Frau Ministerin, ich danke Ihnen für Ihre Antwort, die mich nicht überrascht hat; denn sie ist in weiten Teilen verständlich und hat durchaus am Schluss eine gewisse Perspektive aufgezeigt.
In diesem Zusammenhang haben Sie eine Presseerklärung der CDU-Fraktion vom 1. Oktober 2001 angesprochen. Bitte nehmen Sie mir ab, dass ich von mir aus die Presseerklärung angesprochen hätte, wenn Sie es nicht getan hätten, und gesagt hätte, dass sie nicht in Ordnung war. Deshalb möchte ich sie auch vom Tisch räumen.
Herr Ministerpräsident, im Übrigen habe ich Ihr Amüs ement mit großer Freude zur Kenntnis genommen, als Sie
gehört haben, dass das Buch in Thüringen genehmigt ist. Sie konnten sich vor Freude kaum bremsen. Zu Herrn Zuber haben Sie dann gesagt, dass dort Herr Vogel regiert. Aber die Tatsache, dass mein Freund Bernhard Vogel in Thüringen regiert, heißt nicht, dass dort nicht auch einmal Fehler gemacht werden können. Dort werden nur dann keine Fehler gemacht, wenn er sich mit der Sache selbst beschäftigt hat. So ist es.
Meine Damen und Herren, zum Buch: gymnasiale Oberstufe, drei Jahre Durchgang von der Antike bis zur Gegenwart. Gut, in Teilen sehr gut, manches ist brauchbar, manches ist kritisch zu sehen. Das Buch gibt vor, Geschichte sehr stark strukturalistisch zu sehen, Strukturen sowie gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen zu beschreiben und Personen zurückzunehmen.
An einigen Stellen macht das das Buch aber in nicht statthafter Form. Ich halte es beispielsweise mit Blick auf die europäische und deutsche Geschichte nicht für statthaft, dass Karl Marx in einem einzigen Halbsatz erwähnt wird, ohne dass die Auswirkungen des Marxismus und später des Marxismus/Leninismus aufgearbeitet werden.
In diesem Bereich gibt es überraschende, erhebliche Schwächen. Das, was das Buch vorgibt, hält es an vielen Stellen nicht durch. Auf zwanzig Seiten wimmelt es von Bismarck. Ich habe mich viele Stunden lang mit großer Freude mit diesem Buch beschäftigt und vieles wieder aufgefrischt. Ich kenne das Buch außerordentlich gut. Wahrscheinlich kenne ich es am besten von den Personen in diesem Saal, aber das ist die zwangsläufige Konsequenz einer solchen Beschäftigung.
Die Darstellung der Adenauer-Zeit ist korrekt und durchaus in vielerlei Beziehung auf Adenauer ausgerichtet. Die Darstellung der Ostpolitik in Bezug auf die Wende im Jahr 1970 ist akzeptabel. Auch die Darstellung Willy Brandts ist durchaus akzeptabel.
Frau Ministerin, bitte nehmen Sie mir aber eines ab – vielleicht kennen Sie mich aber auch schon so gut –: Wenn in diesem Buch Willy Brandt so behandelt worden wäre wie Helmut Kohl, würde ich genauso sagen, dass dieses Buch nicht hätte genehmigt werden dürfen.
Sein Beitrag zur Einheit wird völlig verschwiegen. Mittlerweile ist es in der Literatur weltweit anerkannt, dass es Kohl in einer sehr sensiblen Situation, vorbereitet durch die Entwicklung in der Sowjetunion, durch die Bürgerbewegung in der DDR und durch europaweite Veränderungen, gelungen ist, persönliches Vertrauen einzusetzen und die Schiene Gorbatschow - Kohl - Bush zum Erfolg zu bringen, begleitet durch bemerkenswerte Leute, wie beispielsweise den sozialistischen spanischen Ministerpräsidenten Felipe González, damals den Durchbruch durch diesen legendären Besuch auf der Krim im Sommer des Jahres 1990 zu erzielen.
Es gibt ein faszinierendes Buch. Die eine Autorin heißt Condoleezza Rice. Der Name kommt Ihnen wahrscheinlich bekannt vor. Das ist die Sicherheitsberaterin des
amerikanischen Präsidenten, die damals, bei Bush senior ganz eng eingebunden war. Sie hat mit einem amerikanischen Historiker, Philip Zelikow, das Buch „Sternstunde der Diplomatie“ herausgegeben, in dem beschrieben wird, wie das an Kohl hing.
Meine Damen und Herren, in diesem Schulbuch ist davon überhaupt nichts zu spüren. Ich bin dafür, dass der italienische Faschismus breit dargestellt wird. Was ist aber von einem rheinland-pfälzischen Buch zu halten, in dem die jungen Leute über Mussolini zehnmal mehr lesen als über Helmut Kohl? Dann helfen auch Preise nichts. Dann waren halt die Gutachter etwas voreingenommen.
In meiner Zeit als Kultusminister habe ich manche Bücher in die Hand bekommen. Ich habe mich auch mit manchem Buch – nicht mit jedem, das geht nicht – beschäftigt.
Es muss meiner Meinung nach aber auch möglich sein, dass Aspekte einer so grundsätzlichen Art in einem Buch – ich komme gleich noch darauf zurück, was darüber steht; das bedeutet überhaupt nichts; das können Sie genauso gut weglassen – gesehen werden und man sie speziell im Landtag von Rheinland-Pfalz, wo dieser Herr nämlich schon einmal gestanden hat, kritisch und wohlmeinend zur Sprache bringen darf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn sich ein alter Freund und Weggefährte Helmut Kohls daran stößt, dass ein Schulbuchautor nicht in dem Maße, wie er es selbst empfunden und vorgetragen hat, das artikuliert, ist das ehrenwert und legitim. Das wird nicht zu kritisieren sein.
Es ist auch ehrenwert und legitim, wenn Herr Dr. Gölter heute sagt, die Presseerklärung würde den Herrn Ministerpräsidenten diffamieren. Die Presseerklärung ist aber gemacht worden. Der Verantwortliche heißt – ja – Christoph Böhr. Die jeweiligen Schildknappen, die das für uns machen, werden nicht angeführt. Wir müssen unsere politische Verantwortung selbst tragen.
Wenn gesagt wird, der Biedermann Beck, der gezielt Geschichtsfälschung betreibt, offenbart sich als Brandstifter, musste das für uns bedeuten, es geht nicht um Helmut Kohl, sondern es geht darum, den Ministerpräs i
Ich nehme zur Kenntnis, dass ein Kollege der CDUFraktion, Herr Kollege Dr. Georg Gölter, für seine Person erklärt, – – –
(Dr. Gölter, CDU: Nein, für die Fraktion! Das ist gestern bei uns erörtert worden, und es bestand Einhelligkeit, dass diese Presseerklärung – – –)
Das haben Sie jetzt auf meine Intervention hin gesagt. Ich nehme das an. Sie haben das jetzt gesagt. Eben war das eine Erklärung eines Kollegen, der das mit einer sehr persönlichen Sicht dargestellt hat. Jetzt wissen wir, dass die Fraktion – vielleicht wird sie es auch noch mitteilen – – –
Herr Kramer, ganz einfach, weil Sie das andere auch mitgeteilt haben und es wirken ließen. Das ist doch der Punkt.
Meine Damen und Herren, gehen wir aber einmal einige Fakten an: Was glauben Sie, weshalb der damalige Kultusminister Dr. Georg Gölter – bis 1991 nicht ohne Erfolg – nicht ohne Überlegungen die Prüfung von Schulbüchern sozusagen vor das Ministerium, nämlich auf drei Experten, verlagert hat? Weil Dr. Georg Gölter damals der Auffassung war, es sei nicht Aufgabe des Ministers, hier Hand anzulegen, sondern das sollen Dritte für ihn beraten. Er nehme dann das Ergebnis zur Kenntnis. (Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)
Das hat Herr Dr. Georg Gölter damals für richtig gehalten. Das war auch richtig; denn sonst hätten wir das geändert. Wir haben es gelassen. Wir haben das genau so gelassen, wie es Dr. Georg Gölter in seiner Dienstzeit für richtig gehalten und praktiziert hat.
Nun wird verlangt, dass die neue Ministerin genau dieses richtige Verhalten nicht an den Tag legen soll, sondern dass sie sich anders verhalten soll, als es Dr. Georg Gölter für sich selbst für richtig gehalten hat. Meine Damen und Herren, das ist nicht fair!
Herr Dr. Altherr, widerlegen Sie doch einmal, dass Herr Dr. Gölter bis 1991 Kultusminister war und so gehandelt hat. Widerlegen Sie das doch!
Mein Punkt ist, Dr. Georg Gölter hat zu Recht und mit Recht zu kritisieren, wenn er der Meinung ist, dass der Bundeskanzler in dieser Frage nicht ausreichend gewürdigt worden ist, aber er hat selbst andere Instrumente benutzt und für zweckmäßig gehalten, als er selbst Minister gewesen ist. Diese Landesregierung hat genau die Instrumente, die er gefunden hat, – – –
Darum geht es wohl. Es geht darum, ob das, was gestern von der eigenen Fraktion für richtig angesehen worden ist, heute falsch sein kann. Darum geht es in Wirklichkeit.
Herr Dr. Altherr, bei den Zwischenrufen von Ihnen ist es eigentlich schon ein Wunder, dass in Ihrer Fraktion nach einer Beratung, wie wir jetzt gehört haben, die Frage, wie man den Ministerpräsidenten in diese Sache involviert, zurückgenommen worden ist. Das zeigt ein großes Maß an Möglichkeiten, wenn es darum geht, zuerst mit Schmutz zu werfen und dann Entschuldigung zu sagen.
Ich sage Ihnen nur Folgendes: Wir haben uns so verhalten, wie Sie es in Ihrer Dienstzeit gemacht haben, Herr Dr. Gölter. Wir werden uns auch in Zukunft genauso verhalten, weil das richtig gewesen ist. Vor dem Ministerium wird die Prüfung stattfinden, und es wird dann die Genehmigung erfolgen, wenn die Prüfer sagen, das Buch sei in Ordnung. Das haben die von Ihnen ausgesuchten Prüfer gesagt. Sie wurden von Ihnen und nicht von uns ausgesucht.