Protocol of the Session on February 16, 2006

dann stellen Sie sich einmal vor, wir würden dort eine vorausgebildete Panzergrenadierkompanie mit dem G 3, mit dem Maschinengewehr 1 oder vielleicht sogar mit ihren normalen Waffen, nämlich mit den entsprechend gepanzerten Fahrzeugen, hinstellen. Wie soll dies deeskalierend auf eine von dem Verlust eines Spiels ein wenig seelisch geplagte Fangruppe wirken? Das kann ich mir nicht vorstellen. Meine Damen und Herren, das wünsche ich mir auch nicht, dass ich mir das vorstellen soll,

(Beifall der SPD und der FDP)

weil wir unsere Gäste nicht mit bewaffneten Soldaten begrüßen wollen, sondern weil wir sie mit unserer aus

gezeichnet ausgebildeten Polizei begrüßen wollen. Wir werden das auch mit denen schaffen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zwei Punkte sind also wichtig. Erstens passt die Ausbildung nicht dazu, und zweitens passt die Aufgabenstellung nicht dazu. Darüber hinaus ist es Aufgabe des Landes, diese Aufgabe wahrzunehmen.

Wenn die Vorstellung besteht, so hat sich der Bundesinnenminister geäußert, man könne Soldaten im Rahmen der Abordnung in Polizeieinheiten einfügen, kommt mir das so ein bisschen vor wie bei „Rio Bravo“, als John Wayne seine Hilfssheriffs eingeteilt hat.

(Glocke des Präsidenten)

Wir wünschen uns gut ausgebildete Polizisten, die deeskalieren und die mit den Fans umgehen können. Soldaten haben andere Aufgaben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Enders das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke Herrn Mertes für seinen ausgesprochen moderaten Wortbeitrag. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wir führen heute Morgen eine theoretische Diskussion; denn wir müssen feststellen, dass es im Deutschen Bundestag für eine Grundgesetzänderung keine Mehrheit gibt.

Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit zu handeln, da wir etwas Praktisches vor uns haben, nämlich die WM. Ich warne auch davor, die Diskussion ideologisch zu führen. Es geht nämlich nicht darum, unsere Gäste, die zu uns kommen, zu bewachen – das wäre allenfalls in nicht demokratischen Ländern möglich –, sondern es geht darum, diese Gäste zu schützen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Niemand, auch nicht die CDU-Fraktion in Mainz, ist darauf erpicht, die Bundeswehr zur Unterstützung der Polizei, zum Objektschutz, einzusetzen.

Hier stehen wir auch in keinem Dissens zu dem Bundesverteidigungsminister. Es kann Situationen geben, wo so etwas notwendig wird. Man muss die Lebenswirklichkeit sehen.

Meine Damen und Herren, seit September 2001 ist die Welt anders geworden, auch wenn wir es Gott sei Dank in Deutschland nicht merken. Der Begriff der asymmetrischen Bedrohung existiert real. Die Tragweite dessen, was durch den Terrorismus passieren kann, ist vielen noch nicht klar geworden. Wenn nämlich – darum geht es den Innenministern – eine Bedrohungslage entsteht,

die niemand wünscht, ist es bei entsprechender Lage zu spät zum Handeln, nämlich zum Beispiel dann das Grundgesetz zu ändern. Hier geht es um Vorsorge. Ich darf nur ganz dezent an die Olympischen Spiele 1972 erinnern, wo etwas Schlimmes passierte, mit dem niemand im Vorfeld gerechnet hat.

Gestern hat das Bundesverfassungsgericht das Luftsicherheitsgesetz, das rotgrüne Gesetz, gekippt. Ich darf daran erinnern, dass die CDU damals dafür war, die Verfassung zu ändern. „Durch dieses Urteil ist der Staat gefesselt.“ Ich zitiere hiermit den SPD-Innenexperten Hartmann, heute zu lesen in der „AZ“. Das ist ein Originalzitat von Herrn Hartmann.

Herr Wiefelspütz, der ein Innenexperte ist, geht noch einen Schritt weiter. Er geht sogar so weit, dass er unter Umständen das Grundgesetz für in der Lage sieht, bereits jetzt die Bundeswehr unter verschiedenen Voraussetzungen einzusetzen. Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten ganz kurz und aktuell aus den NordrheinWestfälischen Verwaltungsblättern vom 1. Februar 2006, Seite 42, zitieren: „Das Grundgesetz erlaubt nach Artikel 87 a Abs. 1 Satz 1 den Einsatz der Streitkräfte gegen einen terroristischen Anschlag von außen, wenn die Polizei nicht in der Lage ist, den Angriff abzuwehren.“ – Das wird immer wieder übersehen. Das ist die Meinung von Herrn Wiefelspütz. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ich darf abschließend sagen, dass die Bundeswehr bereits jetzt nicht nur in Afghanistan genau diese Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung wahrnimmt, die sie bei der WM wahrnehmen soll.

(Lewentz, SPD: Fußballstadien zu bewachen, oder was? Es kommen doch keine Taliban nach Kaiserslautern!)

Meine Damen und Herren, deswegen rate ich dazu, diese Diskussion nicht zu ideologisch zu führen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Auler.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich auf die Fußballweltmeisterschaft. Auch die rheinland-pfälzische Polizei freut sich auf dieses rheinland-pfälzische und deutsche Großereignis; denn die rheinland-pfälzische Polizei ist gut gerüstet.

(Beifall der FDP und der SPD)

Bereits seit vielen Monaten wurde von dem Innenministerium unter unserem Herrn Innenminister Karl Peter Bruch ein Organisationsteam gebildet. Es wurden mit anderen Bundesländern zusammen Vereinbarungen getroffen. Es werden alle möglichen Szenarien durchgespielt. Es wird ausreichend Vorsorge getroffen.

Die rheinland-pfälzische Polizei ist in einige Polizeisparten aufgeteilt. Es ist nicht so, dass plötzlich von heute auf morgen kein Polizist mehr auf der Straße wäre, sondern es werden außer dem, was man heute an Polizeipräsenz sieht – das wird auch dann so sein –, Bereitschaftspolizisten, Kriminalpolizei, aber auch Schutzpolizei eingesetzt.

Sicher ist es eine Riesenbelastung für die rheinlandpfälzische Polizei. Von vielen Kollegen, die mir das gesagt haben, kann ich versichern, dass sie sich auf diese Aufgaben und darüber freuen, wenn sie in dem Organisationsteam eingebunden sind. Sie freuen sich auf die Fußballweltmeisterschaft.

(Zuruf von der CDU)

Das ist richtig, auch eine Urlaubssperre. Die Kollegen akzeptieren das, weil das zu ihrem Beruf dazugehört.

(Beifall der FDP und der SPD)

Wir haben in Rheinland-Pfalz schon sehr oft große Einsätze gehabt, vielleicht nicht in diesem Ausmaß. Ich bin mir ganz sicher, dass die Polizei die große Belastung schafft.

Danke schön.

(Beifall der FDP und der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Marz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Herr Dr. Enders hat davon gesprochen, das wäre eine theoretische Diskussion. Allerdings wird in Berlin und in einigen Bundesländern diese Diskussion sehr praktisch geführt, indem – das hat er heute auch getan – im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft eine Sicherheitslücke suggeriert wird.

Ich sage Ihnen ganz offen: Damit soll die Fußballweltmeisterschaft als Türöffner benutzt werden, um den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu ermöglichen. Ich halte das angesichts der Sachlage für eine nicht gerechtfertigte Methode. Die Argumentation von Herrn Dr. Enders ist sehr brüchig. Wenn Sie den Anschlag bei den Olympischen Spielen 1972 in München nehmen, kann man nur fragen, was dort passiert ist. Wo hätte die Bundeswehr in München helfen können? Das ist doch absurd.

Die Konsequenz, die aus dem Anschlag von München 1972 gezogen wurde, war eine polizeiliche Konsequenz. Es wurden die GSG 9 und entsprechende Spezialeinsatzkräfte der Polizeien auf Länderebene gebildet, die durchaus erfolgreich entsprechende Einsätze gefahren haben. Das haben wir später gesehen. Der Grenzschutz – heute Bundespolizei – ist Polizei und kein Militär. Von daher greift das nicht.

Viele Argumente sind schon genannt worden. Die Ausbildung fehlt. Es wäre völlig sachfremd, Soldaten im Innern einzusetzen. Ich würde es auch mit großer Sorge sehen, dass beispielsweise Wehrpflichtige Hooligans gegenübergestellt werden sollen. Wie soll das gehen? Etwa mit einer kurzen Crashausbildung für Wehrpflichtige, die dann in einen solchen Einsatz gestellt werden? Das kann ich mir nicht vorstellen und sehe es mit Sorge.

Zu Gast bei Freunden? Sehen so Freunde aus, die martialisch bewaffnet mit entsprechenden Fahrzeugen und entsprechender Bewaffnung ihre Freunde empfangen? Ich glaube, das kann auch nicht unser Wunsch sein. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Anheuser, CDU)

Sie bauen eine Sicherheitslücke auf, die es nicht gibt. Sie sagen, die Länder bzw. die Polizei seien nicht in der Lage, Einheimische und Gäste zu schützen. Sehr viele Experten sagen Ihnen, dass das Unsinn ist. Natürlich sind diese dazu in der Lage. Die Polizei sagt das selbst. Im Übrigen ist das Militär aus guten Gründen auch nicht so sehr darauf erpicht, im Innern eingesetzt zu werden.

Es gibt auch historische Gründe. Die Väter und Mütter unserer Verfassung und unseres gesamten Rechtssystems haben sich sehr bewusst für eine klare Trennung des Militärischen und des Polizeilichen ausgesprochen und das niedergeschrieben. Unser Föderalismus ist auch in dieser Hinsicht eine Antwort auf historische Erfahrungen, dass man keinen zentral organisierten Sicherheitsapparat im Innern haben wollte und will.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die klare Grenze muss dort sein, wo es um die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols nach innen geht. Diese Durchsetzung ist der Polizei vorbehalten und kann und darf niemals mit militärischen Mitteln erfolgen. Wo sind wir denn? Das sind ganz andere Aufgabenstellungen. Wir haben es mit ganz anderen Voraussetzungen zu tun.

Verfassungsrechtlich ist die Sache klar. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe ich gestern und heute Äußerungen verschiedener Unionspolitiker gelesen, man müsse nun für eine klare Rechtslage sorgen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich nicht nur mit der Frage auseinander gesetzt, ob man Zivilflugzeuge abschießen darf, wenn sie eine Bedrohung darstellen, sondern auch mit dem Einsatz der Bundeswehr im Innern.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Das Bundesverfassungsgericht hat eine sehr klare Sprache gesprochen. Wer heute noch davon ausgeht, man müsse die Verfassungsrechtslage klären, soll sich dieses Urteil einmal anschauen und anhören, was die Richter gesagt haben.

Hier brauchen wir keine Klärung. Was vorhin bemerkt wurde,

(Glocke des Präsidenten)