmen und zwischen denen, die für den Staat das legitimierte Gewaltmonopol ausüben – zwischen der Polizei im Inneren und unserer Bundeswehr im Außenbereich, unter den Bedingungen, die unsere Verfassung vorgibt –, die Grenzen verwischen? Dies ist eine so tief greifende Veränderung unseres Gemeinwesens, eine tief greifende Veränderung der Grundstrukturen unserer Verfasstheit, dass ich dringend davor warne, dass wir eine solche Diskussion aus innenpolitischer Betrachtung heraus führen oder zur Entscheidung bringen.

Ich denke, wir sind gut aufgestellt. Wir müssen alle unsere Kraft darauf verwenden, unsere Polizei gut aufzustellen. Wir tun auch gut daran, unseren Beitrag dazu zu leisten. Ich bekenne mich sozusagen als Innenpolitiker dazu, dass wir unserer Bundeswehr die Ausstattung zukommen lassen, die es verantwortlich erscheinen lässt, sie im Rahmen ihrer Einsätze der Vereinten Nationen, der entsprechenden Hilfsaktionen und der Friedensaktionen in andere Kontinente zu schicken. Dies ist eine riesige Herausforderung. Der Bundeswehr aber zusätzlich noch eine Aufgabe zu übertragen, die von anderen ebenfalls gut, richtig und verfassungsgemäß erfüllt werden kann, halte ich auch unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr für nicht verantwortlich. Dies möchte ich in aller Deutlichkeit sagen.

Lassen Sie uns bei der bisherigen Lage bleiben. Wir sind gut vorbereitet. Lassen Sie ein bisschen mehr Freude über dieses große Ereignis aufkommen, als ständig über Horrorszenarien zu diskutieren.

Vielen Dank. (Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen nun zur Aussprache über die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hans-Josef Bracht (CDU) , Vorbelastungen künftiger Haushalte – Nummer 2 der Drucksache 14/4970 – betreffend, auf. Für die Antrag stellende Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Hans-Josef Bracht das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Thema lassen wir uns natürlich nicht entgehen.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)

Herr Staatssekretär, obwohl Sie nicht alle Vorbelastungen bekannt haben und vieles zu verschleiern versuchten, hat die Antwort der Landesregierung gezeigt, in welcher dramatischen Form das Land tatsächlich verschuldet ist und in welcher dramatischen Form die Regierung die Finanzen des Landes in eine Schieflage gebracht hat. Die Antwort hat gezeigt, dass die Landesregierung höchst unverantwortlich mit der Zukunftsfähigkeit dieses Landes umgegangen ist und umgeht. Sie hat gezeigt, dass es dieser Landesregierung um des eigenen Machterhalts ziemlich egal ist, wie zukünftige Regierungen und unsere Kinder die dann bestehenden Landesaufgaben noch finanzieren sollen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte dazu im Einzelnen kommen. Wenn man die Schulden und Belastungen des Landeshaushalts komplett erfasst und darstellt, dann muss man zu den originären Schulden von momentan 25 Milliarden Euro – Ende des Jahres werden es vermutlich etwa 26 Milliarden Euro sein – zusätzliche folgende Schulden und Verpflichtungen hinzuzählen, was ich machen möchte, nämlich die Schulden der Landesbetriebe LBB und LSV mit eigener Kreditermächtigung, die Schulden der Universitätsklinik, die aus dem Landeshaushalt zu begleichen sind, und die Schulden aus der privaten Vorfinanzierung von Investitionen für Straßen, Hochwasserschutz und Krankenhausbau. Es müssen außerdem die neuen Formen der kreditfinanzierten Vermögensoptimierung dazugezählt werden. Der Herr Staatssekretär hat dazu heute Morgen 52 Millionen Euro genannt.

Meine Damen und Herren, wenn man all das zusammenzählt, kommt man bis zum Ende des Jahres 2006 auf einen Betrag von über 28 Milliarden Euro Schulden, die das Land mittelbar und unmittelbar aufgenommen hat. Das entspricht einem Wachstum von 17,6 Milliarden Euro in 15 Jahren SPD/FDP-Regierung. Es ist eine Steigerung der Schulden pro Kopf um sage und schreibe 4.138 Euro oder 140 %.

Meine Damen und Herren, das ist die höchste Steigerung der Pro-Kopf-Verschuldung aller westlichen Flächenländer in dieser Zeit.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man die Vorbelastung für die Zukunft genauer errechnen möchte, muss man zumindest noch die formellen Verpflichtungsermächtigungen hinzurechnen, die mittlerweile ein Volumen von rund 1,8 Milliarden Euro erreicht haben. Dann kommen noch die informellen Verpflichtungen hinzu, die unter einem Haushaltsvorbehalt stehen sollen, wie es der Herr Staatssekretär heute Morgen gesagt hat, zum Beispiel beim Schulbau, wo Sie über Teilbeträge Bewilligungen aussprechen, über weitere Teilbeträge so genannte In-Aussicht-Stellungen, die

Sie aber tatsächlich bedienen müssen, denn sonst dürften die Schulträger in vielen Fällen überhaupt nicht mit dem Schulbau beginnen.

Aus all dem ergeben sich neben Tilgungsverpflichtungen auch massive Zinslasten. Es sind pro Jahr mittlerweile Zinslasten in diesem Landeshaushalt von rund 1,2 Milliarden Euro, die beglichen werden müssen. Es sind pro Jahr Zinslasten in dieser Größenordnung. Auch das sind Vorbelastungen, die in erheblichem Umfang auf Ihre Regierungstätigkeit zurückgehen.

Dann gibt es noch die weiteren politischen Zusagen, insbesondere vor den Wahlen, die Sie für später binden. Offensichtlich hat das Ministerium der Finanzen auch hierüber den Überblick verloren. Anderen aber wirft man Unseriosität vor. Ich denke, das ist so nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU)

Wer von Ihnen kann mir sagen, wo das Strukturprogramm für Schwimmbäder im Haushaltsplan veranschlagt ist? Sie wollen 90 Millionen Euro in den nächsten Jahren ausgeben und haben auch schon konkrete Zusagen vor Ort gemacht. Wo sind die Mittel hierfür veranschlagt? Wo sind eventuelle Verpflichtungsermächtigungen dafür veranschlagt? Aufgrund welcher Ermächtigung gehen Sie diese Vorbelastungen ein? Oder sollte ich die Frage in Bezug auf das, was heute Morgen diskutiert wurde, anders stellen? Ist dieses Strukturprogramm regierungspolitisch oder parteipolitisch in den letzten Tagen zugesagt worden? Das ist eine interessante Frage. (Dr. Weiland, CDU: Aber wirklich!)

Es wäre für uns einmal interessant zu erfahren, ob das Regierungspolitik oder Parteipolitik war, die der Herr Staatssekretär in Bad Ems und anderswo zum Ausdruck gebracht hat. Insgesamt haben Sie also einen riesigen Berg an Schulden, Verpflichtungen, politischen Bindungen, Zinslasten usw. angehäuft, den Sie zu verschleiern versuchen. Ich finde, das alles ist in höchstem Maße unseriös und verantwortungslos, was diese Regierung finanzpolitisch macht.

(Beifall bei der CDU)

Diesen Berg an Vorbelastungen haben Sie angehäuft, obwohl Sie in den letzten Jahren für über zwei Milliarden Euro Vermögen veräußert haben. Das muss man sich auch einmal vorstellen.

Ich denke, der Rechnungshof hat Recht. Sie haben den finanzwirtschaftlichen Handlungsspielraum des Landes verspielt. Sie haben den Haushalt an die Wand gefahren und haben laut Rechnungshof kein Konsolidierungskonzept. Was schlimmer ist, Sie haben keinen Konsolidierungswillen, weil es Ihnen egal ist, wie zukünftige Generationen noch Politik machen sollen.

Meine Damen und Herren, Sie haben uns gestern Unchristlichkeit vorgeworfen. Diese Politik nenne ich in höchstem Maße unchristlich. Sie leben heute auf Kosten anderer.

(Beifall bei der CDU)

Nachhaltigkeit lassen Sie Nachhaltigkeit sein, Hauptsache, Sie bleiben selbst an der Macht.

(Dr. Weiland, CDU: Unanständig ist das!)